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Robin
Guest
AW: Wahrheit - kann, soll, darf muß man sie immer sagen?
Guten Morgen!
Insofern sind Formulierungen wie "Deutschland muss sich entscheiden" oder "wir Deutschen müssen entscheiden" usw. z.B. in Bezug aufs Kinderkriegen paradox. Wenn eine Mehrheit nicht genug Kinder bekommt, ist dies keine Mehrheitsentscheidung sondern eine Selektion. Das muss man genau unterscheiden. Man kann eine individuelle Entscheidung moralisch beurteilen, tut man dies aber bei gesellschaftlichen Selektionen, führt das in die Irre.
Natürlich gibt es Kommunikation, die moralisch gefärbt ist. Die hat aber nichts mit den individuellen Entscheidungen der Individuen zu tunm, die dahinter stehen. Bestes Beispiel sind die moralisch codierten Schlagzeilen der BILD-Zeitung, die den Verlust von Werten anprangern, die dann im nächsten Artikel konterkariert werden. Man sagt dann: BILD lügt, aber streng genommen kann eine Zeitung nicht lügen, sondern nur ein Redakteur...
Eine Verantwortungsethik über Generationen hinweg ist m.E. deswegen fraglich:
- Weil sie ja nur aufgrund von Appellen durchgesetzt werden kann und dann sind wir bei Sätzen wie "Wir Deutschen müssen..." usw. Appellen setzen sich dann aber gesellschaftlicher Selektion aus und was dann daraus gemacht hat, entzieht sich der Kontrolle eben des ethischen Grundgedankens. Eine Ethik, die sich vor der Frage drückt, wie sie durchgesetzt werden kann, kann keine verantwortungsvolle Ethik sein ...
- Selbst wenn dann z.B. Gesetze rauskommen, die den Grundgedanken der Ethik unterstützen, ist der Erfolg fraglich, weil sich daran wieder kommunikative Selektion anschließt, die die Sache unberechenbar macht. Es gibt viele gut gemeinte Gesetze, die sich dann pervertieren, nicht aus Unmoral, sondern wegen der "Entropie" der Kommunikationn
- Bisher gab es nur Wenige Geister, die zuverlässige Vorausssagen machen konnten, was nachfolgende Generationen brauchen. IN den 80er Jahren lag der Schwerpunkt eben auf Atomkraft und Krieg, aber nicht auf Kinderkriegen. Das war die Realität der moralisch codierten Selektion.
Marianne:
suche:
Du stellst heraus, dass es auch einen Zeitaspekt gibt. Das ist wichtig.
Man könnte dann natürlich nach deiner Prämisse handeln, aber es stellt sich, glaube ich, heraus, dass es auch Zeit kostet, die Wahrheit zu sagen. Sagen ist ja "Formulieren" ubnd man kann eine Wahrheit auch "falsch" sagen oder eine Lüge "richtig" formulieren.
Nur mal so paradox ausgedrückt...
Guten Morgen!
War vielleicht missverständlich ausgedrückt: ich meinte nur den allgemeinen Zugang zu einer Wahrheit, nicht politisch, sondern "unbesehen der individuellen Ausgangslage" sozusagenunverständlich ist mir, was Du mit dem Zugang demokratischer Erteilung gemeint hast, was vulgo heißt: Mehrheitsentscheidung.
Mein Standpunkt ist, dass moralische Entscheidungen immer nur individuelle Entscheidungen sind und niemals gesellschaftliche. Eine Gesellschaft kann nicht moralisch entscheiden, weil sie überhaupt nicht entscheiden kann, sondern nur selektieren. EIne Gesellschaft kann höchsten demokratisch entscheiden, welche Partei führen soll.Aber mir leuchtet nicht ein, warum die Verantwortungsethik – wenn ich Dich richtig verstanden habe – das Phänomen der Funktionalität eines Handelns (i.w.S ist es auch Kommunikation als Hineinwirken auf etwas) unterschätzt haben sollte. Sie beruht ja gerade darauf, die Prinzip der Verantwortlichkeit selbst auf ferne Generationen zu übertragen (vgl. Jonas). So, um es zu demonstrieren, was gemeint ist (auch auf die Gefahr hin, wg. dieses Beispiels verbal gelyncht zu werden), behaupte ich, daß gewollte und bewußte Kinderlosigkeit ein Verstoß gegen die Norm des Kantianischen Imperativs ist.
Insofern sind Formulierungen wie "Deutschland muss sich entscheiden" oder "wir Deutschen müssen entscheiden" usw. z.B. in Bezug aufs Kinderkriegen paradox. Wenn eine Mehrheit nicht genug Kinder bekommt, ist dies keine Mehrheitsentscheidung sondern eine Selektion. Das muss man genau unterscheiden. Man kann eine individuelle Entscheidung moralisch beurteilen, tut man dies aber bei gesellschaftlichen Selektionen, führt das in die Irre.
Natürlich gibt es Kommunikation, die moralisch gefärbt ist. Die hat aber nichts mit den individuellen Entscheidungen der Individuen zu tunm, die dahinter stehen. Bestes Beispiel sind die moralisch codierten Schlagzeilen der BILD-Zeitung, die den Verlust von Werten anprangern, die dann im nächsten Artikel konterkariert werden. Man sagt dann: BILD lügt, aber streng genommen kann eine Zeitung nicht lügen, sondern nur ein Redakteur...
Eine Verantwortungsethik über Generationen hinweg ist m.E. deswegen fraglich:
- Weil sie ja nur aufgrund von Appellen durchgesetzt werden kann und dann sind wir bei Sätzen wie "Wir Deutschen müssen..." usw. Appellen setzen sich dann aber gesellschaftlicher Selektion aus und was dann daraus gemacht hat, entzieht sich der Kontrolle eben des ethischen Grundgedankens. Eine Ethik, die sich vor der Frage drückt, wie sie durchgesetzt werden kann, kann keine verantwortungsvolle Ethik sein ...
- Selbst wenn dann z.B. Gesetze rauskommen, die den Grundgedanken der Ethik unterstützen, ist der Erfolg fraglich, weil sich daran wieder kommunikative Selektion anschließt, die die Sache unberechenbar macht. Es gibt viele gut gemeinte Gesetze, die sich dann pervertieren, nicht aus Unmoral, sondern wegen der "Entropie" der Kommunikationn
- Bisher gab es nur Wenige Geister, die zuverlässige Vorausssagen machen konnten, was nachfolgende Generationen brauchen. IN den 80er Jahren lag der Schwerpunkt eben auf Atomkraft und Krieg, aber nicht auf Kinderkriegen. Das war die Realität der moralisch codierten Selektion.
Sagen wir so: Die Lüge entsteht als Form ganz automatisch aus alltäglicher Kommunikation. Sie ist eine Form, die schon allein aus der Ungenauigkeit, der Unbestimmbarkeit der Kommunikation entsteht. Die Lüge ist der Versuch, das Unbestimmbare zu bestimmen, indem man es moralisch als negativ festlegt...Inwieweit ist die Lüge ein Kommunikationsmittel, das nicht nur nützlich sondern zum friktionsfreien bzw. –armen Funktionieren des gesellschaftlichen Lebens geradezu erforderlich ist.
Gruß - Ziesemann
Marianne:
Die Gesellschaft leistet sich intellektuelle Aushängeschilder (in D z.B. Grass, Giordano, Jens, Habermas), die medial zu moralischen Instanzen aufgebaut werden. Der "einfache Mann" der Straße hat aber allen Grund ihnen zu misstrauen. Denn es ist ihm offensichtlich, dass die moralischen Instanzen aus einer extrem proviligierten Postition urteilen. Zum Beispiel gehen sie so gut wie kein Risiko ein, wenn sie ihre angeblich "unbequemen Wahrheiten" verbreiten. Der "einfache Mann" weiß vielleicht instinktiv, dass es auf diese "Wahrheiten" sowieos nicht ankommt. Dass diese Personen, wie Grass, Jens usw. dann auch moralisch scheitern und zwar an Kinkerlitzchen, ist da nur eine zusätzliche Pointe...Da hat son oller Philosoph mal als Kind sich mitte Frare rumjequelt, warum man denn die Wahheit saren soll, wenn de mitte de Lüje weita kommst.
Schlauet Kerlchen !
Aba: der Kleene hat noch jeglaubt, dattet so wat wie Wahheit und Lüje jibt. Und ooch, dett man im Leben weita kommt.
Na, icke bin jedenfalls nur bis hier anne Ecke jekommen --- und warte, bis mir eena engaschiert, damit icke zu meene Molle mitn Korn komme
suche:
Ist überhaupt ein Mensch in der Lage, eine plötzliche Situation in bezug auf die Folgen zu durchschauen? Wird da nicht die Entscheidung "WAHRHEIT ODER LÜGE?" ad absurdum geführt?
Welche Möglichkeiten gibt es dann noch richtig zu handeln? Der weise Mensch wird sich eine Denkpause verschaffen, indem er einer Antwort vorerst ausweicht. Aber er wird sich einer Entscheidung früher oder später nicht entziehen können.
Wäre es da nicht einfacher und moralischer die Wahrheit zu sagen?
Du stellst heraus, dass es auch einen Zeitaspekt gibt. Das ist wichtig.
Man könnte dann natürlich nach deiner Prämisse handeln, aber es stellt sich, glaube ich, heraus, dass es auch Zeit kostet, die Wahrheit zu sagen. Sagen ist ja "Formulieren" ubnd man kann eine Wahrheit auch "falsch" sagen oder eine Lüge "richtig" formulieren.
Nur mal so paradox ausgedrückt...