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Patriotismus in den USA

xcrypto

New Member
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28. März 2008
Beiträge
439
Wir diskutieren hier ja in mehreren Threads recht fruchtbar über diverse "deutsche" Themen, u.a. den Nationalismus. Ich will das mal aufgreifen, allerdings mit einem Blick über den Teich, auch um einfach mal andere Menschen unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.

Der US-amerikanische Patriotismus wird, vor allem hierzulande, ja oft und gerne verlacht und verhöhnt. Meiner Meinung nach oft genug mit gutem Grund. Es gibt aber eine Seite des Patriotismus dort, die man vielleicht genauer betrachten solte.

Ich will das am Beispiel einer Amerikanerin machen, die über eine gute Freundin berichtet. Diese Freundin ist eine sogenannte Liberale (nicht zu verwechseln mit dem, was man in Deutschland gemeinhin als liberal verbindet, in der USA meint "liberal" eher links-intellektuell), hat die New York Times abbonniert, findet Bush furchtbar und betrachtet den Irakkrieg als einen Riesenfehler. Diese Freundin ist von Beruf Krankenschwester und arbeitet bei der US Army. Sie wird in den Irak gehen, freiwillig. Sie wird sich dort in einem Gefängniskrankenhaus um Iraker kümmern.

Es kommt noch paradoxer: sie tut das aus Patriotismus. Ja. Aus Liebe zu ihrem Land und zu den amerikanischen Grundwerten, die heute leider etwas untergehen im allgemeinen Bush-Blah-Blah. Und um etwas zurückzugeben, an ihre Landsleute, und an die Opfer die der Krieg verursacht.

Die Geschichte kann man hier nachlesen (leider nur auf englisch):
Thank You To A Friend Going To War.

Ich bin ja eigentlich gar kein Fan von patriotischen Einstellungen, tatsächlich würde es mir wohl auch nie in den Sinn kommen, freiwillig in einen Krieg zu ziehen, und sei es nur um dort Kranken zu helfen - was gefährlich genug sein kann - das muss ich ehrlicherweise zugeben. Trotzdem kann ich vor der Frau nur den Hut ziehen, einen Heidenrespekt hab ich vor ihr. Ich bin davon ziemlich gerührt.

Die Frage in die Runde, die sich hieraus nun ergibt: was haltet Ihr davon? Ist so ein Patriotismus angebracht? Macht das Sinn? Ist die Frau verrückt? Oder verstehen wir das nur nicht (richtig)?



lg, xcrypto
 
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AW: Patriotismus in den USA

Oh wie schön, ich hab ein Thema gefunden, das keinen interessiert :) Was mich aber nicht dran hindern wird, hier weiterzuschreiben :)

Auch ein gutes Beispiel für "Patriotismus": "Dear Mr. President" von PINK:

Lieber Herr Präsident.
Komm lassen uns einen Spaziergang machen.
Lass uns so tun als währen wir zwei Leute und
du währst nicht besser als ich.
Ich würde dir gerne ein paar Fragen stellen, wenn wir offen sprechen könnten.

Was fühlst du wenn du all die Obdachlosen auf der Straße siehst?
Für wen betest du am Abend bevor du schlafen gehst?
Was fühlst du wenn du in den Spiegel siehst?
Bist du stolz?

Wie schläfst du wenn der Rest von uns weint?
Wie träumst du wenn eine Mutter keine Chance hatte auf Wiedersehen zu sagen?
Wie kannst du erhobenem Hauptes gehen?
Kannst du mir überhaupt in die Augen sehen
und mir sagen warum?

Lieber Herr Präsident.
Warst du ein einsamer Junge?
Bist du ein einsamer Junge?
Bist du ein einsamer Junge?
Wie kannst du sagen,
das kein Kind zurückgelassen wird?
Wir sind nicht dumm und wir sind nicht blind.
Sie sitzen alle in deinen Zellen,
während du die Straße zur Hölle bahnst.

Welcher Vater würde seiner eigenen Tochter die Rechte wegnehmen?
Und welcher Vater könnte seine eigene Tochter hassen wenn sie lesbisch wäre?
Ich kann mir nur vorstellen was die First Lady gesagt hätte.
Du kamst einem langen Weg aus Whiskey und Kokain.

Wie schläfst du wenn der Rest von uns weint?
Wie träumst du wenn eine Mutter keine Chance hatte auf Wiedersehen zu sagen?
Wie kannst du mit erhobenem Hauptes herumlaufen?
Kannst du mir überhaupt in die Augen sehen?

Lass mich dir von harter Arbeit erzählen.
Mindestlohn und ein Baby mit auf dem Weg.
Lass mich dir von harter Arbeit erzählen.
Wiederaufbau deines Hauses, nachdem Bomben es zerstört haben.
Lass mich dir von harter Arbeit erzählen.
Bauen eines Bettes aus einem Papp-Karton.
Lass mich dir von harter Arbeit erzählen.
Harter Arbeit.
Harter Arbeit.
Du weist nichts von harter Arbeit.
Harter Arbeit.
Harter Arbeit.
Oh

Wie schläfst du in der Nacht?
Wie kannst du mit erhobenem Hauptes herumlaufen?

Lieber Herr Präsident,
du würdest niemals mit mir spazieren gehen, oder doch?
 
AW: Patriotismus in den USA

hallo xcrypto, ich finde beide deiner geschichten wunderbar berührend, frage mich aber ob und wieweit sie mit patriotismus zu tun haben.
aus dem handeln und den aussagen dieser armykrankenschwester lese ich einen wunsch zur wiedergutmachung heraus und die frage an denpräsidenten, klingt eher nach hoffnungsloser unzufriedenheit.
meiner meinung nach haben sich die amerikaner lange als die retter und beschützer der freien welt gesehen und konnten lange zeit nicht verstehen, dass aus dem guten "uncle sam" plötzlich der "hässliche ami" wurde. sie haben uns von HITLER befreit und vor STALIN gerettet und trotzdem wird es ihnen nicht gedankt. mein freuns S. ist seit sechs wochen wieder zurück aus maryland, wo er ein jahr gearbeitet hat und hat mir einige lokalzeitungen von dort mitgebracht und mir auch einige meinungen seiner amerikanischen arbeiter erklärt. danach haben diese die grosse angst und die wird geschürt, dass wir europäer uns mit den moslems verbünden und die USA bekämpfen wollen. da der durchschnittsami von europa nur einen vagen begriff hat, kann man ihnen wahrscheinlich leicht angst machen.
wenn dann die parole "wir gegen die welt" ausgibt, dann rücken die amis wieder zusammen und auf dem klavier des patriotismus wird ein hässliches spiel gespielt.
meint bakunin
 
AW: Patriotismus in den USA

Hallo xcrypto, will Dir nur sagen, dass Dein Thread mich sehr wohl interessiert.
Ich fühle mich aber momentan nicht imstande, darauf sinnvoll und fundiert zu schreiben.
Warum?
Weil ich als in der Wolle gefärbter Antiamerikaner auch an dieser "ewigen Wahrheit" zu zweifeln begonnen habe.
Da ich außerdem keine Amerikaner kenne und auch immer wieder gesagt bekomme, wie heterogen dieses Land ist, bin ich der Meinung, dass ich hier lieber still sein sollte.

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Patriotismus in den USA

Hallo Bakunin,

diese beiden Beispiele haben deshalb etwas mit Patriotismus zu tun, weil sie anschaulich zeigen, dass Patriotismus etwas anderes ist als das, was Bush & Co ständig predigen. Das was diese Leute meinen und tun ist Fundamentalismus. Patrioten sind sie nicht.

Hallo Piespezi,

der Grund, warum ich das Thema anbringe ist der, dass es uns meiner Meinung nach sehr wohl betrifft, und zwar völlig unabhängig davon wie man den Amerikanern gegenüber eingestellt ist oder wieviel man davon weiss.

Zugegeben ist der Gedankengang nicht naheliegend, daher hier nochmal erläutert: die Politik in unserem Land predigt ebenso wie die US Administration permanent von irgendwelchen Werten, die es "zurückzugewinnen" gilt oder die man "pflegen" müsse. Diese Werte - "Deutsche Werte", Du erkennst die Analogie - klingen alle recht vernünftig. Aber es ist eben ein Unterschied zwischen dem wie etwas klingt, wie etwas gemeint ist und dem, wie derjenige der da spricht selber handelt.

Unsere sogenannten "Volksvertreter" werden es freilich kaum wagen den Begriff Patriotismus in den Mund zu nehmen, das ist schlecht für die Wiederwählbarkeit. Es ist aber das was sie meinen, sie beten einen Patriotismus herbei der ihrer Meinung nach alles besser machen soll. Gleichzeitig aber wissen sie gar nicht was Patriotismus eigentlich sein soll und ihre Taten strafen sie ohnehin Lügen.

Letztlich sind die Tendenzen hierzulande nämlich die gleichen, es läuft auf Fundamentalismus heraus. Man ist hierzulande in dieser Sache noch nicht so weit wie in den USA, dazu wirkt die Aufklärung noch zu sehr nach, wenn ich das richtig verstanden habe mit der Aufklärung. Aber die Tendenz ist allgemein sichtbar. Allerorten mehren sich die Rufe nach "patriotischen" Werten und diese Leute werden gleichzeitig immer extremer in ihren Ansichten. Ein schönes Beispiel für einen solchen Extremismus ist Hessen, wo man versucht hat (oder es tut? ich weiss es nicht genau) im Biologieunterricht den Kreationismus einzuführen.

Ich empfinde diese Tendenz in höchstem Maße gefährlich und beängstigend.




lg, xcrypto
 
AW: Patriotismus in den USA

siehst du xcrypto, genau hier liegt für mich der hund begraben.
ich finde dieses wort patriotismus als nicht mehr zeitgemäss, denn begriffe wie, vaterlandsliebe oder heimattreue, verehrung der staatsführer werden doch in unserer modernen gesellschaft in dieser form nicht mehr ernst genommen und wenn dann führen sie unweigerlich zum nationalismus.
diese begriffe, werden doch nur von rechtskonservativen politikern missbraucht.
denn nationalismus und fremdenhass passen gut zusammen, heimatliebe und
ausländerfeindlichkeit aber nicht.
wir haben auf der ganzen welt und in jedem kulturkreis rattenfänger, die mit diesem wort ihre schäfchen locken und deshalb ist mir dieses wort eigentlich recht zuwider geworden.
ich denke, dass KURT TUCHOLSKY darüber genug geschrieben hat und das ist auch einer der gründe, wraum ich den mann immer noch so gerne lese.
ein grübelnder bakunin
 
AW: Patriotismus in den USA

siehst du xcrypto, genau hier liegt für mich der hund begraben.
ich finde dieses wort patriotismus als nicht mehr zeitgemäss, denn begriffe wie, vaterlandsliebe oder heimattreue, verehrung der staatsführer werden doch in unserer modernen gesellschaft in dieser form nicht mehr ernst genommen und wenn dann führen sie unweigerlich zum nationalismus.
diese begriffe, werden doch nur von rechtskonservativen politikern missbraucht.
denn nationalismus und fremdenhass passen gut zusammen, heimatliebe und
ausländerfeindlichkeit aber nicht.
wir haben auf der ganzen welt und in jedem kulturkreis rattenfänger, die mit diesem wort ihre schäfchen locken und deshalb ist mir dieses wort eigentlich recht zuwider geworden.
ich denke, dass KURT TUCHOLSKY darüber genug geschrieben hat und das ist auch einer der gründe, wraum ich den mann immer noch so gerne lese.
ein grübelnder bakunin

Hallo bakunin, da Du nun meinen "Helfer in allen Lebenslagen"- den guten Tucho - ansprichst, muss ich doch kurz einen bringen:
Deine Patriotismus-Auffassung teile ich.
Aber diese Schwester aus USA, die xcrypto uns vorstellt:
Vielleicht war deren Antrieb einfach schlichte Menschlichkeit - die natürlich auch von Rattenfängern missbraucht wird...

LG, pispezi :zauberer2
 
AW: Patriotismus in den USA

Ja Bakunin, vollste Zustimmung. Das Problem ist der Zynismus in dem der Begriff halt öffentlich gebraucht wird. Was er wirklich ursprünglich bedeutete, weiss kaum noch jemand. Darauf wollte ich hinweisen. Und natürlich sollte das nun nicht als Ruf nach Patriotismus missverstanden werden. Wenn wir es Humanismus nennen soll mir das genügen :)



lg, xcrypto
 
AW: Patriotismus in den USA

Es gibt aber eine Seite des Patriotismus dort, die man vielleicht genauer betrachten solte.

Ich will das am Beispiel einer Amerikanerin machen, die über eine gute Freundin berichtet. Diese Freundin ist eine sogenannte Liberale (nicht zu verwechseln mit dem, was man in Deutschland gemeinhin als liberal verbindet, in der USA meint "liberal" eher links-intellektuell), hat die New York Times abbonniert, findet Bush furchtbar und betrachtet den Irakkrieg als einen Riesenfehler. Diese Freundin ist von Beruf Krankenschwester und arbeitet bei der US Army. Sie wird in den Irak gehen, freiwillig. Sie wird sich dort in einem Gefängniskrankenhaus um Iraker kümmern.

Es kommt noch paradoxer: sie tut das aus Patriotismus. Ja. Aus Liebe zu ihrem Land und zu den amerikanischen Grundwerten, die heute leider etwas untergehen im allgemeinen Bush-Blah-Blah. Und um etwas zurückzugeben, an ihre Landsleute, und an die Opfer die der Krieg verursacht.

(...)

(...) kann ich vor der Frau nur den Hut ziehen, einen Heidenrespekt hab ich vor ihr. Ich bin davon ziemlich gerührt.

Die Frage in die Runde, die sich hieraus nun ergibt: was haltet Ihr davon? Ist so ein Patriotismus angebracht? Macht das Sinn? Ist die Frau verrückt? Oder verstehen wir das nur nicht (richtig)?


Hallo, xcrypto!

(Ich kann mich erst heute in diese Diskussion einschalten, weil ich fast zwei Wochen lang ständig aus meinen Foren rausgeflogen bin und erst heute nach professioneller Hilfe wieder teilnehmen kann.)

Was ich davon halte? Ich bin überzeugt davon, dass dieses Verhalten ein Ergebnis erfolgreicher Indoktrination ist.
Ich habe von 1960 bis 1963 in den USA die Schule besucht, wo ich im Fach "Civics" einer ähnlichen, wenn auch erheblich subtileren, Gehirnwäsche unterzogen wurde wie gleichzeitig meine Freundin und mein Cousin in der damaligen Ostzone. Zwar waren Methode und vermittelte Werte andere, aber das Ziel war dasselbe: bedingungsloser Einsatz für die Nation. Wozu in meinem Fall im übrigen auch die Vermittlung der Überzeugung gehörte, dass die USA "the greatest country in the world" seien, allen anderen haushoch überlegen, besonders auf wirtschaftlichem, militärischem, politischem und moralischem Gebiet. Damals gab es auch keinerlei Zweifel daran, dass sich das jemals ändern könnte. (Ich als Ausländerin fand das ganz schlicht abstoßend.)

Ich habe immer noch starke Bindungen zu den USA - wenn auch wahrhaftig keine patriotischen - und bin Mitglied einer dortigen sehr liberalen Religionsgemeinschaft. Wir kommunizieren über eine email-Liste, und auf diesem Wege konnte ich in den letzten Jahren höchst interessante Studien zum angesprochenen Thema machen. Fast alle Mitglieder verabscheuen Bush und verurteilen den Irak-Krieg. Dieselben aber, die sich so äußern, reden - unwidersprochen - ständig davon, dass man die eigenen Truppen moralisch und auch sonstwie unterstützen müsse, das erfordere der Patriotismus. Einige äußerten auch, dass sie jederzeit bereit seien, für ihr Land und dessen Ideale zu sterben - ebenfalls, ohne dass diese Aussage infrage gestellt oder auch nur ansatzweise diskutiert wurde, so selbstverständlich ist das offenbar auch heute noch.


Viele Grüße,

Torda
 
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Ein schönes Beispiel für einen solchen Extremismus ist Hessen, wo man versucht hat (oder es tut? ich weiss es nicht genau) im Biologieunterricht den Kreationismus einzuführen.

Sagen wir mal so: Es wurde seitens des Kultusministeriums geduldet, dass sich so etwas an zwei Schulen in Gießen einschlich. Dank einer aufmerksamen Presse (Süddeutsche Zeitung) kam es aber zum öffentlichen Skandal. Soviel ich weiß, ist der Kreationismus spätestens mit der Abdankung der Kultusministerin aus den beiden Schulen verschwunden. (Kann dafür aber nicht garantieren.)


Viele Grüße,

Torda
 
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