• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

Verbirgt Mythos Wirklichkeit

M

Marianne

Guest
Dises Frage beschäftigt mich nicht nur aud fachlicher Sicht. Ich bin Historikerin.

Es würde mir gefallen, mt Euch anhand des Semelemythos dieser Frage nachzugehen.

-------------------------------------------------------------------------------- --------------------------------------------------------------------------
Informationsblock

Semele

(lat. Semela) In der griechischen Mythologie eine Erdgöttin. (BELLINGER, 424)

Durch die Semele, der Tochter der Harmonia und des Kadmos, wurde Zeus zum Vater des Dionysos. Sie beide, die Sterbliche und ihr Sohn, wurden später zu Göttern. (Theogonie, 940-932)

Vom Zeus wurde Semele Mutter des Dionysos. (HESIOD, Theogonie, 933ff.)

Seitensprung und Schwangerschaft sah die eifersüchtige Gattin des Zeus, Hera, gar nicht gern. Sie verwandelte sich in die Amme der Semele, Beroe, und säte in ihr Zweifel über die wahre Beschaffenheit des Zeus, der Semele in allerlei Gestalt erschien.

So bewegte Hera die Semele dazu, den Zeus darum zu bitten, sich ihr in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Da Zeus versprochen hatte, der Semele jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, kam er ihrer Bitte nach und erschien ihr als Blitz. Verbrannt sank Semele zu Boden und starb (OVID, Metamorphosen, III,253-259)

.

Später führt Dionysos seine Mutter aus dem Hades hinauf in den Olymp, wo Semele, nun versöhnt, unter dem Namen Thyone bei den Göttern lebt.

In Theben fand Semele mitsamt ihrer wie sie von Hera geplagten Schwestern göttliche Verehrung. Auf einer Inschrift heißt es:

Vor Semele zittern die Geister.

Es gibt Vermutungen, Semele könnte einerlei mit der phrygische Erdgöttin Zemelo oder überhaupt eine ältere Göttin gewesen sein.
-------------------------------------------------------------------------------- -------------------------------------------------------------------------

Soweit so informativ.Es geht doch hier wohl weniger um ein plattes Versprechen im Bereich des Humanen, sondern um eine gewisse Art der Ablöse - besser des Nebeneinanderbestehens von mutterechtlichen und vaterrechtlichen Herrschaftstrukturen, dass es patrilineare und matrilineare Verwandtschaftsgefüge gibt, ist unbestritten.

In Kurzformat:
Der Erdgöttin ( Semele) - dem weiblichen Prinzip des unvergänglichen Lebens - wurde von Zeus - dem Symbol der männerorientierten Herrschaftsstruktur - ein Sohn geboren: Dionysos. - Symbol der rauschhaften Vereinigung.

Mit Lug und Trug hatte sich Zeus der Semele genähert - und als sie bereits schwanger war, begann sie daran zu zweifeln, ob es RECHT war, sich dem Männerprinzip unterzuordnen ( eine andere Frau, Hera) unterstützte diesen Zweifel.

Aber als sie dann dem Zeus von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, spielte der seine Macht über sie aus: sie verbrannte - Zeus hatte sein Versprechen gehalten; sie konnte seinen Anblick nicht ertragen.

Der Unterbau - die Mutter Erde - wich dem Oberbau - dem Manne in seiner lügenhaften Gewalt.

Semele starb, weil sie an Versprechen glaubte . Vielleicht sterben alle Frauen, weil sie an Versprechen glauben?

Und umgekehrt: viele Frauen auf der ganzen Welt halten sich an die Versprechen, die sie " der Mutter Natur" - im Instinktapparat festgelegt - gaben: die aus der Aufzucht der Art gewonnene Wärme übertragen sie häufig auf den Vater ihrer Kinder , sich an das Versprechen erinnernd, dass auch den Vater als "Ernährer " in ihre Wärme einbindet.

Nun noch zwei Punkte, die mir interessant erscheinen:

Was soll der Gott ( wieder ein männlicher - aber soll gut sein, er ist nur der bekannteste der orgiastischen Götter, es gab auch weibliche ) der Ekstase, der der Mutter Erde und dem Vater Recht und Ordnung ( Semele und Zeus) gemeinsam geboren wurde?

Ist er der wahre Versöhner der Geschlechter - wird er es einmal vollbringen, den Kampf der Geschlechter in trunkener Freude und orgiastischem Treiben zu beenden?
Ich denke, dass ist eine Utopie,

denn es wird , zumindest noch ene Weile das Versprechen des Mannes geben , sich ebenfalls um den Nachwuchs zu kümmern - und so gesellschaftlich gesehen, die materielle Macht in den Familienstrukturen innezuhaben.

Und ich beende diese meine lange Ausführung mit ähnlichen Worten wie in meinem ersten Post:
Es dürfte kein Mann und keine Frau gezwungen werden, sich verspruchsreif zu binden -

nur: bis jetzt verlangen Sitte und Brauch das noch.
Aber irgendwann wird Dyonysos siegen - und nicht nur die Frauen ( Semele) auch die Männer werden göttergleich aus dem Hades steigen.
Das ist mein Wunschtraum.

Aber:wenn ich jetzt ganz boshaft die Worte oben zitiere:
Vor Semele zittern die Geister.

So ist das für mich eine Botschaft aus ferner Zeit: Männer, nehmt Euch in Acht vor den zweifelnden Frauen!

Marianne
 
Werbung:
Nun, scilla -Du könntest ja wissen, dass der aufgezeichnete Mythos aus einer bereits vorher uralten mündlichen Tradition stammt.
Viele Mythen der Welt reichen vom Faktenkern bis ins Neolithikum.

Wen wunderts, in welcher Fülle und in welch anmutigen Variationen da so manches Motiv vorkommt.
Das sieht man bereits bei der schriftlichen Semeleüberleiferung, , die ich fast vollständig ins Post gestellt habe.


Marianne
 
die Ursprungsgeschichte wurde mehrfach umgedichtet.
das macht die Sache schwer,

das ist aber zugleich die Stärke.
Übertragungsfehler oder Fälschungen auf einem Datenblatt würden die Wahrheit töten.


folgendes Buch finde ich bis heute sehr gut:
LUC BRISSON (1996):
Einführung in die Philosophie des Mythos (Antike, Mittelalter, Renaissance).-
242 S., Darmstadt, Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
 
Marianne schrieb:
Aber:wenn ich jetzt ganz boshaft die Worte oben zitiere:
Vor Semele zittern die Geister.

So ist das für mich eine Botschaft aus ferner Zeit: Männer, nehmt Euch in Acht vor den zweifelnden Frauen!

Zwei werden Eins, Zeus und Semele, Blitz und Erde

indem eine Naturkraft einen Teil von sich selbst zerstört :biss:

wie in einer Antwort auf eine Frage geil der Zweifel wohnt,
wohnt einer Frage schon die Zerstörung inne


Wie ist das mit dem Mythos, hat er sich unserer Zeit entzogen, oder bleibt er wie ein Laut im Wort immer da ? :reden:
 
Ganape

Deine Gedanken sind nur anscheinend schwierig - für mich.

Es scheint auch mir so, dass - zumindest im Bereich des Humanen - der innigen Bindung auch eine große Kraft der Zerstörung beiwohnt.

Durch das Zulassen von Bindung - dem Einlassen auf ein anders Du - machen wir uns alle verwundbar.
So gesehen verursachte auch Semele ihren Fall. Sie ließ sich ein. Damit zerstörte sie einen Teil von sich und später sich selbst, weil sie nicht erkannt, dass für Götter andere Gesetze gelten. Ihre Distanz von den Menschinnen erlaubt gar keine menschliche Bindung. Sie können sich nehmen ohne das zu geben, was sie freiwillig angeboten bekommen.
So sehe ich das.
Der tragische Irrtum Semeles wae es, der sie scheitern ließ.

Hätte sie sich in ihrem Wahn gewiegt - wäre sie nicht - von Hera - darauf gebracht worden zu fragen , hätte sie ihr Schicksal später ereilt.

Jede Frage ist ein Ausdruck des Zweifelns.
Ich gebe Dir voll Recht, ganape.


Aber wie soll sich der Mensch - nicht nur die Frauen - vor Lug und Trug retten, wenn er es nicht gelernt hat zu fragen.

Und so verstehe ich auch Deine letzte Frage


Wie ist das mit dem Mythos, hat er sich unserer Zeit entzogen, oder bleibt er wie ein Laut im Wort immer da ?


Der Laut mag sich - meiner Meinung nach " verschoben " haben, aber die Botschaft bleibt.
Und für mich ist diese ein klarer Aufruf zur weiblichen Solidarität.
Wir können den überindividuellen Göttern unserer Zeit nicht entfliehen, wenn jede einzelne von uns mit jedem einzelnen aufnimmt.

Liebe Grüße

Marianne


einen möglichen Einwand möchte ich schon hier entkräften

es geht mir nicht um plumpen Geschlechterkampf
es geht mir nicht um plumpen Feminismus

es geht mir darum die Botschaft dieses uralten Mythos zu verstehen, die mir halt sagt, dass sich Frauen - warum, ist hier nicht die Frage - leichter dazu verstehen, sich an Überindividuelles persönlich zu binden
 
nun, wir haben dieses Teil nicht, das erst Brücken schlagen muß :banane:
aber wenn wir es vermissen, sind wir uns spinnefeind :teufel:


wie soll sich der Mensch vor Lug und Trug retten, wenn er es nicht gelernt hat zu fragen
dafür hat er ja zwei Augen und andere paarweise Organe, für die Abschätzung in der Wahrnehmung,
läßt sich halt sehr früh aus seiner Eigenstimmigkeit verschieben, ins 'richtige' und 'falsche'

scheint aber weiters keine große Rolle zu spielen, da man mit dem Falschen auch weiterleben kann :jump1:

grüße
g-qanape
 
qanape schrieb:
nun, wir haben dieses Teil nicht, das erst Brücken schlagen muß :banane:
aber wenn wir es vermissen, sind wir uns spinnefeind :teufel:



dafür hat er ja zwei Augen und andere paarweise Organe, für die Abschätzung in der Wahrnehmung,
läßt sich halt sehr früh aus seiner Eigenstimmigkeit verschieben, ins 'richtige' und 'falsche'

scheint aber weiters keine große Rolle zu spielen, da man mit dem Falschen auch weiterleben kann :jump1:

grüße
g-qanape

Hi, ganape

Wenn ich Dich richtig lese, weist Du auf des Pudels Kern :reden: hin: Aber bist Du wirklich der Meinung, dass es des Brückenschlagorgans bedarf, um - in weiblicher Unsolidarität - über einander herzufallen - auch außerhalb des berauschenden Bereiches um Dyonysos.
Na ja: schließlich hatte Hera ja auch ihren Zeus nicht nur im Koppe, als sie den Zweifel in Semele entfachte.
Vielleicht - nein, sicher hast Du Recht mit der Annahme, dass es den meisten Frauen eben auch um ihre -vermeintlichen - Besitzanspüche am " Organ des Brückenschlagens" geht.

Zum zweiten Teil Deines Posts: Verstehe ich das richtig, wenn Du hier anmerkst, dass es des rational vermittelten Zweifels an sich gar nicht bedürfte, die fünf Sinne sagen es einer auch in ihrer Geschlechtlichkeit wachen Frau ohnedies, wann ... "es so weit ist", dass aus "Einstimmigkeit" Missverständnis entsteht?
Dann gebe ich Dir total Recht - aber in unserem Semelebeispiel hieße das dann nur wieder, dass sich Semele zunächst im Angenommensein als Weib sicher fühlte, und erst rational geführt, in ihr Verderben " rannte".

Aber dann ist hier irgendein Wurm --- welcher?


Und: auch da bin ich mit Dir d`accordo:

Schließlich ist es wschitsko jedno, Frauen und Männer werden sich dazu bequemen, mit dem Falschen weiter zu leben.
Sie verbrennen dann nicht wie Semele, sondern können auch ohne Gott - ohne Göttin ihren Alltag leben.


Ich danke Dir, dass Du - wie immer mit geistigem Tiefgang - mit mir denkst und weiter denkst.
Herzlich
Marianne
 
Werbung:
Oh, :) in Übereinstimmung danke ich Dir, Marianne, für sowohl senk- als auch wagrecht

so vermenschlicht machen die Götter ja nur Theater,
weil aller Streit von da kommt, wo was fehlt

Zitat: 'dann ist hier irgendein Wurm drin'

vll. hat Semele mit der Ratio bezahlt, weil ein menschlicher Sieg heraussprang für Zeus,

und deshalb hat der Mythos, der ja nur von ganzen Gestalten was hält, unter anderem das erzählen vermacht bekommen :reden:
 
Zurück
Oben