NützlichkeitsPrinzip?
Ist ein zu schwacher Begriff! Ich würde sagen: materialistisches Gewinnstreben verbunden mit einem ausgeprägten Egoismus charakterisierte sicher nicht nur das soziale und wirtschaftliche Leben der zwanziger Jahre - hätte man sich für andere Werte interessiert, hätte man vielleicht das Dritte Reich verhindern können - , sondern auch das anderer Zeiträume. Der ethische Konsens war begonnen mit der Neuzeit schon längst ausgehöhlt. Immer da, wo der Mensch sich zum Maß aller Dinge macht, entsteht Vergleichbares und nimmt mit jeder neuen Generation überproportional an Wirkung zu. Hinzu kam der verlorene Krieg der die Menschen bedrückte, Millionen von Toten, Hungernot unter der Zivilbevölkerung, hohe den wirtschaftlichen Aufschwung bremsende Reparaturzahlungen, außerdem ein politisches Klima, das mehrheitlich in der Mitte von bequemer Kurzsichtigkeit und dem Bemühen um Machterhalt und an den linken und rechten Flügeln durch parteiliches Machtstreben und schließlich auch durch Mord und Totschlag geprägt war. So beklagte sich im Jahre 1922 - einen Tag nach der Ermordung seines verdienten Außenministers Rathenau - der Reichskanzler Joseph Wirth in seiner berühmten Reichstagsrede "Der Feind steht rechts!" darüber, dass man anstelle die ohnehin sehr, sehr schwierige Position der deutschen Regierung gegenüber den Siegermächten in jeder Hinsicht zu stärken, keine Gelegenheit auslasse, um diese zu verspotten und zwar aus den Reihen der Reichtagsparteien: " Wie weit die Vergiftung in Deutschland geht, will ich einmal an einem Beispiel zeigen.... Reinhold Wulle, Mitglied des Reichstages. ... sagt uns, ... die wir deshalb die Politik [gemeint sind die Verhandlungen über die Reparationszahlungen] machen, damit wir der Entente gefallen und dadurch eine Anstellung haben:... und daß das ganze System zum Teufel gejagt werden muß,...Wo ist ein Wort gefallen im Laufe des Jahres von Ihrer Seite [an die Deutschnationalen gewendet] gegen das Treiben derjenigen, die die Mordatmosphaäre in Deutschland tatsächlich geschaffen haben? Da wundern Sie sich über die Verwilderung der Sitten, die damit eingetreten ist. ... Wollen wir aus dieser Athmosphäre - und das ist es doch, worauf es allein ankommt - wieder heraus, ... dann muss das System des politischen Mordes endlich enden, das die politische Ohnmacht eines Volkes offenbart....Ich war vorhin beim Kirchgang Zeuge des Aufmarsches der großen Massen zur DEmonstration im Lustgarten. ... Es war eine Ruhe; aber mögen sich die Kreise in Deutschland durch diese äußere Ruhe nicht täuschen lassen. In der Tiefe droht ein Vulkan!...Ich muss hier ... wiederholen, ... daß in einem so wahnwitzigen Entscheidungskampf, den so viele von Ihnen gewissenlos herbeiführen, uns unsere Pflicht dahin führt, wo die großen Scharen des arbeitenden Volkes stehen. ... Ich würde mich freuen, wenn gerade in den Kreisen, die bisher unserer Politik feindlich gegenüberstanden, ein Verständnis dafür vorhanden wäre, daß gewisse Linien unser Politik unter keinen Umständen verlassen werden dürfen....In jeder Stunde Demokratie! Aber nicht Demokratie, die auf den Tisch schlägt und sagt: wir sind an der Macht! - nein, sondern jene Demokratie, die geduldig in jeder Lage für das eigene unglückliche Vaterland eine Förderung der Freiheit sucht!"(Text aus dem "Lesebuch zur Deutschen Geschichte. Dortmund 1984. Bd. III, S.122-129.)
manfred