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Ein englischer Journalist beurteilt in einem 2013 veröffentlichten
Buch [Adam Lebor, Tower of Basel, 2013, S. 234] die BIZ als
undurchsichtige, elitistische und mit demokratischen Verhältnissen
eigentlich nicht verträgliche Institution.
Lebor stößt damit ins gleiche Horn wie ein heute vergessener
amerikanischer Geschichteprofessor vor 50 Jahren.
Vielleicht wäre diesem US-Akademiker die Ausdrucksweise Lebors
zu "journalistisch" und direkt gewesen - inhaltlich unterscheidet sich
beider Einschätzung nicht besonders.
Dieser Professor namens Carroll Quigley hat in einem 1000 Seiten-Buch
die Geschichte des 20. Jahrhunderts als den Versuch beschrieben,
„ein Weltsystem finanzieller Kontrolle in privater Hand zu entwickeln
(...)
Dieses System soll in feudalistischer Manier durch die Zentralbanken
kontrolliert werden, die in Übereinstimmung miteinander handeln,
mithilfe geheimer Abkommen, die auf vielen privaten Treffen und
Konferenzen geschlossen werden. Die Spitze (dieses Systems) sollte
die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel sein (...)."
Selbst die mächtigsten Zentralbanker der Zwischenkriegszeit,
Montagu Norman (Bank of England) und Benjamin Strong (NY Fed),
waren für Quigley
„bloße Mittelsleute von im Geheimen agierenden mächtigeren Financiers
(...)
Sie waren (bloße) Technokraten und Agenten der dominanten
Investmentbanker der jeweiligen Nationen, die sie groß gemacht hatten
und von denen sie jederzeit wieder gestürzt werden konnten(...)."
Man kann diesen heute schon lang verstorbenen New Yorker Historiker,
zu dessen Studenten übrigens der spätere US-Präsident Bill Clinton
gehört hat, nur schwer als paranoiden Verschwörungsspinner abtun.
Quigley hat über nichts anderes als über "global financial governance"
geschrieben - über die wirkliche, nicht über deren idealisierte Fiktion.
Er tat das Jahrzehnte bevor dieser Begriff überhaupt erfunden war.
Und er tat dies auch nicht aus einer feindlichen oder gar hasserfüllten
Perspektive. Er teilte, wie er selbst beteuerte,
die Ziele und die Weltsicht der von ihm beschriebenen Netzwerke
und kreidete diesen lediglich ihre Geheimniskrämerei an.
Nach seinen eigenen Aussagen hat Quigley über
einen Zeitraum von zwei Jahren Zugang zu den internen Dokumenten
dieser "angelsächsischen" Machtstruktur gehabt.
Deren in Basel ansässige Frontorganisation ist für jene
synthetische Währung hauptverantwortlich, die den Europäern
in den 1990ern aufgenötigt worden ist - ein Vorgang, bei dem
die demokratischen Systeme der Nationalstaaten gleich mit entsorgt werden.
"Die dramatischste und weitreichendste Neuordnung Europas in Friedenszeiten
- die ständige, nie nachlassende Erosion der nationalen Souveränität
- wurde unter Zuhilfenahme eines Taschenspielertricks umgesetzt.
Der entscheidende Schlüssel sowohl für das europäische Projekt
als auch für das breitere Mandat der BIZ war es,
Entscheidungen, Politiken und Aktionen als 'technisch', 'apolitisch'
oder als für den durchschnittlich informierten Bürger irrelevant
zu präsentieren.
Das genaue Gegenteil war aber wahr.
Es konnte kaum etwas Politischeres geben als die Übergabe
nationaler Befugnisse an nicht gewählte supranationale Gremien,
während gleichzeitig die nötigen finanziellen Mechanismen
von einer geheimnistuerischen und niemandem verantwortlichen Bank
in Basel gemanagt wurden.
Ende der Achtzigerjahre war dieser Prozess nicht mehr zu stoppen."
[...]
Die strikte Unabhängigkeit der monetären Behörden von den Regierungen
und Parlamenten gilt heute als so tief begründet,
dass niemand mehr groß darüber nachdenkt.
Dieses Dogma, das auch die Befreiung von wirklich kontrollierenden
„Checks and Balances" beinhaltet, wird als selbstverständlich empfunden.
Das ist nicht erst auf den zweiten Blick seltsam - in keinem anderen
Politikbereich würde in demokratisch verfassten Staaten
eine solche Struktur als akzeptabel empfunden.
Es ist ähnlich, als würde man die politischen Entscheidungen
über Schulen und Universitäten oder die äußere Sicherheit
in ein weisungsunabhängiges Expertengremium auslagern.
In Gegensatz dazu empfindet heute niemand die absolute Weisungsfreiheit
von Zentralbankern als irgendwie bedenklich - obwohl diese kraft ihres Amtes
über eine Macht verfügen, die der jedes gewählten Politikers überlegen ist.
Begründet wird der Vertrauensvorschuss an die modernen Alchemisten damit,
dass Regierungen dazu neigen, Staatsausgaben über die Notenpresse
zu finanzieren, wenn es niemanden gibt, der ihnen Einhalt gebietet.
Das ist, zugegeben, nicht leicht von der Hand zu weisen
- nicht in einem Fiat Money-Geldsystem.
Die Deutschen (und Österreicher) bekamen nach dem ersten Weltkrieg
eine Kostprobe von dem Problem,
als regierungsabhängige Notenbanken die Budgets der demokratisch gewordenen,
aber verelendeten Verliererstaaten finanzieren mussten
(regierungsunabhängige hätten dies wohl auch tun müssen.)
Unter Hinweis auf diese Erfahrungen bekam die deutsche Bundesbank
nach dem Zweiten Weltkrieg ein Statut, das ihr untersagte,
von den Politikern direkte Weisungen entgegenzunehmen
und das sie ausschließlich auf die Wahrung der Preisstabilität
verpflichtete - eine Mission, die sie durchaus erfolgreich erfüllte.
Nach dem Vorbild der Bundesbank ist dann die EZB konstruiert worden,
mit ihrem auf die Preisstabilität beschränkten Mandat und einer
„Unabhängigkeit", die rechtlich gesehen sogar noch besser verankert ist
als jene der BuBa.
Das ist zumindest die für den öffentlichen Konsum bestimmte Lesart.
Es gibt aber auch eine andere Erzählung,
die andere Schlussfolgerungen zulässt.
Die geht so:
Die EZB steht gar nicht in der Tradition der BuBa,
sondern in jener der 1922 gegründeten Reichsbank,
die nur der Reparationskommission der Siegermächte unterworfen war.
Diese Reichsbank habe sich in der Zwischenkriegszeit zu einer
„Schattenregierung" entwickelt, die ihre eigenen Entscheidungen traf
und mächtiger als die Regierungen der Weimarer Republik war.
Die "Deflationspolitik" dieser den gewählten Regierungen
nicht verantwortlichen Reichsbank habe zu einer
politisch unerträglichen Situation geführt,
die schließlich in die Machtergreifung Hitlers gemündet sei.
Die 1958 gegründete Bundesbank sei dagegen "nur" gegenüber
der (deutschen) Zentralregierung in Bonn unabhängig gewesen,
meint der deutsch-englische Bankwissenschaftler Richard Werner
in einer Studie, die eigentlich den Machenschaften der japanischen
Zentralbank gewidmet ist.
Die Bundesbank sei letztlich aber dem Parlament, dem Rechnungshof
und den Gerichten unterworfen und sei in die demokratischen Institutionen
der Bundesrepublik eingebettet gewesen.
„Ihr gesetzlicher Aufbau machte die Zentralbank
für ihre Politik in höchstem Maße rechenschaftspflichtig
(...)
Im Gegensatz dazu war das Scheitern der Reichsbank auf ihre
übermäßige Unabhängigkeit ohne Verantwortlichkeit zurückzuführen."
Die EZB sei dem Modell der Reichsbank nachempfunden.
Sie habe kaum Verpflichtungen zu Transparenz, Gewaltenteilung sei
nicht vorhanden und sie sei nicht nur von den Regierungen,
sondern vor allem von jeder Volksvertretung unabhängig
- von den nationalen Parlamenten ebenso wie vom Europäischen Parlament.
Keine außen stehende Institution dürfe auch nur versuchen,
Einfluss auf die EZB auszuüben, schreibt Werner:
„Eine solche Bestimmung ist in Demokratien beispiellos."
Der Autor beschreibt dabei freilich eher den Soll
- als den Istzustand der Europäischen Zentralbank.
Diese und das Euro-Zentralbankensystem agieren, wenn es notwendig ist,
sehr wohl politisch und nehmen dabei auf die Wünsche
des „Führungskollektivs" der Union Rücksicht
- z.B. in den Fällen Griechenland (SMP) und Irland
(Übernahme der Schulden der Banken-Abwicklungsgesellschaft,
die von Dublin in den Konkurs geschickt worden war).
Dennoch hat der Finanzwissenschaftler Werner mit seiner These
nicht ganz Unrecht. Die Bundesbank ging aus einer von den westlichen
Besatzungsmächten geschaffenen, zweistufigen Zentralbankenstruktur
bzw. der Bank deutscher Länder hervor - und diese "Backform"
war alles andere als undemokratisch-zentralistisch.
Dafür sorgten schon die Alliierten, die die Strukturen des Nazi-Imperiums
zerschlagen wollten. Die Landeszentralbanken und die Bank Deutscher Länder
vereinbarten das Unvereinbare. Sie waren gleichzeitig föderalistisch
und regierungsabhängig (d.h. den Besatzern unterworfen).
Die EU hostet auf ihrem Server heute noch eine Studie aus dem Jahr 1970
[
http://ec.europa.eu/economy_finance...ion/chapter5/19700515de67dasdeutscheoder.pdf],
in der die Möglichkeiten eines echt föderalen Zentralbankensystems erforscht
werden. Die darin befürworteten Strukturen ähneln der EZB nicht wirklich.
Die heutige reale EZB ist nicht
die Zentralbank eines föderalen Europa der Nationen, sondern
eine neue Reichsbank unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts.
[...]
Wie dem auch sei - die 1994 ins Treffen geführten Vernunftgründe
für den Beitritt („Mitbestimmung statt automatischer Übernahme ")
waren nicht ganz falsch. Unrichtig war nur die Annahme,
dass das zentrale Motiv des ganzen Vorhabens ein wirtschaftliches sei
und dass es dabei weder politische Kosten noch eine versteckte Agenda gebe.
Eine solche Annahme war nicht nur unrichtig, sondern auch naiv.
Die eigentlichen Ziele von Maastricht-Europa sind vor den Österreichern
- und nicht nur vor diesen - sorgfältig verborgen worden.
Sie waren für die Bürger kaum erkennbar - jedenfalls nicht mehr
als ein Schiffskapitän einen Eisberg richtig einschätzen kann,
der zu 95 Prozent unterhalb der Wasseroberfläche liegt.
Erst nach und nach stellte sich heraus, dass Maastricht und Euro
wirklich jenes „Förderband in Richtung europäischer Bundesstaat" waren,
als die sie die damalige britische Premierministerin bezeichnet hatte;
ein Förderband, das bewusst konstruiert und mithilfe der national
gewählten kontinentaleuropäischen Regierungen in Gang gesetzt wurde.
Nirgendwo in Kontinentaleuropa dämmerte es den Bevölkerungen,
dass es sich dabei um einen mehr oder weniger üblen Trick handelte.
Wenigstens keinen Intellektuellen, Journalisten Wissenschaftlern oder
anderen Personen, die in der Öffentlichkeit standen.
Nur außerhalb des Kontinents, wo der Druck der Euro-Propaganda nicht so stark
war, schwante ein paar Eierköpfen, dass irgendetwas nicht stimmen konnte.
Beispielsweise dem Harvard-Ökonomen Martin Feldstein, der rückblickend
schilderte, wie ihm der Gedanke kam, dass es um etwas ganz anderes
als um den Binnenmarkt gehen musste.
„Weder in der Wirtschaftstheorie noch in der historischen Erfahrung
findet sich etwas, das nahelegt, dass internationaler Handel
eine gemeinsame Währung erforderlich macht."
"Als ich 1992 meinen Artikel für den Economist verfasste, kam mir
der Gedanke, dass die europäischen Führer selbst verstehen (müssten),
dass die wirtschaftliche Begründung für den Euro sehr schwach
oder überhaupt nichtexistent ist (...) Das brachte mich auf die Idee (...),
dass das primäre Motiv für den Euro politisch war - der Wunsch,
eine politische Union zu schaffen, einen Bundesstaat,
der für die inneren und äußeren Angelegenheiten zuständig ist."
Aber Stimmen wie die seine wurden als Falschinformation,
Miesmacherei oder gar US-amerikanische Obstruktion abgetan.
Sie wurden von den europäischen Medien weitgehend ignoriert.
Wie hätte in einer solchen Situation ein normaler Stimmbürger
zur Einsicht gelangen können,
dass es eigentlich gar nicht um die wirtschaftliche Integration,
sondern um den Bau eines EU-Superstaats ging?
[...]