AW: Was? - Wie? - Wann? - Wofür?
Liebe Lilith!
Vielen Dank für Deine Geduld, Dein offenes Wort und Dein Bemühen mich zu Verstehen. Aber warum "empfindest" Du es als "Rechthaberei", wenn ich als Christ eine
persönliche Meinung vertrete? Ich versuche es immer wieder zu betonen, dass es sich um meine ganz
persönliche Einsicht handelt.
Lieber Franz!
Ich empfinde es als Rechthaberei, wenn du davon ausgehst, dass es notwendigerweise die christlichen Religionen sind, die wir für ein ein gutes Leben brauchen.
Ich merke es auch an deiner Antwort an mich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, dass es schon nah an eine Missachtung meiner Würde geht, wenn du das so formulierst. Das würde mir ja glatt die Fähigkeit absprechen, als Mensch ohne Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft überhaupt mit anderen Menschen friedlich leben zu können.
In diesem Zusammenhang finde ich das Wort von dem "rechthaberischen" Apostel Paulus interessant, das er an die Gemeinde in Rom schreibt:
"Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben." (Röm 1,11-12)
Gerade hier sollte man das
"oder besser: damit wir, ..." beachten, denn dann sieht man, dass Paulus durchaus auch die Grenze zur "Rechthaberei" wahrnahm. Von daher gesehen ist der zur Rechthaberei neigende Paulus gar nicht so "Rechthaberisch", wie es auf den ersten Eindruck dem einen oder anderen erscheinen mag. Für mich persönlich ordne ich dieses ruhelose Treiben eines Paulus, der ja schon auch einen Knoten in der Hose, ähm unterm Rock hatte, dahingehend ein, dass es ihm einfach nur darum ging, was ihm im Herzen brannte:
"Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!" (1Kor 9,16)
... und ich mag nun mal Menschen, deren Haltung von einer inneren gefestigten aber
reflektierten Überzeugung erzählt und von daher auch die Grenze, die uns die Achtung und der Respekt vor der Würde des anderen aufzeigt, wissen!
Also wenn ich hier irgendwie in meinen Worten diese Grenze überschritten habe, so dass ich Dich in Deiner "Menschheit", liebe Lilith, verletzt habe, dann tut es mir leid.
Wenn du das so siehst, wozu brauchst du eine Religion, und gar eine christliche Religion? Du stellst Bedingungen auf, die doch jemandem, der an einen Schöpfergott glaubt, geradezu arrogant erscheinen lassen. Unterstellst du doch deinem Gott, dass er sein eigenes Werk nicht gut genug geschaffen hat. Sonst würde es ja genügen, einfach voll Freude zuzusehen, wie es läuft, einfach zu beobachten, wie das Leben miteinander funktioniert und so wie "Gott" am letzten Tag der Schöpfung zu sehen, "dass es gut ist". Das Werkel funktioniert nun mal so, dass auch die "unangenehmen" Eigenschaften des Menschen dazugehören müssen. Hat doch Gott alles so geschaffen, (wenn man schon an einen Gott glaubt.)
Das Herumkritisieren und Besserwissen, und sei es noch so gut gemeint, nimmt immer irgendeinem anderen Menschen, der zu einer anderen Sicht der Welt kommt als du, die Würde.
... wie oben: Geht wirklich, das öffentliche persönliche Bekenntnis, gleich mit der Verletzung der Würde eines Menschen einher, der eine andere Weltanschauung vertritt?
Kann man es nicht auch als Aufforderung im Sinne eines Apostel Paulus sehen, dass Menschen "miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben."
Der Mensch könnte mit seinen Mitmenschen in Eintracht leben, wenn er sich darauf besinnen würde, dass er nichts anderes ist als jeder andere. Dass keiner irgendwas Wesentliches besser weiß, vor allem nicht in dem Bereich, wo es nur um Spekulationen geht. Jeder kann auf sich selbst und seine Empfindungen und Wahrnehmungen vertrauen und sich bewusst sein, dass er damit ganz allein ist. Und das ist es, was ihn mit allen anderen Menschen verbindet.
Jeder Erklärungsversuch bewirkt, dass wir uns von den anderen trennen.
Gerade dieses "Besinnen" ist doch des "Pudels Kern". Auf was soll sich der Mensch vor allem besinnen? Und wie soll er sich im Lebensalltag besinnen? Wann, in welcher (Entscheidungs-)Situation, muss er sich dann wieder auf das Neue besinnen? Wofür ist denn diese ganze "Besinnerei", die ja in der Tat auch "Schwerstarbeit" bedeuten kann und so zur "Besinnungs-Losigkeit" führen kann, eigentlich da?
Da gibt es in der Menschheitsgeschichte sicherlich sehr sehr viele Wege - aber wohl noch viel mehr an (gescheiterten) Versuchen. Genau mit diesem Aufruf zur Besinnung, zur Umkehr, beginnt interessanter Weise auch das älteste aller Evangelien, das Markusevangelium:
"So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden." (Mk 1,4)
Für mich persönlich, habe ich diesen Weg der "Besinnung", so wie ihn dieser Jesus von Nazareth aufzeigt, als den vernünftigsten aller Wege erkannt - aber wie gesagt: für mich persönlich!
... und darüber mit meine "Schwestern und Brüder im Glauben" ins Gespräch zu kommen, das ist mir schon ein großes Anliegen.
Deshalb sind gerade die Religionsgemeinschaften Verhinderer von Frieden und Eintracht.
... und bei dieser Behauptung muss ich Dir deutlich widersprechen. "Besinne" Dich doch mal darauf, was Du hier einfach so behauptest!
... vielleicht auch im Zusammenhang mit dem 8. Gebot:
„Du sollst kein falsches Zeugnis geben, gegen deinen Nächsten“ (Exodus 20, 16)
... ist das ein "wahres Zeugnis", das Du da von Dir gibst?
Die großen Religionsgemeinschaften sind nicht etwas, die da kommen und gehen wie "Staaten", sondern die haben schon einen ganz anderen Platz in der Geschichte der Menschheit.
Religions-Gemeinschaften kennen Prinzipien -
Staaten kennen nur Interessen!
Jetzt urteile selbst, ob eher Prinzipen, die um des Menschen willen da sind, oder doch eher Interessen, die nur um eines Staates willen da sind, "Frieden und Eintracht" verhindern?
Wir sind Kinder unserer Zeit, die Menschen früher waren ebenfalls Kinder ihrer Zeit. Und wir von heute können uns nicht über diese Generationen erheben und sagen: Ihr seid an allem schuld!
... denn wir alle stehen letztendlich nur auf deren Schultern (vgl. Epigonen)
... es geht vielmehr darum sich zu "besinnen" und aus diesen "Entartungen des Glaubens" um der Würde und Liebe des Menschen willen zu lernen!
Mit einem Satz gesagt:
Alles Großartige geht meist an der Kleinheit der Erben zu Grunde!
Gruß Franz