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NS- Vergangenheit - soll sie ruhen?

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...und nun stellt sich die Frage, was höher zu bewerten ist:Nämlich das Rechtsempfinden- oder das Abwägen des Preis/Leistungsverhältnisses.
Halten sich Soll und Haben die Waage?
Wie denkt die Mehrheit der Deutschen und Österreicher?
Denken sie, es ist ist vorbei - das Thema der gemeinsamen Schuld ist abgehakt- , oder suchen sie weiterhin nach den Sündenböcken der unseligen Vergangenheit, und denken, dass sie, die sich heute im Glanz der Demokratie und der Menschlichkeit aalen, aus der Sache raus sind?
Ich bin da raus, sag und meine ich ehrlich. Der Schuh, der mir heute immer noch zum Anprobieren hingehalten wird, der passt mir echt nicht. Meine Schuhgröße ist eine andere!!

Warum will das niemand erkennen? Wird das wirklich erst bemerkt, wenn die Generation der Überlebenden und Zeitzeugen tot ist?
Das wäre echt schade!!!

Rhona
 
Salut!

Rhona, Deine, meine, die Meinung des Einzelnen, ob ein 90-jähriger Verbrecher prozessfähig sei und die Kosten/Nutzen-Rechnung aufgeht, ist irrelevant. Ebenfalls irrelevant -obwohl es vermutlich vielen zynisch klingen wird- ist die evtl. Genugtuung der Opfer-Angehörigen.
Wesentlich in diesem Fall ist m. E. einzig, das Rechtssystem darf nicht ausgehöhlt werden, ein Verbrecher muss unter Anklage gestellt werden.
Genozid ist primär eine rechtliche und keine historische Frage. Völkermord ist ein juristischer und kein historischer Begriff.
Juristen haben immerFragen der Vergangenheit zu beurteilen. Dabei helfen ihnen auch Erkenntnisse von Nichtjuristen, Experten, eventuell sogar Historikern.
Wäre 'Geschichte' nicht justiziabel, bräuchten wir kein Strafrecht. Recht kann nicht 'etwas' oder 'jemand' a priori vom Recht ausschliessen, verschonen. Seine Funktion ist ja gerade, entscheiden zu müssen.
Sicher deckt sich unser Rechtsempfinden nicht immer mit der Rechtsprechung, wir erlauben uns sogar manchmal Zweifel an der Justiz, am Rechtsstaat; sollen diese noch genährt werden?
Auch wenn die Verfahren Unsummen an Geld verschlingen, kann sich m.M.n. ein Rechtsstaat nicht leisten, sie nicht zu führen, sonst könnte das Strafrecht -ich wiederhole mich- ebenso gut gleich abgeschafft werden; die Diskussion ist verständlich, aber rechtlich irrelevant.
 
Hallo,

Ludwig P. schrieb:
Ich persönlich halte nichts von den selbsternannten Nazijägern, die nichts als Rache im Kopf haben!

Hast Du, Ludwig P., Jahrgang 1972, schon mal darüber nachgedacht, warum es diese Nazijäger gibt bzw. gegeben hat? Weil die Bundesrepubliken Deutschland und Österreich stets zu wenig getan haben, um die Schuldigen an den Naziverbrechen zu finden und zu bestrafen. Ist es z. B. nicht eigenartig, dass der Auschwitzprozess erst 1964 begann, fast 20 Jahre nach Kriegsende?

Bei den Nürnberger Prozessen hat man Leute, die fast keine Schuld an den Verbrechen trugen, verurteilt wie z.B. Hermann Göring oder Admiral Karl Dönitz

Na Du offenbarst ja hier Geschichtskenntnisse! Vielleicht hat man auch den Herrn Ribbentrop, seines Zeichens Aussenminister der Nazis, zu Unrecht in Nürnberg gehenkt? Er hat doch "nur" Diplomatie gemacht, Verträge unterschrieben (und gebrochen), aber gewiss persönlich keinen einzelnen Menschen umgebracht. Na und der Angriff auf Russland war vielleicht gar kein Verbrechen?

Auch Dein Kosten/Nutzen-Denken in der Frage der Verfolgung von Naziverbrechen lässt mich erschaudern. Geld für allfällige Prozesse findet sich allemal. Man senke einfach die Ausgaben der Regierung für Repräsentationszwecke oder noch besser die Ausgaben für das Militär!

Gruss
Hartmut
(Jahrgang 1944)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hartmut schrieb:
Hast Du, Ludwig P., Jahrgang 1972, schon mal darüber nachgedacht, warum es diese Nazijäger gibt bzw. gegeben hat? Weil die Bundesrepubliken Deutschland und Österreich stets zu wenig getan haben, um die Schuldigen an den Naziverbrechen zu finden und zu bestrafen. Ist es z. B. nicht eigenartig, dass der Auschwitzprozess erst 1964 begann, fast 20 Jahre nach Kriegsende?

Dazu wäre noch sehr Vieles zu sagen. Lasst mich doch , sehr abgekürzt, erwähnen, dass es hauptsächlich durch den Kalten Krieg dazu gekommen ist, dass die Siegermächte alte Nazis in wichtigen Posten wieder zuliessen. Und dies waren durchaus keine Mitläufer, sondern entweder Kriegsverbrecher, oder solche die an den Massenmorden in irgendeiner Weise beteiligt waren.
Es blieben viele Verbrecher unentdeckt, stiegen eine steile politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche Kariereleiter unbehindert hoch.
Noch schlimmer: man wusste über ihre Vergangenheit bescheid, doch oekonomische und politische Interessen führten zum Entschluß, diese Vergehen stillschweigend (und dadurch ungesühnt) ausser Acht zu lassen.

In den Eliten der BRD verbarg sich so mancher mit einer üblen Nazivergangenheit, einige die an Kriegsverbrechen direkt beteiligt gewesen waren.

Sind wir so weit, dass diese amorale, ja sogar imorale Haltung (denn nur so kann ich diese Duldung bezeichnen) sind wir so weit, dass sich uns dies heute als Normalität präsentiert?

Ich befürchte tatsächlich, dass ein solch kapitales Unrecht, welches aus allerhand unrühmlichen Interessen zugelassen wurde, sich heute fast schon als Recht präsentiert. Das Recht zum Beispiel, wegen des Alters, für Verbrechen nicht vor einem Gericht zu kommen, aber auch das Recht eine Kosten-Nutzen Analyse aufzustellen, dort wo es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht.
 
verzeihen, vergeben, vergessen das kann das opfer eines jeden verbrechens gerne ,wenn es willens und / oder in der lage dazu ist; egal wer der täter war, egal in welcher qualität, und egal zu welcher zeit das verbrechen verübt wurde.
aber eine rechtsstaatliche justiz darf das niemals.
 
dextra schrieb:
verzeihen, vergeben, vergessen das kann das opfer eines jeden verbrechens gerne ,wenn es willens und / oder in der lage dazu ist; egal wer der täter war, egal in welcher qualität, und egal zu welcher zeit das verbrechen verübt wurde.
aber eine rechtsstaatliche justiz darf das niemals.

Dem stimme ich zu, es deckt sich ja auch mit Jérômes Ausführungen.
Mit ist ein Rätsel, warum man Mitleid mit einem Nazischlächter haben sollte, der sich über Jahrzehnte dem Zugriff von Justiz und Gerechtigekeit entzogen hat. Er hatte dabei Helfer, die sich mitschuldig gemacht haben. Warum einer mit 91 zu "100%" nicht prozessfähig sein soll ist erstens irrelevant, da es zunächst um das Auffinden, Dingfestmachen und das Ende des Entziehens geht, zweitens ist es Unsinn, mit 90 kann man durchaus noch rüstig genug sein.
Irgendwelche Kosten des Prozesses aufzurechnen, ist Unsinn; wenn man wirklich Relationen aufstellen wollte, könnte man ja die Kosten hinzuziehen, die im Jahr durch Kleingärtnerstreits, Mieterklagen, Persönlichkeitsrechtsprozesse und anderen unsinnigen Kleinkram zustanden kommen. Oder Kosten, die entsetehen, weil sich mächtigen Firmen mithilfe findiger Anwälte der Rechenchaft entziehen, indem sie Prozesse in die Länge ziehen und aufbauschen usw.
Ein einzelner Naziprozess spielt in den Größenordnungen, in der im Justizsystem Geld verbraten wird, keine signifikante Rolle.
 
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Ich habe diese Frage zur Diskussion gestellt, nicht, weil ich eine indifferente Haltung in ihrer Beantwortung hätte. Rechtsstaatlichkeit - Gerechtigkeit - sind Grundpfeiler unserer demokratischen Ordnung und dürfen nie unterlaufen werden.
Es gibt zwar Verjährungsfristen im Ö - sicher auch in D -je nach dem Schweregrad der Tat, was bei Individualverbrechen nachvollziehbar ist, aber inhume Teilnahme am Genocid fällt nicht unter diese Regelung.

Mich - es wissen eh schon alle, ich bin Historikerin - interessierte die Meinung der überwiegend jungen User dieses Forums und es erfüllt mich mit Freude, dass mehrheitlich zugunsten der demokratischen Prinzipien entschieden wurde.


Marianne
 
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