Also, einerseits bist du gegen die Illegalisierung von Kopftüchern als religiöses Symbol, andererseits bist du auch gegen das freie Tragen dieses Symbols?
Nicht ganz. Ich meinte hauptsächlich die Ganzkörperverhüllung. Aus Sicht einer Frau, die auf Gleichberechtigung steht, gefällt es mir nicht, wenn Frauen sich für untergeordnete Rollen( zeige mich nur meinem Mann) entscheiden. Das heißt aber nicht, dass ich ihnen reinreden möchte. Das ist auch nicht nur auf den Islam bezgen. Der ist hier aber nun einmal Thema.
Und hauptsächlich gings mir darum, dass kleine Mädchen das Kopftuch tragen möchten und ich habe hinterfragt, warum das der Fall sein könnte.
Ich bin aber nicht dagegen. Mir gefällt es nicht. Das ist ein großer Unterschied.
Ich gehe nicht von dem aus, was du schreibst. Ich sprach von einer Chance zur freien Entfaltung, nicht von einem Ausbruch aus Konventionen durch eigene Kraft. Ich erinnere mich noch an die erste Ethik-Unterrichtsstunde. Der Lehrer hatte für jeden einen Zettel mitgebracht, auf dem ein Spruch stand. Unter dieses Leitmotiv stellte er den Unterricht. Ich bekam das erste Blatt... “Werde, der du bist.“
Glaubst Du denn, dass jeder die Chance hat und vor allen, dass er sie auch ergreift?
Und was macht man mit denen, die die Chance verpassen oder Angst haben sie zu ergreifen?
Meiner Erfahrung nach, gibt es ausreichend Menschen die gar keine bekommen.
Und um die alle geht es mir.
Daher hatte ich als Argument gegen ein Kopftuch bei kleinen Mädchen auch angeführt, dass man ja als Umfeld kucken kann, wie es ihnen damit geht.
Selbstverständlich sollte man übrigens auf alle Kinder sein Augenmerk richten, wenn man merkt, sie werden in eine Form gepresst.
Wenn ich gefragt werde, welcher Konfession ich angehöre, gebe ich an, dass ich konfessionslos bin. Wenn ich meinen Glauben einordnen soll - im Smalltalk - sage ich: am ehesten evangelisch. Aber am nächsten fühle ich mich den Zeugen, weil alle anderen Christen an Dinge wie jungfräuliche Schwangerschaft und Entrückung glauben...
Du weißt schon, dass die Zeugen sehr wohl an die jungfräuliche Schwangerschaft Marias glauben, dass also Jesus in die Gebärmutter Marias gepflanzt wurde?
Zumindest war das so. Zu meiner Zeit. Sie sehen allerdings auch vieles als Götzen an- also es gibt da keine Form von Kult, das Abendmahl mal ausgenommen.
Ich kenne das Kopftuch für Frauen auch im christlichen Kontext. Und in ebendiesem Kontext habe ich auch Debatten darüber gehört und mitverfolgt. In manchen Gemeinschaften wird von verheirateten und älteren Frauen erwartet, während dem Gottesdienst ein Kopftuch zu tragen. Meine beiden Großmütter haben das gemacht und meine Mutter früher in einigen Kirchen auch.
Natürlich gabs und gibt es das. Heute ist es ein Modeaccessoires und sieht auch als "Verhüllungsobjekt" nicht unbedingt schrecklich aus.
Aber: es geht um Kinder. Grundschülerinnen. Und die Mädchen und Frauenrolle.
Ich will eines Tages genau hier in einer Gesellschaft aufwachen, in der Frauen das Haus ohne Make-up und mit unrasierten Beinen verlassen können, ohne dabei das Gefühl zu haben, nackt und ungepflegt zu sein oder so wahrgenommen zu werden
Ja. Eben. Raus aus der Rolle, nicht hinein.
Aber das muss freiwillig geschehen.
Ich hatte übrigens keine besondern getrennte Gardarobe, als ich "klein" war. Ich hatte andere Klamotten. Immer. Der einzige Unterschied war, dass man bei zeigen Tätigkeiten einen Rock zutragen hatte*.
Das war so, bis ich angefangen habe selber Geld zu verdienen und mich Läden getraut habe, die mir gefallen haben. Da hatte ich dann meine erste, richtige Jeans. Oder meinen ersten kürzeren Rock.
Es ist nicht viel, aber jeder sollte dieses Gefühl von Freiheit kennen
.
Ja. Und niemand sollte einen Menschen dran hindern, sich zu entfalten.
Deswegen ist die Kopftuchfrage, kleine Mädchen betreffend, auch nicht so leicht zu beantworten.
Erst Recht dann nicht, wenn jeder Kritiker, in die rechte Ecke gedrängt wird.
Aber ich wiederhole: ich bin nicht für Verbote, weil mir etwas ( aus bestimmten Gründen)nicht gefällt.
* ich glaube das Buch"Ich wollte Hosen"( Laura Cordella) hat mir diesbezüglich auch sehr gut getan. Auch wenn ich zum Glück keine derartigen Erfahrungen gemacht habe.