AW: Religiöse Fundamentalisten: Hand in Hand gegen den Verstand?
Hallo Philipp,
ich muss noch hinzufügen, dass ich den Thread eröffnet habe, weil ich momentan gerade eine sehr intensive Diskussion per E-Mail mit einem Angehörigen der röm.-kath. Kirche führe. Dieser Herr ist in seiner Kirche sehr aktiv - er spielt gelegentlich im Grazer Dom sowie in der Kirche seiner Grazer Heimatpfarre die Orgel, darüberhinaus führt er einmal im Monat nächtliche Exerzitien in den Räumlichkeiten seiner Kirche durch - und steht lt. eigenen Angaben zur Elite der Diözese Graz-Seckau in einem sehr freundschaftlichen Verhältnis. Ich habe ihm schon mehrmals erklärt, das ich ihn für einen röm.-kath. Fundamentalisten halte, was von ihm aber jedesmal entrüstet zurückgewiesen wurde. Ich würde mich grundsätzlich freuen, wenn es innerhalb der röm.-kath. Kirche echt liberale Strömungen gäbe. Daher möchte ich auch keinem Katholiken a priori eine liberale Einstellung absprechen. Es gibt zwar immer wieder diesbezügliche Beteuerungen, die im Alltag aber sehr schnell durch genau entgegengesetzte Handlungen als bloße Lippenbekenntnisse entlarvt werden. Wenn also ein nach meiner Einschätzung religiöser Fundamentalist im Namen der Toleranz und der Menschenrechte für das freie Tragen der Burka eintritt, ist das für mich schon eher echter Zynismus. Bis heute hat auch noch kein mir persönlich bekannter Katholik liberale Werte glaubhaft vertreten, wie z. B. die Religionsfreiheit.
Ich bin der Meinung, dass religiöse Fundamentalisten - ganz egal aus welchem "Lager" sie kommen - einen gemeinsamen Feind haben: Die "Aufklärung" und die daraus resultierenden Menschenrechte, im Besonderen eben die Demokratie und die Religionsfreiheit. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass ein Schulterschluss religiöser Fundamentalisten gegen den Verstand (sprich: Aufklärung) und zur Durchsetzung religiöser Gesetze in der Gesellschaft sowie des Sichtbarmachens (angeblich) religiöser Symbole im öffentlichen Raum stattgefunden hat.
Das Tolerieren einer Burka im öffentlichen Raum - nur um diesen kann es hier gehen - ist sicherlich sogar sehr liberal. Allerdings erhebt sich m. E. die Frage, wieweit es - aus den von dir in hervorragender Weise dargelegten Gründen - im Sinne des Erhaltens einer liberalen Gesellschaftsordnung sein kann, sozusagen die Intoleranz zu tolerieren. Sonst könnte man ja auch soweit "liberal" sein und eine Aufhebung sämtlicher Gesetze fordern, die neonazistische Aktivitäten verbieten.
Fazit m. E.:
Wer eine liberale Gesellschaftsordnung will, muss diese hegen und pflegen und notfalls auch verteidigen.
Die letzten beiden Absätze würde ich sofort unterschreiben.
MfG,
Harald
Hallo Harald,
ich kann Dich verstehen, wenn Du - aus Deiner Perspektive betrachtet - liberale und sich tolerant gebende Katholiken als zynisch wertest, da sie selbst in einer Tradition stehen, die solche Werte stets ablehnte. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass man zwischen geschichtlicher und aktueller Situation schon differenzieren muss, so kannst Du einem 'modernen' Katholiken nicht einfach die liberale Haltung absprechen: er hat durchaus das Recht, die eigene institutionelle Geschichte kritisch zu sehen und also liberale Werte glaubhaft zu vertreten. Bloß wenn dieser letztgenannte Schritt ausbleibt (worauf Du vermutlich hinaus möchtest), dann wäre der Zynismusvorwurf tatsächlich berechtigt.
Hallo Philipp,
ich muss noch hinzufügen, dass ich den Thread eröffnet habe, weil ich momentan gerade eine sehr intensive Diskussion per E-Mail mit einem Angehörigen der röm.-kath. Kirche führe. Dieser Herr ist in seiner Kirche sehr aktiv - er spielt gelegentlich im Grazer Dom sowie in der Kirche seiner Grazer Heimatpfarre die Orgel, darüberhinaus führt er einmal im Monat nächtliche Exerzitien in den Räumlichkeiten seiner Kirche durch - und steht lt. eigenen Angaben zur Elite der Diözese Graz-Seckau in einem sehr freundschaftlichen Verhältnis. Ich habe ihm schon mehrmals erklärt, das ich ihn für einen röm.-kath. Fundamentalisten halte, was von ihm aber jedesmal entrüstet zurückgewiesen wurde. Ich würde mich grundsätzlich freuen, wenn es innerhalb der röm.-kath. Kirche echt liberale Strömungen gäbe. Daher möchte ich auch keinem Katholiken a priori eine liberale Einstellung absprechen. Es gibt zwar immer wieder diesbezügliche Beteuerungen, die im Alltag aber sehr schnell durch genau entgegengesetzte Handlungen als bloße Lippenbekenntnisse entlarvt werden. Wenn also ein nach meiner Einschätzung religiöser Fundamentalist im Namen der Toleranz und der Menschenrechte für das freie Tragen der Burka eintritt, ist das für mich schon eher echter Zynismus. Bis heute hat auch noch kein mir persönlich bekannter Katholik liberale Werte glaubhaft vertreten, wie z. B. die Religionsfreiheit.
Ich bin der Meinung, dass religiöse Fundamentalisten - ganz egal aus welchem "Lager" sie kommen - einen gemeinsamen Feind haben: Die "Aufklärung" und die daraus resultierenden Menschenrechte, im Besonderen eben die Demokratie und die Religionsfreiheit. Daher kann ich mir gut vorstellen, dass ein Schulterschluss religiöser Fundamentalisten gegen den Verstand (sprich: Aufklärung) und zur Durchsetzung religiöser Gesetze in der Gesellschaft sowie des Sichtbarmachens (angeblich) religiöser Symbole im öffentlichen Raum stattgefunden hat.
Eine ganz andere Frage hingegen ist, inwiefern das Tolerieren der Burka etwas mit liberalen Werten zu tun hat. Das Problem sehe ich hier vor allem darin, dass es ja nun nicht nur darum geht, einem Individuum das Recht zuzugestehen, über die Wahl der eigenen Bekleidung frei entscheiden zu können, sondern es geht dabei vielmehr um den Aussagegehalt der damit verbundenen religiösen Symbolik.
Eine Burka steht nicht für eine liberale, demokratisch gesinnte Lebensorientierung, sondern für religiöse Weltanschauungen, die individuelle Rechte ablehnen und stattdessen die strikte Unterordnung des Individuums unter die Gemeinschaft fordern.
Das Tolerieren einer Burka im öffentlichen Raum - nur um diesen kann es hier gehen - ist sicherlich sogar sehr liberal. Allerdings erhebt sich m. E. die Frage, wieweit es - aus den von dir in hervorragender Weise dargelegten Gründen - im Sinne des Erhaltens einer liberalen Gesellschaftsordnung sein kann, sozusagen die Intoleranz zu tolerieren. Sonst könnte man ja auch soweit "liberal" sein und eine Aufhebung sämtlicher Gesetze fordern, die neonazistische Aktivitäten verbieten.
Fazit m. E.:
Wer eine liberale Gesellschaftsordnung will, muss diese hegen und pflegen und notfalls auch verteidigen.
Lassen wir also das Tragen der Burka (oder auch Kopftücher) in der Öffentlichkeit zu, so verhalten wir uns zwar (einfach betrachtet) liberal und tolerant, fördern zugleich aber auf einer anderen Ebene auch Intoleranz und Antiliberalismus. Es bleibt also festzustellen, dass es nicht die eine Toleranz oder die eine liberale Verhaltensweise gibt, stattdessen ist es stets nötig, die Konsequenzen mit in den Blick zu nehmen, so dass Gesamtzusammenhänge die konkrete Handlung (bspw. Verbot oder Toleranz der Burka) in einem erweiterten Licht erscheinen lassen.
Dann ist es nämlich nicht länger ein Zeichen von Toleranz und Liberalität, wenn Burkas (oder Kopftücher) erlaubt werden; im Gegenteil: implizit (da es oftmals nicht direkt ersichtlich und spürbar ist) werden dann Lebensanschauungen gefördert, deren Wertorientierungen den eigenen gesellschaftlichen Werten widersprechen.
Beste Grüße,
Philipp
Die letzten beiden Absätze würde ich sofort unterschreiben.
MfG,
Harald