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NS- Vergangenheit - soll sie ruhen?

M

Marianne

Guest
15. Oktober 2005
20:40 SS-Arzt offenbar in Spanien aufgespürt
Laut Zeitungsbericht steht Festnahme des 91-jährigen Aribert Heim bevor.

Jerusalem - Der wegen seiner Menschenversuche als "Doktor Tod" bekannt gewordene KZ-Arzt Aribert Heim ist laut Medienberichten in Spanien aufgespürt worden. Die Zeitung "Haaretz" berichtete am Samstag, der 91-Jährige werde in Kürze von der spanischen Polizei festgenommen. Der "Spiegel" berichtete voraus, nach Erkenntnissen der Polizei in Madrid habe ein Angehöriger des ehemaligen KZ-Arztes von Mauthausen in den vergangenen fünf Jahren rund 300.000 Euro an einen Bekannten in Spanien überwiesen.


Der 1914 im steirischen Radkersburg geborene Heim war an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im Jahr 1940 zum "Doktor der gesamten Heilkunde" promoviert worden.

"Brutalster KZ-Arzt neben Josef Mengele"

Der Direktor der israelischen Zweigstelle des Simon Wiesenthal Zentrums, Efraim Zuroff, hatte den heute 91-jährigen Heim laut "Spiegel" als "brutalsten KZ-Arzt neben Josef Mengele" bezeichnet, der als KZ-Arzt in Buchenwald und Mauthausen in medizinischen Experimenten hunderte Menschen mit Injektionen getötet hat. Nach dem Krieg hatte er als Arzt in Süddeutschland gearbeitet, bis 1962 Anklage gegen ihn erhoben wurde. Heim war daraufhin untergetaucht.


derstandard/at/I

Die Frage nach der späten Bestrafung von NS-Verbrechern taucht immer wieder auf.

Meine Meinung dazu ist: Ja, sie gehören vor Gericht, damit a) die Öffentlichkeit informiert wird b) damit sie der Gerechtigkeit nicht entschlüpfen.
Da hier auch sehr viel jüngere User schreiben, interessierte mich besonders deren Meinung. Wir "Alten" haben ja zum Teil den Holocaust noch - wenn auch aus kindlicher Perspektive -miterlebt und werden in dieser Frage möglicherweise eine andere Sicht haben.


Marianne
 
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Ein schwieriges Thema denke ich, aber man sollte es möglicherweise zweiteilen.

Nazi-Verbrechen sollten immer verfolgt werden und so lange man solche Verbrecher erwischt, sollten sie einer gerechten Bestrafung zugeführt werden.
Da ist es egal ob diese Verbrecher 80, 90 oder 100 JAhre alt sind, denn solche VErbrechen haben kein Ablaufdatum !

Andererseits bin ich dafür, das man zwar auf die Nazivergangenheit im Allgemeinen hinweisen ( im Form von Geschichtsunterricht ), diese VErbrechen auch verurteilen, nicht aber auf dieser Dauerschuld dahinreiten sollte. Noch immer werden die Kinder in dem Glauben erzogen noch etwas Restschuld ihrer Groß- bzw Urgroßeltern mit sich zu schleppen und dafür der Jüdischen Bevölkerung etwas zu schulden. ( ich habe auch nichts gegen Juden, denn weder kenne ich einen, noch hat mir irgendeiner etwas getan )
Irgendwann muss aber ein Schlußstrich gezogen werden ! Kein Volk der Welt muss 60 Jahre nach einem Krieg noch solche Schuld auf sich nehmen wie das in Deutschland geschieht !

Ich möchte in keinster Weise die Grausamkeiten während des zweiten Weltkrieges herabsetzen, aber man kann nicht nachfolgende Generationen mit der Schuld ihrer Vorfahren belasten, denn wenn man das tun würde, müsste man anfangen alle anderen Staaten der Welt für ihre Verbrechen zu ächten. ( und da gäbs viele, allen voran die USA )

Aber ist halt auch nur meine Sichtweise !
 
Dear fatboy!

Ich sah meine Frage an sich nur " eingeteilt". Und da sind wir einer Meinung, wie ich aus Dinem Post entnehme.
Der zweite Teil kann auch schnell von uns beiden accordiert werden.

Als historisch Unfassbares, Grausames muss der Holocaust in der Bildung der Jugend immer einen Platz einnehmen. ( Nimmt er auch im Geschichteunterricht.)
Vor allem auch unter der Sichtweise, wie ein " ganz normales" Volk die Shoa hinnehmen konnte. Schließlich wissen wir auch um die Untaten der christlichen Kirchen ( Inquisition, Hexenverbrennungen ) ohne uns schämen zu müssen, uns zu einer der Kirchen zu bekennen.

Als Verunglimpfung auch noch der heutigen Bevölkerung Deutschlands und Österreichs muss ich dieses Gerede von einer nationalen Schuld auch ablehnen.

Mit diesen aktuellen, verallgemeinernden Urteilen muss aufgehört werden. Sie wirken ja kontraproduktiv, wie wir an der - mich erschreckenden - rechten Szene merken. Das sehe zumindestens ich so.


frdl.Grüße

Marianne
 
Marianne schrieb:
Mit diesen aktuellen, verallgemeinernden Urteilen muss aufgehört werden. Sie wirken ja kontraproduktiv, wie wir an der - mich erschreckenden - rechten Szene merken. Das sehe zumindestens ich so.


frdl.Grüße

Marianne

Ja, MArianne, Schuldzuweisungen, welcher Art auch immer schüren immer Hass ! Und wenn es dann noch jemand geschickt versteht es für sich einzusetzen, hat man flugs eine rechte Szene !
 
Zur Frage soll die NS-Vergangenheit ruhen?

Zumindest die Hauptverantwortlichen der SS; SA und Teile der Wehrmacht sollten bis ins hohe Alter strafrechtlich gesucht und verurteilt werden. Allerdings wurde dies bereits nach dem Krieg nur halbherzig umgesetzt. Besonders bei der Zivilbevölkerung wurden viele Richter, Bürgermeister, Firmenbosse vieler bekannter Firmen, Reichsbahnverantwortliche (überhaupt wo soll man da den Schlußstrich ziehen?) nicht bestraft, sondern waren nach dem Krieg gleich wieder an der Macht.

Welche Verantwortung haben wir Deutsche heute?

Die Nachgeborenen können nicht mehr für die Verbrechen, oder fürs Wegschauen der (Groß.-)Eltern; Verwandte u.s.w. verantwortlich gemacht werden. Die Verantwortung liegt aber darin aus der Vergangenheit zu lernen und die gleichen Fehler nicht noch einmal zu machen......
 
bergloewe schrieb:
Die Verantwortung liegt aber darin aus der Vergangenheit zu lernen und die gleichen Fehler nicht noch einmal zu machen......

Seh ich durchaus so, aber die Schwierigkeit scheint darin zu bestehen zu unterscheiden, was ist noch Information an die NAchgenerationen und was ist kollektives Schuldgefühl ? Hier die Grenze zu setzen ist verdammt schwierig umzusetzen findet ihr nicht ?
Man muss endlich weg von der Generalschuld !
 
Als erstes begrüße ich diese Diskussion sehr. Es ist ein schweres Thema und wird es auch immer bleiben - so lange Überlebende noch leben, so lange die Ernnerung an Überlebende und an Ermordete noch lebendig ist.

Wir können miteinander darüber auch nur reflektieren, wenn wir gewillt sind, manchmal bis an die Schmerzgrenze uns vorzuwagen. Und wenn wir uns im Laufe des Gespräches mal irren, ist das fast verständlich. Es lastet ein unheimlicher Druck auf diesen ganzen Themenkomplex - und noch immer diese Ratlosigkeit: wie konnte das geschehn?

Bis vor Kurzem war ich geneigt zu sagen: vergessen nie, vergeben ja. Und am wichtigsten: es gibt keine Kollektivschuld - das steht doch fest, aber alle tragen wir eine kollektive Verantwortung.

Das Vergeben würde aber bedeuten, auch diesen KZ-Arzt nun einfach laufen zu lassen. Das zu bejahen, dazu habe ich nicht das Recht. Denn meine Familie und ich (ich war damals ein sehr junges Kind) hatten Glück: die Deportation blieb uns ersparrt. Ich muss mich, genau so wie die nichtjüdischen Mitbürger, in denen versetzen, für die die Verhaftung von Aribert Heim ein Aufwühlen traumatischer Erinnerungen bedeutet. Und die möchten, dass wenigstens symbolisch und viel zu spät, er zur Verantwortung gezogen wird.

Ich bin nicht Mitglied einer Jüdischen Gemeinde, aber schätze die sehr differenzierte Auffassung von Salomon Korn, sehr.*

Sein Buch: Auf der Suche nach der deutsch-jüdischen Normalität, ist sehr empfehlenswert.

Hier ein kleiner Ausschnitt einer guten Rezension des Buches:

Die fragile Grundlage. Auf der Suche nach der deutsch-jüdischen Normalität
Korn, Salomon


"Auf der Suche nach der deutsch jüdischen "Normalität" befasst sich Salomon Korn mit Fragen des alltäglichen Umgangs zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bürgern, mit der Qual der Erinnerung und der Vergangenheit, die nicht vergeht, mit jüdischem Leben in Deutschland, aber auch mit Fragen der Architektur am Beispiel des Jüdischen Museums von Daniel Libeskind in Berlin – ein Bauwerk, dessen Geborstenheit widerspiegelt, wie schief und schrecklich die jüdisch-deutsche Geschichte ist.

Salomon Korn ist ein feinsinniger Beobachter. Ihn irritiert, wenn so nonchalant von deutsch-jüdischer Kultur die Rede ist; er weiß, das ist Schönfärberei. Er hat auch registriert, wie schwer es nichtjüdischen Deutschen fällt, das Wort "Jude" in den Mund zu nehmen, es wird lieber gemieden, weil irgend etwas Schwieriges daran klebt. Allerdings ist ihm ebenso zuwider der zur Routine geronnene Jargon der Betroffenheit.

Der Autor vermeidet die Klischees, die so wohlfeil daherkommen. Er will die Unterschiede nicht einebnen, er sucht die Auseinandersetzung. Was ihn umtreibt, ist das Unbehagen am Unbehagen: "Ich glaube nicht, dass der Antisemitismus in Deutschland über die Marke von 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung gestiegen ist. Das ist im übrigen der europäische Durchschnitt, aber die Qualität des Antisemitismus hat sich in der Tat verändert. Wir hatten bis 1945 einen völkisch rassistischen Antisemitismus, den haben wir heute noch in Teilen der rechtsextremistischen und rechtsradikalen Szene, aber das ist eine verschwindend geringe Minderheit. Womit wir bis heute zu tun haben, das ist ein sekundärer oder schuldfreflexiver Anti-semitismus. Der speist sich nicht so sehr aus rassistischen und völkischen Ideen, sondern aus einem Gefühl, dass die heute in Deutschland lebenden Juden lebende Symbole für die deutsche Schuld sind und bleiben. Das erzeugt ein Unbehagen, und das Unbehagen wiederum erzeugt dieses Gefühl, dass man damit nichts zu tun haben möchte. In gewisser Weise ist dieser schuldreflexive Antisemitismus ein Unbehagen am Unbehagen."

Das fragile Gleich- und Ungleichgewicht besser zu verstehen, im Guten wie im Schlechten, dazu fordert Salomon Korn ohne Vorwurf, ohne Anklage auf."


http://www.ndrinfo.de/ndrinfo_pages_...174708,00.html

*Dr. Salomon Korn ist Architekt. Seit 1999 ist Korn in der Nachfolge von Ignatz Bubis Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main, seit August 2003 Kuratoriumsvorsitzender der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg. Im September 2003 wurde Korn zum Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt.
 
Ich bin mit allem, was bisher zu diesem Thema geschrieben wurde, einverstanden.
Auch sehe mich nicht verantwortlich für das, was die Generation meiner Großeltern dem jüdischen Volk angetan hat. Ich verabscheue es in höchstem Maße und würde nie nach entschuldigenden Worten suchen, geschweige welche finden.
Inzwischen wird in den Schulen intensiv über die NS-Zeit, den 2. Weltkrieg und die Judenverfolgung gesprochen, und das nicht nur im Rahmen des Geschichtsunterrichts. Jüdische Literatur wird besprochen, der Reli-Kurs besucht Synagogen und Moscheen, wobei auch von Schulseite her Wert darauf gelegt wird, dass es zum Dialog zwischen uns, den jüdischen Schülern und Überlebenden der damaligen Zeit kommt.
Die jungen Deutschen sind heute aufgeklärter und sensibler denn je, und auch wenn sich immer wieder neue braune Zellen bilden, so bin ich doch davon überzeugt, dass es von deutscher Seite her nie wieder zu einem solchen Genozid kommen wird.

Aber wem und was nützt es heute, wenn wir Greise vor Gericht schleppen, die dem Prozess kaum noch folgen können und dessen Ausgang und die Verurteilung in den seltesten Fällen erleben. Kein 90-Jähriger wird über eine langjährige Freiheitsstrafe geschockt sein. Diese Prozesse sind heutzutage nichts anderes als symbolische Handlungen, die das Rache- und Rechtsempfinden derer, die während des Holocaust ihre Familien verloren, befriedigen sollen.
Bei der damaligen Entnazifizierung hätte man gründlicher sein müssen, und all die damaligen Ortsgruppenleiter und "stillen Helfer" des Regimes zur Rechenschaft ziehen sollen, denn durch sie, die oft bis heute noch, oder bis zu ihrem Tod überzeugte Nazis sind oder waren, werden/wurden nicht wenige jüngere Menschen mit diesem menschenverachtenden Virus infiziert.

Wichtiger, als Greise zu verurteilen, ist für mich, wiederaufkeimenden Rechtsradikalismus verschärft zu bekämpfen und streng zu bestrafen.

Rhona
 
Ich weiss, dass mich jetzt viele menschen für meine Meinung steinigen werden, aber so denke ich halt: ein 91-jähriger Mann sollte nicht mehr, egal was er auch getan hat, vor ein Gericht gezerrt werden - höchstwahrscheinlich ist er sowieso nicht mehr prozessfähig und auf der anderen Seite verstösst es gegen die Menschenrechte, einen uralten Menschen zu bestrafen! Ich kann nicht sagen, warum er so brutal war, ob er sich der Verbrechen bewusst war oder ob er es nur aus Pflichtbewusstsein getan hat, Heute wird es nur schwer nachzuweisen sein, daher bin ich gegen die Verfolgung von alten Menschen, die kurz vor ihrem Ableben stehen!

Wir Christen müssen vergeben, nicht einmal und nicht 77X sondern IMMER! Das haben wir dem jüdischen Glauben voraus, denn bei uns gibt es nicht das bekannte "Zahn um Zahn......"

Er hat gesündigt und der Gott wird ihn richten, wir aber haben die Pflicht zu vergeben!


Ludwig
 
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