Politischer Diskussionsstil
Für den Zweck dieser Betrachtung genügt es, den Stil politischer Diskussionen und Debatten von dem eines sachlichen Streitgespräches mit dem Unterfall des Wissenschaftsdiskurses zu unterscheiden.
Bei der sachlichen Auseinandersetzung kämpft Argument gegen Argument, idealiter tritt die Person, gänzlich in den Hintergrund. Man braucht nichts von ihr zu wissen, weder Geschlecht, Alter, Beruf oder Ansehen spielen eine Rolle. Was zählt sind allein Kraft und Stärke des Arguments wie sie in Beweiskraft, Plausibilität, Falsifizierbarkeit und nicht zuletzt auch in der Verständlichkeit zum Ausdruck kommen. Der Konkurrent als Mensch wird geschont, man könnte ja von ihm lernen und auf seinen Argumenten aufbauen, wie das gar nicht mal so selten in einigen Threads dieses Denkforums geschieht
Ganz anders zeigt sich dagegen die politische Diskussion. Hier kommt es darauf an, die Glaubwürdigkeit des Gegners zu erschüttern, ihn dazu als Person zu treffen. Nicht das bessere Argument soll siegen, sondern der vermeintlich (oder tatsächliche) zumindest fähigere und sympathischere Mensch. Im Kampf gegen den politischen Gegner dienen die Waffen der Häme, der Verächtlichmachung, besonders infam in der scheinbaren Höflichkeitstitalatur „der Professor aus Heidelberg“ mit der Weltfremdheit und „soziale Kälte“ verbunden mit der unterschwelligen Abneigung gegen Intellektuelle assoziiert werden sollen. Dem dient auch das vorsätzliche Missverstehen, die Verdrehung, die Vereinfachung bis hin zur Verfälschung. Es geht hier nicht um ein Nachkarten der letzten deutschen Bundestagswahl; aber man kann an einem Beispiel daraus besonders gut zeigen, wie erfolgreich ein solches, sachlich ungerechtfertigtes Vorgehen sein kann. Jener Professor aus Heidelberg, Paul Kirchhof, der als Verfassungsrichter wie kaum ein zweiter an familienfreundlichen Urteilen mitgewirkt hat, empfahl zur radikalen Steuervereinfachung eine Flatrate von 25%, also für alle denselben Steuersatz.
Und er erwartete – das war vielleicht wirklich etwas weltfremd - , dass jeder versteht: 25% ergibt bei einem Jahreseinkommen von 100.000 € einen Steuerbetrag von 25.000; bei einem von 10.000 einen solchen von 2.500 €.
Doch binnen weniger Tage wurde daraus, gedruckt auf vielen Tausenden von Flugblättern (neudeutsch: Flyers): Die Sekretärin zahlt dieselbe Steuer wie der Generaldirektor und bei der berühmten Nachtschwester hieß gleich ganz brutal: Sie zahlt denselben Betrag (sic!) wie der Chefarzt. – Alle Wahlforscher sind sich darin einig, dass Hunderttausende den Steuersatz fälschlich = Steuerbetrag gesetzt hatten. – Das war wahlentscheidend.
Kein demokratisches Parlament kann ein Club frommer Betschwestern und –brüder sein, die um Erleuchtung zur Wahrheitsfindung flehen. Es geht um Macht, Machtvergrößerung und –erhalt zur Gestaltung des öffentlichen Lebens nach den jeweiligen politischen Vorstellungen. Ein CDU-MdB hat in einer Debatte – wohl versehentlich - trefflich zum Ausdruck gebracht, was eine politische Diskussion von einer Sachdiskussion unterscheidet. Er sagte, sich vom Rednerpult zur SPD hinwendend: „Meine Damen und Herren, Sie können auch mit Ihren besseren Argumenten uns nicht von unserer politischen Überzeugung abbringen.“ Wohl wahr – dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Wir diskutieren hier über Politik, aber deswegen brauchen wir nicht ihren Diskussionsstil zu übernehmen.
Das wünscht sich – Ziesemann (und bitte jetzt keine Diskussion über Pro und Contra des Kirchhof’schen Steuermodells)
Für den Zweck dieser Betrachtung genügt es, den Stil politischer Diskussionen und Debatten von dem eines sachlichen Streitgespräches mit dem Unterfall des Wissenschaftsdiskurses zu unterscheiden.
Bei der sachlichen Auseinandersetzung kämpft Argument gegen Argument, idealiter tritt die Person, gänzlich in den Hintergrund. Man braucht nichts von ihr zu wissen, weder Geschlecht, Alter, Beruf oder Ansehen spielen eine Rolle. Was zählt sind allein Kraft und Stärke des Arguments wie sie in Beweiskraft, Plausibilität, Falsifizierbarkeit und nicht zuletzt auch in der Verständlichkeit zum Ausdruck kommen. Der Konkurrent als Mensch wird geschont, man könnte ja von ihm lernen und auf seinen Argumenten aufbauen, wie das gar nicht mal so selten in einigen Threads dieses Denkforums geschieht
Ganz anders zeigt sich dagegen die politische Diskussion. Hier kommt es darauf an, die Glaubwürdigkeit des Gegners zu erschüttern, ihn dazu als Person zu treffen. Nicht das bessere Argument soll siegen, sondern der vermeintlich (oder tatsächliche) zumindest fähigere und sympathischere Mensch. Im Kampf gegen den politischen Gegner dienen die Waffen der Häme, der Verächtlichmachung, besonders infam in der scheinbaren Höflichkeitstitalatur „der Professor aus Heidelberg“ mit der Weltfremdheit und „soziale Kälte“ verbunden mit der unterschwelligen Abneigung gegen Intellektuelle assoziiert werden sollen. Dem dient auch das vorsätzliche Missverstehen, die Verdrehung, die Vereinfachung bis hin zur Verfälschung. Es geht hier nicht um ein Nachkarten der letzten deutschen Bundestagswahl; aber man kann an einem Beispiel daraus besonders gut zeigen, wie erfolgreich ein solches, sachlich ungerechtfertigtes Vorgehen sein kann. Jener Professor aus Heidelberg, Paul Kirchhof, der als Verfassungsrichter wie kaum ein zweiter an familienfreundlichen Urteilen mitgewirkt hat, empfahl zur radikalen Steuervereinfachung eine Flatrate von 25%, also für alle denselben Steuersatz.
Und er erwartete – das war vielleicht wirklich etwas weltfremd - , dass jeder versteht: 25% ergibt bei einem Jahreseinkommen von 100.000 € einen Steuerbetrag von 25.000; bei einem von 10.000 einen solchen von 2.500 €.
Doch binnen weniger Tage wurde daraus, gedruckt auf vielen Tausenden von Flugblättern (neudeutsch: Flyers): Die Sekretärin zahlt dieselbe Steuer wie der Generaldirektor und bei der berühmten Nachtschwester hieß gleich ganz brutal: Sie zahlt denselben Betrag (sic!) wie der Chefarzt. – Alle Wahlforscher sind sich darin einig, dass Hunderttausende den Steuersatz fälschlich = Steuerbetrag gesetzt hatten. – Das war wahlentscheidend.
Kein demokratisches Parlament kann ein Club frommer Betschwestern und –brüder sein, die um Erleuchtung zur Wahrheitsfindung flehen. Es geht um Macht, Machtvergrößerung und –erhalt zur Gestaltung des öffentlichen Lebens nach den jeweiligen politischen Vorstellungen. Ein CDU-MdB hat in einer Debatte – wohl versehentlich - trefflich zum Ausdruck gebracht, was eine politische Diskussion von einer Sachdiskussion unterscheidet. Er sagte, sich vom Rednerpult zur SPD hinwendend: „Meine Damen und Herren, Sie können auch mit Ihren besseren Argumenten uns nicht von unserer politischen Überzeugung abbringen.“ Wohl wahr – dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Wir diskutieren hier über Politik, aber deswegen brauchen wir nicht ihren Diskussionsstil zu übernehmen.
Das wünscht sich – Ziesemann (und bitte jetzt keine Diskussion über Pro und Contra des Kirchhof’schen Steuermodells)