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Abhandlung Traurigkeit

AW: Abhandlung Traurigkeit

Ich weiß nicht... ich denk, mit dem Trösten ist das so ne Sache. Ich bin auf der einen Seite ultra "schlecht" im Trösten - ich weiß gar nicht, was ich machen oder sagen soll - und auf der anderen Seite aber wohl auch "schlecht" im Getröstetwerden. Ich denke, ich steh damit nicht unbedingt alleine da. Es gibt Zeiten, da will man einfach nur seine Ruhe, einfach nur in Ruhe sich ausheulen. Aber dann gibt es natürlich auch Zeiten, wo man sich verzweifelt fragt, warum denn niemand da ist, zum Trösten, zum Beruhigen, zum In-den-Arm-nehmen quasi. Das kann aber natürlich auch nicht jeder machen. In meinem Umkreis gibt es sehr wenige, die ich mir dann in meine Nähe wünschen würde.
 
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trost und trauer

zum trost:
echter trost ist nur dann möglich, wenn er in keiner weise fordernd ist.
es ist eine GABE (im wahrsten sinn des wortes), die nur dann gegeben werden kann, wenn sie auch vorhanden ist (forderung ist ja das gegenteil von einer gabe!).
zum trost gehört stärke und verständnis.
verständnis für die situation+emotion, in der der andere sich befindet.
stärke, beides ohne dass es einen selbst hineinzieht, aushalten zu können.
sofern man selbst schwach ist, ist trost schlecht möglich - es sei dann, man sitzt im gleichen boot und tröstet sich gegenseitig - das hat dann aber mehr mit gleichzeitiger trauerarbeit zu tun als mit trösten.

zur trauer:
trauer, wie auch traurigkeit als solche, ist eine emotion, die - wie alle anderen (vom närrisch über geil über launisch sein...) gelebt werden will.

oft wissen wir gar nicht, warum wir traurig sind.
manchmal erinnern wir uns dann an traurige situationen oder holen uns immer wieder die gleichen themen her, um unsere trauer zu verstärken und/oder sie für uns "verständlich" und somit rational erlaubbar zu machen.

doch manchmal gibt´s gar nichts zu verstehen.
man ist traurig - so wie es mal regnet - und sonst nichts.

schwierig wird´s meiner meinung nach erst, wenn man sich die trauer nicht gestattet und verdrängen will /resp. glaubt zu müssen.

trauer hat außerdem auch was damit zu tun, etwas nicht so annehmen zu können, wie es eben ist. hat also durchaus was mit "nicht loslassen" und "anhaften" zu tun (wie es ilaria schon sagte).

warum da etwas destruktiv sein soll, versteh ich eigentlich nicht.
wenn jemand gerne z.b. in selbstmitleid badet - warum denn nicht???

wieso findest du das destruktiv, ginsi?
 
AW: Abhandlung Traurigkeit

CloudDriver:
Ich bin auf der einen Seite ultra "schlecht" im Trösten - ich weiß gar nicht, was ich machen oder sagen soll - und auf der anderen Seite aber wohl auch "schlecht" im Getröstetwerden. Ich denke, ich steh damit nicht unbedingt alleine da.


Hallo CloudDriver,

vielleicht steckt dahinter nur etwas Scheu vor den Menschen, vor Nähe, vor Körperkontakt, vor dem „schutzlos sein“. Vielleicht müsstest du das einfach mal vorsichtig „üben“. Sich selbst mal den Punkt einzugestehen, „ich weiß nicht weiter“, das ist in meinen Augen ne heilsame Erfahrung. Eltern müssten ihren Kindern beibringen oder vorleben, dass es manchmal notwendig ist, aufzugeben. Es beendet den zur Normalität gewordenen Kampf, das zu vermeiden. Es steht in unmittelbarem Verhältnis zum Umgang mit dem Leid des anderen. So ganz und gar nicht unsere Welt.

Viele Grüße
Bernd
 
AW: Abhandlung Traurigkeit

@ Bernd:

Kann schon sein, dass es eine Frage des Vertrauens zu andren ist, wie du sagst. Vielleicht auch damit, dass man eben dran gewöhnt ist, sich allein "durchzuschlagen". Was genau meinst du damit, dass es nicht unsere Welt ist? Meinst du damit allgemein die Gesellschaft, dass es viellleicht wirklich viele heutzutage verlernt haben, zu trösten, zu vertrauen? Oder dass eben im Grunde jeder doch zu sehr in seiner eigenen Welt lebt, und man einander gar nicht richtig trösten kann, weil eben das Verständnis für den anderen fehlt? Also vielleicht nicht, dass man nicht wollte, nur dass man eben wirklich nicht kann, und eben solche leeren Phrasen, wie: Ich weiß, wie du dich fühlst..., oder so, eben wirklich leer sind, weil eben der eine in der Welt des andren nicht drinsteckt.

@ kathi:

Deinen Ansatz find ich eigentlich ganz gut. Man sagt ja heute immer, es sei nicht gut in Selbstmitleid zu baden, oder egoistisch, oder eben "nicht konstruktiv". Aber wer hat denn das Recht, das so zu beurteilen??

CloudDiver
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Abhandlung Traurigkeit

@ Bernd:

Oder dass eben im Grunde jeder doch zu sehr in seiner eigenen Welt lebt, und man einander gar nicht richtig trösten kann, weil eben das Verständnis für den anderen fehlt? Also vielleicht nicht, dass man nicht wollte, nur dass man eben wirklich nicht kann, und eben solche leeren Phrasen, wie: Ich weiß, wie du dich fühlst..., oder so, eben wirklich leer sind, weil eben der eine in der Welt des andren nicht drinsteckt.
hallo ClaudDiver,
ohne an bernds statt antworten zu wollen, finde ich den inhalt deiner obigen passage als einen hauptgrund, warum tröstende worte oft nicht echter trost sein KÖNNEN.

dasselbe gilt nebenbei bemerkt auch beim HELFEN.
helfen kann auch nur derjenige, der hilfe GEBEN kann. d.h.: er muss was haben, zum geben. er muss sich auf den hilfesuchenden einlassen können.
kann er das nicht, dann wird diese hilfe zu einem danaergeschenk.
 
AW: Abhandlung Traurigkeit

@ kathi:

Danke für deine schnelle Antwort. Nur zwei Fragen hab ich noch:
Ist Danaergeschenk ein Schreibfehler, oder gibt es das irgendwie? Ich hab dann nämlich noch nichts von gehört.
Und das andere: Wie kommst du denn zu der Einstellung, dass man ja ruhig auch in Selbstmitleid baden kann? Und vertrittst du die dann nur für andere, oder auch für dich selbst? Die Frage ist ja eigentlich auch: Wo fängst Selbstmitleid an? Wie wird das definiert, und so. Also, ab wann ist sozusagen Traurigkeit nicht mehr "normal", wie ja viele meinen, sondern "schon" Selbstmitleid. Vermutlich ist das ja wirklich genau das, was ginsi mit destruktiver Traurigkeit meinte.
Ansonsten sollte er das vielleicht nochmal klarer formulieren!! (Wink mit dem Zaunpfahl...)

CloudDiver
 
grenze zwischen trauer und selbstmitleid

hallo CloudDiver,
zum danaergeschenk siehe hier. ist sowas wie das "trojanische pferd".

die unterscheidung zwischen allgemeiner traurigkeit und selbstmitleid ist für mich so:

etwas, das ich mir anders vorgestellt habe, tritt nicht ein (z.b. unerfüllte liebe) bzw. es tritt etwas unerwartetes ein, das das bisherige leben stark (ins unerwünschte) verändert (z.b.todesfall). weil das so ist und weil man mit der unerwünschten situation noch nicht umgehen kann und sich darauf erst einstellen muss, erscheint im emotionalbereich traurigkeit/trauer.
kann man diesem gefühl nachgehen und es herauslassen (=trauerarbeit leisten), dann vergeht es auch wieder, wenn die zeit dafür reif ist.

beim selbstmitleid hole ich mir immer wieder einen (tw. konstruierten) abschnitt aus der vergangenheit oder eine noch unerfüllte vision her, um mich in trauerstimmung zu bringen. (siehe hiezu auch liliths beiträge)
der selbstmitleidige hat offenbar das bedürfnis nach trauerstimmung. vielleicht hatte er bei einem früheren ereignis zu wenig trauerarbeit geleistet, sodass es nun nachgeholt werden muss.

dazu fällt mir die problematik der "schreibabies" ein. diese säuglinge bringen ihre umgebung zur verzweiflung, weil sie ständig (aus unerklärlichen gründen) weinen. nichts und niemand kann sie vom weinen ablenken. (was bei kleinkindern später schon möglich ist und auch immer wieder gemacht wird!)
ich las dazu (und es leuchtet mir auch ein), dass es das beste sei, sie einfach weinen zu lassen - jedoch ihnen geborgenheit zu vermitteln, sie zu halten, sie zu streicheln, bei ihnen zu sein - sonst nichts. der grund für ihr weinen ist die verarbeitung des geburtsvorganges oder sonstige ereignisse, die der umwelt verborgen bleiben.

es ist nicht immer möglich, den eindeutigen grund für trauer zu finden.
...und es ist mMn auch nicht notwendig.


emotionen sind doch nur wie das wetter.
einmal ist es sonnig, dann vielleicht neblig, dann regnerisch.
weiss man sich darauf einzustellen, dann kann man damit umgehen.
...und wie das wetter so ändert sich auch die stimmungslage wieder.

ich halte allgemein nichts davon, sich eine andere stimmung einzureden als die, die gerade da ist.
das hat für mich immer etwas von zwanghaftigkeit an sich.
und das finde ich ganz allgemein nicht wirklich dienlich (verdrängungsgefahr!).
was nicht heißt, dass ich mich manchmal bei der nase nehmen kann, wenn ich insgemein merke, dass die selbstmitleidmasche eigentlich schon ausgelutscht ist und mich in wirklichkeit schon anzipft. dann besteht auch die möglichkeit zu einer "konstruktiven" bewussten änderung.
vorher aber nicht.

lg kathi

p.s.: :teufel2: GINSIIIIIIIIIIIIIIIIIII !!!
sahst du denn den zaunpfahl nicht? hast du dich in den primzahlen verheddert?
 
AW: Abhandlung Traurigkeit

ich finde dieses thema und seine kommentare toll !!!

ich weiß nicht, ob ich mich eher im bereich der trauer oder des selbstmitleids befinde...beides möchte ich nicht (vorallem die trauer nicht mehr)...sondern ich will ja was ändern...
aber es geht noch nicht. gibt es nicht irgendwas zwischen den beiden parteien ? oder noch schlimmer: eine mischung aus beiden ??
obwohl schlimmer: vielleicht ist es ja so, dass beides meistens ineinader übergeht, ohne dass man es merkt...

ps.: zur beruhigung: ich bin schon dabei, mich mit allem abzufinden. aber es fehlt eben immer noch ein stückchen. da ist immer noch etwas das sich fragt "warum?" - doof ne ?
 
lass regnen

ich weiß nicht, ob ich mich eher im bereich der trauer oder des selbstmitleids befinde...beides möchte ich nicht (vorallem die trauer nicht mehr)...sondern ich will ja was ändern...

aber es geht noch nicht.

liebes öntschie,
was - bitte - ist denn an regentagen gar so schlimm?
lass es regnen.
lass regnen bis die wolken leer sind. :regen:

setz dich ans fenster, mach dir einen heißen tee und genieße es, in den regen zu schauen.
wenn´s etwas weniger wird, dann kannst du vielleicht schon einen kleinen regenspaziergang machen.

lerne die regentage lieben.
und liebe dich, wenn du in den regen schaust.



liebes öntschie,
liebe dich, auch wenn du traurig bist.

:kuss1: kathi
 
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AW: Abhandlung Traurigkeit

Oh... Liebste Kathi... Tut mir Leid, dass ich das übersehen habe.

Ich meine, wenn noch nicht Verarbeitetes betrauert wird um es zu verarbeiten ist es nicht destruktiv. Aber, wenn man aus der Traurigkeitsschleife nicht mehr heraus kommt. Und wenn man die Wolken bewusst über sich zieht um nichtmehr in der Sonne zu stehen, weil man es sich aus irgendwelchen Gründen nicht zugestehen will.. Dann ist das doch äußerst destruktiv.

mfG Ginsi
 
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