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Vor 75 Jahren ...

AW: Vor 75 Jahren ...

@alle:
Danke für eure rege Beteiligung an der Diskussion des Themas!

Ich bin aber der Meinung, dass der 30. Januar 1933 nicht nur "verheerende Folgen für das deutsche Volk" hatte, sondern für die ganze Welt.

Da hast du natürlich völlig recht, Miriam. Der Rassenwahn und die Eroberungswut der Nazis hatte für viele Völker, insbesondere das jüdische Volk und die osteuropäischen Völker, verheerende Folgen.

@psbvbn1:
Den neuen "Spiegel" habe ich noch nicht gelesen, werde es aber gewiss noch tun.

@zwetsche:
Ich glaube auch, dass Hitler unterschätzt worden ist. Nur wenige haben geglaubt, dass Hitler die in seinem (Mach-) Werk "Mein Kampf" dargelegten Leitlinien wirklich umsetzen würde. Dass dies gelang lag m. E. daran, dass er sich mit mächtigen Bossen verbündete. In diesem Zusammenhang fällt mir immer wieder die Fotomontage von John Heartfield zum Sinn des Hitlergrusses ein.

@lilith:
Demokratiebeschränkung "aus Sicherheitsgründen" ist sicher noch nicht der gerade Weg zur Dikatur. Aber ich stimme dir zu, dass wir nicht Alles hinnehmen sollten, was da in der Antiterrorismus-Küche zusammengebraut wird.

Gruss
Hartmut
 
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AW: Vor 75 Jahren ...

Einfach zum Nachdenken!

Hermann Göring:
18. April 1946

Abend im Gefängnis. Görings Zelle:

" ... Nun, natürlich, das Volk will keinen Krieg", sagte Göring achselzuckend. "Warum sollte irgendein armer Landarbeiter im Krieg sein Leben aufs Spiel setzen wollen, wenn das Beste ist, was er dabei herausholen kann, dass er mit heilen Knochen zurückkommt. Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg; weder in Russland, noch in England, noch in Amerika, und ebenso wenig in Deutschland. Das ist klar. Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. ... das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land." (S. 270)

Aus: Nürnberger Tagebuch / von G.M. Gilbert. Ehemaliger Gerichts-Psychologe beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Aus dem Amerikanischen übertragen von Margaret Carroux ... - Fischer: Frankfurt a.M., 1962. - 455 S.
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Hallo Freunde,

ich habe im Großen und Ganzen keine Einwände zu den bisherigen Beiträgen.

Eines jedoch muss ich berichtigen (diese Falschinformation geschieht aber ofter):

Der Adolf Schicklgruber, genannt Hitler, wurde keineswegs zum Reichskanzler gewählt.
Reichskanzler war nach der Weimarer Verfassung kein Wahlamt.
Schicklgruber wurde zum Reichskanzler ernannt, und zwar von dem amtierenden Reichspräsidenten Hindenburg.
Ironie am Rande:
Hindenburg konnte den "böhmischen Gefreiten" ganz und gar nicht ausstehen.

mfg
Jabberwock
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Der Adolf Schicklgruber, genannt Hitler, wurde keineswegs zum Reichskanzler gewählt.
Reichskanzler war nach der Weimarer Verfassung kein Wahlamt.
Schicklgruber wurde zum Reichskanzler ernannt, und zwar von dem amtierenden Reichspräsidenten Hindenburg.
Ironie am Rande:
Hindenburg konnte den "böhmischen Gefreiten" ganz und gar nicht ausstehen.

Das mag vielleicht interessant sein, erklärt aber mitnichten das Phänomen der Nazis (Ich scheue mich übrigens, den Begriff "Nationalsozialismus" zu gebrauchen).

Tatsache ist, dass Hitler nur durch tatkräftige Unterstützung des Finanzkapitals zur Macht gelangen konnte. Dieser Aspekt wird leider oft unter den Teppich gekehrt!

Im Übrigen hat es genug Adlige gegeben, die dem "böhmischen Gefreiten" trotzdem nicht die Gefolgschaft versagten.

meint
Hartmut
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Einfach zum Nachdenken!Hermann Göring:
18. April 1946

Abend im Gefängnis. Görings Zelle:

"Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. ... das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land." (S. 270)
Punktgenau!!!
Das ist sehr präzise und richtig formuliert. Es trifft nicht nur auf gestern, sondern genauso gut auf das Heute zu.
Hitler war eine Ausnahmeerscheinung, aber solche gibt es immer wieder. Und es gehört auch das gesellschaftliche und wirtschaftliche Umfeld und die historische Voraussetzung dazu.

Und: Solches ist jederzeit möglich! Göring hat sehr schön formuliert, warum wir uns heute immer wieder an dieses katstrophale Beispiel der Mesnchvernichtung erinnern und es nicht verdrängen sollen.
Die Menschen sind nämlich in 70 Jahren nicht so ganz anders geworden, so schnell geht die Evolution nicht!

Wir haben bestimmt gelernt aus der Geschichte, da widerspreche ich so manchen Gelehrten wahrscheinlich.
Aber wir sind deshalb noch lange nicht fehlerlos - so manches Wesentliche und Verwerfliche kommt wieder und immer wieder, wie die Gegenwart zeigt!

Schade, dass du gesperrt bist, Asymptotisch, auch wenn ich nur ein bisschen ahnen kann, warum. Es ist deshalb vielleicht nicht ganz fair, weil du nicht Stellung nehmen kannst. Aber dieses Göring-Zitat war für mich doch zu reizvoll.
Falls Du Forumsregeln verletzt hast (eine heikle Sache, die Nazigschichterln, aber da muss der Admin halt achtgeben), dann sorry!
Falls es persönliche Animositäten waren, dann verstehe ich das in einem öffentlichen Forum schon weniger...

Andreas
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Das mag vielleicht interessant sein, erklärt aber mitnichten das Phänomen der Nazis (Ich scheue mich übrigens, den Begriff "Nationalsozialismus" zu gebrauchen).

Es lag ja auch zunächst gar nicht in meiner Absicht, das Phänomen der Nazis zu erklären (das kommt schon noch).

Mir ging es vorläufig darum, dem Eindruck entgegenzutreten, die Kanzlerschaft des Schicklgruber sei durch einen Wahlakt demokratisch legitimiert gewesen (wobei ich mir fast sicher bin, dass du dieses gewiss nicht unterstellen wolltest).

Die Sachlage war doch tatsächlich so, dass die Nazi-Partei zwar bei den Wahlen zum Reichstag im März 1932 zur stärksten Fraktion wurde, bereits im November 32 (damals wurde sehr oft gewählt) kräftige Einbußen hinnehmen musste, so dass von daher keine Legitimation für einen Anspruch auf die Kanzlerschaft abzuleiten gewesen wäre.

Tatsache ist, dass Hitler nur durch tatkräftige Unterstützung des Finanzkapitals zur Macht gelangen konnte. Dieser Aspekt wird leider oft unter den Teppich gekehrt!

So verhält es sich!
Leider sind die Geschäftsbücher der NSDAP weitgehend verloren, sonst könnte man diese Unterstützung sozusagen dokumentenecht mit Ross und Reiter namhaft machen.
Dann wäre es auch nicht mehr so leicht, irgendetwas unter den Teppich zu kehren.
Dass man dieses tut, ist nun allerdings verständlich.
Das deutsche Großkapital hat es nach dem Krieg sehr gut verstanden, sich von der Täterschaft zu exkulpieren, indem es sich selbst zum wehr- und willenlosen Opfer der Nazi-Tyrannei stilisierte.
Da würde doch gewaltig stören, wenn öffentlich ruchbar würde (und beweisbar wäre), dass man der Tyrannei selber tatkräftig aufs Pferd geholfen hatte und auch späterhin gewaltig von ihr profitiert, mit ihr kollaboriert hat und/oder in eigener Initiative aktiver Bestandteil davon war.

Die deutsche Nachkriegsgeschichte ist auch eine Geschichte kollektiver Lügen.

Im Übrigen hat es genug Adlige gegeben, die dem "böhmischen Gefreiten" trotzdem nicht die Gefolgschaft versagten.

meint
Hartmut

Adlige wie auch Nichtadlige.
Ich habe diese kleine Sottise ja auch nur deshalb erwähnt, weil ich implizit darauf hinweisen wollte, dass Hindenburg hier nicht nach eigener Laune handelte, sondern einen politischen Auftrag eben jener oben genannten Kreise ausführte.

Späterhin vielleicht mehr dazu, augenblicks bin ich zeitlich etwas klamm.

mfg
Jabberwock
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Hallo Leute!

Als ein Mensch, der die Gnade der späten Geburt (Jahrgang 51) genossen hat, habe ich mich immer wieder gefragt, wie ich mich dem Nationalsozialismus gegenüber verhalten hätte, wäre ich 35 Jahre früher auf die Welt gekommen.

Wenn ihr meine persönliche Wahrheit wissen wollt, Held wäre ich auf keinen Fall gewesen, etwa im aktiven Widerstand.
Ich hätte als Lehrer jede Unterrichtsstunde --- so wie alle anderen --- mit dem vorgeschriebenen "Heil H.!" begonnen um nur ja nicht aufzufallen.
Denunziert hätte ich nicht, aber ich hätte auch alles vermieden um selbst denunziert zu werden.

Der Nationalsozialismus und sein Führerkult beschäftigt mich seit Jahrzehnten und ich übertreibe kaum, wenn ich behaupte, dass ich Hunderte von Büchern zu diesem Thema gelesen habe und immer wieder lese.

Hitler kam durch Wahlen an die Macht, schaffte sie allerdings bald ab, ebenso wie die anderen Parteien.
Mit der ihm eigenen Brutalität ("rücksichtslos mit aller Härte durchgreifen" war einer seiner Lieblingsssätze) köpfte er auch die SA und nach dem Tod Hindenburgs vereinigte er das Amt des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten.

Hitler, eine der schaurigsten Gestalten der Geschichte und seine Paladine, was das für Figuren waren!
Göring, unmittelbar nach dem Krieg: "Wenigstens zwölf Jahre gut gelebt!"

Dieser Ausspruch im Vergleich zum Leid von Dutzenden Millionen, unvorstellbar!

Mit traurigen Grüßen
Raphael



Hallo Raphael!


Von deiner "persönlichen Wahrheit" bin ich ziemlich beeindruckt, denn sie ist ehrlich und vor Allem realistisch! Ich bin ebenfalls 1951 geboren, habe den Krieg (Gott sei Dank) auch nicht persönlich miterleben müssen, jedoch darüber von meinen Eltern und Geschwistern, welche zwangsläufig daran aktiv "beteiligt" waren, Einiges darüber erfahren.

Jedenfalls habe ich daraus die Erkenntnis gewonnen, das man das keinesfalls das gesamte Volk des "ditten Reiches" pauschal verurteilen darf, für etwas das sie getan bzw. unterlassen haben! Denn alle Menschen hatten Angst ist und die ist immer ein schlechter Ratgeber!


LG
Maria56
 
AW: Vor 75 Jahren ...

@Raphael und Maria56


Hallo Raphael!


Von deiner "persönlichen Wahrheit" bin ich ziemlich beeindruckt, denn sie ist ehrlich und vor Allem realistisch! Ich bin ebenfalls 1951 geboren, habe den Krieg (Gott sei Dank) auch nicht persönlich miterleben müssen, jedoch darüber von meinen Eltern und Geschwistern, welche zwangsläufig daran aktiv "beteiligt" waren, Einiges darüber erfahren.

Jedenfalls habe ich daraus die Erkenntnis gewonnen, das man das keinesfalls das gesamte Volk des "ditten Reiches" pauschal verurteilen darf, für etwas das sie getan bzw. unterlassen haben! Denn alle Menschen hatten Angst ist und die ist immer ein schlechter Ratgeber!


LG
Maria56



Auch ich bin ein Kind der (erweiterten) Nachkriegszeit (Jahrgang 1955) und kenne den Krieg nur aus Erzählungen meiner Eltern und späterhin Schulunterricht sowie eigener Lektüre zum Thema.
Und obwohl ich mein ganzes bisheriges Leben lang immer recht kämpferisch mit gewerkschaftlichem und politischem Engagement befasst war, bin ich mir ganz und gar nicht sicher, ob ich dies auch während der Tyrannei der Nazis gewesen wäre.
Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob die schlimmste Sanktion, die einem widerfahren kann, der Verlust des Arbeitsplatzes ist oder ob man durch staatlichen Terror schon bei leisester kritischer Äußerung über die herrschenden Zustände an Leib und Leben bedroht ist.

Warum also kann ich einem solchen Satz:

Jedenfalls habe ich daraus die Erkenntnis gewonnen, das man das keinesfalls das gesamte Volk des "ditten Reiches" pauschal verurteilen darf, für etwas das sie getan bzw. unterlassen haben! Denn alle Menschen hatten Angst ist und die ist immer ein schlechter Ratgeber!

nur schwer und dann nur in wohlerwogenen Grenzen zustimmen?

Vielleicht deshalb, weil eine Zustimmung zu dieser Aussage ebenso pauschal wäre, wie die darin verworfenen Verurteilung des "gesamten Volkes des dritten Reiches".
Und Pauschalaussagen lehne ich grundsätzlich ab, denn sie verzerren vorhandene Tatsachen.

Eine pauschale Verurteilung der gesamten Bevölkerung verbietet sich schon aus dem Grunde, weil darunter dann ja auch jene (beklagenswert) wenigen fielen, welche aktiven Widerstand geleistet haben.

Dennoch sehe ich Aussagen wie die obige mit Unbehagen, den ich hörte ähnliche oft genug mit dem Subtext:
"Man darf nicht pauschal verurteilen, also sprechen wir bequemerweise pauschal frei."
Und das, so denke ich, wäre der falsche Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Denn diese Anhäufung monströsester Verbrechen von Staats wegen kann nicht einfach mit Stillschweigen und Vergessen quittiert werden, auch nicht ein Dreivierteljahrhundert danach; zumal ja die offiziellen Versuche der verschiedenen Nachkriegsregierungen, mit der Nazi-Vergangenheit korrekt umzugehen, durchweg sehr kläglich ausgefallen sind bis auf den heutigen Tag.

Und nun zum Thema im engeren Sinne:

"Oral history", d. h. die Aneignung der Geschichte auf der Grundlage mündlicher Berichte und Erzählungen von Zeitzeugen, gilt in Historikerkreisen, seriösen jedenfalls, als eine der unzuverlässigsten Methoden, ein zutreffende Bild der Vergangenheit zu erhalten, wenn die geschilderten Ereignisse nicht durch Dokumentenstudium gegengecheckt und damit bestätigt werden oder aber (andere Möglichkeit) durch eine große Menge an solcher Überlieferung sich ein statistisch verwertbarer Durchschnitt ergibt.

Denn die persönliche Erinnerung ist, wie mir mal ein kluger Mann sagte, "kein Archiv, sondern ein Filter" und, wie ich aus eigene Erfahrung zusätzlich erkennen musste, sogar eine Anlage zum Erzeugen von Geschichten.
Daher weiß man bei mündlicher Widergabe von geschichtsrelevanten Erlebnissen eben nie, was Dichtung und was Wahrheit ist, wenn man nicht anhand vorhandener Dokumente nachprüft.

Und daher stand und stehe ich jenen Erzählungen, welche von meinen Eltern, Verwandten und Bekannten überliefert wurden, nicht gerade mit Skepsis, aber doch mit einer gewissen Wachsamkeit für falsche Untertöne gegenüber und versuche, anhand von mir zugänglichem dokumentarischen Material Spreu von Weizen zu trennen.

Gerade nun beim Thema "...das sie getan bzw. unterlassen haben..." neige ich zu einer differenzierten Sichtweise.
Soweit es ums Unterlassen geht, will ich gerne glauben, dass Angst vom aktiven Handeln abhalten kann, wie aber steht es mit dem Tun?

Kann einer (und das waren nicht wenige), der den Nachbarn / die Nachbarin bei den Behörden denunziert hat, weil dieser / diese im Luftschutzkeller am Endsieg zweifelte, sich darauf berufen, er habe aus Angst gehandelt, aus Angst womöglich, wenn er nicht denunziert, denunziert vice versa ihn ein anderer wegen Unterlassung einer Denunziation?
Ich bezweifle das.

Oder wäre so einem nicht doch eher ein wenn nicht gänzliches, so doch im Grundsatz vorhandenes Einverständnis mit dem Regime und seinen Methoden zuzutrauen?
Mir erscheint dies nicht unplausibel.

Wie und wodurch aber könnte man denn nun von derartigen Vorgängen erfahren?

Kaum durch Erzählungen, denn ein seinerzeitiger Denunziant wird sich hüten, im Nachhinein von seinem ethisch doch sehr anfechtbarem Tun zu berichten.
Will man ein halbwegs zutreffendes Bild der Nazi-Diktatur erhalten, kommt man um die Auswertung von Dokumenten nicht herum.

Und dabei drängt sich der Verdacht auf, dass es eben nicht nur und gar nicht einmal hauptsächlich Angst war, was die Mehrzahl zum Mitmachen verleitete, sondern Einverständnis, Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Untertanengeist.

(Die Italiener beispielsweise haben sich aus eigener Kraft der Diktatur des Duce, die nicht weniger brutal war als die des Schicklgruber, entledigt).

Sei dies nun aber, wie ihm wolle, selbst dann, wenn tatsächlich nur Furcht das Motiv der Bevölkerung gewesen wäre, so bleibt dennoch der Vorwurf bestehen, dass man in der Nachkriegszeit, als eben kein Grund zur Angst mehr bestand, nicht entschlossen genug mit dem Ungeist der Vergangenheit gebrochen hat, sondern im Gegenteil Kontinuitäten in personeller wie auch weltanschaulicher Hinsicht zugelassen, ja teilweise begrüßt und gefördert hat, jedenfalls im westlichen Teil Deutschlands.

Man muss sich doch wirklich fragen, was denn wohl in den Köpfen der "Väter des Grundgesetzes" vorgegangen ist, dass sie nach all dem Unheil, das die mörderische Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis mitverursacht hat, es tatsächlich fertigbrachen, als Definition der Zugehörigkeit zur deutschen Bevölkerung ins Grundgesetz hineinschreiben zu lassen:
"Deutscher ist, wer deutschen Blutes ist."

Mir ist unbegreiflich, wie einer klaren Sinnes solch einen Satz formulieren kann, wenn gerade 12 Jahre Tyrannis, in der Rassismus eine wesentliche Rolle spielte, vorbei sind.

Und mir ist unvorstellbar, dass jene, die diese Formulierung wählten, nicht gewusst haben sollten, was sie da ausdrücken und in welchen Traditionen sie sich dabei bewegen.

Nein, auch wenn wir größte Nachsicht walten lassen wollten mit allen, welche während der Nazi-Herrschaft moralisch versagten, das moralische Versagen danach ist nicht so einfach zu entschuldigen, zumal dies bis auf den heutigen Tag anhält.

Man betrachte sich doch nur mal aus jüngster Zeit das würdelose Gefeilsche und Geschacher betreffs der Entschädigung für solche, die während der Nazi-Zeit als Zwangsarbeiter verschleppt worden waren. Was da letztendlich beschlossen wurde, ist eine Schande für unser Land.

Hätte in den Jahrzehnten direkt nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattgefunden, die dieser Bezeichnung wert gewesen wäre, hätte in obiger Angelegenheit wohl ein anderes, angemesseneres Resultat stattgefunden.

Vor dem Hintergrund einer Nachkriegszeit allerdings, die zum Bersten angefüllt war (und ist) mit Exkulpationen, aktivem Vergessen, beharrlichem Verleugnen und alles in allem konsequenter Flucht vor jeglicher Art von Verantwortung (Fensterreden an Gedenktagen zählen nicht) ist eine derartige Blamage jedoch nur allzu begreiflich.

Nein, allzu viel Nachsicht vermag ich nicht aufzubringen, auch wenn ich konzediere, dass ich, hätte ich zu jener Zeit gelebt, vielleicht auch nicht allzu couragiert gewesen wäre.

Eines weiß ich aber gewiss:
Hinterher hätte ich mich meiner Verantwortung gestellt und nicht, wie es mir nur allzu viele vorführten, mich davor gedrückt.

Jabberwock
 
AW: Vor 75 Jahren ...

@Raphael und Maria56




Nein, auch wenn wir größte Nachsicht walten lassen wollten mit allen, welche während der Nazi-Herrschaft moralisch versagten, das moralische Versagen danach ist nicht so einfach zu entschuldigen, zumal dies bis auf den heutigen Tag anhält.

Man betrachte sich doch nur mal aus jüngster Zeit das würdelose Gefeilsche und Geschacher betreffs der Entschädigung für solche, die während der Nazi-Zeit als Zwangsarbeiter verschleppt worden waren. Was da letztendlich beschlossen wurde, ist eine Schande für unser Land.

Hätte in den Jahrzehnten direkt nach der Befreiung von der Nazi-Diktatur eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stattgefunden, die dieser Bezeichnung wert gewesen wäre, hätte in obiger Angelegenheit wohl ein anderes, angemesseneres Resultat stattgefunden.

Vor dem Hintergrund einer Nachkriegszeit allerdings, die zum Bersten angefüllt war (und ist) mit Exkulpationen, aktivem Vergessen, beharrlichem Verleugnen und alles in allem konsequenter Flucht vor jeglicher Art von Verantwortung (Fensterreden an Gedenktagen zählen nicht) ist eine derartige Blamage jedoch nur allzu begreiflich.

Nein, allzu viel Nachsicht vermag ich nicht aufzubringen, auch wenn ich konzediere, dass ich, hätte ich zu jener Zeit gelebt, vielleicht auch nicht allzu couragiert gewesen wäre.

Eines weiß ich aber gewiss:
Hinterher hätte ich mich meiner Verantwortung gestellt und nicht, wie es mir nur allzu viele vorführten, mich davor gedrückt.

Jabberwock

Toller Beitrag, Jabberwock!

Sicher ist es immer etwas unfair, retrospektive zu urteilen, aber das hat Urteilen immer an sich. Es erfolgt immer im Nachhinein und von anderen Menschen als dem Täter selbst, also aus einer anderen Perspektive.

Aber: Das Grundgesetz verbietet die Todesstrafe, auch die schlimmsten Verbrechen können folglich nur mit Gefängnis bestraft werden. Vor dem Hintergrund ist es schon bitter, warum sich viele Menschen in ihre Exculpation geflüchtet haben, ist es schon eine Art (wenn auch juristisch irrelevant, ein Täter darf vor Gericht ungestraft lügen bis sich die Balken biegen) zweites Verschulden, diese Mauer zum Schutz der eigenen armseligen Integrität unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. Und damit in Kauf zu nehmen, daß vielen Generationen danach diese Fragen unbeantwortet bleiben. Stattdessen Selbstschutz und das Hoffen auf Verdrängen allerorts, selbst beim Frankfurter Ausschwitz Prozeß. Wer, darf ich fragen, hat sich denn wirklich einmal schuldig bekannt, ohne Hoffnung (wie bei A. Speer), nur den Kopf aus der Schlinge zu ziehen?

Was haben sich diejenigen eigentlich an Absolution erhofft?

Bleibt nur die düstere und illusionslose Einsicht, daß viele, ja die meisten Menschen zu einer Selbstreflektion gar nicht in der Lage sind und sich selbst im Falle schlimmster Verstrickugen an ihre Pfründe klammern, statt Verantwortung zu übernehmen.

Gruß
Zwetsche
 
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AW: Vor 75 Jahren ...

Ich meine, dass 1933 durchaus die Chance bestand, Hitler und Konsorten Paroli zu bieten. Voraussetzung dafür wäre aber – wie 1920 – ein einheitliches Auftreten des Volkes, vor allem der Arbeiter, gewesen. Leider haben sich die massgebenden Arbeiterparteien, die Sozialdemokraten und die Kommunisten, regelrecht bekriegt. Das ging so weit, dass die Kommunisten die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ bezeichneten bzw. dass regional die Kommunisten sogar mit den Nazis kollaborierten.

Ohne USA und Bankenmafia kein Hitler Regime. Ein Aspekt, der allzugerne verleugnet und verdrängt wird. Ja es wäre möglich gewesen, Hitler zu vermeiden. Allerdings NICHT durch die Deutschen selbst.
 
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