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vom Verzeihen

AW: vom Verzeihen

persephone schrieb:
Wenn man über solchen Dingen steht,
kann man nicht verletzt werden und
Verzeihen wird überflüssig.

Ich gehe mal davon aus, dass wir hier alle Menschen sind, die Gefühle haben. Die meisten Menschen erleiden in ihrer Kindheit seelische Wunden, die später durch das Verhalten anderer Menschen berührt werden und schmerzen. Dadurch fühlen wir uns wieder klein und hilflos, obwohl wir ja schon erwachsen sind.

Wenn man das begriffen hat, dann erst kann man "über den Dingen stehen". Dann wird mir klar, dass mich keiner aktiv verletzen will, sondern dass es immer meine schon vorhandene Wunde ist, die schmerzt.

Verzeihen ist dann mMn nicht überflüssig, aber es wird leicht. Denn ich weiß zwar, dass etwas schmerzt, dass aber nicht derjenige, der die Wunde berührt, sie auch verursacht hat.

Zum Thema Mimosen:

Mimosen reagieren sofort auf Berührung. Menschliche Mimosen "machen zu" und schützen sich dadurch. Sie kennen ihre wunden Punkte. Versuche, sie auf gerade diese schmerzenden Stellen hinzuweisen, werden deshalb auch mehr oder weniger heftig abgewehrt. Eine verständliche Reaktion, weil ja öfter passiert, dass diese wunden Punkte unabsichtlich angerührt werden.

Wenn nun jemand glaubt, zu wissen, was in einem anderen Menschen vorgeht und etwas "Gutes" für ihn tun will, dann kann das leicht schief gehen.

Wer hätte nun wem etwas zu verzeihen? Jede/r tut das für sie/ihn Richtige.

Das was wir uns und einander zu verzeihen haben, ist, dass wir Menschen sind . Uns ist nicht immer bewusst , dass "der andere" aus seiner Geschichte heraus handelt und dass er ja gar nicht wissen kann, wie unsere Geschichte aussieht.

@ Ginsi:
Du sprichst das persönliche Verhältnis als Kriterium des Verzeihen-Könnens an. Klar, wenn ich jemanden so gut kenne, dass ich auch schon um seine wunden Punkte weiß, dann schmerzt es mich viel mehr. Weil dann ja auch noch Gedankenlosigkeit oder gar eine böse Absicht mitspielen können. Das verursacht dann eine neue Wunde.

herzlich
lilith
 
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AW: vom Verzeihen

Weshalb können Menschen nicht verzeihen?​


Deine Mutter hat dich geschlagen, dein Partner hat dich betrogen, dein Kind hat dich bestohlen, dein Nachbar hat deinen Hund vergiftet, dein/e FreundIn hat dich belogen, dein Arzt hat dich nicht ernst genommen.

Du bist verletzt, gekränkt, entsetzt, voller Haß, enttäuscht, zurückgestoßen.



Deine Mutter ist längst verstorben, dein Partner ist zu dir zurückgekehrt, dein Kind zeigt sich reuig, dein Nachbar hat sich entschuldigt, dein/e FreundIn hat dir zukünftige Loyalität versichert, dein Arzt hat sich in einem einfühlsamen Gespräch rehabilitiert.

Warum kannst du nicht verzeihen?​
Ist es nicht so,das sich diese Personen serlbst zurückgestoßen haben?
 
Grundlagen

Was ich suche, ist eine ernstzunehmende Erklärung, warum das willentliche verzeihen, nehmen wir es als eine Art Ritual, als eine abschließende, großherzige „Handlung“ im Anschluss an das Bewusstwerden, wie auch immer man verzeiht, wirklich von der Vergangenheit befreit. In wie weit ist das wirklich willentlich beeinflussbar. Müssten nicht mindestens ein paar Phasen durchlaufen werden, an deren Ende das Verzeihen dann ohne den Willen eintreten kann? Verhindert dieses „wenn ich das und das mache, dann werde ich Erleichterung bekommen“, dieses „wenn-dann“, das Motiv, ... verhindert nicht gerade DAS mein Vorhaben?

Lässt man diese Fragen offen, bleibt dieses „du bist unfähig zu verzeihen, du musst aber...“ eine rein pädagogische Übung, die den einen zum Lehrer erhebt, den anderen zum Schüler degradiert. Nicht umsonst lechzen die Religionen und Kulte nach solchen Kniffen.

Verzeihen-können als Fähigkeit darzustellen, etwa wie positiv-denken oder sich-an-kleinem-zu-erfreuen, finde ich gefährlich. Es setzt einen Sollzustand fest. An dieser Stelle meine Filzstiftunterstreichung. Weil der Mensch, der sich und Leben durchdringen will, rutscht hier schnell vom alten in den neuen Aberglauben, eben dass man verzeihen können muss, weil man andernfalls noch nicht "so weit ist". Die Richtung währe dann vorgegeben.

Ich bitte euch um Erklärungsversuche.

Bernd
 
AW: vom Verzeihen

Bernd, ich denke, dass für jedem eine andere Antwort gültig ist, die viel mit seiner Persönlichkeitsstruktur aber auch mit seiner Sozialisierung zusammenhängt.

Ich denke, dass das Verzeihen auch viel mit dem Wissen über die Relativität von Standpunkten, Sichtweisen, etc...zusammenhängt. Und wer vielleicht des Öfteren erfahren hat wie Zerbrechlich das soziale Gefüge eigentlich für alle ist, der wird nicht so sehr darauf pochen, dass im Scherbenhaufen der immer wieder entsteht, nur sein Porzellan unberührt bleiben sollte.

Ausserdem finde ich noch immer meine kleine Anekdote über "das Leben ist wie ein tiefer Brunnen" und das sich nicht klammern an den eigenen Standpunkt, so ein kleiner Weg, vielleicht nur ein Seitenweg, zur Fähigkeit zu verzeihen.
Dabei möchte ich davon das Vergessen ausgenommen wissen.

Kroko, ich warte geduldig auf deine Schimpftirade, dass ich eigentlich deine Frage gar nicht beantwortet hätte....:zunge4:

Lieben Gruß

Miriam
 
AW: Grundlagen

Was ich suche, ist eine ernstzunehmende Erklärung, warum das willentliche verzeihen, nehmen wir es als eine Art Ritual, als eine abschließende, großherzige „Handlung“ im Anschluss an das Bewusstwerden, wie auch immer man verzeiht, wirklich von der Vergangenheit befreit. In wie weit ist das wirklich willentlich beeinflussbar. Müssten nicht mindestens ein paar Phasen durchlaufen werden, an deren Ende das Verzeihen dann ohne den Willen eintreten kann? Verhindert dieses „wenn ich das und das mache, dann werde ich Erleichterung bekommen“, dieses „wenn-dann“, das Motiv, ... verhindert nicht gerade DAS mein Vorhaben?

Lässt man diese Fragen offen, bleibt dieses „du bist unfähig zu verzeihen, du musst aber...“ eine rein pädagogische Übung, die den einen zum Lehrer erhebt, den anderen zum Schüler degradiert. Nicht umsonst lechzen die Religionen und Kulte nach solchen Kniffen.

Verzeihen-können als Fähigkeit darzustellen, etwa wie positiv-denken oder sich-an-kleinem-zu-erfreuen, finde ich gefährlich. Es setzt einen Sollzustand fest. An dieser Stelle meine Filzstiftunterstreichung. Weil der Mensch, der sich und Leben durchdringen will, rutscht hier schnell vom alten in den neuen Aberglauben, eben dass man verzeihen können muss, weil man andernfalls noch nicht "so weit ist". Die Richtung währe dann vorgegeben.

Ich bitte euch um Erklärungsversuche.

Bernd

Lieber Bernd!
Verzeihen ist mMn schon eng damit verbunden, dass man sich bewusst für einen Weg weg von der Verbitterung entscheidet. Wer schwere Wunden durch sein Leben schleppen muss, steht irgendwann vor dieser Entscheidung. Man kann einerseits den Rest des Lebens damit verbringen, mit sich und der Welt zu hadern, oder man lernt es zu verzeihen. Insofern ist es eine willentliche Entscheidung.

Die Auswirkungen befreien ja den Verzeihenden selbst und ermöglichen ihm erst ein Leben in Freude und Lebendigkeit.

Aber wie du schon geschrieben hast, verzeihen ist nicht einfach eine Entscheidung, so jetzt verzeihe ich und alles ist gut. Dazu bedarf es eines Prozesses, der erst einmal zu den Ursachen der alten Wunden führen muss. Und da bleibt einem nichts erspart, vor allem nicht, die schmerzhaften Gefühle noch einmal zu spüren und dabei zu erkennen, das man als Erwachsener nicht mehr in der selben Lage ist wie als Kind. "Jetzt bin ich nicht mehr hilflos ausgeliefert, jetzt kann ich mir selbst verschaffen, was ich als Kind gebraucht hätte."

Es bleiben aber die Gefühle wie Trauer und Wut über den Mangel in der Kindheit, oder über die Misshandlungen, die Ignoranz, die Angst ..... Je nach Schwere der Wunden kann man diese Gefühle allein oder mit Unterstützung eines Freundes oder auch eines Therapeuten ausleben. D.h. weinen, schreien, wütend sein, und immer wieder weinen. Nur so heilen langsam die Wunden und man kann dann auch emotional erwachsen werden.

Das geht auch nicht so linear, es ist ein Auf und Ab, das Verstehen und das emotionale Ausleben wechseln sich ab, sind manchmal auch gleichzeitig da. In dieser Zeit erlebte ich mich als sehr dünnhäutig und schutzbedürftig. Wie ein Kind eben.

Das was ich jenen zu verzeihen hatte, die mir Schmerz zugefügt hatten, war ja verbunden mit meinem Bemühen, die Menschen, die mir das angetan hatten, weiter lieben zu können. ICH war schuldig, wenn z.B. meine Mutter böse war, denn ich tat nicht das, was sie wollte. Die Verknüpfung mit Schuld und Scham macht es ja so schwer, seine Verletzungen überhaupt zuzugeben, sich selbst einzugestehen, dass da etwas ist, das durch Verzeihen geheilt werden könnte.

Aber ich glaube, Bernd, du meinst auch noch etwas anderes. Verzeihen können ist eine - ich nenne es so - Gnade. So wie auch Lieben können. Es ist sicher nichts, was man einfach verordnen kann um es dann zu beurteilen: Der ist gut, der kann es, aber der ist "noch nicht so weit", der kann es nicht. So wendet es sich gegen den, der es von einem verlangt. Wenn ich jemandem nicht verzeihen kann, dann verletzt es mich und den anderen immer wieder, weil das Verzeihen nicht geschieht, sondern gefordert wird. Eine Forderung drückt ja gleichzeitig aus, dass das momentane Verhalten nicht gutgeheißen wird. Und verzeihen ist ja das Gegenteil von Verurteilen.

@ Miriam: Humor und Selbstkritik sind sicherlich hilfreiche Strategien, damit ein möglicherweise verletzendes Verhalten gar nicht erst so nah an meine alten Wunden herankommen kann. Auch das Wissen darum, dass es nicht nur eine "Wahrheit" gibt.

:blume1:
herzlich
lilith
 
AW: vom Verzeihen

Gnade. Hmm. Könnte man dieses Wort irgendwie übersetzen? Ich hab eine gewisse Abneigung gegenüber Kirchenvokabular.

Liebe Gnade Liebe Gnade Liebe Gnade. Hmm. :o

Bernd
 
AW: vom Verzeihen

Gnade. Hmm. Könnte man dieses Wort irgendwie übersetzen? Ich hab eine gewisse Abneigung gegenüber Kirchenvokabular.

Liebe Gnade Liebe Gnade Liebe Gnade. Hmm. :o

Bernd

Hiiiilfe ich habe Gnade geschrieben. :haare:

Ja, Gnade hat so einen kirchlichen Geruch, ich weiß. Ich kenne aber kein anderes Wort, das hier besser passen würde.

Ich bezeichne damit einen Umstand, der willentlich nicht herbeigeführt werden kann. Es gibt da anscheinend einen "richtigen Zeitpunkt", an dem jemand auf die Idee kommt, etwas, das ihn schon längere Zeit so im Hintergrund beschäftigt, genauer anzuschauen.
Das habe ich mit dem Wort "Gnade" gemeint.

Kannst du mit dieser Erklärung etwas anfangen, Bernd? :reden:
 
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AW: vom Verzeihen

Gnade. Hmm. Könnte man dieses Wort irgendwie übersetzen? Ich hab eine gewisse Abneigung gegenüber Kirchenvokabular.

Liebe Gnade Liebe Gnade Liebe Gnade. Hmm. :o

Bernd

Hallo Bernd,

Ich möchte Dich in diesem Zusammenhang bitten, uns ein anderes Wort zu nennen, welches statt "Gnade" verwendet werden könnte.

Danke.

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