Staatsstreich in Zeitlupe
Die Entführung Österreichs nach "Europa"
Auf dem Web-Log "staatsstreich.at" veröffentlicht in der Rubrik "Volltext"
ein aus dem journalistischen Tagesgeschäft ausgestiegener ehemaliger
"neoliberaler Europäist" seine Sicht jenes Putsches der politischen Eliten,
mit dem das österreichische Volk seiner Souveränität beraubt wurde.
Als Kostprobe zitiere ich hier aus dem Vorwort zu dieser Textesammlung.
Staatsstreich schrieb:[...]
Im Fall Österreich fördert der lange Rückblick zutage,
dass die Aufgabe der Souveränität gegen den Willen,
jedenfalls aber ohne Beteiligung des Staatsvolks erfolgte.
Sie geschah wie eine systematisch vorangetriebene Geheimdienstoperation,
die von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden kann,
die aber völlig real ist.
Diese verdeckte Operation findet wenigstens seit 1995 statt.
Das zentrale Ereignis der letzten Jahre ist die Einführung
des nach oben offenen, permanenten Euroschutzschirms,
die in Österreich im Juli 2012 erfolgte.
Dieses von SPÖ, ÖVP und Grünen ratifizierte Gesetz
wird von Kritikern ein „Putschgesetz" genannt – völlig zu Recht.
[...]
Ich habe nur ein bisschen in den Archiven gewühlt
und mit dem Gefundenen ein zusammenhängendes Bild
der österreichischen Variante des europäischen Salami-Putsches entworfen.
Herausgekommen ist zwar keine umfassende, aber eine meines Erachtens
schlüssige Darstellung, die zeigt, dass die heutige Situation
Folge des treulosen Verhaltens der politischen Klasse im erweiterten Sinn ist.
Diese Situation ist über viele Wege und Umwege erreicht worden,
die u.a. deswegen niemand bemerkt hat, weil sie zu „technisch" waren,
als dass sie der Aufmerksamkeit wert gewesen wären.
In ihrer Summe kommen sie einer massiven Beschneidung der Interessen
des österreichischen Staats, vor allem aber seiner Bürger, gleich.
In vier oder fünf Fällen waren die Veränderungen so groß, dass in jedem
Gemeinwesen, das den Anspruch erhebt, irgendwie „demokratisch" zu sein,
der (angebliche) Souverän zu Wort kommen hätte müssen.
Allein - die Leute, die die Macht haben zu definieren,
was rechtlich geboten ist, greifen seit 15 Jahren zu denselben Ausflüchten,
warum man „Europa" keinem Volksentscheid unterwerfen müsse, könne und dürfe.
Ihr Standardargument lautet, dass die (jeweiligen) Veränderungen
nicht tiefgehend genug wären, dass sich die Gesamtverfassung ändern würde
und dass die Regierung deshalb rechtlich nicht gezwungen sei,
eine Volksabstimmung abzuhalten.
Das hat u.a. dazu geführt, dass die europäische Verfassung heute
ohne den Schimmer eines Zweifels der österreichischen übergeordnet ist
und dass der Gedanke, dass nationale Höchstgerichte
europäisches Verfassungsrecht aussetzen könnten,
eine „rein theoretische Perspektive" ist,
wie ein internationaler Jurist formuliert.
Die Österreicher haben ihre Regierenden aber nie ermächtigt,
einen solchen Zustand herzustellen.
Es besteht auch kein Interpretationspielraum,
dass sie das jemals gewollt hätten.
Das erste und letzte Mal, dass sie „eine Unterschrift" geleistet haben,
liegt 19 Jahre zurück.
Aber auch damals wurde keine Blankovollmacht ausgestellt,
sondern für die Teilnahme an einem Freihandelsblock gestimmt,
der sich gerade auf den Weg gemacht hatte, zum Binnenmarkt zu werden.
Inhaltlich wurde über die Übernahme des damaligen EU-Rechtsbestands
sowie über die 1993/94 verhandelten Beitrittsbedingungen abgestimmt
- über sonst nichts.
Das war damals eigentlich klar.
Der Nationalratspräsident, der heute Bundespräsident ist,
hat sich trotzdem bemüßigt gefühlt, zu versichern,
dass es ausschließlich um die paraphierten Vertragsinhalte gehe:
„An die Adresse von FPÖ-Obmann Haider gerichtet stellte
der Nationalratspräsident klar, daß bei der Volksabstimmung
über einen konkreten Staatsvertragsinhalt abgestimmt wird,
spätere Änderungen des Vertragsinhaltes also nicht möglich sind."
(Siehe auch die "Presse" vom 11.3.1994:
"Das Beitritt-Verfassungsgesetz müsse drei Bedingungen erfüllen:
eine klare Ermächtigung für die Staatsorgane enthalten;
eine klare Beantwortung beim Referendum mit Ja oder Nein ermöglichen;
den Inhalt des EU-Vertrages klar definieren, um nachträgliche Änderungen
auszuschließen. Das Volk soll beim Referendum entscheiden,
ob dieses Beitritts-Verfassungsgesetz Gesetzeskraft erlangen soll:
Ja oder Nein.")
[...]
Viel war 1994 von Joghurtpreisen, Transit, Bergbauernförderung,
Übergangsbestimmungen und Mitgliedsbeiträgen die Rede,
und auch von der Neutralität; aber nichts Konkretes
lag über die geplante gemeinsame Währung vor und schon gar nicht
wurde über die laufende Abgabe von staatlicher Souveränität votiert.
Definitiv nicht abgestimmt wurde zu diesem Zeitpunkt
z.B. über die faktische Aufgabe der Neutralität,
einen europäischen Verfassungsvertrag, den Vertrag von Lissabon
oder die Übernahme fremder Staatsschulden.
Mit Hinweis auf den 12. Juni 1994 maßen sich SPÖ und ÖVP aber
Befugnisse an, die ihnen an diesem Tag gar nicht gegeben wurden.
Nicht nur deswegen wäre es überfällig, diese zwei Parteien,
die zwei Generationen lang ein Duopol für die Regierungsgeschäfte
gehalten und die dieses zuletzt krass missbraucht haben,
aus ihren Machtpositionen zu entfernen.
[...]
Analoge Überlegungen können natürlich auch für andere Nationen angestellt werden.
Bemerkenswert erscheint mir, dass der Autor dieser Texte ein weiterer Mitarbeiter
eines konservativen System-Mediums ist, der ähnlich wie der kürzlich verstorbene
Frank Schirrmacher, seine ursprüngliche Position nach einem Nachdenkprozess
deutlich revidiert hat.
Das nährt die Hoffnung auf einen Umschwung in der medialen Berichterstattung.
> Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden. <