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Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

EarlGrey

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5. September 2007
Beiträge
3.475
....... auch der "Gutmensch" genannt.....

Nietzsche Zitate über den Gutmenschen:

Zur Genese der (herabsetzenden) Verwendung des Begriffs "Gutmensch" (gutmensch Politikerdeutsch) wird oft Nietzsche bemüht:
"Es ist der Mensch, der stets das Gute will und gerade deshalb das Schlechte fördert. Es ist der Mensch, der seiner lauteren Gesinnung folgt und an der Wirklichkeit scheitert. Es ist der Mensch, der die Folgen seines Handelns anderen überläßt. Es ist der Mensch, der es gut meint und die böse Welt immer wieder gegen sich hat."
Wie so oft im Internet fehlt jede Quellenangabe. Ich fand es nicht im Werk Nietzsches. Hier folgen meine Funde (sicher nicht vollständig), die meist eine scharfe Kritik des guten Menschen sind.

"Unsre Gebildeten von heute, unsre »Guten« lügen nicht – das ist wahr; aber es gereicht ihnen nicht zur Ehre! Die eigentliche Lüge, die echte resolute »ehrliche« Lüge (über deren Wert man Plato hören möge) wäre für sie etwas bei weitem zu Strenges, zu Starkes; es würde verlangen, was man von ihnen nicht verlangen darf, daß sie die Augen gegen sich selbst aufmachten, daß sie zwischen »wahr« und »falsch« bei sich selber zu unterscheiden wüßten. Ihnen geziemt allein die unehrliche Lüge; alles, was sich heute als »guter Mensch« fühlt, ist vollkommen unfähig, zu irgendeiner Sache anders zu stehn als unehrlich-verlogen, abgründlich-verlogen, aber unschuldig-verlogen, treuherzig-verlogen, blauäugig-verlogen, tugendhaft-verlogen. Diese »guten Menschen« – sie sind allesamt jetzt in Grund und Boden vermoralisiert und in Hinsicht auf Ehrlichkeit zuschanden gemacht und verhunzt für alle Ewigkeit: wer von ihnen hielte noch eine Wahrheit »über den Menschen« aus!.. Oder, greiflicher gefragt: wer von ihnen ertrüge eine wahre Biographie!.. "
Zur Genealogie der Moral - Was bedeuten asketische Ideale? #19

"[...] gute Menschen reden nie die Wahrheit. Falsche Küsten und Sicherheiten lehrten euch die Guten; in Lügen der Guten wart ihr geboren und geborgen. Alles ist in den Grund hinein verlogen und verbogen durch die Guten." ...
"In diesem Sinne nennt Zarathustra die Guten bald »die letzten Menschen«, bald den »Anfang om Ende«; vor allem empfindet er sie als die schädlichste Art Mensch, weil sie ebenso auf Kosten der Wahrheit als auf Kosten der Zukunft ihre Existenz durchsetzen.
Die Guten – die können nicht schaffen, die sind immer der Anfang vom Ende –
– sie kreuzigen den, der neue Werte auf neue Tafeln schreibt, sie opfern sich die Zukunft, sie kreuzigen alle Menschen-Zukunft!
Die Guten – die waren immer der Anfang vom Ende ...
Und was auch für Schaden die We1t-Verleumder tun mögen, der Schaden der Guten ist der schädlichste Schaden."
Ecce Homo - Warum ich ein Schicksal bin. #4

"Der »gute Mensch« ist auf jeder Stufe der Zivilisation der Ungefährliche und Nützliche zugleich: eine Art Mitte; der Ausdruck im gemeinen Bewußtsein davon, vor wem man sich nicht zu fürchten hat und wen man trotzdem nicht verachten darf." [...]
"Kritik des modernen Menschen: – »der gute Mensch«, nur verdorben und verführt durch schlechte Institutionen (Tyrannen und Priester);".
Aus dem Nachlaß; Werke in drei Bänden: III, S. 528

"Es gibt ganz naive Völker und Menschen, welche glauben, ein beständig gutes Wetter sei etwas Wünschbares: sie glauben noch heute in rebus moralibus, der »gute Mensch« allein und nichts als der »gute Mensch« sei etwas Wünschbares – und eben dahin gehe der Gang der menschlichen Entwicklung, daß nur er übrigbleibe (und allein dahin müsse man alle Absicht richten –). Das ist im höchsten Grade unökonomisch gedacht und, wie gesagt, der Gipfel des Naiven, nichts als Ausdruck der Annehmlichkeit, die der »gute Mensch« macht (– er erweckt keine Furcht, er erlaubt die Ausspannung, er gibt, was man nehmen kann)."
Aus dem Nachlaß; Werke in drei Bänden: III, S. 577

"Zur Kritik des guten Menschen. – Rechtschaffenheit, Würde, Pflichtgefühl, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Geradheit, gutes Gewissen, – sind wirklich mit diesen wohlklingenden Worten Eigenschaften um ihrer selbst willen bejaht und gutgeheißen? oder sind hier an sich wertindifferente Eigenschaften und Zustände nur unter irgendwelchen Gesichtspunkt gerückt, wo sie Wert bekommen? Liegt der Wert dieser Eigenschaften in ihnen oder in dem Nutzen, Vorteil, der aus ihnen folgt (zu folgen scheint, zu folgen erwartet wird)?"
Aus dem Nachlaß; Werke in drei Bänden: III, S. 645

"Vielleicht gab es bisher keine gefährlichere Ideologie, keinen größeren Unfug in psychologicis als diesen Willen zum Guten: man zog den widerlichsten Typus, den unfreien Menschen groß, den Mucker;"
Aus dem Nachlaß; Werke in drei Bänden: III, S. 798

"in summa: die ärgste Verstümmelung des Menschen, die man sich vorstellen kann, angeblich als der »gute Mensch«."
Aus dem Nachlaß; Werke in drei Bänden: III, S. 818
.............
http://www.gavagai.de/zitat/philo/HHC103GM.htm

nachdem wir uns im ...starke persönlichkeit.. thread eben über diese austauschen möchte ich hiermal einen raum für das "gegenstück" einer starken persönlichkeit schaffen..... einen thread über den gutmenschen nach nietzsche ......

(angefangen hatte ich dieses thema bereits in einem "ablegerforum" von denkforum.at .... da eine über alle dinge weitentwickelte seele von forenbetreiberin mich und andere dort von einer weiteren teilnahme am thema ausgeschlossen hat also an dieser stelle auf ein neues ^^)
 
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AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Nach soviel vernichtender Kritik des "Gutmenschen" wäre vielleicht ein konstruktives Zusammentragen von Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Merkmalen des (nun aber wirklich) guten "Nicht-Gutmenschen" angesagt, oder? :dontknow:
 
AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Nach soviel vernichtender Kritik des "Gutmenschen" wäre vielleicht ein konstruktives Zusammentragen von Eigenschaften, Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Merkmalen des (nun aber wirklich) guten "Nicht-Gutmenschen" angesagt, oder? :dontknow:

damit sind wir ja bereits angefangen im "..starke persönlichkeit nach nietzsche " thread

=> kamel , löwen , kind metamorphose.........

insbesondere auch im zarathustra schreibt nietzsche einiges dazu...

tipp: wem das online lesen zu nervig ist und der das buch nicht hat
http://www.jokers.de/3/13846708-1/buch/gesammelte-werke.html
seine wichtigsten bücher zusammengefasst
 
AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Hm, ich frage mich, was wohl der Unterschied zwischen einem Gutmenschen und einem ordinären Heuchler ist! :confused:
Mir scheint, Nietzsche war im Grunde ein totaler Idealist und konnte nicht verstehen, dass wir Menschen - um zu überleben - auch mal lügen und täuschen müssen.
Man kann natürlich auch Märtyrer werden - sofern man niemanden hat, den man liebt und für den man Verantwortung trägt.
Alles nicht so einfach.... :(
 
AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Bei der Aufzählung der Eigenschaften eines "Gutmenschen" vermisse ich die grenzenlose Selbstüberschätzung.
 
AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Wer behauptet denn dezidiert von sich, ein Gutmensch zu sein,

interessiert Zeili
 
AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Hm, ich frage mich, was wohl der Unterschied zwischen einem Gutmenschen und einem ordinären Heuchler ist! :confused:
Mir scheint, Nietzsche war im Grunde ein totaler Idealist und konnte nicht verstehen, dass wir Menschen - um zu überleben - auch mal lügen und täuschen müssen.
Man kann natürlich auch Märtyrer werden - sofern man niemanden hat, den man liebt und für den man Verantwortung trägt.
Alles nicht so einfach.... :(
Wer wird wohl dieses Dasein, diese Welt, "dieses Ungeheuer an Kraft,Spiel von Kräften und Kraftwellen zugleich eins und vieles, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd, ein Meer in sich selber stürmender und flutender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe und Flut seiner Gestaltungen..." (Nietzsche) besser begreifen: Der Brave, Gute, Vorsichtige, Disziplinierte, Verdrängender ... oder der Wahrhaftige, der alles anschaut, nein nicht nur anschaut: DURCHLEBT, in seinen höchsten Höhen und tiefsten Abgründen und dennoch JA zu diesem Dasein sagt, ja zu sich selbst sagt: "Ich bin Mensch, Ich bin ein Schicksal."

Aus Ecce homo (Nietzsches Rückblick auf seinem Leben) :
"Ihr höchsten Menschen, denen mein Auge begegnete, das ist mein Zweifel an euch und mein heimliches Lachen. Ich rate, ihr würdet meinen Übermenschen - Teufel heißen! So fremd seit ihr dem Großen mit eurer Seele, dass euch der Übermensch furchtbar sein würde in seiner Güte...An dieser Stelle und nirgendwo anders, muss man den Ansatz machen, um zu begreifen was Zarathustra will : diese Art Mensch, die er konzipiert, konzipiert die Realität, WIE SIE IST: Sie ist stark genug dazu-, sie ist ihr nicht entfremdet, entrückt, sie ist sie selbst, sie hat all deren Furchtbares und Fragwürdiges auch noch in sich, damit erst kann der Mensch Größe haben...."
 
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AW: Ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft

Zum Ausdruck "GUTMENSCH" hier einiges was weiterführen könnte. Ich bin der Meinung das Nietzsches Auffassung weit über das hinaus geht, was wir gemeinhin damit verbinden.

Zum Vergleich - nur für den , den es interessiert - ich weiß das Links nicht immer willkommen sind.
Der Begriff Gutmensch in unserem Verständnis wird bei Zeit-Online mE gut beschrieben:
http://www.zeit.de/2009/53/DOS-Gutmensch

Die Gesellschaft für deutsche Sprache hilft uns auch ein Stückchen weiter:
http://www.gfds.de/sprachberatung/fragen...gutmensch/


Ich möchte zum weiteren Nachdenken folgenden Bericht anführen:

http://www.zeit.de/2009/53/DOS-Altruismus

"Der Mensch ist gierig und egoistisch. Dachte man. Doch jetzt stellt sich heraus: Tief in unserem Gehirn entsteht der Trieb zu selbstlosen Taten, der unser Verhalten bestimmt.

Applaus für New Yorks Held der U-Bahn Wesley Autray: Der Mann rettete mit seinem selbstlosen Einsatz einem Fremden das Leben

Wesley Autrey wartete mit seinen beiden kleinen Töchtern auf die U-Bahn, als ein junger Mann neben ihm plötzlich zu zittern begann, sich verkrampfte und dann bewusstlos auf den Bahnsteig sank. Mehrere Passagiere eilten zur Hilfe, doch Autrey war schneller. Geistesgegenwärtig fragte er nach einem Kugelschreiber und klemmte ihn dem Fremden zwischen die Zähne, damit dieser sich bei seinem epileptischen Anfall nicht auf die Zunge bisse. Nach kurzer Zeit gingen die Krämpfe vorbei, der Epileptiker stand auf, und Autrey wollte seine Heimfahrt fortsetzen.


Ein Rumpeln kündigte den Zug an. In diesem Moment taumelte der Mann erneut. Er stolperte und fiel auf das Gleis. Autrey rief einer Wartenden zu, sich seiner Töchter anzunehmen, und versuchte, den Gestürzten wieder auf den Bahnsteig zu ziehen. Doch seine Hand glitt ab. Inzwischen fuhr der Zug ein, Autrey blieb keine Zehntelsekunde Zeit zum Nachdenken. Er sprang auf das Gleisbett, zerrte den Mann zwischen die Schienen und warf sich auf ihn. Schon fuhr der erste Waggon über beide, zwischen Autreys Scheitel und dem Zug blieben genau zwei Fingerbreit Luft.

Fünf Wagen rollten über ihn. Dann blieb der Zug stehen, und Autrey hörte das Schreien seiner Töchter. Als eine Rettungsmannschaft später die beiden Männer aus ihrem Gefängnis zwischen den Rädern befreite, tropfte Wagenschmiere von Autreys Mütze. Die Sanitäter stellten an dem Epileptiker nicht mehr als ein paar Prellungen fest; Autrey selbst verzichtete auf medizinische Hilfe. Ohnehin war er der Ansicht, nichts Besonderes geleistet zu haben: »Ich sah nur einen Menschen, der Hilfe brauchte. Da tat ich, was zu tun war.«
Sein Einsatz in der Station an der 137. Straße von Manhattan an jenem 2. Januar 2007 machte Autrey dennoch zu einem landesweit gefeierten Helden. Der bis dahin unauffällige Vorarbeiter wurde in Talkshows und ins Weiße Haus eingeladen, Medien feierten ihn als Vorbild. Doch keiner schien zu bemerken, wie verstörend das Ereignis zugleich war: Was bringt einen Vater in Gegenwart seiner erst vier und sechs Jahre alten Kinder dazu, für einen Fremden sein Leben zu riskieren? Wie kann sich ein Mensch blitzschnell zur völligen Hingabe an einen anderen entschließen?

Für die Wissenschaft bedeutet Autreys Tat eine echte Herausforderung. Denn nach ihren traditionellen Erklärungen hätten die Vorgänge unter der 137. Straße nie stattfinden dürfen. In der Verhaltensforschung setzte sich während der vergangenen Jahrzehnte ein Menschenbild durch, das uns als zutiefst eigennützige Wesen beschreibt. Biologen sehen uns auf maximalen Fortpflanzungserfolg programmiert, Evolutionspsychologen auf das Erringen von Status. Ökonomen verstehen menschliches Handeln mehrheitlich als Streben nach Bequemlichkeit und Wohlstand. Alle Theorien beruhen auf der Annahme, jeder sei sich selbst der Nächste und Altruismus eine Illusion."

Wir sind es gewohnt GUT mit Moral zu verbinden.
Und mit den Folgen einer Handlung.
Wie würden wir Autreys Tat beurteilen, wenn er vor den Augen seiner Kinder verunglückt wäre?


Nietzsche
Aus dem Nachlaß; Werke in drei Bänden: III, S. 577
"Zur Kritik des guten Menschen. – Rechtschaffenheit, Würde, Pflichtgefühl, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Geradheit, gutes Gewissen, – sind wirklich mit diesen wohlklingenden Worten Eigenschaften um ihrer selbst willen bejaht und gutgeheißen? oder sind hier an sich wertindifferente Eigenschaften und Zustände nur unter irgendwelchen Gesichtspunkt gerückt, wo sie Wert bekommen? Liegt der Wert dieser Eigenschaften in ihnen oder in dem Nutzen, Vorteil, der aus ihnen folgt (zu folgen scheint, zu folgen erwartet wird)
 
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