AW: Unfall in japanischem Kernkraftwerk
Hallo Hartmut, ich hätte da mal ein paar Fragen.
Vorerst will ich aber sagen, daß der Unfall in Japan in mir schon - wie eben bei sehr vielen Menschen auch - ein gewisses Unbehagen aufkommen läßt. Das die Kernspaltung im herkömmlichen Sinne auf lange Sicht das Gelbe vom Ei ist, bezweifle ich doch sehr.
Meine Frage an Dich, als wirklich fachlich Unkompetenter, bezieht sich aber auf die Kernfusion, die ja für die Umwelt angeblich weit weniger gefählich sein soll. Wie siehts da aus in der Forschung? In letzter Zeit hört man darüber sehr wenig. Kann die Fusion, die ja eigentlich ein Fortschritt wäre, vielleicht in der Praxis nicht wirklich umgesetzt werden? Wenn doch, wie lange wird es schätzungsweise noch dauern, bis diese Variante der risikoärmeren Energiegewinnung möglich sein wird? Und für die Umwelt, bei einem Unfall ähnlich in Japan oder Tschernobyl, würde mich der ungefähre Wirkungsunterschied zwischen Kernspaltung und Kernfusion, zumindest theoretisch angedacht, auch interessieren. Danke.
Hallo Rupert,
auch wenn deine Frage an Hartmut gerichtet ist, erlaube ich mir ob seiner temporären Absenz (huch ! *gebildetwirk*) selbst zu antworten.
Die Kernfusion hätte einen enormen Vorteil gegenüber der Kernspaltung. Warum ?
Zunächst mal zu den Grundlagen um zu erklären, was Kernspaltung und Kernfusion überhaupt bedeutet:
Bei Kernspaltung werden große Atomkerne in kleinere gespalten und Energie in Form von Strahlung wird frei.
Bei Kernfusion werden mehrere kleine Atomkerne zu größeren Fusioniert und Energie in Form von Strahlung wird frei. Im detail erscheint mit die Deuterium-Tritium-Fusion am versprechendsten, daher beziehe ich mich ausschließlich auf diese.
Jetzt mag man sich fragen (zumindest habe ich mich das seinerzeit gefragt): Wenn sowohl bei Spaltung wie Fusion Energie frei wird, warum dann kein Perpetuum Mobile mit permanenter Fusion-Spaltung-Fusion-Spaltung-etc..., wenn bei jedem Schritt Energie frei wird ?
Die Antwort liegt darin, dass niemals Spaltung UND Fusion beim selben Atomkern Energie liefern kann. Bei kleinen Kernen liefert die Fusion Energie, bei großen Kernen die Spaltung. Das Energieminimum liegt beim Eisen.
Größere Atomkerne als Eisen kann man theoretisch zur Spaltung nehmen, wobei generell gilt: je größer der Kern, desto einfacher und desto mehr Energie liefert die Spaltung. Uran ist das 'größte' Element, das in relevanten Mengen in der Natur vorkommt; daher ist es auch der üblichste Brennstoff.
Kleinere Atomkerne als Eisen kann man theoretisch zur Fusion hernehmen. Genau umgekehrt gilt aber hier, dass die kleinsten Atomkerne am Einfachsten zur Fusion zu bringen sind und die meiste Energie bringen. Den kleinsten Atomkern besitz das Element Wasserstoff. Daher ist auch der Wasserstoff das interessanteste Element für die technische Umsetzung der Kernfusion.
So, was ist nun der Vorteil der Kernfusion bzw der Nachteil der Kernspaltung ?
* Das Brennmaterial an sich: Wasserstoff ist praktisch unbegrenzt verfügbar, Uran jedoch knapp
* Die Reaktionsprodukte: Bei der Kernspaltung werden unterschiedliche Strahlungen frei (Neutronen, Protonen, Alpha-, Beta-, Gamma-, ...), was die Rekatormaterialien verstahlt, und die 'Asche' (die verbrauchten Brennstäbe) ist noch immer hochaktiv und muss (nach eventueller Aufbereitung und Wiederverwendung) sicher endgelagert werden. Bei der Fusion tritt nur Neutronenstrahlung auf, und das Produkt Helium ist nicht radioaktiv. Zusätzlich ist die Energiemenge pro
* Die Reaktionsbedingung: dieser Punkt ist zweischneidig; einerseits ein Vor-, andererseits ein Nachteil für die Kernfusion
Die Brennstäbe bei der Kernspaltung liefern die Energie vereinfacht gesagt von selbst. Man braucht nichts aktiv zu tun und kann Energie abzapfen, bis sie verbraucht sind. Das ist einerseits einfach, jedoch auch das große Risiko der Kernspaltung. Man MUSS die Energie abzapfen, sonst geht der Reaktor durch. Wie wenn ein Automotor nur Vollgas kennt, und die Geschwindigkeit alleine durch die Bremse geregelt wird. Geht die Bremse kaputt, geht der Motor durch und letztendlich hoch.
Bei der Kernfusion ist das anders. Man braucht enorm hohe Drücke und/oder Temperaturen, um zwei kleine Kerne zur Fusion zu bringen. Das hat den Sicherheitsvorteil, dass man die Fusion im Reaktor leicht stoppen kann.
Das Problem ist aber die Herstellung solch enorm hoher Drücke und Temperaturen. Auf 2 Arten hat es schon funktioniert. Einerseits bei der Wasserstoffbombe, wo eine vorgeschaltete Atombombe die nötigen Drücke und Temperaturen hergestellt hat. Das eignet sich aber nicht für Kraftwerke.
Andererseits in Beschleunigern, aber dabei ist der Energieaufwand viel viel größer als die praktisch erzielbare Ausbeute.
Hohe Drück und hohe Temperaturen sind gleichzeitig (noch?) nicht konstant haltbar. Man kann aber einen niedrigeren Druck durch noch höhere Temperaturen kompensieren. Das heißt, die Temperatur in einem Fusionsreaktor müsste um ein Vielfaches höher sein als im Inneren der Sonne.
Die sind zwar möglich, aber schwer herzustellen.
Die Lösung wäre die 'kalte Fusion', die für mich aber eher so wie ein 'Stein der Weisen' klingt. Vielleicht ist da etwas dahinter, ich weiß es nicht.
Wie weit die Forschung aktuell ist, ist mir nicht bekannt. In den 90ern habe ich immer wieder Sensationsmeldungen gelesen, dass nur mehr wenige Jahrzente bis zur Umsetzung benötigt würden. Die letzten 10 Jahre habe ich aber nur mehr wenig davon gehört/gelesen/gesehen. Für mich ein Zeichen, dass es eine Sackgasse ist; denn jeder kleine Fortschritt, der bekannt werden würde, brächte Milliarden an Förderungen (daher scheidet Profitgier als eine mögliche Erklärung für eine Verschweigen von Fortschritten aus).
lg,
Muzmuz