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Robin
Guest
Schopenhauer zu lesen ist erquicklich. Sein Stil ist prägnant, pointiert, rhythmisiert und humorvoll. Seine Methodik verzichtet zum Großteil auf künstlich aufgeblasene Begriffe, "im Absoluten" verankerte Theoreme, ja er wendet sich sogar explizit gegen solche Philosophie und greift namentlich Hegel an.
Auch inhaltlich ist Schopenhauer ergiebig. Als einer der ersten bekennt er sich zu einer Art radikalen Konstruktivismus, denn so muss man "die Welt als Vorstellung" wohl in die Moderne transferieren. Auch beschreibt er weitsichtig den an mancher Stelle hier schon beschriebenen "blinden Fleck" des Bewusstseins und leitet aus dieser Beobachtung folgerichtig die Begrenztheit des menschlichen Intellekts ab.
Das prägnanteste Merkmal seiner Philosophie aber ist wohl der Begriff des "Willens" als eine Art Grundessenz des Lebens. Dieser Begriff ist aus heutiger Sicht fragwürdig, wenn man ihn auch als Antrieb etwa chemischer Kräfte oder der Evolution sieht; es gelingt Schopenhauer aber überzeugend, mit diesem Begriff das Fehlen des freien Willens zu begründen und zwar nicht unähnlich, wie es Singer in jenem Gespräch tut, das Grundlage des Threads "freier Wille" war. Grundthese von Schopenhauer ist es, dass der Intellekt als höchste Stufe der "Objektivation" des Willens nur der Handlager desselben ist und ihm nachgeordnet; dass also, ganz wie Singer in seinen Experimenten nachgewiesen hat, der Intellekt die Aufgabe hat, nachträglich zu begründen, zu rechtfertigen, was der Wille schon entschieden hat.
Jetzt wirft vielleicht einer ein, na dann sei ja der Wille frei, wenn er an erster Stelle steht! Der verkennt dann aber, dass Schopenhauers Begriff des Willens etwas anderes ist: einerseits die Essenz des Lebens, die sogar den Tod überdauert, freilich in einer Weise, die der menschliche Geist nicht verstehen kann; andererseits ist der Wille etwas Blindes, frei von Erkenntnis, der freilich dennoch die treibende Kraft der Entscheidung ist. Die Entscheidung (und darum geht’s ja) wird quasi blind getroffen und der Intellekt drapiert dann seine Erkenntnis drumherum.
Wie gesagt, ist der Begriff des Willens heute sehr fragwürdig. Ihn mit "Trieb" zu ersetzen in der Psyche mit "Selektionsdruck" in der Biologie usw. ist nur eine Behelfslösung.
Tatsache ist, dass Schopenhauer sich von der Wissenschaft abgrenzen wollte, die Philosophie ausdrücklich nicht als Wissenschaft ansah - sich aber der Wissenschaft ausgiebigst bediente, um Thesen zu untermauern und an Beispielen empirisch zu bestätigen. Dies ist paradox, weil er doch eigentlich als wissenschaftlich gebildeter Mensch die Möglichkeiten der Wissenschaft hätte vorausahnen können und sich dann nicht so gewiss hätte sein können, dass er, wenn nicht total widerlegt, so doch um Wesentliches ergänzt und in Vielem des Irrtums überführt würde.
Vielleicht klingt hier schon das Dilemma der heutigen Philosophie an: Das es ihr nämlich immer schwerer fällt zu rechtfertigen, warum es nicht der Wissenschaft ebensogut oder besser gelingen möge, die Wahrheit über das Leben zu gewinnen; Dass vielleicht sogar die heutige Philosophie der Wissenschaft gegenüber vergleichbar die Rolle des Intellekts gegenüber dem Willen einnimmt: Die Wissenschaft entscheidet, die Philosophie drapiert den Flor der Erkenntnis drumherum; leichter fiele ihr das, wenn sie sich nicht so gegen die Wissenschaft wehren würde.
Schopenhauer ist übrigens auch deswegen erquicklich, weil er tröstlich ist; denn er schreibt ja auch über die menschliche Existenz in einer sehr realistischen Weise, die Viele als Pessimismus bezeichnet haben; also nicht für alle tröstlich, selbstverständlich. Aber vielleicht ist dies ja, ich ahne es, Boethius schrieb es, die eigentliche Funktion der Philosophie: Weniger Wahrheit als Trost...!
Auch inhaltlich ist Schopenhauer ergiebig. Als einer der ersten bekennt er sich zu einer Art radikalen Konstruktivismus, denn so muss man "die Welt als Vorstellung" wohl in die Moderne transferieren. Auch beschreibt er weitsichtig den an mancher Stelle hier schon beschriebenen "blinden Fleck" des Bewusstseins und leitet aus dieser Beobachtung folgerichtig die Begrenztheit des menschlichen Intellekts ab.
Das prägnanteste Merkmal seiner Philosophie aber ist wohl der Begriff des "Willens" als eine Art Grundessenz des Lebens. Dieser Begriff ist aus heutiger Sicht fragwürdig, wenn man ihn auch als Antrieb etwa chemischer Kräfte oder der Evolution sieht; es gelingt Schopenhauer aber überzeugend, mit diesem Begriff das Fehlen des freien Willens zu begründen und zwar nicht unähnlich, wie es Singer in jenem Gespräch tut, das Grundlage des Threads "freier Wille" war. Grundthese von Schopenhauer ist es, dass der Intellekt als höchste Stufe der "Objektivation" des Willens nur der Handlager desselben ist und ihm nachgeordnet; dass also, ganz wie Singer in seinen Experimenten nachgewiesen hat, der Intellekt die Aufgabe hat, nachträglich zu begründen, zu rechtfertigen, was der Wille schon entschieden hat.
Jetzt wirft vielleicht einer ein, na dann sei ja der Wille frei, wenn er an erster Stelle steht! Der verkennt dann aber, dass Schopenhauers Begriff des Willens etwas anderes ist: einerseits die Essenz des Lebens, die sogar den Tod überdauert, freilich in einer Weise, die der menschliche Geist nicht verstehen kann; andererseits ist der Wille etwas Blindes, frei von Erkenntnis, der freilich dennoch die treibende Kraft der Entscheidung ist. Die Entscheidung (und darum geht’s ja) wird quasi blind getroffen und der Intellekt drapiert dann seine Erkenntnis drumherum.
Wie gesagt, ist der Begriff des Willens heute sehr fragwürdig. Ihn mit "Trieb" zu ersetzen in der Psyche mit "Selektionsdruck" in der Biologie usw. ist nur eine Behelfslösung.
Tatsache ist, dass Schopenhauer sich von der Wissenschaft abgrenzen wollte, die Philosophie ausdrücklich nicht als Wissenschaft ansah - sich aber der Wissenschaft ausgiebigst bediente, um Thesen zu untermauern und an Beispielen empirisch zu bestätigen. Dies ist paradox, weil er doch eigentlich als wissenschaftlich gebildeter Mensch die Möglichkeiten der Wissenschaft hätte vorausahnen können und sich dann nicht so gewiss hätte sein können, dass er, wenn nicht total widerlegt, so doch um Wesentliches ergänzt und in Vielem des Irrtums überführt würde.
Vielleicht klingt hier schon das Dilemma der heutigen Philosophie an: Das es ihr nämlich immer schwerer fällt zu rechtfertigen, warum es nicht der Wissenschaft ebensogut oder besser gelingen möge, die Wahrheit über das Leben zu gewinnen; Dass vielleicht sogar die heutige Philosophie der Wissenschaft gegenüber vergleichbar die Rolle des Intellekts gegenüber dem Willen einnimmt: Die Wissenschaft entscheidet, die Philosophie drapiert den Flor der Erkenntnis drumherum; leichter fiele ihr das, wenn sie sich nicht so gegen die Wissenschaft wehren würde.
Schopenhauer ist übrigens auch deswegen erquicklich, weil er tröstlich ist; denn er schreibt ja auch über die menschliche Existenz in einer sehr realistischen Weise, die Viele als Pessimismus bezeichnet haben; also nicht für alle tröstlich, selbstverständlich. Aber vielleicht ist dies ja, ich ahne es, Boethius schrieb es, die eigentliche Funktion der Philosophie: Weniger Wahrheit als Trost...!