Salut!
Die Formulierung der Frage liess den Schluss zu, Charakter als die Eigenart eines Einzelnen zu verstehen. Nach wie vor bin ich der Meinung, die Sprache verändert diese Eigenart nicht. Du, Robin, hast Dich auch von dieser Definition distanziert. Betrachten wir aber diese Eigenart auch als eine Zusammensetzung auch Tiefen- und Oberflächenstrukturen, könnten wir sogar dabei bleiben -grins und ich gehe mit Dir konform. Nehmen wir dazu das Deutsch als Beispiel. Eine Sprache - drei Varietäten (D, A, CH). Warum hört sich die schweiz. Standardsprache (Hochdeutsch ist streng genommen ein Dialekt, Cel
) anders an als die österreichische oder deutschländische? Schon ist man bei der soziolinguistischen Angemessenheit und dem dazu adäquaten Verhalten sowie bei den Dialekten. Die Sprachen und Dialekte stehen dann im direkten Zusammenhang mit der Geschichte und Kultur des Landes, mit verschiedenen Landschaftsabschnitten etc. Sich dem sprachlichen Code zu fügen, ist sicherlich notwendig, denn eine Integration wäre sonst viel schwieriger, in einzelnen Gesellschaftsverbänden gar gänzlich unmöglich. Dabei denke ich nicht mal an Japan -grins.
Sprache ist eben mehr als nur ein Kommunikationsmittel, sie ist Ausdruck und auch Symbol der verschiedenen Entwicklungen, Kulturen etc. In dieser Eigenschaft interagiert sie mit dem Menschen und umgekehrt. Es ist aber durchaus möglich, ein Einzelner fühlt sich seinem Wesen nach, zu einer anderen 'Oberfläche' hingezogen, wie das Beispiel Deiner Kollegin zeigt.
Deinen Einwand, 'bis die Wissenschaft eine These bewiesen hat, befindet sich das Individuum bereits weiter', teile ich ebenfalls. Beweisführungen sind ein langwieriger Prozess. (Um Einwänden aus anderen wissenschaftl. Bereichen vorzubeugen: gemeint ist hier lediglich die Linguistik.)
Die Mehrsprachigkeit eines Individuum ist sicher ein Gewinn. Für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft. Wie aber verhält sich das mit der Mehrsprachigkeit eines Landes? Die wurde bis in die 2. Hälfte des 20. Jh. von der Regierungen als eine Störung der nat. Harmonie betrachtet und brachte einen Ethnonationalismus in Europa mit sich (Weissrussland, Ukraine, Ungarn, aber auch Elsass, Lothringen, Korsika, Bretagne). Die Schweiz ist hier ein Ausnahmefall, die Mehrsprachigkeit zwar auch nicht immer unproblematisch, aber doch seit dem 19. Jh. verfassungsmässig verankert. Dies und die Neutralität (während sich die anderen europ. Länder noch kriegerisch auseinandersetzten, führten die Schweizer keine Kriege mehr und waren schon eine Republik) mag vielleicht auch zu ihrer Gelassenheit -auch in der Sprache- geführt haben.
Den heutigen Zerfall der Sprachverbände lasse ich aus, den kennt Ihr natürlich alle und es gehört auch gar nicht zu der gestellten Frage.
Der Mensch kann ohne Vorbild seine Sprache nicht entwickeln. Sperrt man ein Baby mit einem Hund zusammen ein, wird es nicht sprechen lernen und nach Jahren dann nur noch fähig, ganz einfache Sätze zu erlernen, zu bilden. Die 'gegebene' Fähigkeit unterliegt einer zeitlichen Beschränkung - auch dazu gibt es Ensprechendes bei Chomsky und natürlich Beispiele aus der Praxis. Wie also schaffte es der darwinische Mensch? Womit ich wieder bei Liebi bin.
Liebi befasst sich eingehend nur mit der Morphologie, eben aus dem Grund, weil sie vom Menschen nicht verändert wurde - verändert werden kann, da unkreativ. Den Sprachwandel, den du anführst, kann er gar nicht bestreiten, tut er auch nicht.
Betrachte aber die Theorie etwas anders. Es ist einfacher, wenn man 'gottgegeben' für sich mit 'naturgegeben' ersetzt. Dann unterscheidet er sich gar nicht so sehr vom Chomsky, obwohl seine Definition eine ganz andere ist und er u.a. den Behavioristen angehört. Er widersetzt sich dann nur noch der nicht bewiesenen Theorie, dass sich die Sprache z.B. aus Tierlauten, Gesang, Gesumm ... entwickelte.
Seinen Ansatz der übernatürlichen Gabe Gottes 'uns' Fremdsprachen zu vermitteln, damit 'wir' zu allen Menschen der Erde das Gottes Wort bringen, kannst Du ruhig vergessen - auch er ist der Auffassung, diese Gabe sei mit der Zeit schwächer und schwächer geworden -grins.
Interessant ist einzig 'seine' Komplexitätsabnahme der Sprache im Wandel der Zeit. (Wenn er damit auch noch den Weltuntergang/die Verfallslehre aus der Bibel vergleicht, beachte ich es gar nicht und kommentiere es auch nicht!)
Er belegt aber, dass nicht nur z.B. das Ägyptisch
morphologisch gesehen, komplexer was als unsere Sprache. Auch die Indianersprache z.B. sieht er ähnlich. Die Anzahl der Phoneme spielt dabei keine Rolle. Hast Du ja bereits auch erwähnt! Es gibt eben Sprachen mit einfachen und komplizierten Silbenstrukturen.
Die Sprache wirft noch so manche Frage auf. Aber es ist nicht nur einfacher, sondern auch plausibler zu glauben, dass es eine Sprache gab (die Tiefenstruktur), die sich in tausende spaltete - je nach Landschaft und Menschen, die sie besiedelten; je nach Bedingugen, die sie vorfanden; Kulturen, die sie bildeten etc. - also tausende von Oberflächenstrukturen bildeten, als zu glauben, dass die Affen uns das Sprechen lehrten. Das Liebi-Buch hiess ursprünglich 'Der Mensch - ein sprechender Affe' -grins. Beides, das darwinische wie auch das gottgegebene sind Glauben und nicht Wissen
. Wobei für mich das 'naturgegeben' eben plausibler ist, weil es mehr Beweise gibt.
Die 100 verschiedenen Ausdrücke für 'Schnee' bei den Eskimos, bzw. den Glauben daran, haben wir dem amerikanischen Sprachforscher B.L.Whorf zu verdanken. Sie stimmen aber ganz und gar nicht! Davon vielleicht ein anderes Mal. Es war wieder zu viel, Marianne wird mich tadeln
.
A bientôt!