Soviel mir bekannt ist, in den EU-Verträgen ist der Austritt eines Mitglieds auf eigenen Wunsch vorgesehen. Ein EU-Mitglied kann allerding weder von der Währungsunion noch von der EU ausgeschlossen werden. Das gilt natürlich auch für Griechenland. Was die aktuelle Aufregung über das Vorgehen Tsipras‘ angeht, so überraschend es auch war, ganz unerwartet war es nicht, aus meiner Sicht. Er ist dazu gedrängt worden, Entscheidungen zu treffen, wohl wissend, dass er sie im Alleingang in Griechenland nicht durchsetzen kann, weil der linke Flügel seiner Partei sie nicht mitträgt. Hinzukam, dass das Papier , das er mit der EU-Kommission ausgehandelt hatte, am Ende doch keine Verhandlungsgrundlage für den IWF war. Seine Entscheidung für ein Referendum ist zwar demokratisch korrekt, und man dürfte daher nichts einzuwenden haben, aber sie kommt zum falschen Zeitpunkt. Er holt schließlich nach, was vor fünf Jahren hätte passieren können und müssen, wenn Papandreou damals keine kalten Füße bekommen hätte. Ein Referendum 2010 hätte zur Folge gehabt, dass das griechische Volk die Forderungen der Gläubiger abgelehnt hätte, es wäre zur Staatsinsolvenz gekommen und zur Umschuldung, die ausländischen Banken die mit griechischen Staatsanleihen spekuliert hatten, hätten einen Großteil des Geldes abschreiben müssen. Das hätte den Banken sicherlich wehgetan, aber das ist der normale Vorgang bei Spekulationen. Das griechische Volk hätte massive Einschnitte erlitten, man hätte womöglich wieder die Drachme eingeführt, Renten, Löhne und Gehälter wären wahrscheinlich auf einen niedrigeren Stand als den heutigen zusammengekürzt worden, aber das hätte wieder einen Neustart bedeutet und wenn alles einigermaßen geregelt gelaufen wäre, hätten sie bis heute das Schlimmste überstanden und etwas hoffnungsvoller in die Zukunft geblickt.
Jetzt sind die Banken gerettet, die Schulden haben die Eurostaaten übernommen, den Griechen geht es schlecht und die Perspektiven einer Besserung sind in die ferne Zukunft gerückt und die Steuerzahler der Eurostaaten müssen, wenn es dumm läuft, für die Schulden der Griechen aufkommen. Das ist die ökonomische Sicht der ganzen Geschichte. Aus politischer Sicht sieht die Sache allerdings viel verheerender aus. Diese fünf Jahre Hickhack mit den Griechen haben der EU einen enormen innereuropäischen Schaden zugefügt. Noch nie war die EU einer so großen Ablehnung von den EU-Bürgern ausgesetzt. Die politischen Ränder werden EU weit immer stärker und die nationale Abgrenzung immer größer. Ökonomisches Verständnis darf man von den EU-Politikern nicht erwarten, aber politisches Feingefühl sehr wohl, dazu sind sie schließlich Politiker.