AW: Demian
Das Buch lese ich auch gerade. Bisher finde ich es hervorragend.
Mit einiger Verspätung doch noch mal zum "Demian". Leider hat sich mein Anfang so guter Eindruck dann gar nicht bewahrheitet. Das Buch hat mich sogar mit zunehmender Dauer etwas ärgerlich gemacht. Und ich frage mich auch, ob das richtige "Hesse-Alter" bei mir vielleicht doch vorbei ist, na gut so weit will ich nicht gehen.
Vielleicht bin ich auch zu unbedarft dafür und verstehe mich auch überhaupt nicht auf Jung`sche Konzepte und Motive, die Hesse wohl hier verarbeitet hat. Ich bin deshalb durchaus offen und ggf. dankbar für Kritik an meiner folgenden Kritik.
Aber es nervt schon ziemlich, wie Hesse, ähnlich dem "Glasperlenspiel" sich andauernd auf die Selbstrefkektion des Protagonisten stürzt, so als sei es ein Frevel, auch mal Handlungen laufen zu lassen. Selbstfindung hier und Selbstfindung da, kaum sozialer oder historischer Kontext, stattdessen wie aus heiteren Himmel ohne erkennbaren Anlaß wieder eine neue Form der Bewußtseinserweiterung. Und alles im mehr oder minder abstrakten Raum, da kann auch der Beginn des 1. WK am Ende nichts retten.
Wo es für mich gar bedenklich wurde, ist die Passage, in der Hesse seinen Sinclair vor lauter Eifer über den persönlichen Reifeprozeß sinnieren läßt, es sei (sinngemäß wiedergegeben) in der Vervollkommnung eigentlich egal, was man für ein (z.B. politisches) Ziel verfolge. Das ist schon etwas haarsträubend, bedenkt man die Zeit, in der das Buch geschrieben wurde. Mindestens ist es naiv. Klar muß man Hesse (ähnlich wie Nietzsches "Übermenschenideen") zugute halten, daß er beim Verfassen noch nicht wissen konnte, wie fatal sich gerade diese Gleichgult später verwirklichen sollte. Und sicher traf er ähnlich wie Nietzsche damit auch in gewisser Weise den Nerv der Zeit und bewies großes Gespür für diese unheilvolle Entwicklung der Moderne. Nur: Wurde sie auch richtig eingeschätzt? Bzw., hat Hesse sich vielleicht in eine innere Welt vor den Schrecken der Geschehnisse geflüchtet?
Jedenfalls gibt es mir zu denken und hindert meine Begeisterung für dieses Buch, das doch so gut begonnen hatte.
Hesse ist und bleibt für mich ein großer Schriftsteller. Aber überall, wo solche Größe ist, finden sich scheinbar auch gewaltige Breitseiten der Kritik.
Viele Grüße
Zwetsche