AW: Warum fehlt es den Alten an Weisheit?
Was? Das hab ich doch nie gesagt. Ich habe gesagte, dass Gewalt nur dann entstehen kann, wenn irgendwo Weisheit fehlt. Und ich habe gemeint, dass Gewalt dann auch von keinem Weisen verhindert werden kann. Der Weise wird aber, so wie ich das sehe, auch dann zumindest immer den Weg der geringsten Gewalt wählen.
Den Weg der geringsten Gewalt finde ich auch richtig, aber es wird immer Gewalt geben - mehr oder weniger viel, aber nie Null.
Unsere "unweisen Triebe", wie du sie nennst, sind schon im Menschen verankert, aber wenn du vom freien Willen des Menschen ausgehst, und das tust du ja (in einem anderen Thread), dann ist der Mensch in seinem Handeln, Sprechen und Denken nicht an diese Triebe gebunden.
Der freie Wille ist in der Vernunftsphäre angesiedelt. Jetzt sag Du mir, ob Du auch nur einen Menschen kennst, der es immer geschafft hat, auch nur das ihm vernünftig erscheinende (was nicht weise sein muss!) zu tun?
Was mich an Deiner ganzen Philosophie einfach stört, ist diese "Makellosigkeit", diese "!00%igkeit". Jedes bischen Konflikt, Streit, Animosität erscheint Dir als "Fleck auf dem blanken Schild der Weisheit".
Es ist doch klar, dass Du bei diesen Suchkriterien keinen Weisen, weder unter den Alten, noch unter dem Rest, finden wirst.
Und doch bin ich der Ansicht, dass es nur allzu bequem ist, Streit (u.a.) als menschlich abzutun. Ich sehe darin nur den Versuch einer Rechtfertigung, sich mit seinen Fehlern nicht näher auseinandersetzen zu müssen, denn schließlich wären die Fehler ja natürlich.
Wer sagt mir eigentlich, was Fehler sind? Du? Und wenn ich nun gar nicht meine, dass das was Du für einen Fehler hältst, auch einer ist? Du musst schon ganz schön von Dir überzeugt sein, wenn Du meinst zu wissen, was Andere falsch machen.
Zum Streitthema gibt es eine wunderbare Szene aus "Ödipussi" von Loriot. Da ist so ein Ehepaar, das IMMMMER ausgeglichen, freundlich miteinander lächelnd, unerträglich harmonische Sätze absondert. Man kriegt Ausschlag. Und natürlich kracht diese überharmonische, nicht krisenerprobte Beziehung sofort, als von außen der erste kleine Störimpuls auftaucht (in Gestalt eines besoffenen, lüsternen Dorfbürgermeisters)...
Das lehrt zum Beispiel, dass das gelegentliche Zulassen und auch heftige Austragen von Konflikten sehr hilfreich sein kann, das reale Leben zu meistern.
Idealismus ist nötig, um die Welt zu verbessern. Umso idealer wir bereit sind zu handeln, umso größer das Potential zur Verbesserung.
Idealismus hat die Welt fast immer ins Unglück gestürzt (wie gesagt: Millionen Tote durch idealistisch motivierte Diktaturen und religiösen Wahn). Hingegen gab es noch nie einen Krieg zwischen zwei demokratischen
und kapitalistischen Ländern - Ländern also, die ein Credo haben: Den Menschen nehmen, wie er ist und seine Eigenschaften (auch die unsympathischen!) möglichst nutzbringend für alle auszunutzen.
Das klingt für mich wie: "Lass es sein, du kannst die Welt nicht ändern" oder schlimmer: "Lass es sein, aus dir wird sowieso nichts."
Dass aus Dir was wird (wohl schon ist, oder?), traue ich Dir zu.
Dass Du aber mal die Chance bekommst, die Welt in Deinem Sinne zu "verbessern", davor bewahre uns dieser und jener.
Das würde auch wieder in der Diktatur enden...
Das wären typische Sätze von Alten, die sich irgendwann einmal selbst aufgeben haben, und deshalb nie weise geworden sind, sondern einfach nur alt.
Willst du denn auch so alt werden? (Nach deinem Foto zu urteilen bist du's ja noch nicht
)
Lieber einfach würdig und menschlich altern, als sich den Maßstäben eines überspannten Jünglings anzupassen, der Du mir zu sein scheinst.
LG, pispezi