Cranio-Sacral-Therapie
Nach entsprechenden volksheilkundlichen und sehr alten "Knochenbrecher-Techniken" gab es einen großen Entwicklungsschub in der Behandlung der Gelenke und besonders der Wirbelsäule durch die Erkenntnisse von Dr. A. T. Still (1828-1917). Auf der Grundlage dieser seiner Erfahrungen und methodisch erprobten Techniken entwickelte auch D.D. Palmer (1845-1913) seine wesentlich bekanntere "Chiropraktik". Die aus der Osteopathie hervorgegangene Craniosacrale Osteopathie (CSO) von Dr. W.G. Sutherland (1873-1954) hat da eine Sonderstellung. Diese Therapiemethode ist speziell auf den Schädel (cranium) und das Kreuzbein (Sacrum) ausrichtet.
Bei der CSO geht es meist um die Beseitigung von Blockierungen, die dann die Grundlage für die Heilungen schaffen sollen. Die anatomischen und biomechanischen Erkenntnisse, z.B. Bewegungen in der SSB (Symphysis-Spheno-Basilaris) sind allerdings, trotz Beteuerungen ärztlicher Fachleute (J. E. Upledger, Frymann, Magoun, Retzlaff), nicht eindeutig bewiesen (4/02, CSO, H-J. Merkt).
Dr. John E. Upledger, ein osteopathischer Chirurg, stellte einen kranialen Bewegungsrhythmus der Nervenflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) fest, der sich bis ins Kreuzbein fortsetzt, mit einer Frequenz von 6-10 Zyklen pro Minute. Diese "Entdeckung" verstand er als Erweiterung der von Dr. Sutherland aufgestellten Behauptung ist, dass sich der Schädel in einer Vorne-hinten-Bewegung ausdehnt und verkürzt. Die nach der Geburt zunehmende Verknöcherung der Schädelnähte (Suturen) ließ er unberücksichtigt.
Bei der Craniosacralen Osteopathie wird durch ensprechend zu erlernendes Ertasten (Palpation) die Befunderhebungen ausgeführt (Blockierungen = Restriktionen) und anschließend durch Korrektur-Techniken am Kopf (z.B. Suturen, Kiefergelenke), bzw. am Kreuzbein behoben.
Die medizinische Beurteilung ist einmal unter dem Aspekt zu sehen, dass es in diesem Be-reich sehr erprobte Heilmethoden gibt, z.B. die von Dr. A. Taylor Still begründete Osteopathie und die Chiropraktik (ärztlich genannt: Chirotherapie). Zum anderen sind die guten Ergebnisse - außer einem starken Entspannungseffekt - nicht eindeutig nachvollziehbar. In einem Lehrbuch heißt es: "In der therapeutischen Sitzung kann sich der Patient an einer Grenze zwischen äußerer und innerer Wahrnehmung befinden. Durch diese Fokussierung ist der Übergang in eine Trance fließend möglich." (Rang, Höppner, Craniosacral Osteopathie, Hippokrates, 1998). Das muss aber nicht so sein, und wird von seriösen Therapeuten eindeutig abgelehnt.
Die meisten CSO-Therapeuten behandeln weniger die körperlichen, sondern vielmehr sog. psychisch-emotionale Störungen. Da ist eine Überprüfung der geistlichen Ausrichtung notwendig, d.h. bei einem solchen Behandler können esoterische Einflüsse vorkommen.
Ein Merkmal der Cranio-Sacral-Therapie ist ihre hypothetische Begründung. Diese Modelle basieren allerdings noch auf den Erklärungen der "Osteopathy in the Cranial Field" der 1950er Jahre, mit denen auch John E. Upledger D.O. als osteopathischer Arzt ausgebildet wurde. Man meinte damals, ein angenommener sogenannter "Cranio-Sacral-Rhythmus" (="Primary Respiratory Mechanism"), pulsiere in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit. Was letztendlich diese palpierbaren Pulsationen im Gewebe sind, ist physiologisch bisher nicht erklärbar. Dabei kann es sich um Rhythmen von 5-12 Zyklen, aber auch um ganz andere Rhythmen handeln. Weiters wird den einzelnen Schädelnähten (und den darin enthaltenen Sharpey-Fasern) eine gewisse Beweglichkeit zugeschrieben, die untersucht und therapiert werden könne. Durch Berührung von Kopf und Rücken will der Therapeut Informationen über mögliche Blockaden dieses Flusses sammeln und dadurch auf mögliche Funktionseinschränkungen an Körper und Schädel einwirken, sowie indirekt auch Membranen innerhalb des Schädels (Falx cerebri, Tentorium, Falx cerebelli) und die harte Hirnhaut (Dura mater) beeinflussen. Dieses Vorgehen soll den "Energiefluss" verbessern und Selbstheilungskräfte aktivieren, Funktionseinschränkungen und seelische Traumata lösen.
Da der Hintergrund der Cranio Sacral Therapie nicht auf medizinische und anatomische Grundlagen beruht kann ich diese Therapie nicht empfehlen. Aus Sicht der Medizin ist eine physiologische Begründung für eine im ganzen Körper wirksame Liquorwelle unbekannt. Von daher ist eine Wirksamkeit der Cranio-Sacral-Therapie auch nicht begründbar. Befürworter der Cranial-Sacral-Therapie berufen sich nur auf eigene Erfahrungen. Studien über die Wirksamkeit oder Wirkweise der Cranio-Sacral-Therapie wurden in internationalen medizinischen Fachblättern aufgrund methodischer Mängel bisher als mangelhaft bewertet.
Ich empfehle bei psychisch-emotionalen Störungen einen Seelsorger aufzusuchen, entweder in der eigenen Gemeinde oder sich an die Seelsorge-Abteilung.