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Das Ende eines Kult-Philosophen: Die schwarzen Hefte!

Ich lese hier nur noch mit und ziehe mich zurück.
Der Ariadnefaden ist 'zerstückelt' und die meisten Philosophen erkennen nur Teile, leider.
Hegel ist eine Ausnahme, denke ich.
Heidegget hat davon nicht viel verstanden, deswegen für mich völlig uninteressant.
Und wenn du aber etwas wichtiges in Heidegger erkennst, ist das deine Sache.
Ich habe meine Sache auf 'Nichts' eingestellt, aber mit einem Wissen, das jenes Nichts, etwas ist. ;)


Nun das kann ja natürlich jeder halten hier wie er möchte, denn es handelt sich ja hier um eine freiwillige Angelegenheit, was dieses Forum anbetrifft...wobei durchaus interessante Diskussionen vorkommen können...

Nun wie du weißt, gibt es recht unterschiedliche Sichtweisen auf einen Philosophen, ob dies nun Hegel oder Heidegger oder Nietzsche oder Schopenhauer usw.. ist---Für die einen ist der Philosoph X der größte Scharlatan , für die anderen eben ein philosophisches Genie...Aber wer hat nun recht von beiden Seiten? Gerade dies lässt sich nicht so leicht sagen...

Im Falle von Heidegger und Nietzsche würde ich sagen, dass beide produktive Denker auf ihre Art waren..Das ist meine Meinung , welche ich auch nachvollziehbar aus meiner Perspektive begründen..Aber ich zwinge niemanden meine Sichtweise natürlich auf...und manchmal sind eben Meinungsverschiedenheiten nicht zu vermeiden :cool: Es wird vermutlich immer da zwei Lager hinsichtlich eines Philosophen X geben ...Meine Position ist ja mittlerweile deutlich geworden.

Auch das Nichtseiende hat ein/sein Sein wovon ja Gorgias schon sprach...
 
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Passend zum blöden Geniekult.

Würde eher sagen auch unabhängig von diesem.


Wie zum Beispiel die Wissenschaft der Astrologie?

"Ausnahmen" bestätigen die Regel, wie es so schön heißt. "Fundamentalontologie" ist z.B. so ein wissenschaftliches Unterfangen.


Horoskop zum Tage in der BILD (z.Bsp.).

Nun auch hier gilt: "Ausnahmen" bestätigen aber die Regel.


War doch überhaupt nicht nötig, ist sie es doch schon beim Aristoteles. Metaphysik ist nun einmal die erste Wissenschaft überhaupt.

Nun das sah Hegel etwas anders (aus der Vorrede):


"Die wahre Gestalt , in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaftliche System derselben sein. Daran mitzuarbeiten, dass die Philosophie der Form der Wissenschaft näherkomme-dem Ziele, ihren Namen der Liebe zum Wissen ablegen zu können und wirkliches Wissen zu sein, ist es, was ich mir vorgesetzt. Die innere Notwendigkeit , dass das Wissen Wissenschaft sei, liegt in der Natur und die befriedigende Erklärung hierüber ist allein die Darstellung der Philosophie selbst. (...) Dass die Erhebung der Philosophie zur Wissenschaft an der Zeit ist, dies aufzuzeigen würde daher die einzig wahre Rechtfertigung der Versuche sein, die diesen Zweck haben, weil sie dessen Notwendigkeit dartun, ja sie ihn zugleich ausführen würde."

Und Hegel kannte ja die "Aristotelische Philosophie" und ihre "spekulative Tiefe"...anscheinend sah er in Aristoteles noch keine befriedigende Wissenschaftlichkeit /Wissenschaft gegeben, obwohl er sonst viel von Aristoteles gehalten hat. Die Rede von der "ersten Philosophie" bei Aristoteles ist mir natürlich bekannt...


Eben. Der Glaube ist zweifelsfrei wichtig, aber das Wissen , die Zweifel und die Hoffnung nicht minder.

Nun ich hatte es eben auf diese Weise formuliert...aber "wirkliches Wissen" zu haben, wie Hegel es meinte, ist natürlich noch besser.


Was läßt mich da nachvollziehen?

Tippfehler: Es sollte heißen: Das lässt sich doch nachvollziehen oder?

Ein kleiner Fehlerteufel, welcher vorkommen kann...


So kann man meinen, aber einsehen muß man das wohl nicht.

Ich denke, dass die Genealogie der Moral überwiegend als philosophisch-wissenschaftliche Abhandlung empfunden wird.


Verbalgülle ist nun mal eine schlecht vergorene verbale Jauche.

Nun Ihre Meinung ist ja bekannt dazu...


Dann ist es zweifelsfrei meine Meinung und was noch?

Grüß Gott!

Nun ich habe eben nur Ihre Meinung hier festgehalten und was sollte es denn noch mehr sein (als ihre subjektive Meinung) ?

Salve!
 
Die Heideggersche "Analytik des Daseins" findet also deiner Meinung nach "in 'der' Welt statt"? Was meint dann Heidegger damit, dass sie "vor jeder Psychologie, Anthropologie und erst recht Biologie" liegt und auf einer "Freilegung des Apriori" fußt?:

In der existenzialen Analytik des Daseins [wird] eine Aufgabe mitgefördert, deren Dringlichkeit kaum geringer ist als die der Seinsfrage selbst: Die Freilegung des Apriori, das sichtbar sein muß, soll die Frage, »was der Mensch sei«, philosophisch erörtert werden können. Die existenziale Analytik des Daseins liegt vor jeder Psychologie, Anthropologie und erst recht Biologie. (Martin Heidegger, "Sein und Zeit", § 9)

Nochmal: Heidegger verfolgt (ob er dies nun selbst wahrhaben möchte oder nicht) einen klassischen transzendentalphilosophischen Ansatz.

Nein, ich sagte doch:

"Die menschliche Existenz findet für Heidegger in "der" Welt statt. Denn zur Grundverfassung des Daseins gehört sein/das In-der-Welt-sein."

Das Dasein ist In-der-Welt-sein (die Daseinsanalytik ist doch was anderes , aber sie bezieht sich eben auf das "Dasein"). Das Dasein - der Mensch- existiert in der Welt.

Das was du nachfolgend geschrieben hat, betrifft ja Heideggers Abgrenzung der Daseinsanalytik von den anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Sein und Zeit ist nämlich keine "Psychologie" noch eine "Anthropologie".

Nebenbei gefragt: was verstehst du unter einem "klassischen transzendentalphilosophischen " Ansatz?




Hier wird der Mensch als ontologisches und nicht als soziales Phänomen analysiert bzw. kategorisiert. Die "Wissenschaften" werden mitunter ontologisch bestimmt, d.h. in das eigene ontolog. Konzept beschreibend (von einer Meta-Ebene ausgehend) integriert. Die "Wissenschaften" sind aber das, was gemeinhin die soziale Wirklichkeit (z.B. Psychologie, Anthropologie) im Blick hat.

Das schon. Allerdings wird ja klar auch durch diese Stelle (man kann auch andere Stellen nennen aus Heideggers Werk), dass das Dasein letztlich nichts anderes meint als den Menschen als Seiendes (und seine Existenz). Heidegger betrachtet die anderen wissenschaftlichen Disziplinen hier aus seiner "fundamentalontologischen" Perspektive.

So heißt es in "Sein und Zeit" (S.51):

"Es ist nicht ausgemacht, ob die Alltagspsychologie oder gar die wissenschaftliche Psychologie und Soziologie, die der Ethnologe mitbringt, für eine angemessene Zugangsmöglichkeit, Auslegung und Übermittelung der zu durchforschenden Phänomene die wissenschaftliche Gewähr bieten. Auch hier zeigt sich dieselbe Sachlage wie bei den vorgenannten Disziplinen. Ethnologie setzt selbst schon eine zureichende Analytik des Daseins als Leitfaden voraus. Da aber die positiven Wissenschaften auf die ontologische Arbeit der Philosophie weder warten können> noch sollen, wird sich der Fortgang der Forschung nicht vollziehen als <Fortschritt> sondern als Wiederholung und ontologisch durchsichtigere Reinigung des ontisch Entdeckten."

Für Heidegger bieten die "Wissenschaften" nicht immer ausreichend wissenschaftliches Gewähr für die zu erforschenden "Phänomene" , jedenfalls würde ich dieses Zitat hier in dem Sinne so lesen...daher ist eine Daseinsanalytik (im Speziellen) erforderlich.


Eben. Wenn Mensch und "Dasein" dasselbe wären, bräuchte Heidegger nicht erst einen eigenen Begriff zu kreieren.

Nun wenn Heidegger aber vom "Dasein" spricht , meint er aber nur den Menschen damit (vgl. GA 58, S.66). Er hat sich eben terminologisch so dafür entschieden , dafür den Begriff "Dasein" in SuZ zu nehmen (obwohl er damit inhaltlich den Menschen meint)


Abermals: Hier findet eine transzendentale Analyse statt und keine soziologische.

Nun sprechen wir eben von der "fundamentalontologischen" Analyse, welche zwar nicht explizit von Sozialität spricht, aber es doch das Phänomen des Sozialen reflektiert.


Wo bitteschön sind in "Sein und Zeit" die Begriffe "soziale Verfasstheit" sowie "soziale Gegebenheit" zu finden?

Die Begriffe gibt es natürlich nicht bei Heidegger, also in Sein und Zeit , aber der Sache nach reflektiert Heidegger mit seiner Terminologie die "soziale Verfasstheit" von/der Welt meiner Meinung nach.


Wieso spricht er dann vom "Dasein" und nicht vom Menschen?

Nun weil er sich terminologisch so festgelegt hat. Er hätte auch irgendeinen anderen Begriff nehmen können (welcher auch den Menschen meint). Das sind eben terminologische Setzungen bei ihm, die manchem eben recht willkürlich vorkommen kann.


Nochmal und nochmal: Heideggers "Analytik des Daseins" ist keine Analyse gesellschaftlicher Wirklichkeiten (für Heidegger besorgen das die "Wissenschaften"), sondern eine transzendentale.

Heidegger analysiert im Rahmen der (phänomenologischen ) Fundamentalontologie gewisse soziale Phänomene , grenzt sich aber zugleich vom Ansatz der Soziologie beispielsweise ab. Diese Fundamentalontologie will sich daher weder als Anthropologie noch als Soziologie verstanden wissen, reflektiert aber die soziale Situation des Menschen in der Welt , hinsichtlich nämlich seiner Koexistenz mit anderen Menschen...In dem Heidegger-Handbuch , woraus ich ja zitiert habe, wird dieses Denkmodell eben auch als Denken der/einer "rudimentären Sozialität gesehen". Es ist insofern paradox , dass Sozialität schon hier in gewisser Weise gedacht wird, allerdings dieser fundamentalontologische Ansatz sich nicht als Soziologie oder dergleichen auffasst.


Wieso sollte Heideggers "Fundamentalontologie" eine "Sozialontologie" sein? Heidegger würde sich - wenn er es nicht schon längst unternommen hat - im Grabe herumdrehen.

Nun insofern, weil in dieser Ontologie Heideggers das Soziale als soziales Phänomen im Grunde reflektiert wird (also das "Mitsein" mit Anderen, die "intersubjektive Welt" usw), auch wenn es so nicht bezeichnet wird von Heidegger. Der Begriff sozial taucht nämlich nicht in SuZ auf wie du schon angemerkt hast (aber der Sache wird es schon gedacht bei Heidegger).

Naja was deinen letzten Satz anbetrifft: darüber kann man ja nur spekulieren (ob das wirklich so der Fall wäre).


Du setzt "soziale Verfasstheit" (ein Begriff aus unkritischer Sekundärliteratur, der bei Heidegger gar nicht auftaucht) mit "sozialer Struktur" gleich (der ebenfalls nicht der Heideggerschen Terminologie entspricht) und hebst somit die ontolog. Differenz, auf der Heideggers transzendentalphilosophisches Konzept aufbaut, kurzerhand nach eigenem Gutdünken (bzw. verführt von zweifelhafter Sekundärliteratur) auf.

Nun Begriffe wie "soziale Verfasstheit von Welt" oder "rudimentäre Sozialität" habe ich der Heidegger-Sekundärliteratur hier entnommen und bin der Meinung, dass diese Begriffe durchaus ihre Plausibilität haben, wenn man sie auf Heideggers eigene Texte bezieht. Denn wie schon gesagt: auch wenn Heidegger nicht explizit von Sozialität terminologisch spricht (und solche Begriffe auch nicht in seinem Vokabular auftauchen) , wird das Phänomen des Sozialen und seine Formen schon bei Heidegger der Sache nach gedacht. Die Anwendung von bestimmten Begriffen auf Heideggers Texte , die er selbst nicht kannte, kann insofern legitim sein, wenn sie der Sache nach schon zu treffen. Und im Falle des Sozialen bzw. des Phänomens des Sozialen bin ich schon der Meinung, dass man im Grunde mit den Begriffen "soziale Verfasstheit" oder auch "soziale Struktur" durchaus hier analytisch arbeiten kann. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich damit unbedingt die ontologische Differenz hier aufhebe,

Und das Heidegger-Handbuch aus dem Metzler Verlag würde ich nicht unbedingt als "zweifelhafte Sekundärliteratur" auffassen, sondern eher als seriös.

Man kann Begriffe für Heideggers Texte verwenden , die zwar Heidegger selbst fremd waren, aber der Sache nach im Grunde so bei Heidegger zu finden sind.


Meine natürlich.

Warum soll deine Philosophieauffassung die richtige sein?


Das besagt doch nichts, jeder gibt vor, "am Begriff" und "mit Begriffen" zu arbeiten. Dass Heidegger Begriffe vor allem als äußerliches Sprachphänomen (d.h. als Worte) behandelt, wurde unlängst detailliert kritisiert.


Ernst Tugendhat spricht bei Heidegger im Zusammenhang mit seinem unklaren Begriff von "Welt" sehr zutreffend von einem "Wortfetischismus": Fast immer, wenn er [Heidegger] auf ein neues Phänomen zu sprechen kommt, bezeichnet er dieses, statt durch eine strukturelle Beschreibung, erst einmal mit einem Wort, einem Substantiv - er scheint dann zu unterstellen, daß dieses für eine bestimmte Sache steht, deren Struktur nachfolgenden und z.T. späteren Erläuterungen überlassen werden kann. Eine mehr nominalistische Auffassung, der zufolge wir es mit verschiedenen Strukturen zu tun haben, bei denen es eine offene Frage ist, wieweit sie zusammengehören, und daß die Zuordnung zu einem Wort eine bloße Frage der Nomenklatur ist, lag ihm fern. (Ernst Tugendhat, "Aufsätze 1992-2000", 2001, Suhrkamp: Frankfurt, S. 110).

Jeder Philosoph arbeitet ja mit (seinen eignen) Begriffen, ob das jetzt Kant oder Hegel oder Nietzsche oder Heidegger oder Platon oder Aristoteles ist. Jeder dieser Denker hat seine eigene philosophische Begrifflichkeit, die eben zur "Philosophie" des jeweiligen Denkers gehört. Philosophie ist eine begrifflich produktive Tätigkeit und führt meist auch zu neuen philosophischen Begriffen. Hegel hat seine eigenen philosophischen Begriffe, Nietzsche hat das, Kant hat das , selbst Platon und Aristoteles haben ihre eigenen Begriffe und so hat dies eben auch Heidegger. Also könnte man sagen, ein Philosoph ohne eigene Begrifflichkeit wäre im Grunde kein Philosoph.. Wenn man die Philosophiegeschichte so sieht ist sie eigentlich auch als Abfolge verschiedener Begriffssysteme zu sehen, die mit unterschiedlichen Denksystemen korrespondieren> also Hegels Begriffswelt gehört zu Hegels Denksystem, Nietzsches Begriffssystem gehört zu Nietzsches Denksystem usw. usf. Diese Begriffe gehören eben zum Philosophieren von Hegel , Nietzsche und Co.

Hegel:

"Wahre Gedanken und wissenschaftliche Einsicht ist nur in der Arbeit des Begriffs zu gewinnen".

Philosophen erfinden/setzen (philosophische) Begriffe und arbeiten mit diesen. Philosophie ist daher vor allem auch eine begriffliche Tätigkeit, bringt also neue hervor und denkt mit diesen gewisse Sachverhalte. Und das ist das was Philosophen im Grunde seit sehr langer Zeit (sagen wir mal 2500 Jahre) tun und was man von der Form her/vom Prinzip her auch bei Heidegger so finden kann.

Heidegger hat ja bewusst eine neue philosophische Terminologie schaffen wollen.

Ob man dies jetzt als "Wortfetischismus" sehen/auffassen sollte wie dies Tugendhat anscheinend tut, wäre ich eher nicht so geneigt zu sehen...Die Frage ist für mich vor allem ob die Begriffe die Heidegger geschaffen hat als "sinnvoll" betrachtet werden können oder nicht bzw. positiv für die Analyse von Welt genutzt werden kann...oder ob seine Begriffe eher die Dinge der Welt "entstellen" (über manche Begriffe und deren Sinnhaftigkeit wurde ja schon kontrovers diskutiert...Begriffe wie "Gestell " oder "Geviert" oder andere haben ja nicht nur Zustimmung usw. erfahren; man hat sich eher auch zum Teil lustig gemacht , z.B. was Heidegger Rede vom Menschen als "Hirt des Seins" anbetrifft....> man hatte also bzw. hat also seine Schwierigkeit mit Heideggers Sprache bzw. mit Heideggers Umgang hinsichtlich der Sprache/Begriffe)....


Schön für den "Positivismus", aber was hat das nun mit Wissenschaft bzw. Metaphysik zu tun? Hat deiner Ansicht nach der sogen. "Positivismus" des 20. Jahrhunderts Wissenschaft bzw. Metaphysik entscheidend geprägt oder warum beziehst du dich überhaupt darauf?

Gruß
Phil


Nun soweit ich das philosophiegeschichtlich sehe , hatte der Positivismus eine Auffassung Wissenschaft entwickelt, welche sich am Empirischen /Positiven orientiert und daher war den Positivisten Metaphysik insofern ein Dorn im Auge , da Metaphysik selbst keinen empirischen sondern spekulativen Charakter hat.

Ich empfehle dazu das vor kurzem erschienene Reclamheft zur "Wissenschaftstheorie" (2016), wo der Gegensatz von Wissenschaft und Metaphysik in dem Sinne betont wird, im Sine einer Orientierung der Wissenschaft am Beobachtbaren.

https://www.amazon.de/Texte-zur-Wis...7&sr=1-2&keywords=wissenschaftstheorie+reclam

Zitat aus diesem Buch:

"Was unterscheidet die Wissenschaft von der Nicht-Wissenschaft, insbesondere von der traditionellen Metaphysik und der sogenannten Pseudo-Wissenschaft?"

Und:

"Worin besteht das Verhältnis von Wissenschaft und Metaphysik? Die Metaphysik ist die Teildisziplin der Philosophie, die (vereinfacht gesagt) untersucht, was es wirklich gibt und wie es möglich ist, dass es dieses gibt. Sowohl in der Philosophie als auch in den Wissenschaften gibt es kritische und ablehnende Stimmen gegenüber der Metaphysik. Um diese zu verstehen, ist es hilfreich, zunächst einige begriffliche Differenzierungen einzuführen."

Und:

Der Positivismus, dem Empirismus verwandt bzw. gewissermaßen die Anwendung des Empirismus auf die Wissenschaft, vertritt die Ansicht, dass die Wissenschaft sich auf die einzige Grundlage der Erkenntnis beschränken soll, nämlich auf die Beobachtung. Der Position ihren Namen gab der französische Philosoph Auguste Comte (1798–1857). Er unterschied zwischen drei Stadien der Entwicklung des menschlichen Geistes, die er das religiöse, das metaphysische und das positive Stadium nannte, wobei das letzte zugleich das höchste sei. Der deutsche Physiker und Philosoph Ernst Mach (1838– 1916) versuchte, metaphysische Elemente aus der Wissenschaft selbst zu entfernen. Da die Wissenschaft auf dem Beobachtbaren beruht, sollte sie sich nicht auf etwas berufen, was nicht beobachtet werden kann. Zum Beispiel lassen sich Atome nicht beobachten, und dementsprechend sollte man diese auch nicht als real ansehen, sondern lediglich als nützliche Instrumente der Voraussage. Dieser sogenannte Instrumentalismus wurde unter anderem auch von den französischen Physikern Pierre Duhem (1861–1916) und Henri Poincaré (1854– 1912) vertreten.

Sowie:

"Der logische Positivismus (auch logischer Empirismus) stellt eine Verbindung des Empirismus mit der modernen, formalen Logik dar, die von Gottlob Frege (1848–1925), Bertrand Russell (1872–1970) und Alfred North Whitehead (1861–1947) entwickelt wurde. Im Unterschied zu den bisher genannten Positionen ist der logische Positivismus nicht nur der Auffassung, 20 Einleitung: Fragen der Wissenschaftstheorie dass metaphysische Aussagen kein Wissen ausdrücken, sondern dass sie sinnlos sind. Diese Behauptung beruht auf dem sogenannten Verifikationsprinzip der Bedeutung. Demnach hat ein Satz nur dann Bedeutung, wenn eine Möglichkeit besteht, dessen Wahrheit oder Falschheit zu überprüfen"

Quelle: http://www.reclam.de/data/media/978-3-15-019421-8.pdf

Nun Carnap, war vom logischen Empirismus /Positivismus beeinflusst und hat ja unter anderem Heidegger kritiisiert. Carnap ging von der Sinnlosigkeit der traditionellen Probleme der Metaphysik aus. Man sieht hieran wie einflussreich die positivistische Auffassung auch noch im 20.Jahrhundert war. Eigentlich müssten damit doch die Zusammenhänge deutlich geworden sein oder?


Einen Gruß auch von mir

Philosophist
 
Das Dasein ist In-der-Welt-sein (die Daseinsanalytik ist doch was anderes , aber sie bezieht sich eben auf das "Dasein"). Das Dasein - der Mensch- existiert in der Welt.

Dann schwebt dir offensichtlich ein anderer Heidegger vor Augen. Meinem Verständnis - und denjenigen, die mir bekannt sind - folgend, ist das sogen. "In-der-Welt-sein" Teil der Daseinsanalytik und das "Dasein" (aus ontolog. Sicht) ist stellvertretend für den Menschen, der diese - in Abgrenzung zum bloß ontisch orientierten Menschen - durchführt, bzw. als immer schon seinsverstehender (Verstehen freilich im Heideggerschen - hermeneutischen - Sinne gemeint) dazu prinzipiell in der Lage ist.

Daher: "Dasein" ist Heideggers transzendentale Sicht auf den Menschen im Seinsbezug und nicht den Menschen als Subjekt - so wie ihn die "Wissenschaften" (laut Heidegger) betrachten.

Das was du nachfolgend geschrieben hat, betrifft ja Heideggers Abgrenzung der Daseinsanalytik von den anderen wissenschaftlichen Disziplinen. Sein und Zeit ist nämlich keine "Psychologie" noch eine "Anthropologie".

Nicht nur Abgrenzung - das allein würde kein philosophisches Konzept begründen. Heidegger grenzt sich ab und integriert zugleich das bisherige Bild vom Menschen (das er - zumindest philosophisch - als unzureichend bestimmt behauptet) und die "Wissenschaften" als Kennzeichen des - im Heideggerschen Sinne verstandenen - metaphysischen Erkennens von "Welt" als Seiendes (d.h. ontisch) in sein eigenes philosophisches Weltbild und von diesem aus muss man sich dann die Frage stellen, was Heidegger also unter dem Menschen versteht.

Würde er sich am gängigen Menschenbild orientieren, bedeutete dies einen simplen Widerspruch.

Nebenbei gefragt: was verstehst du unter einem "klassischen transzendentalphilosophischen " Ansatz?

Vor allem das, was im Zuge Kants (in der deutschen Philosophie) geschah: Die Bedingung der Möglichkeit (für Erkenntnis) rückt philosophisch in den Fokus und soll wissenschaftlich fundiert (analysiert) werden. Ganz zentral ist dabei der Umstand, dass das sogen. "Apriori" als selbstverständlich gesetzt ist. Kant geht z.B. in seiner "Kritik der reinen Vernunft" axiomatisch davon aus, dass es ein solches gibt bzw. notwendig geben muss. Die "Welt" wird also - bildlich gesprochen - von einem Jenseits der Erfahrungswelt wesentlich bestimmt: Die menschliche Erkenntnisfähigkeit ist prinzipiell defizitär und kann nur über den Prozess des (mängelbehafteten) Verstehens zu (abgeleiteter) Erkenntnis gelangen. Ziel der Transzendentalphilosophie ist es nun, jene Verhältnisse darzustellen bzw. deren Gründe/Strukturen (intelligibel) zu analysieren.

Das schon. Allerdings wird ja klar auch durch diese Stelle (man kann auch andere Stellen nennen aus Heideggers Werk), dass das Dasein letztlich nichts anderes meint als den Menschen als Seiendes (und seine Existenz). Heidegger betrachtet die anderen wissenschaftlichen Disziplinen hier aus seiner "fundamentalontologischen" Perspektive.

Du sagst es doch im Grunde ständig selbst: Heidegger "betrachtet ... hier aus seiner 'fundamentalontologischen Perspektive", das heißt ja gerade, dass er auch den Menschen "fundamentalontologisch" als "Dasein" wahrnimmt (d.h. in seinem Bezug zum Sein) und nicht so, wie die Menschen sich - aus seiner Sicht - selbst bislang ontisch als Seiendes unter Seiendem platzierten. Heidegger bestimmt den Menschen daseinsanalytisch.

"Da aber die positiven Wissenschaften auf die ontologische Arbeit der Philosophie weder warten können> noch sollen, wird sich der Fortgang der Forschung nicht vollziehen als <Fortschritt> sondern als Wiederholung und ontologisch durchsichtigere Reinigung des ontisch Entdeckten."

Eben. Die "Wissenschaften" entdecken "ontisch" (nicht ontologisch). Dieses "ontisch Entdeckte" (d.h. Wissen über das Seiende als Seiendes) muss nach Heidegger ontologisch aufgearbeitet (gereinigt) werden.

Für Heidegger bieten die "Wissenschaften" nicht immer ausreichend wissenschaftliches Gewähr für die zu erforschenden "Phänomene" , jedenfalls würde ich dieses Zitat hier in dem Sinne so lesen...daher ist eine Daseinsanalytik (im Speziellen) erforderlich.

Genau davon rede ich doch fortwährend.

Nun wenn Heidegger aber vom "Dasein" spricht , meint er aber nur den Menschen damit (vgl. GA 58, S.66). Er hat sich eben terminologisch so dafür entschieden , dafür den Begriff "Dasein" in SuZ zu nehmen (obwohl er damit inhaltlich den Menschen meint)

Ich verstehe nicht, was du damit meinst, dass Heidegger mit "Dasein" angeblich "nur den Menschen" meint und seine Terminologie (auf einmal) bloße Spielerei sein soll. Sie mag philosophisch zwar äußerst kritikwürdig sein, aber dass er den Menschen als Menschen (d.h. "Dasein") auf neue Weise bestimmen möchte, steht doch außer Frage.

"In-Sein dagegen meint eine Seinsverfassung des Daseins und ist ein Existenzial. Dann kann damit aber nicht gedacht werden an das Vorhandensein eines Körperdinges (Menschenleib) »in« einem vorhandenen Seienden. Das In-Sein meint so wenig ein räumliches »Ineinander« Vorhandener, als »in« ursprünglich gar nicht eine räumliche Beziehung der genannten Art bedeutet; [...] Dieses Seiende, dem das In-Sein in dieser Bedeutung zugehört, kennzeichneten wir als das Seiende, das ich je selbst bin. [...] Sein als Infinitiv des »ich bin«, d. h. als Existenzial verstanden, bedeutet wohnen bei..., vertraut sein mit... In-Sein ist demnach der formale existenziale Ausdruck des Seins des Daseins, das die wesenhafte Verfassung des In-der-Welt-seins hat."

Bisher - so Heidegger - wird der Mensch leiblich als "Körperding" unter bzw. in anderem Seienden (d.h. Dingen) bestimmt, dem setzt Heidegger nun sein transzendentalphilosophisches Konzept voran, das gerade nicht "räumliche Beziehung" meint und "vorhandenes Seiende" also als "ein räumliches »Ineinander« Vorhandener" bestimmt, sondern das Seiende ist in seinem "In-Sein" zu verstehen; d.h. der Mensch ist nicht länger bloß Mensch in Beziehung und Abgrenzung zu anderen Menschen (also einem sozialen Gefüge), vielmehr ist der Mensch nun von der "Seinsverfassung" des "In-Sein" her wesentlich bestimmt und also "Dasein", sofern diesem Seienden "das In-Sein in dieser Bedeutung zugehört".

Das muss nämlich angemerkt werden: Es ist keineswegs selbstverständlich, dass jeder Mensch immer schon in einem Verstehenshorizont von Sein befindlich ist. Nicht umsonst spricht Heidegger später von der Weltlosigkeit der Juden...

Nun sprechen wir eben von der "fundamentalontologischen" Analyse, welche zwar nicht explizit von Sozialität spricht, aber es doch das Phänomen des Sozialen reflektiert.

Der Terminus "sozial" kommt in "Sein und Zeit" nur an einer Stelle vor:

Die »Fürsorge« als faktische soziale Einrichtung zum Beispiel gründet in der Seinsverfassung des Daseins als Mitsein. (M. Heidegger, "Sein und Zeit", §26)

Hier ist von der "»Fürsorge« als faktische soziale Einrichtung" die Rede, welche (transzendental) in "der Seinsverfassung des Daseins als Mitsein" enthalten ist, bzw. von dieser bedingt wird. Und weiter:

Die Fürsorge erweist sich als eine Seinsverfassung des Daseins, die nach ihren verschiedenen Möglichkeiten mit dessen Sein zur besorgten Welt ebenso wie mit dem eigentlichen Sein zu ihm selbst verklammert ist.

Die "Fürsorge" (von Heidegger hier ohne Anführungszeichen geschrieben) ist somit einmal bedingt durch die "Seinsverfassung des Daseins" ("faktisch soziale Einrichtung" nämlich) und einmal "Seinsverfassung des Daseins" selbst, und zwar dann, wenn die Verhältnisse zu "besorgte[r] Welt" und "eigentliche[m] Sein" strukturell ineinander greifen ("verklammert" sind).

Und weiter:

Diese eigentliche Verbundenheit ermöglicht erst die rechte Sachlichkeit, die den anderen in seiner Freiheit für ihn selbst freigibt. Zwischen den beiden Extremen der positiven Fürsorge – der einspringend beherrschenden und der vorspringend-befreienden – hält sich das alltägliche Miteinandersein und zeigt mannigfache Mischformen, deren Beschreibung und Klassifikation außerhalb der Grenzen dieser Untersuchung liegen.

Die "Fürsorge" als "faktisch soziale Einrichtung" ist Kennzeichen der "besorgten Welt", des "alltäglichen Miteinandersein", welches nicht vom "eigentlichen Sein" her verstanden wird und damit keine "eigentliche Verbundenheit" und somit auch keine "rechte Sachlichkeit" zulässt. Deshalb interessiert sich Heidegger explizit NICHT für "faktisch soziale Einrichtung[en]", die dem "alltägliche[n] Miteinandersein" zuzuordnen sind, dem das Verständnis für die "eigentliche Verbundenheit" (d.h. Seinsverständnis) abgeht.

Und weiter:

Die zum Mitsein gehörige Erschlossenheit des Mitdaseins Anderer besagt: im Seinsverständnis des Daseins liegt schon, weil sein Sein Mitsein ist, das Verständnis Anderer. Dieses Verstehen ist, wie Verstehen überhaupt, nicht eine aus Erkennen erwachsene Kenntnis, sondern eine ursprünglich existenziale Seinsart, die Erkennen und Kenntnis allererst möglich macht.

Der transzendentalphilosophische Ansatz ist einmal mehr klar erkennbar: Sofern der Mensch über Seinsverständnis verfügt, ist er "Dasein" und als solches hat er die "faktisch soziale" Ebene (des ontischen Weltbezugs) gleichsam ursprünglich überholt: Er muss sich nicht erst in soziale Bezüge setzen, sondern er ist als "Dasein" immer schon "Mitsein". Dies ist eben nicht im herkömmlichen Verstehenssinne zu verstehen (der Mensch als Subjekt neben anderen Subjekten in einer faktisch bestimmbaren sozialen Gemeinschaft), sondern jene Form des Verständnisses stellt "eine ursprünglich existenziale Seinsart" dar, die Bedingung für die Möglichkeit von Erkenntnis (transzendental) ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Fortsetzung von #378:

Die Begriffe gibt es natürlich nicht bei Heidegger, also in Sein und Zeit , aber der Sache nach reflektiert Heidegger mit seiner Terminologie die "soziale Verfasstheit" von/der Welt meiner Meinung nach.

...das alltägliche Miteinandersein und zeigt mannigfache Mischformen, deren Beschreibung und Klassifikation außerhalb der Grenzen dieser Untersuchung liegen.

Nun weil er sich terminologisch so festgelegt hat. Er hätte auch irgendeinen anderen Begriff nehmen können (welcher auch den Menschen meint). Das sind eben terminologische Setzungen bei ihm, die manchem eben recht willkürlich vorkommen kann.

Erstaunlich: Bislang hast du stets die Präzision, Systematik und analytische Klarheit (resp. Wissenschaftlichkeit) der Heideggerschen Begrifflichkeiten in "Sein und Zeit" betont, nun sprichst du plötzlich von Willkürlichkeit.

In dem Heidegger-Handbuch , woraus ich ja zitiert habe, wird dieses Denkmodell eben auch als Denken der/einer "rudimentären Sozialität gesehen". Es ist insofern paradox , dass Sozialität schon hier in gewisser Weise gedacht wird, allerdings dieser fundamentalontologische Ansatz sich nicht als Soziologie oder dergleichen auffasst.

Es ist dann nicht paradox, wenn man "seinen" Heidegger versteht (siehe meine Darstellungen); beim bei dir offenbar hoch im Kurs stehenden "Heidegger-Handbuch" habe ich nicht den Eindruck, dass die eigene Thematik überhaupt durchdrungen wurde.

Warum soll deine Philosophieauffassung die richtige sein?

Weil ich dafür argumentieren und sie ggf. auch korrigieren kann.

Philosophen erfinden/setzen (philosophische) Begriffe und arbeiten mit diesen. Philosophie ist daher vor allem auch eine begriffliche Tätigkeit, bringt also neue hervor und denkt mit diesen gewisse Sachverhalte. Und das ist das was Philosophen im Grunde seit sehr langer Zeit (sagen wir mal 2500 Jahre) tun und was man von der Form her/vom Prinzip her auch bei Heidegger so finden kann.

Philosophie, die sich nicht als Theologie missversteht, "erfindet" nicht einfach Begriffe für Ideen, sondern versucht, ideelle Gehalte kritisch zu befragen, was nur möglich ist, wenn man Bezüge herstellt, die intersubjektiv zugänglich sind, sich also - möglichst explizit - an "gewisse[n] Sachverhalte[n]" orientiert, wie du es ausdrückst. Heidegger setzt sich (und zwar schon in "Sein und Zeit") von der intersubjektiven Ebene ab und nimmt für sich ein Verstehen in Anspruch, das als ursprüngliches Verstehen vor die Philosophie (und damit vor das herkömmliche Verstehen) zurückgehen möchte. Die allermeisten jener Philosophien, die in den ca. 2500 Jahren zwischen Antike und Moderne wirkten, sind für Heidegger der Rationalität (d.h. Philosophie im herkömmlichen Sinne) verfallene.

Die Frage ist für mich vor allem ob die Begriffe die Heidegger geschaffen hat als "sinnvoll" betrachtet werden können oder nicht bzw. positiv für die Analyse von Welt genutzt werden kann

Diese Frage lässt sich nicht beantworten - nicht beim frühen und ebenso wenig beim späten Heidegger. Das von Heidegger behauptete ursprüngliche Seinsverhältnis ist nicht verifizierbar oder falsifizierbar, es ist auch keine wissenschaftlich nutzbare Methode, da sie sachlich nicht diskutabel/praktikabel ist und auch nicht sein kann, schließlich wird die Sachebene schon in das eigene Konzept als abgeleitete (derivierte) integriert. Oder mit Heidegger gesprochen: Der Sinn von Sein ist nicht in der Welt zu suchen, er ist immer schon Welt.

Nun Carnap, war vom logischen Empirismus /Positivismus beeinflusst und hat ja unter anderem Heidegger kritiisiert. Carnap ging von der Sinnlosigkeit der traditionellen Probleme der Metaphysik aus. Man sieht hieran wie einflussreich die positivistische Auffassung auch noch im 20.Jahrhundert war. Eigentlich müssten damit doch die Zusammenhänge deutlich geworden sein oder?

Weshalb du mir ellenlange Auszüge zum Positivismus zitierst, ist mir schleierhaft. Meine Frage war ja, weshalb du die Metaphysikkritik, die im Rahmen des Positivismus geäußert wurde, für bedeutend erachtest. Carnaps Ansatz (bzw. derjenige des "Wiener Kreises"), eindeutige Sinnkriterien für wahre Aussagen zu bestimmen, gilt ja gemeinhin als gescheitert und hat sogar mit dazu geführt, dass die allgemeine Metaphysik im Kritischen Rationalismus weiter säkularisiert und philosophisch rehabilitiert werden konnte.

Gruß
Phil
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann schwebt dir offensichtlich ein anderer Heidegger vor Augen. Meinem Verständnis - und denjenigen, die mir bekannt sind - folgend, ist das sogen. "In-der-Welt-sein" Teil der Daseinsanalytik und das "Dasein" (aus ontolog. Sicht) ist stellvertretend für den Menschen, der diese - in Abgrenzung zum bloß ontisch orientierten Menschen - durchführt, bzw. als immer schon seinsverstehender (Verstehen freilich im Heideggerschen - hermeneutischen - Sinne gemeint) dazu prinzipiell in der Lage ist.

Daher: "Dasein" ist Heideggers transzendentale Sicht auf den Menschen im Seinsbezug und nicht den Menschen als Subjekt - so wie ihn die "Wissenschaften" (laut Heidegger) betrachten.

Nun ich habe eben mein Heidegger-Verständnis , vielleicht kann man auch sagen "meinen" Heidegger (so wie du dann anscheinend den "deinen" hast).

Und Heidegger spricht ja vom "In der-Welt-sein des Daseins" (SuZ , S.56) und sagt:

"Weil zu Dasein wesenhaft das In-der-Welt-sein gehört, ist sein Sein zur Welt wesenhaft Besorgen."

Und dann spricht Heidegger ja auch vom "In-der-Welt-sein" als die/eine "Grundverfassung des Daseins" (S.59).. und auch pointiert von "ich-bin-in-einer Welt (SuZ, S.211).

Aus dem bisherigen Zitaten müsste ja eigentlich deutlich werden, dass das In-der-Welt-sein das Wesensmerkmal des Daseins/des Menschen ist.

Zum Begriff des Daseins bei Heidegger zitiere ich aus dem "Grundriss Heidegger" (Vetter, 2014, S.246):

"Anders als in der Tradition wo das deutsche Wort Dasein die Übersetzung von lat. existentia ist, gebraucht Heidegger seit den frühen Freiburger Vorlesungen Dasein statt des mehrdeutigen Wortes <Leben> exklusiv für den Menschen (GA 58, S.66); existentia übersetzt er mit Vorhandenheit. ..) Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift, ist dies vom animal rationale der Metaphysik zu unterscheiden."

Dies habe ich jedenfalls dem Lexikonabschnitt dieses Handbuches zum Begriff des Daseins entnommen.


Für mich wichtig :
"gebraucht Heidegger seit den frühen Freiburger Vorlesungen Dasein statt des mehrdeutigen Wortes <Leben> exklusiv für den Menschen"

und

"Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift"

Das deckt sich jedenfalls auch mit meinem Heidegger -Verständnis bisher.

Um den Menschen als Subjekt scheint es mir auch nicht zu gehen, da Heidegger in SuZ den (traditionellen) Subjektbegriff kritisiert.

Ich habe jetzt den Eindruck, dass das von mir zitierte (aus der Sekundärliteratur> siehe Heidegger-Grundriss von Vetter 2014) ein anderes Heidegger-Verständnis artikuliert als das deine oder? Also was den Begriff des Daseins bzw. was das Verständnis desselben angeht.

Nicht nur Abgrenzung - das allein würde kein philosophisches Konzept begründen. Heidegger grenzt sich ab und integriert zugleich das bisherige Bild vom Menschen (das er - zumindest philosophisch - als unzureichend bestimmt behauptet) und die "Wissenschaften" als Kennzeichen des - im Heideggerschen Sinne verstandenen - metaphysischen Erkennens von "Welt" als Seiendes (d.h. ontisch) in sein eigenes philosophisches Weltbild und von diesem aus muss man sich dann die Frage stellen, was Heidegger also unter dem Menschen versteht.

Würde er sich am gängigen Menschenbild orientieren, bedeutete dies einen simplen Widerspruch.

Ich würde sagen, dass sich Heidegger hier eben klar philosophisch positioniert und seinen philosophischer Ansatz damit Kontur bekommen hat. Ich verstehe Heidegger so, dass er den Menschen vor allem zunächst als "Seiendes" auffasst (so vor allem in SuZ).

Aber SuZ will eben keine Anthropologie sein , denn von dieser grenzt er ja seine Daseinsanalytik ab. Es geht also um den Menschen, aber Heideggers Denken versteht sich nicht als anthropologisches Denken. Anders gesagt: Das seysngeschichtliche Denken will keine Anthropologie sein und doch denkt es den Menschen bzw. das "Wesen des Menschen", um mit Heidegger zu sprechen.

Im Übrigen: In dem Heidegger-Grundriss von Vetter 2014, habe ich keinen Artikel zum Menschen gefunden. Dort wird dann auf den Begriff des Daseins verwiesen (siehe S.308).

Zum Begriff des "aninmal rationale" heißt es dort (S.232):

"Die für die abendländische Metaphysik maßgebliche Auslegung des Menschen als animal rationale geht auf Aristoteles zurück. (...)


"Als Spezies einer Gattung wird <der Mensch zuvor im Umkreis der animalia , zoa (griechisch), der Lebewesen erfahren > und das animal rationale <als die Einheit von Leib-Seele-Geist vorgesellt>. So wird die animalitas zum <Leitfaden> der Auslegung des Menschen und dieser erscheint als das <vernünftige Tier> . Eine derartige Einordnung in die <Dimension der Animalitas> entspricht aber nicht dem Wesen des Daseins, sondern leitet sich von den Bedürfnissen des Menschen her. Diese gehören zum Leben des Menschen als auch zu dem des Tieres."

Gegen diese Auffassung der Metaphysik vom Menschen (dem "gängigen Menschenbild" kann man vielleicht) wendet sich also Heidegger.

Das erstmal zur Auffassung des Menschen bei Heidegger.


Vor allem das, was im Zuge Kants (in der deutschen Philosophie) geschah: Die Bedingung der Möglichkeit (für Erkenntnis) rückt philosophisch in den Fokus und soll wissenschaftlich fundiert (analysiert) werden. Ganz zentral ist dabei der Umstand, dass das sogen. "Apriori" als selbstverständlich gesetzt ist. Kant geht z.B. in seiner "Kritik der reinen Vernunft" axiomatisch davon aus, dass es ein solches gibt bzw. notwendig geben muss. Die "Welt" wird also - bildlich gesprochen - von einem Jenseits der Erfahrungswelt wesentlich bestimmt: Die menschliche Erkenntnisfähigkeit ist prinzipiell defizitär und kann nur über den Prozess des (mängelbehafteten) Verstehens zu (abgeleiteter) Erkenntnis gelangen. Ziel der Transzendentalphilosophie ist es nun, jene Verhältnisse darzustellen bzw. deren Gründe/Strukturen (intelligibel) zu analysieren.

Gut dann danke ich erstmal für diese genauere Auskunft. Mit Kants Kritik der reinen Vernunft bzw. mit dessen philosophischer Terminologie kenne ich mich nur teilweise aus. Ich besitze allerdings auch ein älteres Kant-Lexikon , was ich gelegentlich auch benutze. Heideggers Kantbuch (Kant-Interpretation) muss ich mir auch noch genauer anschauen.


Du sagst es doch im Grunde ständig selbst: Heidegger "betrachtet ... hier aus seiner 'fundamentalontologischen Perspektive", das heißt ja gerade, dass er auch den Menschen "fundamentalontologisch" als "Dasein" wahrnimmt (d.h. in seinem Bezug zum Sein) und nicht so, wie die Menschen sich - aus seiner Sicht - selbst bislang ontisch als Seiendes unter Seiendem platzierten. Heidegger bestimmt den Menschen daseinsanalytisch.

Ja, zumindest ist ja nun klar, dass Heidegger aufgrund seines philosophischen Ansatzes (seines "fundamentalontologischen> Ansatzes) den Menschen betrachtet und diesen als "Dasein" betrachtet. Das kann man also sehen.


Eben. Die "Wissenschaften" entdecken "ontisch" (nicht ontologisch). Dieses "ontisch Entdeckte" (d.h. Wissen über das Seiende als Seiendes) muss nach Heidegger ontologisch aufgearbeitet (gereinigt) werden.

Ja , das stimmt. Und scheinbar verstehen wir Heidegger hier genau gleich.


Genau davon rede ich doch fortwährend.

Gut , dann ist dies ja jetzt klar.


Ich verstehe nicht, was du damit meinst, dass Heidegger mit "Dasein" angeblich "nur den Menschen" meint und seine Terminologie (auf einmal) bloße Spielerei sein soll. Sie mag philosophisch zwar äußerst kritikwürdig sein, aber dass er den Menschen als Menschen (d.h. "Dasein") auf neue Weise bestimmen möchte, steht doch außer Frage.

"In-Sein dagegen meint eine Seinsverfassung des Daseins und ist ein Existenzial. Dann kann damit aber nicht gedacht werden an das Vorhandensein eines Körperdinges (Menschenleib) »in« einem vorhandenen Seienden. Das In-Sein meint so wenig ein räumliches »Ineinander« Vorhandener, als »in« ursprünglich gar nicht eine räumliche Beziehung der genannten Art bedeutet; [...] Dieses Seiende, dem das In-Sein in dieser Bedeutung zugehört, kennzeichneten wir als das Seiende, das ich je selbst bin. [...] Sein als Infinitiv des »ich bin«, d. h. als Existenzial verstanden, bedeutet wohnen bei..., vertraut sein mit... In-Sein ist demnach der formale existenziale Ausdruck des Seins des Daseins, das die wesenhafte Verfassung des In-der-Welt-seins hat."

Bisher - so Heidegger - wird der Mensch leiblich als "Körperding" unter bzw. in anderem Seienden (d.h. Dingen) bestimmt, dem setzt Heidegger nun sein transzendentalphilosophisches Konzept voran, das gerade nicht "räumliche Beziehung" meint und "vorhandenes Seiende" also als "ein räumliches »Ineinander« Vorhandener" bestimmt, sondern das Seiende ist in seinem "In-Sein" zu verstehen; d.h. der Mensch ist nicht länger bloß Mensch in Beziehung und Abgrenzung zu anderen Menschen (also einem sozialen Gefüge), vielmehr ist der Mensch nun von der "Seinsverfassung" des "In-Sein" her wesentlich bestimmt und also "Dasein", sofern diesem Seienden "das In-Sein in dieser Bedeutung zugehört".

Das muss nämlich angemerkt werden: Es ist keineswegs selbstverständlich, dass jeder Mensch immer schon in einem Verstehenshorizont von Sein befindlich ist. Nicht umsonst spricht Heidegger später von der Weltlosigkeit der Juden...

Was den Begriff "Dasein" anbetrifft, habe ich mich ja jetzt weiter oben ausführlich geäußert und auch genannt, worauf ich mich beziehe. Das es Heidegger um den Menschen und seine Seinsart geht, steht ja außer Frage damit. Ich wollte das allerdings jetzt nicht so verstanden wissen, dass es sich bei Heidegger und seiner Terminologie jetzt auf einmal um "bloße Spielerei" handeln soll. Ich verstehe das eher so, dass Heidegger schon seine Gründe hatte, warum er z.B. den Begriff "Dasein" genommen hat , um den Menschen damit zu bezeichnen (aber möglich wäre auch ein anderer Begriff gewesen > ich verstehe das also, dass sich Heidegger hier eben terminologisch festgelegt hat).

Für den Hinweis zum "In-Sein" und dem dazugehörigen Zitat sei gedankt. In diesem wird ja dann auch das In-der-Welt-sein erwähnt. Gesagt wird aber auch:

"In-Sein dagegen meint eine Seinsverfassung des Daseins und ist ein Existenzial." (S.54).

und : Das Sein bei der Welt, in dem noch näher auszulegenden Sinne des Aufgehens in der Welt, ist ein im In-Sein fundiertes Existenzial" (...)

und:

"Das In-Sein in einer Welt ist eine geistige Eigenschaft, und die <Räumlichkeit> des Menschen ist eine Beschaffenheit seiner Leiblichkeit , die immer zugleich durch Körperlichkeit fundiert ist. (...) Das Verständnis des In-der-Welt-seins als Wesensstruktur des Daseins ermöglicht erst die Einsicht in die existentziale Räumlichkeit des Daseins" (S.56 von SuZ)


Ich habe mir halt erlaubt hier noch mal ein paar wichtige Momente von Heideggers Verständnis des In-der-Welt-seins herauszuheben.

Was deine Anmerkung zum "sozialen Gefüge" anbetrifft , kann man natürlich betonen, dass SuZ , bzw. die Daseinsanalytik sich nicht als "Soziologie" begreift, dennoch wird betont in der Sekundärliteratur , dass hier in Heideggers Denkmodell eine "rudimentäre Sozialität" vorliegt, auch wenn er selbst nicht den Begriff dafür hatte. Und mir persönlich scheint das plausibel zu sein, obwohl Heidegger ja betont, dass die Daseinsanalytik eben nicht mit einer herkömmlichen Anthropologie oder Soziologie verwechselt werden darf. Also teils, teils.. Man könnte also schon sagen (aus momentaner Perspektive betrachtet) dass dies von dir angemerkte durchaus vermutlich im Heideggerschen Sinne wäre, allerdings würde ich aber schon sagen, dass eine gewisse Form von Sozialität (wenn auch aus fundamentalontologischer Perspektive) bei Heidegger bedacht wird. Dies ist jedenfalls meine momentane Einschätzung dieses Punktes.

Der Terminus "sozial" kommt in "Sein und Zeit" nur an einer Stelle vor:

Die »Fürsorge« als faktische soziale Einrichtung zum Beispiel gründet in der Seinsverfassung des Daseins als Mitsein. (M. Heidegger, "Sein und Zeit", §26)

Hier ist von der "»Fürsorge« als faktische soziale Einrichtung" die Rede, welche (transzendental) in "der Seinsverfassung des Daseins als Mitsein" enthalten ist, bzw. von dieser bedingt wird. Und weiter:

Die Fürsorge erweist sich als eine Seinsverfassung des Daseins, die nach ihren verschiedenen Möglichkeiten mit dessen Sein zur besorgten Welt ebenso wie mit dem eigentlichen Sein zu ihm selbst verklammert ist.

Die "Fürsorge" (von Heidegger hier ohne Anführungszeichen geschrieben) ist somit einmal bedingt durch die "Seinsverfassung des Daseins" ("faktisch soziale Einrichtung" nämlich) und einmal "Seinsverfassung des Daseins" selbst, und zwar dann, wenn die Verhältnisse zu "besorgte[r] Welt" und "eigentliche[m] Sein" strukturell ineinander greifen ("verklammert" sind).

Und weiter:

Diese eigentliche Verbundenheit ermöglicht erst die rechte Sachlichkeit, die den anderen in seiner Freiheit für ihn selbst freigibt. Zwischen den beiden Extremen der positiven Fürsorge – der einspringend beherrschenden und der vorspringend-befreienden – hält sich das alltägliche Miteinandersein und zeigt mannigfache Mischformen, deren Beschreibung und Klassifikation außerhalb der Grenzen dieser Untersuchung liegen.

Die "Fürsorge" als "faktisch soziale Einrichtung" ist Kennzeichen der "besorgten Welt", des "alltäglichen Miteinandersein", welches nicht vom "eigentlichen Sein" her verstanden wird und damit keine "eigentliche Verbundenheit" und somit auch keine "rechte Sachlichkeit" zulässt. Deshalb interessiert sich Heidegger explizit NICHT für "faktisch soziale Einrichtung[en]", die dem "alltägliche[n] Miteinandersein" zuzuordnen sind, dem das Verständnis für die "eigentliche Verbundenheit" (d.h. Seinsverständnis) abgeht.


Ich danke dir erstmal für den Hinweis auf diese Stelle, welche mir dadurch bewusst geworden ist. Und dass sich Heidegger damit nicht für "faktische soziale Einrichtun(en)" interessiert, entnehme ich schon dieser Stelle (S.121)

Dort heißt es ja auch:

" Das Für, Wider, Ohne-einandersein, das Aneinandervorbeigehen, das Einander-nichts-angehen sind mögliche Weisen der Fürsorge. Und gerade die zuletzt genannten Modi der Defizienz und Indifferenz charakterisierten das alltägliche und durchschnittliche Miteinandersein."


Und weiter:

Die zum Mitsein gehörige Erschlossenheit des Mitdaseins Anderer besagt: im Seinsverständnis des Daseins liegt schon, weil sein Sein Mitsein ist, das Verständnis Anderer. Dieses Verstehen ist, wie Verstehen überhaupt, nicht eine aus Erkennen erwachsene Kenntnis, sondern eine ursprünglich existenziale Seinsart, die Erkennen und Kenntnis allererst möglich macht.

Der transzendentalphilosophische Ansatz ist einmal mehr klar erkennbar: Sofern der Mensch über Seinsverständnis verfügt, ist er "Dasein" und als solches hat er die "faktisch soziale" Ebene (des ontischen Weltbezugs) gleichsam ursprünglich überholt: Er muss sich nicht erst in soziale Bezüge setzen, sondern er ist als "Dasein" immer schon "Mitsein". Dies ist eben nicht im herkömmlichen Verstehenssinne zu verstehen (der Mensch als Subjekt neben anderen Subjekten in einer faktisch bestimmbaren sozialen Gemeinschaft), sondern jene Form des Verständnisses stellt "eine ursprünglich existenziale Seinsart" dar, die Bedingung für die Möglichkeit von Erkenntnis (transzendental) ist.

Ich verstehe Heidegger im übrigen auch so, dass "Dasein" von anfang an immer schon "Mitsein" mit Anderen ist, und das dies zur Struktur des Daseins gehört.

Der Mensch als Dasein darf aber nicht vom Subjekt her gedacht werden, gegen das sich ja Heidegger kritisch wendet in SuZ.

Allerdings möchte ich an dieser Stelle schon darauf hinweisen, dass Heidegger auch von der "Gemeinschaft" in SuZ spricht.

Zur Erinnerung (aus §74, S.384)

"Wenn aber das schicksalhafte Dasein als In-der-Welt-sein wesenhaft im Mitsein mit Anderen existiert, ist sein Geschehen ein Mitgeschehen und bestimmt als Geschick. Damit bezeichnen wir das Geschehen der Gemeinschaft, des Volkes. Das Geschick setzt sich nicht aus einzelnen Schicksalen zusammen , sowenig als das Miteinandersein als Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte begriffen werden kann. Im Miteinandersein in derselben Welt und in der Entschlossenheit für bestimmte Möglichkeiten sind die Schicksale im vorhinein schon geleitet. (...) Das schicksalhafte Geschick des Daseins in und mit seiner <Generation> macht das volle, eigentliche Geschehen des Daseins aus."

Es ist also nicht ganz so, dass für Heidegger die faktisch bestimmbare soziale Gemeinschaft keine Bedeutung hat . Hier wird ja das "schicksalhafte Geschick" des Daseins mit dem "Geschehen der Gemeinschaft" verknüpft , der Einzelmensch also in Bezug zum großen sozialen Ganzen gebracht , welches das "eigentliche Geschehen des Daseins" ausmacht,

Das ist die mir einzige bekannte Stelle, wo Heidegger von "Gemeinschaft" spricht und die Relation Einzelexistenz -Gemeinschaft reflektiert (auf einer "sozialen Ebene").

Jedenfalls ist dies eine Stelle, wo Heidegger deutlich die soziale Verfasstheit von Welt und Dasein betrachtet. Und dies wird aus meiner Sicht daran deutlich, dass er von "Gemeinschaft" spricht oder?...Vielleicht kann man diese Stelle daher als einen gewissen Einwand gegen das von dir gesagte zuvor sehen.
 
Fortsetzung von #378:



...das alltägliche Miteinandersein und zeigt mannigfache Mischformen, deren Beschreibung und Klassifikation außerhalb der Grenzen dieser Untersuchung liegen.

Nun auf diese Stelle kann man natürlich zurecht hinweisen und soll auch nicht ignoriert werden. Dafür habe ich dann allerdings auf die Stelle hingewiesen, wo eben Heidegger auch von der "Gemeinschaft" spricht (§74, S.384)

Die Sekundärliteratur kommentiert diesen Punkt wie folgt (was vielleicht auch in deinem Sinne eventuell sein könnte) und diese zitiere ich hier nochmal:

"Ein weiter Zug von Sein und Zeit bestätigt, dass Heidegger das Thema zwischenmenschlicher Gemeinschaft, wenn auch nicht komplett ausklammert, so doch vielfach unterbestimmt lässt: So lassen auch seine Ausführungen zum <Begegnen> bzw. >Mitbegegnen> anderen Daseins nicht zu, dass sich substanziellere, d.h. kommunikatives , konzertiertes Handeln berücksichtigende Formen von Sozialität und Intersubjektivität ergeben. Vielmehr handelt es sich beim Zusammentreffen von Dasein mit anderem Dasein um ein geradezu zufälliges Stoßen auf...erfolgt dieses doch primär dingvermittelt ,.h. in durch Zuhandendes mediierter Weise. So ist es erst ein Bott, welches <auf einen Bekannten, der damit seine Fahrten> unternimmt> (SZ S.118) verweist. Dem Ansatz des <Mitbegegnens> entsprechend, treten Andere also vor allem dadurch in Bezug zur je eigenen Existenz, dass sie aus der Welt her begegnen, wobei sich der Kontakt zu diesen nicht unmittelbar, sondern nur mit Hilfe von <besorgten> Dingen ergeben kann, die damit zum eigentlichen Ort der Begegnung werden. Mag dieses Modell rudimentäre Sozialität auch zulassen, bleibt es hinter einer Bestimmung von tatsächlicher Kommunität doch deutlich zurück".

Und dann wird die "Ausnahme" noch erwähnt:

"In eigentümlicher Abweichung hiervon-sowie auch von der <vorausspringenden Fürsorge>, die mit der >Vereinzelung> einen gehaltenvollen Begriff von Gemeinschaft unterbietet, und von dem <Man>, das Vermassung nach sich zieht und >Mitsein> an das >Verfallen> koppelt, wird in §74 von Sein und Zeit eine ganz andere Ausgestaltung des >Mit> angesprochen: Unter verstärkt existenziellem Blickwinkel skizziert Heidegger in seinen Reflexionen zu "eigentlicher Geschichtlichkeit> im >Volk> eine Form von Gemeinschaft, die ihrer positiven Bestimmung am nächsten kommen soll. Zum ersten und einzigen Mal in Sein und Zeit affizieren sich umfassende Sozialität und Selbstheit nicht negativ , sondern fallen im Volk in eins."

(Heidegger Handbuch 2013, S. 306)

>Die Fürsorge welche hier ja auch erwähnt, hattest du dann ja auch ausführlich zitiert.

Man sieht ja hier inwiefern Heidegger auch als Denker der "Gemeinschaft", des Sozialen in gewisser Weise schon gesehen werden kann. Und dies möchte ich hier eben nochmal betonen gegenüber deiner Sichtweise, die ich natürlich nicht für verfehlt halte , sondern die auch durchaus ihre Berechtigung hat (mit Hinweis auf Heidegger selbst). Allerdings musste ich aber eben auf den Aspekt der Gemeinschaft hinweisen (auch mit einem Heidegger-Zitat).

Erstaunlich: Bislang hast du stets die Präzision, Systematik und analytische Klarheit (resp. Wissenschaftlichkeit) der Heideggerschen Begrifflichkeiten in "Sein und Zeit" betont, nun sprichst du plötzlich von Willkürlichkeit.

Nun das stimmt. Aber wie Heidegger zu seinen Begriffen kommt und warum er gerade diesen Begriff gewählt hat um einen bestimmten Sachverhalt damit zu bezeichnen, das kann einem in gewisser Hinsicht als "willkürlich" verkommen. Jeder Philosoph sucht sich sich ja auch seine Begriffe aus. Und warum Heidegger gerade sich für diesen Begriff entschieden hat, und nicht für einen anderen, das kann ich jetzt natürlich nicht auf Anhieb erklären. Ich würde das allerdings nicht als Einwand gegen das von mir Gesagte bisher verstehen wollen. Heideggers Terminologie ist schon präzise , aber warum er sich gerade für diese Begriffe entschieden hat und nicht für andere, ist natürlich weniger leicht zu erklären meiner Meinung. Er hätte auch statt des Begriffes X um den Menschen zu bezeichnen , auch einen Begriff Y nehmen können. Aber man kann letztlich nur feststellen als Leser, dass er sich für den Begriff X (hier also : Dasein) entschieden hat, und damit eben den Menschen meint.


Es ist dann nicht paradox, wenn man "seinen" Heidegger versteht (siehe meine Darstellungen); beim bei dir offenbar hoch im Kurs stehenden "Heidegger-Handbuch" habe ich nicht den Eindruck, dass die eigene Thematik überhaupt durchdrungen wurde.

Nun ich mag nicht ausschließen wollen, dass es hier in der Debatte auch durchaus unterschiedliche Heidegger-Verständnisse gibt, was ja auch durchaus der Fall sein (und auch andere Philosophen betrifft, nicht nur Heidegger). Also einen Unterschied zwischen "deinem" Heidegger und "meinem". Ob aber , das eine Verständnis von Heidegger das "bessere" ist, kann man natürlich auch nicht so leicht sagen, wie ich finde. Ich würde sagen eben, dass es nur insofern "paradox" erscheint, da hier bei Heidegger eine bestimmte Form von "Sozialität" her gedacht , allerdings die Daseinsanalytik sich nicht als eine soziologische Analytik begreift.

Ich würde sagen, dass dieses Heidegger-Handbuch (Metzler 2013) durchaus sachlich zutreffende Artikel hat meiner Meinung und bin da nicht ganz deiner Meinung.


Weil ich dafür argumentieren und sie ggf. auch korrigieren kann.

Meinst du denn das deine Philosophieauffassung damit die "einzig richtige" ist? (Das nochmal als Nachfrage)

Ich kann im übrigen ja auch für meine Auffassung von Philosophie argumentieren und dass Philosophen vor allem mit Begriffen arbeiten - Philosophie also (auch) Arbeit mit Begriffen ist- dann kann man ja nicht abstreiten, wenn man auf die Philosophiegeschichte blickt oder?


Philosophie, die sich nicht als Theologie missversteht, "erfindet" nicht einfach Begriffe für Ideen, sondern versucht, ideelle Gehalte kritisch zu befragen, was nur möglich ist, wenn man Bezüge herstellt, die intersubjektiv zugänglich sind, sich also - möglichst explizit - an "gewisse[n] Sachverhalte[n]" orientiert, wie du es ausdrückst. Heidegger setzt sich (und zwar schon in "Sein und Zeit") von der intersubjektiven Ebene ab und nimmt für sich ein Verstehen in Anspruch, das als ursprüngliches Verstehen vor die Philosophie (und damit vor das herkömmliche Verstehen) zurückgehen möchte. Die allermeisten jener Philosophien, die in den ca. 2500 Jahren zwischen Antike und Moderne wirkten, sind für Heidegger der Rationalität (d.h. Philosophie im herkömmlichen Sinne) verfallene.

Wenn ich an die sog. "antike Philosophie" denke, sehe ich schon bei Platon und Aristoteles ein Hervorbringen von Begriffen. Z.B. die griechischen Begriffe wie idea, eidos, ousia, aletheia, , praxis, phronesis usw. Das sind z.T. Begriffe welche Platon und Aristoteles eigens aus der griechischen Sprache genommen haben und eben mit philosophischer Bedeutung versehen haben und hier wurden dann schon Begriffe in gewisser Hinsicht "neu erfunden". Z.B. die "idea tou agathou" /ἰδέα του ἀγαθοῦ , die "Idee des Guten " welches es so gesehen begrifflich vor Platon nicht gab, samt der Konzeption einer sog. "Ideenwelt"/Ideenlehre. Und Philosophie war ja bei Platon und Aristoteles keine Theologie wie dann im Mittelalter. Aristoteles hat z.B. seinen Begriff der "ousia" /οὐσία usw. Es gibt da eben Begriffe , die von den Philosophen eigens innerhalb der griechischen Sprache geschaffen worden sind. Das Erfinden und Definieren von (philosophischen) Begriffen setzt daher schon in der Antike ein und gibt es ja nicht erst bei Heidegger...Nietzsche z.B. "erfindet" den Begriff "Übermensch" oder spricht von "Herdenmoral"/"Sklavenmoral". Mir scheint dass das hier vorgebrachte einer etwas anderen Sichtweise von Philosophie zugrunde liegt. Und diese Begriffe beziehen sich schon auf gewisse "Sachverhalte", nämlich wie man bei Platon sehen kann die Annahme gewisser "Ideen", z:b. der Annahme der "Idee des Guten" die er begrifflich damit eben auf den Punkt gebracht hat. Begriffe beziehen sich auf Sachverhalte die aus Sicht der Philosophen auch existieren, wie man im Falle Platons gut sehen kann. Man kann natürlich einwenden, dass Platon hier irrt und es keine Ideen gibt. Aber er ging davon aus, dass es diese gibt und hat dafür eben einen eigenen philosophischen Begriff geschaffen. Der Begriff "Idee des Guten" gab es so nicht vor Platon. Das ist wenn man so will seine begriffliche Neuschöpfung, die zu einem bestimmten Sachverhalt korreliert (nämlich der Annahme, dass es wirklich diese Ideen gibt und dass auch andere diese Ideen nachvollziehen können im Geiste).

Heidegger möchte aus seiner philosophischen Sicht die Philosophiegeschichte verstehen, die er eben als Verfallsgeschichte, nämlich als "Seinsvergessenheit" ansieht. Aber kann man dies wirklich als Abwenden von der intersubjektiven Eben bei Heidegger sehen? Ich hätte da gewisse Bedenken, dies so zu sehen.

Heidegger geht es um die "Besinnung" auf die Philosophiegeschichte, die er eben auch als Seinsgeschichte auffasst, und welche vor allem durch "Seinvergessenheit" bis in die Gegenwart gekennzeichnet ist. Die Philosophie von Platon ab, betrachtet er Metaphysik , und selbst Nietzsche ist für ihn noch "Metaphysiker" ...d.h. die Geschichte von Platon bis Nietzsche ist für Heidegger Metaphysikgeschichte und die Metaphysik zeichnet sich durch "Seinsvergessenheit" aus. Sie können nicht wirklich das Sein denkerisch erfassen...



Diese Frage lässt sich nicht beantworten - nicht beim frühen und ebenso wenig beim späten Heidegger. Das von Heidegger behauptete ursprüngliche Seinsverhältnis ist nicht verifizierbar oder falsifizierbar, es ist auch keine wissenschaftlich nutzbare Methode, da sie sachlich nicht diskutabel/praktikabel ist und auch nicht sein kann, schließlich wird die Sachebene schon in das eigene Konzept als abgeleitete (derivierte) integriert. Oder mit Heidegger gesprochen: Der Sinn von Sein ist nicht in der Welt zu suchen, er ist immer schon Welt.

Nun das kann man vielleicht so sehen, zunächst muss man ja diese Begriffe eben als zugehörig zum "Denksystem" von Heidegger sehen.

Ich möchte aber daraus hinweisen, dass Heidegger schon einer philosophisch-wissenschaftlichen Methode spricht in SuZ (S,27)

"Der Ausdruck <Phänomenologie> bedeutet primär einen Methodenbegriff. Er charakterisiert nicht das sachhaltige Was der Gegenstände der philosophischen Forschung, sondern das Wie dieser."

Heidegger spricht von der "phänomenologischen Methode" der Untersuchung von SuZ.

Und weiter heißt es: "Phänomenologie ist Zugangart zu dem und die ausweisende Bestimmungsart dessen , was Thema der Ontologie werden soll. Ontologie ist nur als Phänomenologie möglich." (S.35)

Und "Phänomenologie des Daseins ist Hermeneutik in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, wonach es das Geschäft der Auslegung bezeichnet." (S.37)


Und schließlich: "Philosophie ist universale phänomenologische Ontologie, ausgehend von der Hermeneutik des Daseins, die als Analytik der Existenz das Ende des Leitfadens alles philosophische Fragen dort festgemacht hat, woraus es entspringt und wohin es zurückschlagt." (S.38)

Heidegger hat somit schon eine "wissenschaftlich nutzbare" Methode nach eigenem Verständnis.

Denn "Sachhaltig genommen ist die Phänomenologie die Wissenschaft vom Sein des Seienden-Ontologie".

Also da Phänomenologie (auch) Wissenschaft ist, ist die phänomenologische Methode nach Heideggers Verständnis eine wissenschaftliche Methode. Und die Begriffe , die Heidegger als Phänomenologe in SuZ benutzt, gehören eben damit auch zu einer phänomenologischen Begrifflichkeit sozusagen. Ich finde schon dass Phänomenologie bzw. die phänomenologische Methode hier "praktikabel" ist und dies sich meines Erachtens auch in die Analysen Heideggers zeigt in SuZ. In dem Punkt widerspreche ich also recht deutlich, jedenfalls so wie ich Heidegger verstehe.



Weshalb du mir ellenlange Auszüge zum Positivismus zitierst, ist mir schleierhaft. Meine Frage war ja, weshalb du die Metaphysikkritik, die im Rahmen des Positivismus geäußert wurde, für bedeutend erachtest. Carnaps Ansatz (bzw. derjenige des "Wiener Kreises"), eindeutige Sinnkriterien für wahre Aussagen zu bestimmen, gilt ja gemeinhin als gescheitert und hat sogar mit dazu geführt, dass die allgemeine Metaphysik im Kritischen Rationalismus weiter säkularisiert und philosophisch rehabilitiert werden konnte.

Gruß


Phil

Nun zum Einen habe ich das deshalb gemacht um den Gegensatz zwischen Metaphysik und Wissenschaft aus positivistischer Sicht zu zeigen, was man eigentlich schon anhand der Zitate nachvollziehen eigentlich sollte, zum Anderen mit Bezug zu Carnap, der ja in Heideggers Aussagen (wie das Nichts nichtet) sinnlose Aussagen sah. Und metaphysische Aussagen sind aus der Sicht des Positivismus "sinnlose Aussagen". Man kann daher vermutlich sagen, dass Carnap in seiner Kritik an Heidegger damit auch aus der Sicht des logischen Empirismus/Positivismus her agiert. Dass dieser Ansatz allerdings heute als "überholt" gilt, ist ja meines Erachtens mehr oder weniger bekannt.


Zur Erinnerung noch mal das Zitat:

"Der logische Positivismus (auch logischer Empirismus) stellt eine Verbindung des Empirismus mit der modernen, formalen Logik dar, die von Gottlob Frege (1848–1925), Bertrand Russell (1872–1970) und Alfred North Whitehead (1861–1947) entwickelt wurde. Im Unterschied zu den bisher genannten Positionen ist der logische Positivismus nicht nur der Auffassung, 20 Einleitung: Fragen der Wissenschaftstheorie dass metaphysische Aussagen kein Wissen ausdrücken,sondern dass sie sinnlos sind. Diese Behauptung beruht auf dem sogenannten Verifikationsprinzip der Bedeutung. Demnach hat ein Satz nur dann Bedeutung, wenn eine Möglichkeit besteht, dessen Wahrheit oder Falschheit zu überprüfen"

Zu Carnap:

"Paul Rudolf Carnap, meist kurz Rudolf Carnap, (* 18. Mai1891 in Ronsdorf, heute Stadtteil von Wuppertal; † 14. September1970 in Santa Monica, Kalifornien) war ein deutscher Philosoph und einer der Hauptvertreter des logischen Empirismus

In Scheinprobleme in der Philosophie. Das Fremdpsychische und der Realismusstreit (1928) und dem Aufsatz Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache (1932) erhob er auf der Grundlage einer verifikationistischen Semantik den Vorwurf der Sinnlosigkeit gegen die traditionellen Probleme der Metaphysik. Unter den zeitgenössischen Philosophen kritisierte er dabei vor allem Martin Heidegger."

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Carnap

Vgl. auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Positivismus

Einen Gruß auch von mir

Philosophist
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus dem bisherigen Zitaten müsste ja eigentlich deutlich werden, dass das In-der-Welt-sein das Wesensmerkmal des Daseins/des Menschen ist.

Das steht ja auch nicht in Frage. In Frage steht lediglich, dass deine Behauptung, für Heidegger bestünde zwischen dem Menschen - im herkömmlichen Sinne als bewusstseinsfähiges Individuum ("animal rationale") verstanden - und dem "Dasein" kein Unterschied.

Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift, ist dies vom animal rationale der Metaphysik zu unterscheiden."

In deinem Zitat steht es doch schwarz auf weiß selbst geschrieben: Das Heideggersche "Dasein" ist "vom animal rationale der Metaphysik zu unterscheiden." Darauf fußt das gesamte Konzept der ontologischen Differenz Heideggers!

"gebraucht Heidegger seit den frühen Freiburger Vorlesungen Dasein statt des mehrdeutigen Wortes <Leben> exklusiv für den Menschen"

"Dasein" und "Leben" sind für Heidegger auf spezifische Weise different. Die Begründung, dass er "Leben" deshalb vermeidet, weil dieser Begriff mehrdeutig sei, erschließt sich mir nicht. Der Begriff des "Daseins" ist mindestens ebenso vieldeutig, zudem verwendet er den Begriff "Leben" weiterhin und zwar als Begriff der Abgrenzung zum "Dasein":

Leben ist weder pures Vorhandensein, noch aber auch Dasein. Das Dasein wiederum ist ontologisch nie so zu bestimmen, daß man es ansetzt als Leben – (ontologisch unbestimmt) und als überdies noch etwas anderes. (Martin Heidegger, "Sein und Zeit", §10, S. 50)

Im folgenden Zitat wird nochmals deutlich, dass die herkömmliche (von Heidegger so behauptete) Vorstellung des Menschen (als "Ich und Subjekt", d.h. als bewusstseinsfähiges Lebewesen) keine phänomenologisch zutreffende Bestimmung des "Daseins" ist, da die - in meinen Worten - ganzheitliche Bestimmung des Seienden aus seinem Sein unterbleibt (vergessen wird):

Eine ihrer [der Analytik] ersten Aufgaben wird es sein zu erweisen, daß der Ansatz eines zunächst gegebenen Ich und Subjekts den phänomenalen Bestand des Daseins von Grund aus verfehlt. [...] Diese Titel [Subjekt, Seele, Bewußtsein, Geist, Person] nennen alle bestimmte, »ausformbare« Phänomenbezirke, ihre Verwendung geht aber immer zusammen mit einer merkwürdigen Bedürfnislosigkeit, nach dem Sein des so bezeichneten Seienden zu fragen. Es ist daher keine Eigenwilligkeit in der Terminologie, wenn wir diese Titel ebenso wie die Ausdrücke »Leben« und »Mensch« zur Bezeichnung des Seienden, das wir selbst sind, vermeiden. (Martin Heidegger, "Sein und Zeit", §10, S. 46)

"Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift"

Lese einfach etwas genauer: das "Seiende" ist der Mensch, während "die Seinsart des Seienden" das "Dasein" meint.

Ich habe jetzt den Eindruck, dass das von mir zitierte (aus der Sekundärliteratur> siehe Heidegger-Grundriss von Vetter 2014) ein anderes Heidegger-Verständnis artikuliert als das deine oder? Also was den Begriff des Daseins bzw. was das Verständnis desselben angeht.

Ich denke nicht, dass ich derjenige bin, der bei Heidegger etwas ganz grundlegend (noch) nicht verstanden hat.

Ich verstehe Heidegger so, dass er den Menschen vor allem zunächst als "Seiendes" auffasst (so vor allem in SuZ).

Das Seiende ist eben aber gerade nicht mit dem "Dasein" identisch.

Aber SuZ will eben keine Anthropologie sein , denn von dieser grenzt er ja seine Daseinsanalytik ab. Es geht also um den Menschen,

Der Schluss ist nicht korrekt. Zwar will Heidegger keine Wissenschaft ersetzen oder darstellen, aber dies gerade deshalb, weil es ihm nicht wie den Wissenschaften "um den Menschen [geht]", sondern es geht ihm um die transzendentale Analyse des Seienden in seinem Sein. Hieraus ergibt sich ein anderes Menschenbild, das analytisch unter (und mit) dem Begriff "Dasein" untersucht wird.

Im Übrigen: In dem Heidegger-Grundriss von Vetter 2014, habe ich keinen Artikel zum Menschen gefunden. Dort wird dann auf den Begriff des Daseins verwiesen (siehe S.308).

Was mich nicht weiter wundert.

Gegen diese Auffassung der Metaphysik vom Menschen (dem "gängigen Menschenbild" kann man vielleicht) wendet sich also Heidegger.

Genau hierzu rede ich mir doch die ganze Zeit den Mund fusslig... *stöhn*

Ich verstehe das eher so, dass Heidegger schon seine Gründe hatte, warum er z.B. den Begriff "Dasein" genommen hat , um den Menschen damit zu bezeichnen

Nein. Er hat nicht "Dasein" genommen, um den Begriff "Mensch" damit zu ersetzen, sondern er hat "Dasein" gewählt, um dem ungenügenden (ontischen) Menschenbild (animal rationale, s.o.) ein ursprünglicheres voranzustellen und ersteres also denkerisch (daseinsanalytisch) letztlich zu überwinden.

Man könnte also schon sagen (aus momentaner Perspektive betrachtet) dass dies von dir angemerkte durchaus vermutlich im Heideggerschen Sinne wäre, allerdings würde ich aber schon sagen, dass eine gewisse Form von Sozialität (wenn auch aus fundamentalontologischer Perspektive) bei Heidegger bedacht wird.

Ich vermute auch, dass Heidegger mit meiner Interpretation nicht unzufrieden wäre, davon abgesehen, dass ich mich auf sein eigentlichen Seinsverständnis nicht einlassen will, dafür ist mir die Rationalität - so uneigentlich und seinsvergessen sie auch immer sein mag - viel zu wichtig; besser ein seinsvergessener Metaphysiker als ein inhumaner Denker einer vermeintlich wahren Humanität.

Sozialität - das habe ich ja nun schon ausführlich genug dargelegt - ist für Heidegger als "faktisch soziale Einrichtung[en]" dem "alltägliche[n] Miteinandersein" zugehörig, was in "Sein und Zeit" konsequenterweise nicht näher untersucht wird. Das alles schreibt Heidegger selbst und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie man sich so schwer tun kann, dieses zu erfassen und zu akzeptieren. Es steht doch klipp und klar - insbesondere für Heideggers Verhältnisse - da.

Ich danke dir erstmal für den Hinweis auf diese Stelle, welche mir dadurch bewusst geworden ist. Und dass sich Heidegger damit nicht für "faktische soziale Einrichtun(en)" interessiert, entnehme ich schon dieser Stelle (S.121)

Nichts zu danken.

Das Geschick setzt sich nicht aus einzelnen Schicksalen zusammen , sowenig als das Miteinandersein als Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte begriffen werden kann. (...) Das schicksalhafte Geschick des Daseins ... macht das volle, eigentliche Geschehen des Daseins aus."

Das rettet deine Idee, dass sich Heidegger für die "soziale Gemeinschaft" interessiert, in keiner Weise. Auch hier steht es schon im Text geschrieben: NICHT "das Miteinandersein als Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte" (d.h. die soziale Gemeinschaft) ist das "volle, eigentliche Geschehen des Daseins".

Gruß
Phil
 
Zuletzt bearbeitet:
Das steht ja auch nicht in Frage. In Frage steht lediglich, dass deine Behauptung, für Heidegger bestünde zwischen dem Menschen - im herkömmlichen Sinne als bewusstseinsfähiges Individuum ("animal rationale") verstanden - und dem "Dasein" kein Unterschied.

Ich würde es so formulieren: der Mensch ist dasjenige Seiende, was Heidegger terminologisch als "Dasein" bezeichnet (vgl. SuZ, S.11): Denn es heißt ja in SuZ: "Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein". > Seiende (Mensch) > so steht es auf S.11

Und in der Sekundärliteratur:

Anders als in der Tradition wo das deutsche Wort Dasein die Übersetzung von lat. existentia ist, gebraucht Heidegger seit den frühen Freiburger Vorlesungen Dasein statt des mehrdeutigen Wortes <Leben> exklusiv für den Menschen (GA 58, S.66); existentia übersetzt er mit Vorhandenheit. ..) Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift, ist dies vom animal rationale der Metaphysik zu unterscheiden."

Vetter 2014, S.246.

>Das "Dasein" darf er nicht mit dem "animal rationale" der Metaphysik verwechselt werden (also dem Menschen als vernunftbegabten Tier). Davon grenzt sich ja Heidegger eben ab.

in dem Text aus der Sekundärliteratur heiß es ja; "gebraucht Heidegger seit den frühen Freiburger Vorlesungen Dasein statt des mehrdeutigen Wortes <Leben> exklusiv für den Menschen" und "Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift" (vgl. dazu auch S.11 von Sein und Zeit, wo direkt von der "Seinsart dieses Seienden (Mensch) " gesprochen wird)

Der Mensch wird eben hier als Seiendes aufgefasst und da er Seiendes ist , wird dann terminologisch vom "Dasein" gesprochen. Im Grunde meint also "Dasein" den Menschen als Seiendes. Also könnte man meines Erachtens schon Dasein= Mensch (als Seiendes) sagen.

Terminologisch ist das von der Bedeutung nach dem jetzt angeführten aus meiner Sicht relativ klar. Daher würde ich eben , dass Heidegger (quasi aus terminologischer Sicht) schon Mensch und Dasein im Grunde gleichsetzt. Der Mensch ist ein "Seiendes" und "Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein"

Heidegger macht selbst noch eine kritische Anmerkung zur Terminologie in SuZ, was ich hier gern mal zitieren möchte (da wir ja über die Terminologie eben bei Heidegger sprechen):

"Mit Rücksicht auf das Ungefüge und <Unschöne> des Ausdrucks innerhalb der folgenden Analysen darf die Bemerkung angefügt werden: ein anderes ist es , über Seiendes erzählend zu berichten, ein anderes , Seienden in seinem Sein zu fassen. Für die letztgenannte Aufgabe fehlen nicht nur meist die Worte, sondern vor allem die >Grammatik>. Wenn ein Hinweis auf frühere und in ihrem Niveau unvergleichliche seinsanalytische Forschungen erlaubt ist, dann vergleiche man ontologische Abschnitte in Platons <Parmenides> oder das vierte Kapitel des siebenten Buches der >Metaphysik> des Aristoteles mit einem erzählenden Abschnitt aus Thukydides, und man wird das Unerhörte der Formulierungen sehen, die den Griechen von ihren Philosophen zugemutet wurden. Und wo die Kräfte wesentlich geringer und überdies das zu erschließende Seinsgebiet ontologisch weit schwieriger ist als den Griechen vorgegebene , wird sich die Umständlichkeit der Begriffsbildung und die Härte des Ausdrucks steigern."

Heidegger erklärt hier im Grunde nichts anderes , warum also eine gewisse "Umständlichkeit der Begriffsbildung" und "Härte des Ausdrucks" sich nicht vermeiden lassen für den Leser in seinem Werk (und er vergleicht dies mit Platon/Aristoteles, die den Griechen auch unschöne Ausdrücke zugemutet haben. In dem Sinne also so, dass was die griechischen Philosophen mit ihren Begriffen gemacht haben, macht Heidegger eben mit seinen Begriffen (für die Leser). Damit scheint er eben auch seine Begriffe zu legitimieren, die dann eben der Sache selbst geschuldet sind. Das als Anmerkung zu Heidegger und seiner Einschätzung der Terminologie.

Den Begriff "Dasein" betrifft die "Härte des Ausdrucks" nicht so sehr, dafür aber anderen Begriffe die gewöhnungsbedürftig sind wie "In-Sein" , "Sein zum Tode", die "Sorge" usw.

Das nochmal als kleiner Exkurs zur Frage der Terminologie bei Heidegger.


In deinem Zitat steht es doch schwarz auf weiß selbst geschrieben: Das Heideggersche "Dasein" ist "vom animal rationale der Metaphysik zu unterscheiden." Darauf fußt das gesamte Konzept der ontologischen Differenz Heideggers!

Ja, das stimmt. Das "Dasein" darf nicht mit der metaphysischen Auffassung vom Menschen als animal rationale verwechselt werden.

Zur Erinnerung:

"Wissenschaften haben als Verhaltungen des Menschen die Seinsart dieses Seienden (Mensch). Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein."

Es gibt somit eine Differenz zwischen dem Dasein und dem "animal rationale".


"Dasein" und "Leben" sind für Heidegger auf spezifische Weise different. Die Begründung, dass er "Leben" deshalb vermeidet, weil dieser Begriff mehrdeutig sei, erschließt sich mir nicht. Der Begriff des "Daseins" ist mindestens ebenso vieldeutig, zudem verwendet er den Begriff "Leben" weiterhin und zwar als Begriff der Abgrenzung zum "Dasein":

Leben ist weder pures Vorhandensein, noch aber auch Dasein. Das Dasein wiederum ist ontologisch nie so zu bestimmen, daß man es ansetzt als Leben – (ontologisch unbestimmt) und als überdies noch etwas anderes. (Martin Heidegger, "Sein und Zeit", §10, S. 50)

Im Text aus der Sekundärliteratur heißt es ja:

"Anders als in der Tradition wo das deutsche Wort Dasein die Übersetzung von lat. existentia ist, gebraucht Heidegger seit den frühen Freiburger Vorlesungen Dasein statt des mehrdeutigen Wortes <Leben> exklusiv für den Menschen (GA 58, S.66)"

"Leben " betrifft auch Pflanzen oder Tiere, während der Begriff "Dasein" im Sinne Heidegger den Menschen als Seiendes bezeichnet.

Ja das stimmt, dass er beide Begriffe benutzt , aber eben auch diese von einander abgrenzt. Warum ist für dich der Begriff des "Daseins" mindestens ebenso "vieldeutig" (wie der Begriff des Lebens)? Worin würde denn aus deiner Sicht hier die Vieldeutigkeit dieses Begriffes bestehen? Was sich mir nicht ganz im Übrigen erschließt...

Interessant ist noch die Rede von (auf S.50) der Seinsart dieses Seienden, "das wir selbst sind". Das fand ich jedenfalls aufschlussreich. Er hätte auch sagen können: dass wir Menschen selbst sind...


Im folgenden Zitat wird nochmals deutlich, dass die herkömmliche (von Heidegger so behauptete) Vorstellung des Menschen (als "Ich und Subjekt", d.h. als bewusstseinsfähiges Lebewesen) keine phänomenologisch zutreffende Bestimmung des "Daseins" ist, da die - in meinen Worten - ganzheitliche Bestimmung des Seienden aus seinem Sein unterbleibt (vergessen wird):

Eine ihrer [der Analytik] ersten Aufgaben wird es sein zu erweisen, daß der Ansatz eines zunächst gegebenen Ich und Subjekts den phänomenalen Bestand des Daseins von Grund aus verfehlt. [...] Diese Titel [Subjekt, Seele, Bewußtsein, Geist, Person] nennen alle bestimmte, »ausformbare« Phänomenbezirke, ihre Verwendung geht aber immer zusammen mit einer merkwürdigen Bedürfnislosigkeit, nach dem Sein des so bezeichneten Seienden zu fragen. Es ist daher keine Eigenwilligkeit in der Terminologie, wenn wir diese Titel ebenso wie die Ausdrücke »Leben« und »Mensch« zur Bezeichnung des Seienden, das wir selbst sind, vermeiden. (Martin Heidegger, "Sein und Zeit", §10, S. 46)

Ja , das stimmt und das Zitat ist auch gewählt. Vor allem fand ich den letzten Satz besonders wichtig : "Es ist daher keine Eigenwilligkeit in der Terminologie, wenn wir diese Titel ebenso wie die Ausdrücke »Leben« und »Mensch« zur Bezeichnung des Seienden, das wir selbst sind, vermeiden"

Denn hier wird ja deutlich, dass Heidegger den Begriff "Mensch" auch vermeiden will und dafür statt dessen vom "Dasein" spricht.

Wozu es auf S.11 von SuZ eben heißt: "Wissenschaften haben als Verhaltungen des Menschen die Seinsart dieses Seienden (Mensch). Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein".

Der Begriff "Mensch" wird damit eher vermieden, aber der Mensch ist dasjenige Seiende was von Heidegger terminologisch als "Dasein" bezeichnet wird.


Lese einfach etwas genauer: das "Seiende" ist der Mensch, während "die Seinsart des Seienden" das "Dasein" meint.

"Wenn Heidegger die Seinsart des Seienden <Mensch> als Dasein begreift"

und vergleiche dies mit dem Satz aus Sein und Zeit (S.11):

"Wissenschaften haben als Verhaltungen des Menschen die Seinsart dieses Seienden (Mensch). Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein""

Man kann ja sehen wie sich die Sekundärliteratur hier vor allem vermutlich auf diese Stelle von SuZ beruft. Das müsste an der Formulierung "Seinsart dieses Seienden" eigentlich relativ deutlich sein.

Und es heißt ja besonders: "Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein"

Ich denke nicht, dass ich derjenige bin, der bei Heidegger etwas ganz grundlegend (noch) nicht verstanden hat.

Nun das hatte ich damit nicht behaupten wollen. Ich habe nur den Eindruck, dass hier recht unterschiedliche Heidegger-Verständnisse sich artikulieren , wenn man die Sekundärliteratur auch noch hinzuzieht. Jedenfalls ist das mein Eindruck, da es da Differenzen hinsichtlich des Verständnisses gibt.


Das Seiende ist eben aber gerade nicht mit dem "Dasein" identisch.

"Dieses Seiende fassen wir terminologisch als Dasein". (SuZ, S.11)

Wie gesagt, für Heidegger ist der Mensch dasjenige Seiende, was terminologisch als "Dasein" bezeichnet wird.

Der Schluss ist nicht korrekt. Zwar will Heidegger keine Wissenschaft ersetzen oder darstellen, aber dies gerade deshalb, weil es ihm nicht wie den Wissenschaften "um den Menschen [geht]", sondern es geht ihm um die transzendentale Analyse des Seienden in seinem Sein. Hieraus ergibt sich ein anderes Menschenbild, das analytisch unter (und mit) dem Begriff "Dasein" untersucht wird.

Nun es wird ja deutlich in SuZ, dass Heidegger sich von der Anthropologie mit seinem Absatz abgrenzt. Und die Anthropologie denkt ja traditioneller Weise den Menschen. Aber vermutlich ist Heidegger mit dieser Denkweise aus fundamentalontologischer Perspektive nicht zufrieden und betont daher eben seinen speziellen philosophischen Ansatz. Die Daseinsanalytik ist eben eine Analytik/Analyse des Seienden . Das letztgenannte würde ich im Grunde auch so sehen. Mir war nur die Abgrenzung zur Anthropologie wichtig.


Was mich nicht weiter wundert.

Ich habe es eben nur festgestellt dort.


Genau hierzu rede ich mir doch die ganze Zeit den Mund fusslig... *stöhn*

Gut, dann scheint das ja klar zu sein.

Nein. Er hat nicht "Dasein" genommen, um den Begriff "Mensch" damit zu ersetzen, sondern er hat "Dasein" gewählt, um dem ungenügenden (ontischen) Menschenbild (animal rationale, s.o.) ein ursprünglicheres voranzustellen und ersteres also denkerisch (daseinsanalytisch) letztlich zu überwinden.

Nun ich würde sagen, er zieht den Begriff "Dasein" vor und vermeidet den Begriff "Mensch" um nicht in Rahmen einer metaphysischen Tradition zu denken...sonst würde er ja im Grunde in eine metaphysische Begrifflichkeit zurückfallen...also die Sprache der Metaphysik sprechen...und die Rede vom Menschen als aninmal rationale entspricht der traditionellen metaphysischen Auffassung > seine Begrifflichkeit möchte sich auch bewusst von traditioneller metaphysischer Begrifflichkeit, also von Begriffen der Metaphysik absetzen, so wie ich Heidegger hier auch verstehe. Mit dem Begriff "Dasein" denkt er also den Menschen im Rahmen der Fundamentalontologie , die sich aber nicht als Metaphysik verstehen möchte.

Ich glaube ich hatte dazu auch eine Anmerkung aus den Schwarzen Heften zitiert und zwar aus GA 97...

Das Zitat findet man in einem meiner früheren Beiträge...was ich nochmal nachschauen müsste...


Ich vermute auch, dass Heidegger mit meiner Interpretation nicht unzufrieden wäre, davon abgesehen, dass ich mich auf sein eigentlichen Seinsverständnis nicht einlassen will, dafür ist mir die Rationalität - so uneigentlich und seinsvergessen sie auch immer sein mag - viel zu wichtig; besser ein seinsvergessener Metaphysiker als ein inhumaner Denker einer vermeintlich wahren Humanität.

Nun das kann natürlich gut zu sein, dass Heidegger mit dieser Interpretation "nicht unzufrieden" wäre, aber Gewissheit diesbezüglich hat man nicht. Man kann jetzt nur noch die Schriften lesen und ihn selbst nicht mehr dazu befragen.

Sozialität - das habe ich ja nun schon ausführlich genug dargelegt - ist für Heidegger als "faktisch soziale Einrichtung[en]" dem "alltägliche[n] Miteinandersein" zugehörig, was in "Sein und Zeit" konsequenterweise nicht näher untersucht wird. Das alles schreibt Heidegger selbst und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie man sich so schwer tun kann, dieses zu erfassen und zu akzeptieren. Es steht doch klipp und klar - insbesondere für Heideggers Verhältnisse - da.

Die Rede von der Sozialität bringt ja die Heidegger-Sekundärliteratur selbst ein, wenn auch betont wird (Heidegger-Handbuch 2013, S.306):

"Mag dieses Modell rudimentäre Sozialität auch zulassen , bleibt es hinter einer Bestimmung von tatsächlicher Kommunität doch deutlich zurück."

Ich kann ja nur darauf , dass ja auch hier die Sekundärliteratur eben von "rudimentärer Sozialität" spricht, es wird allerdings nicht weiter von Heidegger bestimmt/untersucht, sondern ist eben nur in rudimentärer Form vorhanden in SuZ. Ich denkt der Punkt ist klar,
ich habe eben nur betont , dass die Sekundärliteratur aber zumindest eben von dieser "rudimentären Sozialität" spricht, mehr nicht.


Nichts zu danken.

Okay.


Das rettet deine Idee, dass sich Heidegger für die "soziale Gemeinschaft" interessiert, in keiner Weise. Auch hier steht es schon im Text geschrieben: NICHT "das Miteinandersein als Zusammenvorkommen mehrerer Subjekte" (d.h. die soziale Gemeinschaft) ist das "volle, eigentliche Geschehen des Daseins".

Gruß
Phil

Naja, hier zu heißt es aber in der Sekundärliteratur:

"Zum ersten und einzigen Mal in Sein und Zeit affizieren sich umfassende Sozialität und Selbstheit nicht negativ, sondern fallen im Volk in eins..." (2013, S.306)

und weiter: "(...) legt Heidegger hier nahe, dass Sozialität sich unter bestimmten Vorraussetzungen- den Vorraussetzungen geteilter >Entschlossenheit> sogar in >Eigentlichkeit> steigernder Weise auswirken kann.

Ich würde schon aber sagen, dass sich Heidegger hier für die soziale"Gemeinschaft", das "Volk" insofern interessiert, da sich das "Geschehen der Gemeinschaft" mit dem "eigentlichen Geschehen" des Daseins verknüpft. In der Sekundärliteratur wird dieser Punkt dann so beschrieben:"affizieren sich umfassende Sozialität und Selbstheit nicht negativ, sondern fallen im Volk in eins."

Im Sinne also von : "Wir sind das Volk" /"Wir sind die Gemeinschaft" > denn es fällt zusammen > das "Geschehen der Gemeinschaft" entspricht dem eigentlichen Geschehen des Daseins in diesem Fall. Ich sehe das also etwas anders. Heidegger interessiert sich hier insofern für "Gemeinschaft" , weil damit auch das eigentliche Geschehen des (Einzel) Daseins verknüpft...daher auch die Rede von einem "Wir" ..denn die Differenz zwischen dem Einzeldasein und der Gemeinschaft ist in dem Fall nicht mehr vorhanden. Das "Geschehen der Gemeinschaft" entspricht dem eigentlichen "Geschehen des Dasein"...und damit ist Sozialität /die soziale Gemeinschaft -das "Wir"- gegeben aus meiner Sicht. Ich muss in dem Punkt widersprechen also der Sache nach (so wie ich sie sehe).

Einen Gruß auch von mir

Philosophist
 
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Kurzer Nachtrag zu meinem Beitrag davor (also an PhilippP nach wie vor)

"Nein. Er hat nicht "Dasein" genommen, um den Begriff "Mensch" damit zu ersetzen, sondern er hat "Dasein" gewählt, um dem ungenügenden (ontischen) Menschenbild (animal rationale, s.o.) ein ursprünglicheres voranzustellen und ersteres also denkerisch (daseinsanalytisch) letztlich zu überwinden." (Zitat PhilippP)

Nun ich würde sagen, er zieht den Begriff "Dasein" vor und vermeidet den Begriff "Mensch" um nicht in Rahmen einer metaphysischen Tradition zu denken...sonst würde er ja im Grunde in eine metaphysische Begrifflichkeit zurückfallen...also die Sprache der Metaphysik sprechen...und die Rede vom Menschen als aninmal rationale entspricht der traditionellen metaphysischen Auffassung > seine Begrifflichkeit möchte sich auch bewusst von traditioneller metaphysischer Begrifflichkeit, also von Begriffen der Metaphysik absetzen, so wie ich Heidegger hier auch verstehe. Mit dem Begriff "Dasein" denkt er also den Menschen im Rahmen der Fundamentalontologie , die sich aber nicht als Metaphysik verstehen möchte.

Ich glaube ich hatte dazu auch eine Anmerkung aus den Schwarzen Heften zitiert und zwar aus dieses hier:

"Wir haben zwar seit zweiundeinhalb Jahrtausenden eine Sprache und Terminologie der Philosophie. Aber wir sind noch nicht zu einer Sage des Denkens gelangt. Sie ist von der Sprache der Philosophie durch einen Abgrund getrennt, aber auch unvergleichbar mit dem Wort des Gesanges (der <Poesie>)." (GA 97, S.221)

Damit betont ja Heidegger, dass die "Sage des Denkens" sich von der traditionellen Sprache der Philosophie (sprich der Metaphysik) unterscheiden möchte und das müsste daher auch den Begriff des "Daseins" betreffen (statt dem des "Menschen").
 
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