AW: Wettlauf mit dem Leben
Mich haben alle Eure Beiträge interessiert - denn alles was Ihr schreibt, sind m.E. Facetten dieses Problems des Zeitempfindens.
Wenn dies individuelle Ansätze sind, gibt es doch ein Aspekt der uns alle betrifft. Während eine Menge technischer Errungenschaften dem Zeitgewinn dienen sollten, empfinden wir vielleicht eben dadurch die Zeit als etwas was uns davon läuft, etwas was uns einfach unaufhaltsam zerfließt. Und so wird immer mehr vernehmbar, dass viele sich überfordert fühlen von diesen fließbandartigen Abläufen. Ob wir nun Sportereignisse verfolgen oder zufällig ein kurzes Bild der Börsenabläufe einfangen, oder die Werbung für ein neues Automodell, der gemeinsame Nenner heisst: noch schneller werden, noch schneller reagieren.
Auch wenn alle diese Ereignisse uns gar nicht oder nur am Rande interessieren: es bleibt dieses Bild, besser gesagt dieses Gefühl der ständigen Beschleunigung haften. Bis wir diesen Zeitdruck als fremd und sogar feindlich empfinden. Die Zeit, eines unserer wertvollsten Güter, wird zum Feind. Wir halten nichtmehr mit, es entsteht dieses Gefühl ständig nur an der Oberfläche der Dinge, der Ereignisse geblieben zu sein, nur ein Vorbeisausen der Landschaften mitbekommen zu haben.
Nun, ich habe in der Mehrzahl geschrieben - es sind aber meine persönlichen Empfindungen. Und meine Zeit erfährt noch eine Beschleunigung durch mein Alter (wer hat da nach konkreten Angaben gefragt?
). Es bleibt die Neugierde auf nicht ganz Begriffenem oder nur im Vorübergehen Erfahrenem und man möchte doch alles richtig erlebt haben. Wobei dies natürlich absurd ist.
Noch eines scheint mir absurd: wir klagen über den Mangel an Zeit, über die Zeit die uns davonrast - und machen doch eine Menge Sachen die nur dem Todschlagen der Zeit dienen. Wir sehen uns unnötige Filme an, lesen Sachen die wir eigentlich von den ersten Zeilen an uninteressant finden - dies scheint ein Widerspruch zu sein zum Gefühl der Zeitverknappung.
Aber ist es tatsächlich ein Widerspruch? Oder eher das Bedürfnis irgendwo Halt zu machen, wo die Zeit auch ruhig davonrasen darf - weil es uns eigentlich gar nicht berührt. Wir wollen einiges gar nicht vertiefen. Denn um es zu vertiefen, benötigt es Zeit. Die oberflächliche Auskunft wird nur dann zur Information, wenn unserem Gehirn die Zeit geboten wird dies zu verarbeiten.
Liebe Grüße
Miriam