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War Lenin ein Held?

AW: War Lenin ein Held?

hallo, liebe marianne!

das mit der doppelherrschaft in russland kannte ich schon, also wie zwei regierungsmächte (sowjets mit bolschewiki und sozialrevolutionären, und die prov. regierung) zugleich bestimmten, ohne den anderen kontrollieren zu können.
es war bestimmt eine asymmetrische machtverteilung, denn die volksräte hatten doch die massen hinter sich, da zählte die legitimität der prov. regierung doch nicht so stark, oder? (korrigiere mich bitte marianne)

Nun ja, Doppelherrschaft ist streng in der Wortbedeutung nicht richtig, denn die legale Macht lag natürlich bei der Duma.
Aber es kam immer wieder vor, - oft - dass Gesetze einfach unterlaufen wurden. Wenn es nicht zu kühn wäre, können wir uns diese kurze Zeit der russischen Geschichte fast so ähnlich wie das Ende der Römischen Republik vorstellen. Volkstribunen gegen den Senat. - Bitte, Vergleich hinkt natürlich wie bei allen Vergleichen, denn das Volkstribunat war ja eine legale Einrichtung.

Aber in der Praxis ist das schon vergleichbar.
Gegenseitige Kontrolle war weder geplant noch vorhanden.

Ein Beispiel: Selbstverständlich gab es ein Kriegsministerium, das unter der Kontrolle der Duma stand.
Bereits am 1. (14.) März 1917 gab aber der Sowjet ( das, was später der Oberste Sowjet war) den berühmt berüchtigten ukas, den Befehl Nr. 1 aus. In jedem Truppenteil sind Soldatenräte ( Sowjets) zu bilden, die die Verfügungsgewalt über die Waffen haben sollen ! ( Daneben gab es aber die legalen , auf die Regierung vereidigten Offiziere.)Zusätzlich waren diese Sowjets für alle politischen Angelegenheiten zuständig, was in diesem Zusammenhang ja vor allem die Entscheidungen: Offensive oder Defensive oder Rückzug bedeutete.

Ähnlich musst Du Dir auch die (Un)ordnung im Zivilleben vorstellen.
Es dauerte beachtlicher Weise noch bis zum Oktober ( November), bis sich die Sowjewtherrschaft durchgesetzt hatte.
 
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AW: War Lenin ein Held?

Nun ja, Doppelherrschaft ist streng in der Wortbedeutung nicht richtig, denn die legale Macht lag natürlich bei der Duma.
Aber es kam immer wieder vor, - oft - dass Gesetze einfach unterlaufen wurden. Wenn es nicht zu kühn wäre, können wir uns diese kurze Zeit der russischen Geschichte fast so ähnlich wie das Ende der Römischen Republik vorstellen. Volkstribunen gegen den Senat. - Bitte, Vergleich hinkt natürlich wie bei allen Vergleichen, denn das Volkstribunat war ja eine legale Einrichtung.

Aber in der Praxis ist das schon vergleichbar.
Gegenseitige Kontrolle war weder geplant noch vorhanden.

danke für die erläuterung, marianne!

ich finde den vergleich gut, das wesentliche merkmal stimmt überein: zwei unabhängig oft gegeneinander agierende mächte, die versuchen auf kosten des andern mehr macht zu bekommen!

nur mal so eine indiskrete frage: mit welchem geschichtsgebiet beschäftigst du dich am meisten?
 
Lenin war ein Terrorist

Erstaunt bin ich ein wenig, wie grundsätzlich positiv sich alle Diskutanten über Lenin äußern – darunter auch solche, die bisher nicht durch dieselbe politische Wellenlänge aufgefallen sind.
Ein Visionär war Lenin sicherlich, vielleicht sogar der erste Politiker der Welt – unbeschadet wie später seine Ideen vollzogen wurden und wie er das Resultat beurteilt hätte - , der eine Vorstellung davon entfaltete, wie langfristig die künftige Gesellschaft aussehen soll.
Aber damit beginnt bereits die Problematik. Lenin teilte mit Marx die Verachtung für die Arbeiter, die unfähig sind, den Staat zu regieren. Leute der Praxis wissen, so Lenin, daß die gegenteilige Auffassung „ein Märchen ist“. Die „Diktatur des Proletariats“ konnte selbst nach seiner Meinung nur eine von Berufsrevolutionären sein. Er schuf den Typ der Monopolpartei („Partei neuen Typs“)mit straffer Disziplin und Unterordnung unter die Zentrale, verbot jede Fraktionsbildung, was alles bekanntlich schon die tapfere Rosa kritisierte. Er beauftragte Felix Dschersinski mit dem Aufbau eines „bewaffneten Arms der Arbeiterklasse“ (Tscheka) und zahllose Appelle – ganz in der Tradition eines Robespierres – riefen zum Terror auf, zum rücksichtslosen Kampf gegen „Suspekte, Volksfeinde, Geiseln“ – schwammige juristische Tatbestände, mit denen jede willkürliche Verhaftung und Liquidierung scheinlegitimiert werden konnte. „Revolutionsgerichte“ verhängten „prophylaktischen Gewahrsam“ und standrechtliche Erschießungen ohne auch nur ein Minimum an Rechtsschutz zu gewähren.
Lenin fußte auf Marx, beide aber, Lenin wesentlich mehr als der Urvater der sozialistischen (milde geurteilt) Irrungen und Wirrungen, schufen die Voraussetzungen, die Rahmenbedingungen, den rechtlichen und gesellschaftlichen Datenkranz, in dem sich der Stalinistische Terror – den von Hitler übersteigend – erst entfalten konnte. Begonnen aber hatte er schon unter Lenin.
Seine beste Erkenntnis soll er wenige Monate vor seinem Tod gehabt haben, als er sein Werk vom Scheitern bedroht sah und in seinem politischen Testament vor Stalin warnte. „Eigentlich“, so meinte er, „eigentlich braucht der Sozialismus einen neuen Menschen“. – Wie wahr! Und auf den warten wir heute noch.
 
Diktator Lenin - Nachtrag

Lenin hat das ihm sicherlich bekannte "Gesetz der Oligarchie" (Michels 1902) bewußt oder unbewußt ignoriert, nach dem gerade Massenorganisationen je größer sie sind desto mehr sie die Macht auf eine kleine Führungsgruppe delegieren müssen. Deshalb war und ist die Diktatur des Proletariats immer - wie einst Kurt Schumacher (1. Vors. der SPD nach 1945) so trefflich formulierte - eine "Diktatur über das Proletariat".
Lenin proklamierte und praktizierte die Erziehungsdiktatur, die bei Stalin in einer Orgie von Verbrechen endete. Nur Mao Tse Tung und - relativ gesehen - auch Pol Pot übertrafen ihn noch.
Der andere, der neue Mensch, den sie schaffen wollten, ja, wo ist er nur geblieben? Der "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", den zugegeben schon Lenin wollte, hat stets nur die Fratze des Terrors und der Unterdrückung gezeigt.
 
AW: War Lenin ein Held?

Ziesemann, das damalige Rußland war das rückständigste Land des damaligen europa,
wie kann man ihm heute vorwerfen, daß er so kurz nach der revolution in den Nachwirren des Weltkriegs
eine Radikalisierung der Umwälzung forderte und durchsetzte, eine Machtübernahme durch Sowjets (Räte) der Arbeiter und Bauern?

wo bitteschön, gab es zu dieser Zeit in europa eine funktionierende demokratie
(naja, daß er sich die Eidgenossen hätte zum vorbild nehmen sollen kannst Du sicher nicht ernsthaft meinen)?

Die bürgerliche Regierung wollte, daß das ausgeblutete Land wieterhin im Krieg gegen Deutschland (Mittelmächte) beteiligt ist, wohingegen er einen sofortigen Friedenschluß durchsetzte (seine erste Amtshandlung) und das Land der Großgrundbesitzer an die damals noch leibeigenen bauern verteilte (seine zweite Amtshandlung).
(die spätere verbrecherische Vernichtung der „Kulaken“ (der normalen bauern) geht zulasten Stalins),
sein Plan zur elektrifizierung des ganzen Landes, in dem es nur in wenigen Großstädten Elektrizität gab, war visionär.

Daß er utopistische Vorstellungen hatte (wie die Abschaffung des Geldes),
sollte man ihm nicht allzusehr anlasten, da selbst bei uns heute noch nicht wenige Leute solchen Hirngespinsten anhängen.

Das Attentat 1918 und Stalin haben viele seiner Träume nicht wahr werden lassen,
insgesamt gesehen: in meinen Augen war er ein Held.

Claus
 
AW: Diktator Lenin - Nachtrag

Der andere, der neue Mensch, den sie schaffen wollten, ja, wo ist er nur geblieben? Der "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", den zugegeben schon Lenin wollte, hat stets nur die Fratze des Terrors und der Unterdrückung gezeigt.

letzte Gelegenheit war 1968,
hätte ein Gorbi anstelle eines Breshnew agieren können, wäre es nicht zu spät gewesen.
Der damalige "Prager Frühling" mit Billigung der Sowjetunion hätte in den übrigen kommunistischen Staaten eine Wende herbeigeführt,
und die heutigen Landkarten und politischen Konstellationen sähen anders aus

meint Claus
 
nur für psbvbn1

Du siehst an den "Ergüssen" der beiden alten Herren, was in der Regel in einem solchen H-Forum rauskommt.
Ideologisches Geschwafel, das a) vom Thema abweicht und b) Gewusstes oder Nachgelesenes dokumentieren soll .- Genau das ist der Grund, warum ich solchen Foren, die keine direkten Fachforen sind, misstrauisch gegenüber stehe.

Dafür, ich schrieb es schon, wimmelt es in Geschichteforen von Korinthenkackern, die jede Äußerung mit - wirklich besseren oder nur scheinbar besserem Quellenmaterial kommentieren, in Frage stellen und was dergleichen Strategien noch so sind.

liebe und auch Weihnachtsgrüße

Marianne
 
nur für Ziesemann

Du siehst an den "Ergüssen" der einzelnen alten Dame,
was dabei herauskommt, wenn selbsternannte Historiker so tun,
als ob sie ihre Forums-Beiträge auf der Grundlage von Originalquellen zusammengestellt hätten.
(und alles in Geschichtsbüchern gelesene nur Geschwafel ist.)

historisierende grüße von Claus
 
Lenin = Held?

Vielleicht müßte man definieren, was unter "Held" zu verstehen ist. Mutig war er, gewiß, aber das war ein gewisser Hitler auch. Und die Militärgeschichte ist voll von Helden.
claus, ich habe doch mit keiner Silbe kritisiert, daß Lenin Utopien aufgesessen ist wie Abschaffung des Geldes (übrigens hat er das von Marx übernommen) oder daß er in den Revolutionswirren meinetwegen auch mal "Köpfe rollen" ließ. Was ich an Lenin kritisiere ist: Er hat Stalin ideologisch die Bahn gebombt, z.B. Vernichtung der Kulaken. Denn Lenin war es, der den Kampf gegen alles Kleinbürgerliche propagierte und praktizierte. Der Terror gegen Andersdenkende begann schon bei ihm und wurde unter Stalin nur gesteigert - bis zum Exzeß.
Über Deine Meinung zu Lenin wundere ich mich, habe Dich bisher immer als kritischen Betrachter des Sozialismus eingeschätzt. Sorry, daß ich mich geirrt habe, was natürlich nicht den mindesten Einfluß auf meine persönliche Wertschätzung für Dich hat (wenn Du mich nicht wieder für "besoffen" hältst). Ansonsten registriere ich mit einer gelassenen Heiterkeit, wie - ohne sachliche Gegenargumentation sondern einfach durch persönliche Diffamierung - versucht wird, den Säulenheiligen des vermoderten und im Orkan der Verbrechen versunkenen Sozialismus zu verehren.
Mit nochmaligem Weihnachtsgruß
Ziesemann
 
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AW: nur für Ziesemann

Du siehst an den "Ergüssen" der einzelnen alten Dame,
was dabei herauskommt, wenn selbsternannte Historiker so tun,
als ob sie ihre Forums-Beiträge auf der Grundlage von Originalquellen zusammengestellt hätten.
(und alles in Geschichtsbüchern gelesene nur Geschwafel ist.)

historisierende grüße von Claus
Du kamst mir mit Deiner Antwort drei Minuten zuvor.
Dieser Deiner These stimme ich freudig uneingeschränkt zu.
Ziesemann
 
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