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Vor 75 Jahren ...

Hartmut

Well-Known Member
Registriert
15. August 2005
Beiträge
3.007
... am 30.1.1933 ergriffen mit der Wahl A. Hitlers zum Reichskanzler die Nazis die Macht in Deutschland – mit verheerenden Folgen für das deutsche Volk. War dieses Ereignis unvermeidlich? Hätte es reale Alternativen dazu gegeben und welche?

Versuche, die 1919 im Ergebnis des 1. Weltkrieges gegründete Weimarer Republik zu stürzen, hat es von Anbeginn gegeben. Mein historisches Gedächtnis erinnert mich besonders an den Kapp-Putsch von 1920. Da gelang es, durch einen Generalstreik den Putsch der Militaristen niederzuschlagen.

Ich meine, dass 1933 durchaus die Chance bestand, Hitler und Konsorten Paroli zu bieten. Voraussetzung dafür wäre aber – wie 1920 – ein einheitliches Auftreten des Volkes, vor allem der Arbeiter, gewesen. Leider haben sich die massgebenden Arbeiterparteien, die Sozialdemokraten und die Kommunisten, regelrecht bekriegt. Das ging so weit, dass die Kommunisten die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ bezeichneten bzw. dass regional die Kommunisten sogar mit den Nazis kollaborierten.

Anlässlich der Wahlen des Reichspräsidenten im Herbst 1932 operierten die Kommunisten mit der Losung „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg“. Hat es je eine treffendere Prognose gegeben? Tatsächlich wurde Hindenburg zum „Steigbügelhalter“ Hitlers und Hitler zum Verderber des deutschen Volkes.

Erst 1935, viel zu spät, erkannte man die Notwendigkeit, gegen alle Differenzen eine „Volksfront“ gegen den Faschismus zu etablieren.

Ich hoffe, dass das Thema zu Diskussionen Anlass gibt.

Gruss
Hartmut
 
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AW: Vor 75 Jahren ...

hallo, hartmut!

da hat wohl jemand schon den neuen "Spiegel" gelesen?:)

ich finde in dem artikel ist die sache sehr gut dargelegt, mit ihren zich einzelfacetten. es sind schon ganze bücherregale über dieses thema geschrieben worden. in der schule haben wir dies thema wirklich bis zum erbrechen durchgekaut. also in dem punkt ist da der sächsische lehrplan sehr bestimmt und gibt sehr viel zeit. allerdings auf kosten anderer wichtiger sachen und aspekte der geschichte!
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Es gibt so viele Facetten die entweder unbekannt waren oder in Vergessenheit geraten sind, dass ich es sehr begrüße, dass Hartmut dieses Thema hier vorschlägt.

Ich bin aber der Meinung, dass der 30. Januar 1933 nicht nur "verheerende Folgen für das deutsche Volk" hatte, sondern für die ganze Welt.

Einzelheiten zur Machtergreifung und auch die Reaktionen darauf, wurden zum Teil erst viel später bekannt. So wurde zum Beispiel ein Brief Thomas Manns aus dem Jahr 1933 mit Äußerungen zu Hitler bzw. der Machtergreifung, erst 2001 entdeckt.
Bekannt waren bis dann nur Dokumente zu diesem Thema die er ab 1937 schrieb.

Im Brief vom 4. Februar 1933 bezeichnet Thomas Mann Hitler als ein "geflickter Lumpenkönig", der "schauerliche Geschichtsfälschungen ins Mikrophon bellen darf".

Der Brief ist an den Historiker Eugen Fischer-Baling gerichtet, in dessen Nachlass man das Dokument fand. Fischer-Baling, auch ein vehementer Hitler-Kritiker, starb 1964.

Es ist nicht unerheblich, dass dieser Brief Thomas Manns in Februar 33 nicht die Öffentlichkeit erreichte. Denn jede Stimme die damals, in der allgemeinen Verblendung, die Gegner der Naziregimes unterstützte, hatte natürlich großes Gewicht.
Thomas Mann persönlich konnte es nicht mehr schaden, denn er brach kurz nach dessen Verfassung zu einer Vortragsreise auf – anschließend fuhr er ins Exil, erst in die Schweiz, dann in die USA.


Ich melde mich später noch zum Thema.

Gute Nacht

Miriam
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Vor 75 Jahren ...

Hallo !

Bei den vielen - teilweise erschreckenden - nationalistischen bis chauvinistischen Tendenzen ist es wohl notwendig, den Stoff noch einmal in Erinnerung zu bringen.

Mit meinem eher durchschnittlichen Geschichtswissen will ich trotzdem ein paar Aspekte dazu beitragen, einen Größenwahn nach dem Muster Hitlers nicht mehr aufkommen zu lassen.

Schon im 19. Jahrhundert bemerkte Grillparzer (sinngemäß): Der Weg der neueren Menschheit führt vom Humanismus über den Nationalismus zum Bestialismus. Muss man dazusagen, dass - zumindest damals - "Humanismus" (nicht Humanität) negativ belegt war. Hätten damals nur die wichtigsten Entscheidungsträger auf Grillparzer gehört, wir hätten uns wahrscheinlich beide Weltkriege erspart.

Ein weiterer Grund für Hitlers Hochkommen war - für viele wahrscheinlich schon banal, aber trotzdem immer wieder aktuell - die hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundene wirtschaftliche Not vieler Menschen im deutschsprachigen Raum. Ohne selbst eine wirkliche wirtschaftliche Not erlebt zu haben, ist es für mich sehr gut vorstellbar, dass man als Hungriger leicht manipulierbar ist. Insofern ist den USA natürlich zu danken, wenn sie uns gelehrt haben, wie man "Geld" macht, wenn auch für einen dauerhaften (Welt)-Frieden die richtige Verteilungspolitik in weiten Teilen unseres Planeten noch fehlt.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Hallo Leute!

Als ein Mensch, der die Gnade der späten Geburt (Jahrgang 51) genossen hat, habe ich mich immer wieder gefragt, wie ich mich dem Nationalsozialismus gegenüber verhalten hätte, wäre ich 35 Jahre früher auf die Welt gekommen.

Wenn ihr meine persönliche Wahrheit wissen wollt, Held wäre ich auf keinen Fall gewesen, etwa im aktiven Widerstand.
Ich hätte als Lehrer jede Unterrichtsstunde --- so wie alle anderen --- mit dem vorgeschriebenen "Heil H.!" begonnen um nur ja nicht aufzufallen.
Denunziert hätte ich nicht, aber ich hätte auch alles vermieden um selbst denunziert zu werden.

Der Nationalsozialismus und sein Führerkult beschäftigt mich seit Jahrzehnten und ich übertreibe kaum, wenn ich behaupte, dass ich Hunderte von Büchern zu diesem Thema gelesen habe und immer wieder lese.

Hitler kam durch Wahlen an die Macht, schaffte sie allerdings bald ab, ebenso wie die anderen Parteien.
Mit der ihm eigenen Brutalität ("rücksichtslos mit aller Härte durchgreifen" war einer seiner Lieblingsssätze) köpfte er auch die SA und nach dem Tod Hindenburgs vereinigte er das Amt des Reichskanzlers mit dem des Reichspräsidenten.

Hitler, eine der schaurigsten Gestalten der Geschichte und seine Paladine, was das für Figuren waren!
Göring, unmittelbar nach dem Krieg: "Wenigstens zwölf Jahre gut gelebt!"

Dieser Ausspruch im Vergleich zum Leid von Dutzenden Millionen, unvorstellbar!

Mit traurigen Grüßen
Raphael
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Hitler, eine der schaurigsten Gestalten der Geschichte

En Historiker hat mal gesagt, Hitlers Geschichte sei die seiner Unterschätzung. Das trifft den Kern meiner Meinung nach.
Anders ausgedrückt müßte man dann sagen: Hitlers Geschichte war die der Überschätzung menschlichen Anstandes im Zeitpunkt der Bewährung.

Ich weiß nicht was uns mehr Angst machen sollte. Daß jemand wie Hitler extistiert hat und wieder exitsieren kann. Oder das man ihn zugelassen hat, insbesondere daß nicht in der Zeit Widerstand geleistet wurde, als dies noch ohne Gefahr für das eigene Leben oder der Familie möglich war.

Und nicht zuletzt erzählt Hitlers Geschichte daher von der Perversion des Begriffs "Gehorsam".

Es stimmt absolut: Niemand von uns "Nachgeborenen" kann für sich behaupten auch nur annähernd zu wissen, wie er sich denn verhalten hätte. Daraus folgt aber lediglich die banale Erkenntnis, daß sich niemand aussuchen kann in welcher Zeit er gelebt hat und vor welche Herausforderungen er gestellt wurde. Denn für diejenigen, denen sich diese Fragen gestellt haben, gibt es, wie man die Sache auch dreht und wendet nur das bittere Eingeständnis in die gewaltige Schuld, die sie auf sich geladen haben.

Auch wenn dies sicher jetzt von vielen angegriffen wird: Als man es durch lauter Trägheit erst so weit hat kommen lassen, daß jeder geringste Widerstand zur Frage von Leben und Tod wurde, gab es - sofern dem Einzelnen noch an humanistischen oder auch christlichen Idealen lag - nur noch die Entscheidung, nämlich notfalls auch das eigene Leben und das der Familie auf´s Spiel zu setzen. Das ist aus nachvollziehbaren Gründen kaum jemanden geglückt. Von der Schuld entlasten selbst diese nachvollziehbaren Gründe hingegen niemanden.


Gruß
Zwetsche
 
AW: Vor 75 Jahren ...

"Und dies durchgehalten zu haben, und dabei -- abgesehen von menschlichen Ausnahmeschwächen -- anständig geblieben zu sein, hat uns hart gemacht und ist ein niemals genanntes und niemals zu nennendes Ruhmesblatt."

Das waren die Worte von Göring, es ist unfassbar. Und wenn ich sehe, welch populistische Sprüche von unseren Poltikern wieder geklopft werden auf Kosten von Minderheiten (diesmal ist es eben eine andere, nämlich die muslimische, die das neue Feindbild darstellt), dann kann einem wirklich angst und bange werden, auch wenn ich (noch) keinen neuen Faschismus heraufziehen sehe.
 
AW: Vor 75 Jahren ...

Daraus folgt aber lediglich die banale Erkenntnis, daß sich niemand aussuchen kann in welcher Zeit er gelebt hat und vor welche Herausforderungen er gestellt wurde. Denn für diejenigen, denen sich diese Fragen gestellt haben, gibt es, wie man die Sache auch dreht und wendet nur das bittere Eingeständnis in die gewaltige Schuld, die sie auf sich geladen haben.
Gruß
Zwetsche

Ja, Zwetsche .... nur weil diese Erkenntnis an sich so banal ist, wage ich zu bezweifeln ( und aufgrund des Rechtsrucks, den wir überall in Europa beobachten können, nehme ich an zu Recht) dass der Banalität vieler banaler Wähler heute diese Erkenntnis wieder verschlossen sein wird .....

Auch wenn dies sicher jetzt von vielen angegriffen wird: Als man es durch lauter Trägheit erst so weit hat kommen lassen, daß jeder geringste Widerstand zur Frage von Leben und Tod wurde, gab es - sofern dem Einzelnen noch an humanistischen oder auch christlichen Idealen lag - nur noch die Entscheidung, nämlich notfalls auch das eigene Leben und das der Familie auf´s Spiel zu setzen. Das ist aus nachvollziehbaren Gründen kaum jemanden geglückt. Von der Schuld entlasten selbst diese nachvollziehbaren Gründe hingegen niemanden.

auch hier --- volle Zustimmung

Wer sind wir, um zu wissen, wie wir gehandelt hätten --- handeln würden

Erweiterung dieses Deines Gedankens

wir müssen versuchen, wo und wie wir es vermögen, das Licht der Vernunft angezündet sein lassen .

Und dazu gehört eben auch, die Ideen der neuen Rechte auf die Wahrheitskerne , die in ihnen stecken, zu kennen. und - sie im demokratisch politischen Prozess zu be-verarbeiten.
 
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AW: Vor 75 Jahren ...

Ich stimme den bisherigen Beitragsschreibern zu.

Was mir noch dazu einfällt:
In einer aktuellen Sendereihe im Radio Ö1, "Exportgut Demokratie" hörte ich einen Bericht über die privatisierten Sicherheitskräfte in den USA am Beispiel "Blackwater".
Da wird einem wirklich Angst und Bang, wenn man hört, in welchem Umfang da demokratischen Grundrechte stillschweigend unter den Tisch fallen. Diese "Firmen" haben keine Verpflichtung zur Offenlegung von Daten, die sie aufgrund eines Staatsauftrages von observierten Bürgern gesammelt haben. Die können damit tun was sie wollen, ohne dass die Betroffenen etwas darüber erfahren müssen. Abgesehen davon kriegen sie Aufträge ohne öffentliche Ausschreibungen, weil sie ja schon das Vertrauen der zuständigen Behörden genießen. Gleichzeitig führen sie Beratungsgespräche bei verängstigten Bürgern durch und bieten ihnen da auch gleich ihre Dienste an. Gegen eine saftige Bezahlung natürlich.

Da läuft es mir echt ziemlich kalt den Rücken runter.

Das sind mMn ganz neue Aspekte, wo eine zukünftige Bedrohung herkommen wird. Wenn wir die Greuel des Dritten Reichs nicht vergessen dürfen, so dürfen wir darüberhinaus auf gar keinen Fall vergessen, dass alte Greuel sicher in einem neuen Gewand auftreten werden.
Wir sollten mMn die vielen kleinen Veränderungen in Richtung Demokratiebeschränkung "aus Sicherheitsgründen" sehr sehr skeptisch und aufmerksam beobachten und nicht einfach so hinnehmen. Die kleinen Schrittchen (manchmal sind es auch größere, wie die Überwachung der Telefongespräche von Terrorverdächtigen) könnten jetzt harmlos wirken, aber im Zusammenhang mit diktatorischen Absichten eines ehrgeizigen Politikers zu einem raschen Kippen beitragen.

:blume1:
 
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