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„Danke gut!“

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.631
Liebes Forum.

Habt ihr euch schon mal gefragt, warum die Menschen, sobald sie sich beobachtet fühlen, beinahe automatisch vorgeben, es gehe ihnen gut und alles sei „in Ordnung“?

Ist es die eigene Besänftigung, die Herauslösung des Guten, aus dem (Tages-)Geschehen? Sicher.
Aber warum meinen wir, uns DEM ANDEREN als „alles ok“...oder „ach es geht schon“ oder „danke, gut“ darstellen zu müssen? Würden wir mit einem traurigen Gesicht nicht viel mehr Zuneigung bekommen, als mit einem lächelnden?

Lernt ein Kind, dass es lächeln muss? Weil man sich dann weniger um es kümmern muss? Die Frage kann ich nicht beantworten. Würde der Gefühlsausdruck des Kindes dann nicht im Dienste der Eltern stehen?

Wenn man durch die Straßen geht, begegnen einem überwiegend ängstliche, apathische oder offensichtlich aufgesetzte (dem ICH-Ideal folgende, bzw. Zweckgesichter: überlegene, arrogante, „böse“, grinsende...) Gesichter. Spricht man aber mit jemandem, „grinst der einen fast immer blöde an“, obwohl man auch oft merkt, dass etwas nicht stimmt. Tja...auch wenn das gewohnt derb klingt, ist es nicht so? Aber warum?

Mit freundlichen Grüßen
Bernd
 
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AW: „Danke gut!“

Servus Bernd!

Ich vermute, es mag zumindest zum Teil daran liegen, dass der Status "mir geht es gut" auch irgendwie bedeutet "ich stehe mit beiden Füßen am Boden" bzw. "ich hab mein Leben unter Kontrolle" oder auch "ich bin stark".
Man will meistens nicht zugeben, dass es einem nicht wirklich gut geht oder dass man sein Leben vielleicht nicht so ganz kontrolliert. Es mag in der Hinsicht so scheinen, als wäre es eine Schwäche zu sagen, dass es einem schlecht geht. Ich denke, dass darin ein durchaus wahrer Kern steckt, wenn gleich ich auch meine, dass Stärke auch bedeuten kann, Schwäche zu zeigen.

Und zum Zweiten denke ich, dass man oft aus dem Grund gewisse Dinge nicht zeigen will, weil man ganz einfach nicht mit jedem x-beliebigen Menschen über seine Probleme reden möchte.

Letztens bin ich aber auch der Ansicht, dass die Art, wie wir Menschen, und vor allem deren Gesichter, wahrnehmen, etwas mit uns selbst zu tun hat. Einem, dem's schlecht geht, neigt dazu auch schlechte Emotionen in den Gesichtern anderer zu sehen.
Wie fühlst du dich denn selbst, Bernd, wenn du die Menschen so wahrnimmst?

mfg
Ben
 
AW: „Danke gut!“

Hallo Bernd!

Diese Fassadenfreundlichkeit ist die ganz normale Höflichkeit. Wenn dir jeder Mensch, den du beim Einkaufen triffst, sagen würde, wie es ihm wirklich geht, dann wäre es dir wahrscheinlich zu viel.

Wenn mich ein Bekannter mit dieser höflichen Floskel "Wie geht es dir?" anspricht, dann stelle ich manchmal die Gegenfrage: "Willst du nur höflich sein oder willst du es wirklich wissen?" Die meisten sagen dann, sie wollten es eigentlich schon wissen, aber jetzt hätten sie leider keine Zeit. :reden:

Ich stell mir vor, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe, wenn ich nicht gut drauf bin. Ich bin verschlossener als normal, damit keiner merkt, dass es mir nicht gut geht. Das passt doch gut zu deiner Wahrnehmung. Wenn es mir nicht gut geht, will ich nicht, dass mich einer drauf anspricht. Ich fühle mich verletzbar. Ich habe keinen Platz in mir frei für anderer Leute Geschichten, das ist auch ein Grund für mich, mein Rollo mit dem Grinsesmiley :) herunter zu ziehen. Dahinter schaue ich grantig oder traurig, aber es soll keiner sehen. Die echten Gefühle kriegt nur jemand absolut Vertrauenswürdiger zu sehen.

Freundliche Grüße (ganz echt freundliche) auch an dich :blume1:
lilith
 
AW: „Danke gut!“

Danke euch Zweien.

von Benjamin: Ich vermute, es mag zumindest zum Teil daran liegen, dass der Status "mir geht es gut" auch irgendwie bedeutet "ich stehe mit beiden Füßen am Boden" bzw. "ich hab mein Leben unter Kontrolle" oder auch "ich bin stark".
Warum möchte man das dem gegenüber ausdrücken? Ich versteh das noch nicht. Mindert man damit seine Angst vor ihm?


Und zum Zweiten denke ich, dass man oft aus dem Grund gewisse Dinge nicht zeigen will, weil man ganz einfach nicht mit jedem x-beliebigen Menschen über seine Probleme reden möchte.
Nun bleiben aber andauernd Menschen am Gartenzaun, im Laden oder sonst wo stehen und reden ein paar Sätze mit mir. Sprechen die mich an, weil sich NICHT mit mir reden wollen?

Warum versucht der heranwachsende junge Mann wie ein Indianer „keinen Schmerz zu kennen“? Warum verbirgt die Ehefrau ihre Unterleibsschmerzen, vor ihrem Mann, bis sie zusammenbricht? Warum verbirgt die krebskranke Mutter vor ihrer Tochter ihre Krankheit bis kurz vor ihrem Tod und setzt damit das Vertrauen aufs Spiel. Warum ist immer alles in Ordnung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es immer nur Höflichkeit ist, was die Menschen antreibt.


von Lilith:
Diese Fassadenfreundlichkeit ist die ganz normale Höflichkeit. Wenn dir jeder Mensch, den du beim Einkaufen triffst, sagen würde, wie es ihm wirklich geht, dann wäre es dir wahrscheinlich zu viel.
Ich könnte dadurch viel leichter mit ihnen in Verbindung treten. Fände das ganz gut.

Können Menschen nur miteinander in Verbindung kommen, wenn es ihnen gut geht?
Können sie nur mit anderen in Verbindung treten, wenn sie stark sind? Mit beiden Beinen auf dem Boden stehen?

Viele Grüße
Bernd
 
AW: „Danke gut!“

Hallo Bernd,

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es immer nur Höflichkeit ist, was die Menschen antreibt.
Da stimme ich dir zu. Ist es vielleicht auch der Egoismus selbst zu wählen, wer mir welche Information über mich und mein Seelenheil wert ist?
Ist es Angst, wie Benjamin schreibt, eventuell als "schwach" da zu stehen?
Ich sehe es ähnlich wie Benjamin und Lilith. Ich erzähle auch nicht jedem, wenn es mir schlecht geht, zum einen, weil es nicht jeden was angeht, zum anderen wenn das Wissen um mein mir-geht-es-schlecht mißbraucht werden könnte, z.B. im Job. Ich muss halt vertrauen haben.
Ich unterscheide generell, bei sowas zwischen Arbeit und Privatleben. Im Beruf muss man manchmal eben egoistisch gegen seine inneren Einstellungen und Sympathien handeln, um keine Nachteile zu haben, finde ich zumindest. Da gehören solche Floskeln dazu.


Nun bleiben aber andauernd Menschen am Gartenzaun, im Laden oder sonst wo stehen und reden ein paar Sätze mit mir. Sprechen die mich an, weil sich NICHT mit mir reden wollen?
Nein, ich denke sie reden schon mit dir, weil sie es wollen. Nur würden sie vielleicht mit dir nicht über alles reden wollen?!?
Ich glaube man redet nicht mit jemandem, mit dem man nicht reden will.
(Ja gut, Ausnahmen wie im Job z.B. mal ausgenommen.)
Kann ich mir zumindest schlecht vorstellen, ich rede (privat) auch nur mit den Menschen wo ich es auch will und es gibt auch ein paar Leute, für die hätte ich noch nicht mal ein "Hallo" oder die Uhrzeit über, unerzogen und böse wie ich bin. Ich bin da sehr emotional und folge meinen Gefühlen.
Ich nicke auch nicht meinem Nebenmann an der Ampel zu, dauernd grinsend, grüßend durch die Gegend zu rennen, das ist nicht meins. Oh, ich drifte ab, vielleicht sollten wir einen "Wie höflich bist du?"-Fred aufmachen?


Die Frage an sich ist im Allgemeinen leider zu einer netten Höflichkeitsfloskel verkommen. Ich verwende die Frage allerdings nur, wenn ich wirklich wissen will wie es dem anderen geht, wenns mich nicht interessiert, dann frag ich gar nicht. Wenn dieser sich nicht öffnen mag, weil er mich nicht für geeignet hält, dann finde ich das ok, denn ich behalte mir doch das gleiche Recht vor.

Ich fürchte damit bin ich wohl als unhöflich abgestempelt. Aber ich mag dieses heuchlerische nicht, ich erwarte auch von meinen Kindern nicht, dass sie Leuten die Hand geben oder sie gar küssen sollen, wenn sie es gar nicht wollen, auch bei engen Verwandten nicht. Wenn ich auf freundlichen Umgang auch viel wert lege, ehrlich muss er sein und das bringe ich auch meinen Kindern bei -versuche es.
Und wenn "höflich freundlich herzlich" nicht drin ist, aber sein muss, dann gibts immer noch "unverbindlich"
Ich rufe auch nicht lauthals "Guten Morgen" in die Bäckerei oder das Wartezimmer, ich grüße die Leute die ich kenne, falls welche dort sind und meine jeweiligen Ansprechpartner, also die Verkäuferin oder die Arzthelferin.

Tschuldigung, falls ich zu weit abgedriftet bin.
Liebe Grüße
Sal
 
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AW: „Danke gut!“

von fussel:
@Bernd
Wie geht es dir?

Meine Frau hat mich verlassen, das Haus ist gepfändet, meine Tochter hat sich vor einer Woche das Leben genommen und mein linkes Knie hat eine Artrose, sodass ich meinen Job aufgeben muss.

Mein Auto ist schon wieder in der Werkstatt, der Chor will mich nicht mehr, aus dem Stadtrat ekelt man mich gerade heraus, der Kegelverein löst sich gerade auf, Bettina und Jochen laden mich nun auch nicht mehr ein, seit das mit Karin passiert ist... ich habe 55 kg Übergewicht, was aber garnicht an meiner Alkoholsucht, sondern an den Tabletten liegen muss, die ich gegen mein Rheuma bekomme... und gestern hab ich auch noch erfahren, dass es Unsinnig war, die Berufsunfähigkeitsversicherung und die Lebensversicherung abzuschließen und der Immobilienfond, in dem meine Altersvorsorge steckt, am Boden ist... na ja, und da ich aus meinem Haus raus muss, darf ich nächste Woche ganz allein den Umzug bewältigen, in eine Wohnung, die ich noch nicht habe. Wohin mit den Möbeln und wohin mit dem Hund?

Dazu kommt, dass mir die Kreditraten und die Leasingraten im Nacken sitzen, meine 82-jährige Mama (nichts gegen Mamma) immer Druck macht...ich mich schäme für meine Holzfeuerungs-Feinstaubemission und dafür, dass ich manchmal heimlich ein bisschen fluche und letztes Mal nicht wählen war...es ist furchtbar.

...und zu allem Unglück scheint jetzt auch noch mein Fernseher kaputtzugehen. Es ist schlimm. Wie soll ich dann "Wer wird Millionär" kucken? :rolleyes:

Willst du mir helfen, fussel? Vielleicht beim Umzug?

So stell ich mir ein konstruktives und freundliches Gespräch am Gartenzaun vor.

Viele Grüße
Bernd
 
AW: „Danke gut!“

Köstlich....​
:D

Das Beste,was seit langem hier zu lesen war....;)
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: „Danke gut!“

Kroko-Bernd, wenn du wüsstest wie ich mich darüber freue, dass du nicht inkontinent bist...
Oder habe ich da etwas überlesen? :confused:
 
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