Eurofighter
New Member
- Registriert
- 19. Dezember 2011
- Beiträge
- 5.012
Was tut eine Gesellschaft, die ihre kranke Seite weder selbst sehen noch von Psychologen behandeln lassen will? Richtig: sie schreibt sie, mit mehr oder weniger journalistischer Grundausbildung, anderen zu. Manchmal wird aus ein paar fleischigen Störungen, über die unsere moderne Welt ganz gut hinwegkommen würde, gleich ein ganzer Katalog. Hätte die Gesellschaft ein einziges, besser noch: einzigartiges Ich, dann gäbe es wohl keinen besseren Titel dafür als "Mein Krampf". So aber, weil niemand wirklich sicher sein kann, daß die heute entdeckte Krankheitsvorstellung auch noch in tausend Jahrend wie ein Patient mit seinem Sonnengemüt eine Umlaufbahn um die Pharmaindustrie zieht, bleibt alles durchwebt von Vermutung. Die Rede ist vom neuen Meisterwerk, dem DSM 5 ("Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders").
Böse Zungen behaupten, die darin enthaltenen und mit größter mitmenschlicher Anteilnahme zusammengetragenen Störungsbilder aus der menschlichen Psyche seien allesamt von der Realität abgeschrieben. Doch die einfache Wahrheit ist: ein psychisch gesunder Beobachter muß sich, bildhaft wie ein Aufklärungsflugzeug, schon beim Schreiben soweit von der kranken Realität distanzieren, daß das aufgeklärte Objekt den angestrebten Rahmen ganz ausfüllt. Das ist nichts anderes als das Wirtschaftlichkeitsprinzip, nach dem unser Wachstumsplanet seit Anbeginn der menschlichen Zivilisation tickt. Dafür muß man eben auch Opfer in Kauf nehmen. Wer die Psyche im Überblick behalten will, muß damit leben, wenn ein großes Würstchen am Boden in der Luft wie eine kleine Pille aussieht.
Daß der Mensch grundsätzlich vernunftbegabt ist, mag sich allein noch nicht aus der Tatsache ableiten, daß er seinen eigenen Planeten bisher nicht in Stücke gesprengt hat. Vermutlich würde er sich diese subtilen wie unübersehbaren Bestrebungen auch nicht einfach zuschreiben lassen. Es bleibt da ein kognitiver Restbestand an freier Energie zu diagnostizieren, der schon zu Goethes Zeiten aus dem unbewußten Fegefeuer ins Himmelreich der Literatur gefunden hat. Als "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft." (Faust I)
Mit anderen Worten: der psychologische Beobachter schließt zwar einen Pakt mit dem Teufel, als er anfängt seine frühkindlichen Experimente mit Fröschen und Fliegen auf höhere Objekte wie den Menschen zu übertragen, wird aber im selben Augenblick selbst Bestandteil einer höheren Intelligenz, die über ihm wie Billionen außerirdische Experimente drohnen. Und die Botschaft lautet: der Doppelpunkt ist im Wesentlichen unsichtbar.
Der Doppelpunkt ist auch das einzige Satzzeichen, das nicht in sich selbst enthalten ist. Es verweist auf etwas anderes, etwas außerhalb stehendes, so wie der im Fluß der Zeit schreibende Redakteur sich selbst nicht sieht, aber trotzdem oberflächlich ein Bild zu malen in der Lage ist. Es funktioniert wie ein Suchbild, wie der ausgeschaltete Suchscheinwerfer, auf den der Mensch des 21. Jahrhunderts seine Vorstellungen von Platons Höhle malt.
Als Tierfreund freue ich mich über die wahren Wunder der Natur. Bin von bunten Papageien begeistert, die sich darauf verstehen, eine Melodie zu trällern, die exakt den Noten folgt, die vorher mit weißen und schwarzen Körnchen auf dem Boden ausgelegt waren. Ein Testmuster mit Farbbalken, um ihre Kapazität messbar zu machen. Ein ganzes Dschungel-Orchester mit melodiösen Pfeifen und einer tiefergelegten Begleitung, die weit über das tierische Gehör hinausgeht. Schließlich ist alles für einen guten Zweck. Sie ahnen es vielleicht schon. Auch wenn Sie sich wahrscheinlich nicht wiedererkennen werden. Als einfache Nummer im großen Teile-Katalog.
http://www.spiegel.de/gesundheit/ps...hische-stoerungen-und-diagnosen-a-838447.html
Böse Zungen behaupten, die darin enthaltenen und mit größter mitmenschlicher Anteilnahme zusammengetragenen Störungsbilder aus der menschlichen Psyche seien allesamt von der Realität abgeschrieben. Doch die einfache Wahrheit ist: ein psychisch gesunder Beobachter muß sich, bildhaft wie ein Aufklärungsflugzeug, schon beim Schreiben soweit von der kranken Realität distanzieren, daß das aufgeklärte Objekt den angestrebten Rahmen ganz ausfüllt. Das ist nichts anderes als das Wirtschaftlichkeitsprinzip, nach dem unser Wachstumsplanet seit Anbeginn der menschlichen Zivilisation tickt. Dafür muß man eben auch Opfer in Kauf nehmen. Wer die Psyche im Überblick behalten will, muß damit leben, wenn ein großes Würstchen am Boden in der Luft wie eine kleine Pille aussieht.
Daß der Mensch grundsätzlich vernunftbegabt ist, mag sich allein noch nicht aus der Tatsache ableiten, daß er seinen eigenen Planeten bisher nicht in Stücke gesprengt hat. Vermutlich würde er sich diese subtilen wie unübersehbaren Bestrebungen auch nicht einfach zuschreiben lassen. Es bleibt da ein kognitiver Restbestand an freier Energie zu diagnostizieren, der schon zu Goethes Zeiten aus dem unbewußten Fegefeuer ins Himmelreich der Literatur gefunden hat. Als "ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft." (Faust I)
Mit anderen Worten: der psychologische Beobachter schließt zwar einen Pakt mit dem Teufel, als er anfängt seine frühkindlichen Experimente mit Fröschen und Fliegen auf höhere Objekte wie den Menschen zu übertragen, wird aber im selben Augenblick selbst Bestandteil einer höheren Intelligenz, die über ihm wie Billionen außerirdische Experimente drohnen. Und die Botschaft lautet: der Doppelpunkt ist im Wesentlichen unsichtbar.
Der Doppelpunkt ist auch das einzige Satzzeichen, das nicht in sich selbst enthalten ist. Es verweist auf etwas anderes, etwas außerhalb stehendes, so wie der im Fluß der Zeit schreibende Redakteur sich selbst nicht sieht, aber trotzdem oberflächlich ein Bild zu malen in der Lage ist. Es funktioniert wie ein Suchbild, wie der ausgeschaltete Suchscheinwerfer, auf den der Mensch des 21. Jahrhunderts seine Vorstellungen von Platons Höhle malt.
Als Tierfreund freue ich mich über die wahren Wunder der Natur. Bin von bunten Papageien begeistert, die sich darauf verstehen, eine Melodie zu trällern, die exakt den Noten folgt, die vorher mit weißen und schwarzen Körnchen auf dem Boden ausgelegt waren. Ein Testmuster mit Farbbalken, um ihre Kapazität messbar zu machen. Ein ganzes Dschungel-Orchester mit melodiösen Pfeifen und einer tiefergelegten Begleitung, die weit über das tierische Gehör hinausgeht. Schließlich ist alles für einen guten Zweck. Sie ahnen es vielleicht schon. Auch wenn Sie sich wahrscheinlich nicht wiedererkennen werden. Als einfache Nummer im großen Teile-Katalog.
http://www.spiegel.de/gesundheit/ps...hische-stoerungen-und-diagnosen-a-838447.html