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warum bin ich ich u. kein anderer?

zu Frage des Ich und des Anderen mal drei Sätze aus Fichtes Wissenschaftslehre

1. Das Ich setzt sich.
2. Das Ich setzt sich ein Nicht-Ich entgegen.
3. Das Ich setzt sich als gesetzt gegen ein Nicht-Ich.

:zauberer1
 
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Hallo dyonysos,

dyonysos schrieb:
zu Frage des Ich und des Anderen mal drei Sätze aus Fichtes Wissenschaftslehre

1. Das Ich setzt sich.
2. Das Ich setzt sich ein Nicht-Ich entgegen.
3. Das Ich setzt sich als gesetzt gegen ein Nicht-Ich.

damit wird auch deutlich, dass das Ich, wie bereits angedeutet, ein Konstrukt ist, das einem bestimmten Zweck dient. Und um noch einmal auf die buddhistische Sicht der Dinge zurückzukommen, die mir, im wahrsten Sinne des Wortes, sehr am Herzen liegt, möchte ich ein Gedankenexperiment vorschlagen: Wie würden obige Aussagen klingen, wenn wir zwischen Ich und Selbst unterschieden?


Dazu ein kurzes Zitat aus einer meines Erachtens guten Einführung in das Thema, die unter
http://www.friedrich-kuemmel.de/doc/IchUndSelbst.pdf im Netz zu finden ist:

"Man muß also das 'Ich' der Selbstwerdung und Selbsterfahrung, der Selbstdarstellung und Selbstzuschreibung unterscheiden vom Zeugen-Ich bzw. 'Selbst', das von allem Selbstzweifel und Selbstzerwürfnis unberührt bleibt und sich auch dann noch als unhintergehbar erweist, wenn die Fragen nach ihm ohne Antwort bleiben."

Also, Fichte paraphrasiert:
1. Das Selbst setzt ein Ich.
2. Das Selbst setzt dem Ich ein Nicht-Ich entgegen.
3. Das Selbst setzt das Ich als gesetzt gegen ein Nicht-Ich.

Für mich klingt die zweite Version verständlicher, weil ich bereits Fichtes ersten Satz für problematisch erachte: Wie kann sich das Ich setzen, wo es doch erst mit dem Setzen gesetzt ist und vorher gar nicht existent? Daraus folgt für mich, dass das Ich gesetzt WIRD, es "erleidet" seine Geburt, es kann sich ja nicht selbst gebären.

Aber vielleicht hatte Fichte etwas anderes im Sinn?

Schöne Grüße

spinnwebwald
 
Es gibt keinen Grund, warum du du bist. Es hätte auch anders kommen können. Ist es aber nicht. Deine Existenz bestätigt sich selbst.
 
Hallo h-irgendwas,

hkf8997lp schrieb:
Es gibt keinen Grund, warum du du bist. Es hätte auch anders kommen können. Ist es aber nicht. Deine Existenz bestätigt sich selbst.

es hätte eben nicht anders kommen können: Wenn ICH ein ANDERER wäre, würde ich mich trotzdem als ICH bezeichnen. :-)

Schöne Grüße

spinnwebwald
 
hallo zurück ;-)

spinnwebwald schrieb:
wenn wir zwischen Ich und Selbst unterschieden?

Diese Trennung erinnert an die Trennung zw. "Me" und "I" des Soziologen G. H. Mead, der mit dem einen die internalisierten Rollenbilder, Rollenerwartungen und Restriktionen meint und mit dem anderen das "innere Ich" meint, welches auf das "soziologische Ich" reagiert und mit ihm in Wechselbeziehung steht.
Etwas abgewandelt und 'moderner gefaßt' könnte man auch von einer Aufspaltung des Ich in genetischen Code und Sozialisation sprechen.


spinnwebwald schrieb:
weil ich bereits Fichtes ersten Satz für problematisch erachte: Wie kann sich das Ich setzen, wo es doch erst mit dem Setzen gesetzt ist und vorher gar nicht existent
Ganz richtig und meiner Meinung nach verschiebst du in deiner um das "Selbst" erweiterten Darstellung lediglich das Problem. Der Akt der Ichwerdung oder besser des Ich-Bewußtseins als Setzung kann eigentlich nicht als singulärer Akt, als creatio ex nihilo, begriffen werden, sondern vielmehr als universelle und unendliche Progression. Daß man damit sehr schnell in einen (früh)romantischen Mystizismus abgleitet, steht dabei außer Frage (so geschen etwa bei Friedrich Schlegel oder Novalis, die sich intensiv mit Fichte befaßten und ihn zu transzendieren suchten) ...
 
Hallo dyonysos,

dyonysos schrieb:
Diese Trennung erinnert an die Trennung zw. "Me" und "I" des Soziologen G. H. Mead, der mit dem einen die internalisierten Rollenbilder, Rollenerwartungen und Restriktionen meint und mit dem anderen das "innere Ich" meint, welches auf das "soziologische Ich" reagiert und mit ihm in Wechselbeziehung steht.

ganz recht, in dem von mir weiter oben zitierten Text von Friedrich Kümmel ( http://www.friedrich-kuemmel.de/doc/IchUndSelbst.pdf ) findet sich ebenfalls ein Hinweis auf Meads Unterscheidung, der meiner Ansicht nach allerdings nur eine erste Annäherung an das buddhistische Begriffspaar sein kann.


dyonysos schrieb:
Etwas abgewandelt und 'moderner gefaßt' könnte man auch von einer Aufspaltung des Ich in genetischen Code und Sozialisation sprechen.

Das würde ich nun überhaupt nicht unterschreiben: Das buddhistische Selbst hat mit dem genetischen Code nicht einmal analogisch etwas zu tun. Ich zitiere Kümmel:

"Der Zweifel an der reflexiven – als solcher immer noch gegenständlich vermittelten – Konstitution des Selbstbewußtseins führt schließlich auf ein „Selbst“, das diesen langen Weg zu sich begleitet, als der „Beobachter“ und „Zeuge“ aber nicht selber in Erscheinung tritt und auch nicht zum Gegenstand der Erfahrung wird."

Ich lese das so, dass das Selbst so etwas wie "Bewusstsein an sich" ist, ein innerer Hintergrund-Prozess, der nichts mit der materiellen oder biologischen Welt zu tun hat.

dyonysos schrieb:
Ganz richtig und meiner Meinung nach verschiebst du in deiner um das "Selbst" erweiterten Darstellung lediglich das Problem. Der Akt der Ichwerdung oder besser des Ich-Bewußtseins als Setzung kann eigentlich nicht als singulärer Akt, als creatio ex nihilo, begriffen werden, sondern vielmehr als universelle und unendliche Progression.

So ist es gerade nicht gemeint! Das Selbst ist der Urgrund, aus dem das Ich-Anderes erwächst, wie im Taoismus der "Weg" das Yin-Yang schafft. Und damit ist das Selbst nichts auf ein Individuum Beschränktes, sondern das Bewusstsein des Universums selbst, das sich in einem Individuum, in allen Individuen, manifestiert.

Das ist, aus meiner Sicht, die buddhistische Sicht. ;-)

Liebe Grüße

spinnwebwald
 
spinnwebwald schrieb:
findet sich ebenfalls ein Hinweis auf Meads Unterscheidung, der meiner Ansicht nach allerdings nur eine erste Annäherung an das buddhistische Begriffspaar sein kann.

Das würde ich nun überhaupt nicht unterschreiben: Das buddhistische Selbst hat mit dem genetischen Code nicht einmal analogisch etwas zu tun.
Mir geht und ging es auch zu keiner Zeit um eine Annäherung an ein wie auch immer geartetes "buddhistisches Begriffspaar". Mir ist diese in den späten siebzigern entstandene Modewelle für fernöstliche Mystrik, Pseudo-Buddhismus und Esoterik eh ziemlich suspekt ...

spinnwebwald schrieb:
Ich lese das so, dass das Selbst so etwas wie "Bewusstsein an sich" ist, ein innerer Hintergrund-Prozess, der nichts mit der materiellen oder biologischen Welt zu tun hat.

So ist es gerade nicht gemeint! Das Selbst ist der Urgrund, aus dem das Ich-Anderes erwächst, wie im Taoismus der "Weg" das Yin-Yang schafft. Und damit ist das Selbst nichts auf ein Individuum Beschränktes, sondern das Bewusstsein des Universums selbst, das sich in einem Individuum, in allen Individuen, manifestiert.
Bei den von mir zitierten Frühromantikern findest du genau solche Formulierungen, etwa das Ichbewußtsein als Einbildung des Unendlichen ins Individuum (Schlegel). Wie du siehst, warum in die Ferne Schweifen, wenn das Gute liegt so nah ...

So ist es gerade nicht gemeint!
... und insbesondere solchen allwissenden Aussagen, dich sich auf ein religiös-philosophisches Anschauungssystem beziehen, dessen Sinngeschichte sich wohl nur einem in diesem Kulturkreis sozialisierten Menschen voll erschließen dürfte, begegne ich mit größter Skepsis.
 
Hallo dyonysos,

dyonysos schrieb:
Mir geht und ging es auch zu keiner Zeit um eine Annäherung an ein wie auch immer geartetes "buddhistisches Begriffspaar". Mir ist diese in den späten siebzigern entstandene Modewelle für fernöstliche Mystrik, Pseudo-Buddhismus und Esoterik eh ziemlich suspekt ...

... und insbesondere solchen allwissenden Aussagen, dich sich auf ein religiös-philosophisches Anschauungssystem beziehen, dessen Sinngeschichte sich wohl nur einem in diesem Kulturkreis sozialisierten Menschen voll erschließen dürfte, begegne ich mit größter Skepsis.

schade eigentlich, dass es Dir nicht um begriffliche Annäherungen geht. Und schade, dass mir die Kommunikation mit "echten" Philosophen immer wieder misslingt, wo ich doch ein Philosophie-Studium mit Auszeichnung hinter mich gebracht habe. Aber mittlerweile dämmert mir mehr und mehr, woran das liegen könnte: "Echte" Philosophen beziehen sich auf Texte, über die sie Texte schreiben, während ich mich auf persönliche Erfahrungen beziehe, die ich in Texten wiederzufinden versuche und über die ich Texte schreibe.

Wenn Du von einer "Modewelle für fernöstliche Mystik, Pseudo-Buddhismus und Esoterik" sprichst und von "allwissenden Aussagen" meinerseits, die sich auf ein Anschauungssystem beziehen, das uns nicht voll zugänglich ist, dann trifft mich das persönlich. Weißt Du, ein Schwerpunkt meines Philosophie-Studiums war Zen-Buddhismus, ich habe selbst drei Jahre lang zweimal in der Woche im Buddhistischen Zentrum in Wien Zazen praktiziert, und seit nunmehr dreizehn Jahren übe ich mit Freude und Intensität zwei bis drei Mal in der Woche die japanische Kampfkunst Aikido, wo ich zu den höchstgraduierten österreichischen Lehrern zähle.

Buddhistische Philosophie ist kein Selbstzweck, sie will Unterstützung für die alltägliche Lebenspraxis bieten. Meine Aussage mag für Dich "allwissend" klingen, aber für mich ist das "Selbst" seit einigen Jahren kein leerer Begriff mehr, ich beginne am eigenen Leib und in der eigenen Seele zu SPÜREN, was er bedeutet.

Es tut mir leid, wenn ich dich verärgert habe, aber vielleicht solltest Du Dich auch fragen, wohin Du auf Deinem philosophischen Weg kommen willst, wenn Du mit jedem Buch, das Du liest, wieder über ein paar Menschen mehr verärgert sein musst, weil sie es eben nicht gelesen haben.

Warum soll ich Schelling lesen, wenn mich Suzuki mehr interessiert? Und warum sollte jemand, der Schelling gelesen hat, nicht mit jemandem reden können oder wollen, der Suzuki gelesen hat?

Schöne Grüße

spinnwebwald
 
Hallo zurück ;-)

spinnwebwald schrieb:
... wo ich doch ein Philosophie-Studium mit Auszeichnung hinter mich gebracht habe.
meinen Glückwunsch

... während ich mich auf persönliche Erfahrungen beziehe, die ich in Texten wiederzufinden versuche und über die ich Texte schreibe.
schön für dich. :tuscheln: Übrigens ist mir diese Vorgehensweise auch nicht völlig fremd ;-), diese hat allerdings nichts mit Wissenschaftlichkeit zu tun.


Wenn Du von einer "Modewelle für fernöstliche Mystik, Pseudo-Buddhismus und Esoterik" ... dann trifft mich das persönlich.
Na, wenn du keiner Modewelle gefolgt bist, brauchts dich auch nicht treffen ...

aber für mich ist das "Selbst" seit einigen Jahren kein leerer Begriff mehr, ich beginne am eigenen Leib und in der eigenen Seele zu SPÜREN, was er bedeutet..
und somit ist es obsolet geworden über den Begriff zu kommunizieren ...

Warum soll ich Schelling lesen, wenn mich Suzuki mehr interessiert? Und warum sollte jemand, der Schelling gelesen hat, nicht mit jemandem reden können oder wollen, der Suzuki gelesen hat?..

Ein jeder tue, was er wolle ...

Es gibt Menschen, die fahren tausende von Kilometern in Ferne, da sie den Sinn und die Schönheit der Heimat nicht verstehen und erkennen.

Schöne Grüße zurück,
dyonysos
 
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Hallo dyonysos,

spinnwebwald schrieb:
Warum soll ich Schelling lesen, wenn mich Suzuki mehr interessiert? Und warum sollte jemand, der Schelling gelesen hat, nicht mit jemandem reden können oder wollen, der Suzuki gelesen hat?

dyonysos schrieb:
Ein jeder tue, was er wolle ...

abgesehen davon, dass sich durch Deinen vorigen Beitrag eine gewisse subtile Überheblichkeit zieht, bist Du mir eine Antwort schuldig geblieben: Warum sollten wir beide nicht miteinander reden können oder wollen? Oder konkreter: Warum willst Du nicht mit mir reden? Ich würde mich freuen, wenn Du ehrlich antwortest.

dyonysos schrieb:
Es gibt Menschen, die fahren tausende von Kilometern in Ferne, da sie den Sinn und die Schönheit der Heimat nicht verstehen und erkennen.

In der Tat. Und es gibt auch Menschen, die lesen Tausende von Büchern, da sie den Sinn und die Schönheit ihres eigenen Lebens nicht verstehen und erkennen.

Liebe Grüße

spinnwebwald
 
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