Hi Kontur,
ich habe deine Meinung mit Interesse gelesen und verstehe, was du ausdrücken möchtest. Dennoch habe ich einige Fragen dazu:
1) Du sprichst von "naturwissenschaftlich". Aber ist das nicht schon eine Einschränkung bzw. Spezifizierung von Wissenschaft? Naturwissenschaft impliziert das Vorhandensein eines empirischen, nachweisbaren, Faktors.
Wenn du diese Entscheidung vertreten möchtest, hast du sicher eine Kernproblematik erkannt, Philosophie ist keine Naturwissenschaft, ihr Objekt ist im Großen die Frage nach dem Menschen, die Frage nach seiner Rolle in der Welt.
2) Erarbeiten "neuer Interpretationen" - du scheinst diesen Aspekt nur unter Vorbehalt der Wissenschaft zusprechen zu wollen. Dennoch definiert sich JEDE Wissenschaft durch ihre Methode.
Ich behaupte also sogar, dass Philosophie die Grundlage der Wissenschaften (besonders der Geisteswissenschaften) ist und die geisteswissenschaftlichen Methoden geradezu erarbeitet.
Der Wissenschaftsbegriff scheint hier stark naturwissenschaftlich konnotiert zu sein. Dieses ist aber dahingehend fragwürdig, als dass "wissenschaftliches Arbeiten" sich nicht primär durch das Erkenntnisfeld definiert, sondern durch die METHODE der Erkenntnis: Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften, Psychologie, Kommunikationswissenschaften und Philosophie,Theologie (und das ganze Gedönz) sind doch alle auf den Menschen, sein Selbstverständniss und dessen Interaktionszusammenhänge gerichtet. Die Unterscheidung findet sich in der Methode der Betrachtung (Erkenntnis s.o.).
Nun mag man einwenden, dass dieses eine recht willkürliche Festlegung des wissenschaftlichen Begriffes und zumal eine unbewiesene Definition der genannten Einzelwissenschaften sei. Ich verweise aber darauf, dass diese Definition den Vorteil hat, dass sie eine recht deutliche Differenzierung ermöglicht, die bei einer rein Erkenntniszielorientierten Definition nicht möglich wäre: Kommunikationswissenschaften oder Soziologie wären nicht von den anderen Sozialwissenschaften trennbar, wenn es nur um ein bestimmtes Betrachtungsfeld ginge, dass - wie schon ausgeführt - bei allen Sozial- und Geisteswissenschaften - ähnlich ist. Die Kommunikationswissenschaften wäre z.B. völlig parallel zu den Politikwissenschaften, Kommunikationsprozesse sind ÜBERALL in der Gesellschaft vorhanden und auch der PolitikWissenschaft wesentlich.
Ich hoffe, ich konnte zumindest plausibel machen, dass die Methode neben der "Perspektive" eine wichtige Formel zur Definition der Wissenschaften ist, eine methodische Alleindefinition würde ich momentan aber wahrscheinlich auch noch nicht unterstützen.
Das alles hatte übrigens das Ziel, die angeblichen "praktischen" Defizite der Philosophie gegenüber den anderen Wissenschaften zu kompensieren, ich hoffe, das ist meinem Ausdünstungen nicht untergegangen
Gruß,
cf
P.S.
Ich bin müde, es ist spät, ich habe ein - zusätzliches - Loch im Kopf. Bitte um Nachsicht