Chris M
Well-Known Member
- Registriert
- 2. November 2014
- Beiträge
- 3.728
Das relative Ich, auch Ego genannt, beginnt beim Menschen, und so weit wir wissen nur beim Menschen, im Alter von etwa 2 Jahren zu entstehen. Vorher gibt es im Bewusstsein des Kleinkindes keinen Unterschied zwischen innen und außen, zwischen "meinen Taten auf die Außenwelt" und den "Taten der Außenwelt auf mich", es ist vielmehr alles eine Einheit, ein ewiger Prozess im Moment, ohne "jemanden" der handelt oder der "behandelt" wird. Dieser Urzustand ist das in vollem Umfang erfahrene absolute Ich, nämlich das "Ich" als die Welt - als grenzenloser Ozean der Ereignisse.
Der Ozean und die Wellen
Ein sehr schönes Gleichnis zur Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen relativem und absolutem Ich, ist das Gleichnis von Ozean und Wellen. Die Oberfläche des grenzenlosen Meeres bildet die Welt der Erscheinungen, dort wo Objekte scheinbar voneinander getrennt existieren, eben als Wellen. Ich bin also eine Welle, die nur aus Ozean besteht und somit nur Ozean sein kann, niemals etwas anderes. Wir fangen aber in früher Kindheit damit an, ja wir werden geradezu darauf trainiert, unsere eigene Welle mit anderen zu vergleichen. Diese Welle ist grösser, diese ist kleiner, diese ist schneller, diese ist langsamer und so weiter. Was auf diese Weise entsteht ist - das relative Ich. Eine kleine Welle kapselt sich vom absoluten Ich des Ozeans ab und sieht sich als eine getrennte, separate Einheit, die anderen getrennten separaten Einheiten oder auch der grossen "Gegen-Einheit" namens Welt/Ozean gegenübersteht, sich damit messen und vergleichen muss.
Während viele spirituelle Lehren davon ausgehen, dass das Ziel des spirituellen Pfades die Wiedervereinigung der Welle mit dem Ozean sein sollte, geht die Advaita-Lehre (bzw. ein moderner Pfad der von manchen schon als Neo-Advaita bezeichnet wird) davon aus, dass das Ziel vielmehr die Erkenntnis ist, dass die Welle niemals vom Ozean getrennt war, sondern das relative Ich lediglich ein Hirngespinst des menschlichen Egos ist, ohne jede Substanz, ohne jede Wirklichkeit. Was durchaus wirklich ist, sind die Folgen der Illusion, nämlich insbesondere das Leiden durch das Gefühl des Getrenntseins.
Was ist die Ursache des menschlichen Leidens?
Zunächst muss eine klare Unterscheidung zwischen Schmerz und Leiden gemacht werden. Schmerz ist untrennbar mit dem Leben verbunden, genau so wie Freude. Schmerz und Freude sind zwei Seiten derselben Medaille und man kann eines nicht ohne das andere haben. Leiden jedoch, bleibt dem Menschen vorbehalten, oder, um es ganz korrekt zu formulieren, allen Wesen die ein relatives Ich "produziert" haben, wobei die einzige Spezies von der wir sicher wissen können, das sie relative Ichs produziert, der Mensch ist. Das relative Ich, also das Ego, will Glück, Freude, Ruhm, Reichtum, kurzum: positives erlangen. Das relative Ich will Schmerz, Trauer, Einsamkeit, Vergänglichkeit, kurzum: negatives vermeiden. Hier ist schon die erste Quelle des Leidens auszumachen. Denn negative Erlebnisse sind mit dem Leben genau so verbunden wie positive, sie sind nicht zu umgehen. Da das relative Ich also nichts negatives erleben will, aber muss, ensteht Leiden.
Doch damit nicht genug. Das relative Ich nimmt sich sozusagen jeden Schmerz, jede negative Empfindung und dehnt diese aus, in dem Sinne, dass es sich einredet, es sei viel schlimmer als es ist, es wird in Zukunft schlimmer werden, es war auch schon früher schlimm und so weiter. Im Extremfall führt dies zu Depressionen, Lebensmüdigkeit, Suizidalität. So weit muss es aber gar nicht kommen. Auch der scheinbar gesunde Durchschnittsmensch leidet viel mehr als er überhaupt müsste, im Sinne von: er leidet überhaupt, was nicht nötig wäre. Das relative Ich liebt es nämlich bis zu einem gewissen Grade sogar zu leiden, natürlich meistens und größtenteils unbewusst. Denn wer leidet stellt sich in Opposition zum Leben, welches nur Schmerz, aber kein Leiden kennt - wer sich in Opposition zum Leben stellt, der wird zu etwas Besonderem, weil er nicht mehr in Harmonie mit dem Universum mitschwingt - wer etwas besonderes wird, fühlt sich auch besonders - das Ego zelebriert, weil das Ego etwas besonderes sein will - das Ego fühlt sich als das absolute Ich, erkauft sich dies aber mit Leiden.
Erleuchtung bedeutet: Zurück in den natürlichen Zustand
Früher oder später muss diese Show des Egos enden. Die natürliche Tendenz des relativen Ichs, ist es, aus seinem Traum zu erwachen. Es kann auch gar nicht anders sein. Weil sich im Hintergrund die ganze Zeit über soviel Ozean der tatsächlichen Wahrheit angesammelt hat, dass die Welle irgendwann brechen muss. Denn wir dürfen nicht vergessen: das relative Ich, so absolut es sich auch fühlen mag und dies mit Leiden erkauft, es dadurch scheinbar "heiligt", ist und bleibt eine Illusion. Eine hartnäckige Illusion, weil sie das Ego stärkt und es zum Absoluten erhebt, aber eben doch eine Illusion. Und alle Illusionen müssen irgendwann enden, die Wahrheit setzt sich langfristig immer durch.
Da das relative Ich sich vom Ozean getrennt fühlt, was es nicht ist, entwickelt es auch das Gefühl, es habe einen freien Willen und sei voll und ganz für seine Taten verantwortlich. Das kann ein gutes Gefühl sein, wenn die Dinge gut laufen. Es stärkt zwar ebenfalls die Illusion der Getrenntheit, dennoch kann es sich gut anfühlen, zu denken: Ich habe das gut gemacht, ich habe es möglich gemacht, ich bin dafür verantwortlich, es gehört mir. Doch was ist wenn die Dinge schlecht laufen. Zunächst wehrt sich das Ego vielleicht noch und schiebt es auf Andere, doch irgendwann, wenn zu viel zu lang schief läuft, setzen die Selbstvorwürfe ein: Ich habe versagt, Ich bin schuld daran, Ich bin für die Misere verantwortlich. Obwohl es sich um exakt die selbe Illusion handelt wie bei den positiven Ereignissen, ist hier eine Chance für das relative Ich aus seinem Traum aufzuwachen. Denn eigentlich will man ja nicht für negatives verantwortlich sein, fühlt sich aber dennoch so. Während oben noch die Illusion zusätzlich durch das gute Gefühl gestärkt wurde, wird sie hier schwächer, weil der Wille dagegen rebelliert. Natürlich muss dann aber auch klar werden, dass man genau so wenig für die positiven Verdienste tatsächlich verantwortlich war. Sie sind ganz einfach passiert - eine Erkenntnis, der eine innere Revolution folgen kann.
Denn was bedeutet es, wenn nicht "Ich" für das was in meinem Leben geschieht verantwortlich bin? Es bedeutet, dass dieses ganze Konstrukt namens "relatives Ich" gar nicht wirklich existiert, in dem Sinne, dass es von unendlich vielen anderen relativen Ichs aus Vergangenheit und Gegenwart beeinflusst wird, von allen Ereignissen die jemals stattgefunden haben und stattfinden. Die Welle ist nur ein winziges Zahnrad in einer riesigen Maschinerie, welches zwar durchaus eine Funktion hat und ausführt, dieses jedoch nicht aus freiem Willensentschluss, sondern quasi auf äußeren Antrieb. Es soll an dieser Stelle betont werden, dass die Advaita-Lehre nicht behauptet, die Welle als solche sei nicht real. Die Welle ist durchaus real und erfüllt eine Funktion des Ozeans, aber damit endet auch schon der Welle-Aspekt, welcher nur durch Ozean gefüllt ist und nichts Separates oder Besonderes ist.
Erleuchtung bedeutet in der Advaita-Lehre nichts anderen als das Erwachen aus dem Traum der Getrenntheit. Es ist nicht so, dass die Welle jemals getrennt vom Ozean war und durch die Erleuchtung dorthin zurückfindet. Es ist ganz einfach so, dass im Moment des Erwachens klar wird, dass die Welle schon immer nur aus Ozean bestanden hat, es auch gar nicht anders sein konnte und somit jeder schon immer frei war - es befand sich lediglich eine künstlich errichtete Barriere zwischen der Illusion und der Wahrheit.
Sobald klar wird, dass alles was jemals Ich gesagt hat, ja sogar alles was jemals eine scheinbar separate Existenz in der Welt der Erscheinungen (Maja) hat, alles also was ein eigenes Ich zu haben scheint - das bin Ich. Es ist im Grunde so einfach, dass es zu offensichtlich ist, als dass wir es erkennen können. Deshalb sagen auch die alllermeisten Erleuchteten, dass im Grunde nichts getan werden muss, definitiv nichts gewusst werden muss - wir wissen schon zu viel, und wir tun vielleicht auch zu viel. Wer sich zu sehr auf gewisse Meditationsmethoden oder sonstige vorgeschriebene Wege verlässt, baut sich vielleicht nur einen Tempel für sein relatives Ich auf und vergisst das eigentlich Ziel: Das relative Ich zu überwinden um das absolute Ich zu finden. Man muss es im Grunde nicht einmal finden - es ist immer schon da.
Der Ozean und die Wellen
Ein sehr schönes Gleichnis zur Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen relativem und absolutem Ich, ist das Gleichnis von Ozean und Wellen. Die Oberfläche des grenzenlosen Meeres bildet die Welt der Erscheinungen, dort wo Objekte scheinbar voneinander getrennt existieren, eben als Wellen. Ich bin also eine Welle, die nur aus Ozean besteht und somit nur Ozean sein kann, niemals etwas anderes. Wir fangen aber in früher Kindheit damit an, ja wir werden geradezu darauf trainiert, unsere eigene Welle mit anderen zu vergleichen. Diese Welle ist grösser, diese ist kleiner, diese ist schneller, diese ist langsamer und so weiter. Was auf diese Weise entsteht ist - das relative Ich. Eine kleine Welle kapselt sich vom absoluten Ich des Ozeans ab und sieht sich als eine getrennte, separate Einheit, die anderen getrennten separaten Einheiten oder auch der grossen "Gegen-Einheit" namens Welt/Ozean gegenübersteht, sich damit messen und vergleichen muss.
Während viele spirituelle Lehren davon ausgehen, dass das Ziel des spirituellen Pfades die Wiedervereinigung der Welle mit dem Ozean sein sollte, geht die Advaita-Lehre (bzw. ein moderner Pfad der von manchen schon als Neo-Advaita bezeichnet wird) davon aus, dass das Ziel vielmehr die Erkenntnis ist, dass die Welle niemals vom Ozean getrennt war, sondern das relative Ich lediglich ein Hirngespinst des menschlichen Egos ist, ohne jede Substanz, ohne jede Wirklichkeit. Was durchaus wirklich ist, sind die Folgen der Illusion, nämlich insbesondere das Leiden durch das Gefühl des Getrenntseins.
Was ist die Ursache des menschlichen Leidens?
Zunächst muss eine klare Unterscheidung zwischen Schmerz und Leiden gemacht werden. Schmerz ist untrennbar mit dem Leben verbunden, genau so wie Freude. Schmerz und Freude sind zwei Seiten derselben Medaille und man kann eines nicht ohne das andere haben. Leiden jedoch, bleibt dem Menschen vorbehalten, oder, um es ganz korrekt zu formulieren, allen Wesen die ein relatives Ich "produziert" haben, wobei die einzige Spezies von der wir sicher wissen können, das sie relative Ichs produziert, der Mensch ist. Das relative Ich, also das Ego, will Glück, Freude, Ruhm, Reichtum, kurzum: positives erlangen. Das relative Ich will Schmerz, Trauer, Einsamkeit, Vergänglichkeit, kurzum: negatives vermeiden. Hier ist schon die erste Quelle des Leidens auszumachen. Denn negative Erlebnisse sind mit dem Leben genau so verbunden wie positive, sie sind nicht zu umgehen. Da das relative Ich also nichts negatives erleben will, aber muss, ensteht Leiden.
Doch damit nicht genug. Das relative Ich nimmt sich sozusagen jeden Schmerz, jede negative Empfindung und dehnt diese aus, in dem Sinne, dass es sich einredet, es sei viel schlimmer als es ist, es wird in Zukunft schlimmer werden, es war auch schon früher schlimm und so weiter. Im Extremfall führt dies zu Depressionen, Lebensmüdigkeit, Suizidalität. So weit muss es aber gar nicht kommen. Auch der scheinbar gesunde Durchschnittsmensch leidet viel mehr als er überhaupt müsste, im Sinne von: er leidet überhaupt, was nicht nötig wäre. Das relative Ich liebt es nämlich bis zu einem gewissen Grade sogar zu leiden, natürlich meistens und größtenteils unbewusst. Denn wer leidet stellt sich in Opposition zum Leben, welches nur Schmerz, aber kein Leiden kennt - wer sich in Opposition zum Leben stellt, der wird zu etwas Besonderem, weil er nicht mehr in Harmonie mit dem Universum mitschwingt - wer etwas besonderes wird, fühlt sich auch besonders - das Ego zelebriert, weil das Ego etwas besonderes sein will - das Ego fühlt sich als das absolute Ich, erkauft sich dies aber mit Leiden.
Erleuchtung bedeutet: Zurück in den natürlichen Zustand
Früher oder später muss diese Show des Egos enden. Die natürliche Tendenz des relativen Ichs, ist es, aus seinem Traum zu erwachen. Es kann auch gar nicht anders sein. Weil sich im Hintergrund die ganze Zeit über soviel Ozean der tatsächlichen Wahrheit angesammelt hat, dass die Welle irgendwann brechen muss. Denn wir dürfen nicht vergessen: das relative Ich, so absolut es sich auch fühlen mag und dies mit Leiden erkauft, es dadurch scheinbar "heiligt", ist und bleibt eine Illusion. Eine hartnäckige Illusion, weil sie das Ego stärkt und es zum Absoluten erhebt, aber eben doch eine Illusion. Und alle Illusionen müssen irgendwann enden, die Wahrheit setzt sich langfristig immer durch.
Da das relative Ich sich vom Ozean getrennt fühlt, was es nicht ist, entwickelt es auch das Gefühl, es habe einen freien Willen und sei voll und ganz für seine Taten verantwortlich. Das kann ein gutes Gefühl sein, wenn die Dinge gut laufen. Es stärkt zwar ebenfalls die Illusion der Getrenntheit, dennoch kann es sich gut anfühlen, zu denken: Ich habe das gut gemacht, ich habe es möglich gemacht, ich bin dafür verantwortlich, es gehört mir. Doch was ist wenn die Dinge schlecht laufen. Zunächst wehrt sich das Ego vielleicht noch und schiebt es auf Andere, doch irgendwann, wenn zu viel zu lang schief läuft, setzen die Selbstvorwürfe ein: Ich habe versagt, Ich bin schuld daran, Ich bin für die Misere verantwortlich. Obwohl es sich um exakt die selbe Illusion handelt wie bei den positiven Ereignissen, ist hier eine Chance für das relative Ich aus seinem Traum aufzuwachen. Denn eigentlich will man ja nicht für negatives verantwortlich sein, fühlt sich aber dennoch so. Während oben noch die Illusion zusätzlich durch das gute Gefühl gestärkt wurde, wird sie hier schwächer, weil der Wille dagegen rebelliert. Natürlich muss dann aber auch klar werden, dass man genau so wenig für die positiven Verdienste tatsächlich verantwortlich war. Sie sind ganz einfach passiert - eine Erkenntnis, der eine innere Revolution folgen kann.
Denn was bedeutet es, wenn nicht "Ich" für das was in meinem Leben geschieht verantwortlich bin? Es bedeutet, dass dieses ganze Konstrukt namens "relatives Ich" gar nicht wirklich existiert, in dem Sinne, dass es von unendlich vielen anderen relativen Ichs aus Vergangenheit und Gegenwart beeinflusst wird, von allen Ereignissen die jemals stattgefunden haben und stattfinden. Die Welle ist nur ein winziges Zahnrad in einer riesigen Maschinerie, welches zwar durchaus eine Funktion hat und ausführt, dieses jedoch nicht aus freiem Willensentschluss, sondern quasi auf äußeren Antrieb. Es soll an dieser Stelle betont werden, dass die Advaita-Lehre nicht behauptet, die Welle als solche sei nicht real. Die Welle ist durchaus real und erfüllt eine Funktion des Ozeans, aber damit endet auch schon der Welle-Aspekt, welcher nur durch Ozean gefüllt ist und nichts Separates oder Besonderes ist.
Erleuchtung bedeutet in der Advaita-Lehre nichts anderen als das Erwachen aus dem Traum der Getrenntheit. Es ist nicht so, dass die Welle jemals getrennt vom Ozean war und durch die Erleuchtung dorthin zurückfindet. Es ist ganz einfach so, dass im Moment des Erwachens klar wird, dass die Welle schon immer nur aus Ozean bestanden hat, es auch gar nicht anders sein konnte und somit jeder schon immer frei war - es befand sich lediglich eine künstlich errichtete Barriere zwischen der Illusion und der Wahrheit.
Sobald klar wird, dass alles was jemals Ich gesagt hat, ja sogar alles was jemals eine scheinbar separate Existenz in der Welt der Erscheinungen (Maja) hat, alles also was ein eigenes Ich zu haben scheint - das bin Ich. Es ist im Grunde so einfach, dass es zu offensichtlich ist, als dass wir es erkennen können. Deshalb sagen auch die alllermeisten Erleuchteten, dass im Grunde nichts getan werden muss, definitiv nichts gewusst werden muss - wir wissen schon zu viel, und wir tun vielleicht auch zu viel. Wer sich zu sehr auf gewisse Meditationsmethoden oder sonstige vorgeschriebene Wege verlässt, baut sich vielleicht nur einen Tempel für sein relatives Ich auf und vergisst das eigentlich Ziel: Das relative Ich zu überwinden um das absolute Ich zu finden. Man muss es im Grunde nicht einmal finden - es ist immer schon da.