AW: Wir muessen uns Sisyphos als einen traurigen Menschen vorstellen
Hallo oktoberwind,
oktoberwind:
"Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen." So heißt der Schlusssatz bei Camus richtig.
Ich weiß nicht, ob die ganze Diskussion hier hinfällig ist, wenn die Voraussetzungen nicht stimmen. Kurz vorher erläutert Camus das ja auch:
"Nur lehrt Sisyphos uns die größere Treue, die die Götter leugnet und die Steine wälzt. ... Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen.
die jenigen die den Sysiphos-Mythos kennen, werden informiert sein. Jeden-
falls geht es nicht speziell um den Sysiphos-Mythus, denn sonst haette ich
konkreter geschrieben und ggf. auch Textstellen angegeben. Den kann man
in einem extra dafuer erstellten Thread durchkauen, in diesem Thread ist er
allerdings ein Aspekt unter vielen anderen.
Ich weiss, was Camus geschrieben hat, ich kenne auch den Schlusssatz des
Sysiphos-Mythos. Wobei ich eigentlich nicht wirklich weiss, wie Camus die
Kurve bekommen hat. "Der Kampf vermag ein Menschenherz auszufuellen", na
der Kampf ist doch vergebens und somit tragisch, aber auch im hoechsten
Mass absurd. Ebenfalls Schopenhauer, er sah als Loesung nicht den Selbst-
mord. Vielleicht haetten beide einfach nur ein schlechtes Gewissen gehabt,
wenn ihre zukuenftigen Leser aus dem naechstbesten Fenster springen,
haetten sie nicht die Kurve gekriegt. Es zeigt sich immer wieder, dass er-
langtes Wissen anerkannt wird, doch im letzten Moment des Abschluss und
der Verinnerlichung des Gedankens beginnt das sich-zur-Wehr setzen. Das
kritisierte auch Horstmann in seinem Hauptwerk, das Fromm die Nekrophilie
und Destruktivitaet erklaert und sogar anerkennt, stellt aber diesem Prinzip
ein anderes entgegen, die Biophilie. Das es sich mehr um ein optimistischer
Ausgleich handelt, ist gut moeglich. Das mich die Revolte stoert habe ich ge-
schrieben, und das ich ein klares Ziel (die Menschenleere, das Anorganische)
in Erwaegung ziehe, passt doch sichtlich nicht ueberein.
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Hallo erichs,
erichs:
Ich nehme an, du bist ein sehr junger Mensch?
Dein Text klingt danach, als hättest du eben entdeckt, dass der ganze Popanz, auf der die Gesellschaft aufgebaut ist, keinerlei Substanz hat?
jung bin ich nicht mehr, jedenfalls fuehle ich mich, als haette ich gefuehlte
tausend Jahre hinter mir. Und meine Erkenntnisse, die durchkaue ich schon
eine Weile, und nun bringe ich sie in Worte. Wenigstens mit ausreichend Kon-
sistenz, hoffe ich.
erichs:
Nur unter diesem Gesichtspunkt ist die Sinnlosigkeit und Leere des Lebens ein Problem.
Nicht nur die Sinnlosigkeit, sondern auch Langeweile und Aufreibung. Diese
beiden und noch einige weitere Aspekte stehen im Vordergrund, im Hinter-
grund haengt stets die Sinnlosigkeit als Leinwand.
erichs:
Ich vermute, dass nichtmenschliche Tiere dieses Problem nicht haben, weil sie nichts vermissen, das sie sich zuerst zusammengedacht hätten; Wittgenstein hat das schön formuliert: "Nicht wie die Welt ist, ist das Bemerkenswerte, sondern, dass überhaupt eine Welt ist", also, wie es kommt, dass man sich zum mystisch Bestehenden auf einer Metaebene eine Parallelwelt denkt, und dann nur in dieser Welt lebt; beziehungsweise dann unglücklich ist, wenn man bemerkt, dass diese Welt nur ein Hirngespinst ist.
Zunaechst muss ich sagen, dass es mich freut, das Du nicht nur einfach
"Tiere" schreibst, sondern "nichtmenschliche" davorsetzt, was die Zuge-
hoerigkeit des Menschen zum Tierreich hervorhebt, wenn sie im Kontext
erwaeht werden. Diese Definierung und angemessene Wortwahl beugt vor
allem dem Speziesismus vor.
Als naechstes stimme ich Dir zu, das nichtmenschliche Tiere kein Problem mit
der Sinnlosigkeit haben, weil sie nie eine solche Frage ueber Sinn oder Nutzen
ihres Lebens formuliert haben, weil ihr Intellekt noch nicht so weit ausgereift
ist. Das gleiche bei Neugeborenen. Das ist ihr Glueck, nichts hinterfragen zu
koennen. Sie koennen ihr Leben so weit wie es geht geniessen. Das koennen
Menschen auch, aber in meinem Fall ist es so, dass ich zu weit hinterfragt
habe, das ich die wichtigste Triebfeder Aesthetik erklaert und entmystifiziert
habe. Somit laesst sich alles Erleben auf einen bestimmten Nenner reduzier-
en, zudem spreche ich noch von evolutionaer eingepraegten Programmen, die
immerzu auf Lebensbejahung aussind, falls noetig mithilfe der Vernunft. Da-
hinter ist nichts mehr.
Von der Welt und vom Subjekt: das Subjekt entsteht in der materiellen Welt,
das Bewusstsein ist eine hoehere Qualitaet, ein zusaetzliches Phaenomen.
Wir koennen niemals von diesem Phaenomen auf die Realitaet zugreifen, nie-
mals wissen wie sie wahrhaftig aussieht. Sie sieht naemlich nicht so aus wir
wir sie sehen, denn man kann davon ausgehen, das z. B. Farben nicht exi-
stieren. Das was wir erleben ist hoechstens die Wirklichkeit. Zwischen Rea-
litaet und Wirklichkeit unterscheide ich sehr streng. Wirklichkeit ist fuer Dich
ein fahrendes Auto das Du sehen kannst. Dieses Auto ist noch innerhalb
Deines Blickfeldes. Allerdings faehrt es nun weiter hinter den Berg und Du
kannst es nicht mehr sehen, es liegt ausserhalb Deiner Wirklichkeit. Es ist
nicht "weg", wie man es alltagssprachlich sagen wuerde, sondern befindet
sich jederzeit als Ding an sich in der Realität, aber nicht mehr im Bewusst-
sein. Man kann davon ausgehen, das niemand die reale Welt kennt, ergo: wo-
von man nicht sprechen kann, darueber muss man schweigen. Also muesste
jeder Mensch nur von seiner Wirklichkeit berichten, nicht von der Realitaet,
die Welt also wie sie uns nicht zeigt. Ist doch klar, dass ein durch die Evo-
lution geformter Beobachter wie ein Filter erlebt. Heisst auch, das wir Men-
schen doch nicht alles wissen ... aber darueber, das wir einiges nicht wissen,
koennen wir dennoch bescheid wissen.
Man kann nun davon ausgehen, das zwei Welten existieren. Die erste Welt
ist aus Sicht des Beobachters die Vermutung, welche man Realitaet nennt
und zwingend notwendig fuer die zweite Welt ist, d. h. dem wirklichen Gehirn
muss ein reales Gehirn zugrunde liegen. Davon abgeleitet steht folgende
Schlussfolgerung: wenn meine wirkliche Welt nicht mehr existiert, kann ich
davon ausgehen, dass die reale Welt weiter existiert - ausser ich glaube an
den Solipsismus (wovon ich persoenlich nicht viel halte). Warum existiert
ueberhaupt etwas und nicht vielmehr nichts, das frage ich mich besonders
zur realen Welt ... soweit ein kleiner Exkurs, ein Hauch von Radikalen Kon-
struktivismus.
erichs:
Ich für meinen Teil bin recht glücklich damit, dass es keinen Sinn gibt, den ich erfüllen müsste und das Leben ein reines Geschenk ist.
Ich sage immer, dass es in Ordnung ist, sich das Leben so angenehm wie
moeglich einzurichten. Noch besser waere es von Anfang an gewesen, wenn
ich nie existiert haette.
erichs:
Und soweit ich weiß, war auch Cioran ein eher fröhlicher Mensch mit guten Manieren, dem einzig sinnvollen "Popanz" ;-)
Ja, das war er.
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Hallo 5Zeichen,
5Zeichen:
Aber wen stört das? Es ist da, das Leben und es ist, wie es ist, ohne sich um die Produkte menschlichen Verstandes zu kümmern! Ich sehe es als Geschenk, mit dem jeder machen kann, was er will.
mit dem jeder machen kann, was er will ... das sollte dann nur fuer das ei-
gene Leben gelten. Leider ist es so, das vor allem Menschen anderen Men-
schen und nichtmenschlichen Tieren bloede Dinge zumuten. Homo homini
daemon ...
5Zeichen:
Cioran hat es trotz (oder wegen, das weiß man immer nicht so genau ) seiner Verstandesprodukte auch ziemlich lange genossen.
Hm, bei Cioran war das oft so, dass er zwischen Freitod und Leben als Ver-
suchung pendelte. Sein Leben war das Gegenteil von dem was er schrieb. Er
schrieb ueber Freitod und hat nicht Hand an sich gelegt. Er stellte auch den
pariser Frauen nach. Wahrscheinlich reichte es ihm aus, das er keinen Nach-
wuchs gezeugt hat, um unbeschwert und ruhigen Gewissens weiter leben zu
koennen.
Gruesse,
Arthur Jules