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Nietzsche - Götzendämmerung

Ich stelle gerade fest, hierbei handelt es sich sicher um ein Missverständnis, woran ich, aufgrund meiner etwas sperrigen Formulierung nicht ganz unschuldig bin! Deshalb nun etwas deutlicher: Mir ging es hierbei nicht darum wie bspw. die Herren Kant und Marx, innerhalb ihrer diversen 'Schriften', Zeitgeschehen und andere Auswüchse des menschlichem Miteinander gesehen haben, sondern darum, welche Interpretation der Leser dieser 'Schriften', also wir, die wir im Hier und Heute leben, da herausfiltern... und genau dabei ist es m.E. wichtig, eine mögliche - wenn möglich - eigene geistige 'Umnachtung' zu bedenken, ja zumindest einzukalkulieren...
Wie soll ich denn eine eigene geistige Umnachtung einkalkulieren? Nach dieser Logik könnte ich gleich meine ganze Interpretation verwerfen, weil ich ja geisteskrank sein könnte. Das kann aber in keinem Sinne von irgendeinem Nietzsche-Leser sein.
 
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Ich stelle gerade fest, hierbei handelt es sich sicher um ein Missverständnis, woran ich, aufgrund meiner etwas sperrigen Formulierung nicht ganz unschuldig bin! Deshalb nun etwas deutlicher: Mir ging es hierbei nicht darum wie bspw. die Herren Kant und Marx, innerhalb ihrer diversen 'Schriften', Zeitgeschehen und andere Auswüchse des menschlichem Miteinander gesehen haben, sondern darum, welche Interpretation der Leser dieser 'Schriften', also wir, die wir im Hier und Heute leben, da herausfiltern... und genau dabei ist es m.E. wichtig, eine mögliche - wenn möglich - eigene geistige 'Umnachtung' zu bedenken, ja zumindest einzukalkulieren...
Aber diese mögliche geistige Umnachtung würde dann der Interpret schon von Natur aus mitbringen (sofern er denn geistig umnachtet wäre), man umnachtet geistig nämlich nicht durch das Studium der Schriften Nietzsches, egal welche Interpretation man da bevorzugt (das trifft auf andere Autoren genauso zu). Ich sehe in solcherlei Bedenken eher den Wunsch, andere von der Lektüre "böser" Autoren abzuhalten, wie es etwa Ewaldt versucht hat. Nietzsche ist aber in Wirklichkeit fast der einzige ehrliche Philosoph, der es wagt, unangenehme Wahrheiten gnadenlos auszusprechen.
 
Gerade das erste - die geistige Verflachung - habe ich auch schon angesprochen. Du hinkst immer etwas hinterher.

Am nächsten ist mir Abschnitt 5 dieses Kapitels. Über sein Bildungsverständnis möchte ich gerne noch etwas näher eingehen. Auch auf sein Beklagen der fehlenden Leidenschaft an Universitäten in geistigen Dingen. Das ist mir auch nahe!
Ja, du hast vieles schon angesprochen. Ich schreib immer gerade zu den Kapiteln, die ich eben lese. Die Bildungsmisere hattest du ja auch schon erwähnt, obwohl ich glaube, daß Nietzsche hier etwas zu hart mit der deutschen Bildung ins Gericht geht, denn die war zu Kaisers Zeiten weltweit führend. Die meisten Nobelpreisträger vor dem ersten Weltkrieg kamen aus Deutschland. Die ersten amerikanischen Nobelpreisträger hatten in Deutschland studiert. Aber was Nietzsche beklagt, ist wahrscheinlich das alleinige Ausgerichtet-sein auf technischen Fortschritt, bei gleichzeitigem Rückgang der klassischen humanistischen Bildung (Humboldts Ideal negierend). Aber dennoch, der heutige Leser würde ein falsches Bild der damaligen Bildung erhalten. Bei der 200-Jahres-Feier der HU Berlin 2010 betonte irgendein Verantwortlicher, es gab durchaus die ideale Zeit der Uni, und zwar war es die unmittelbare Zeit vor dem ersten Weltkrieg. In dieser Hinsicht war Deutschland durchaus nicht Europas Flachland, ganz im Gegenteil. Und wenn Nietzsche meint, es gäbe keinen einzigen deutschen Philosophen, dann ist er persönlich ja die Widerlegung seiner Behauptung. Vielleicht ist es auch die Hektik an der Uni, die er meint, das Durchjagen. All das, was er beschreibt, ist aber heute noch bei weitem schlimmer.
 
Ja, du hast vieles schon angesprochen. Ich schreib immer gerade zu den Kapiteln, die ich eben lese. Die Bildungsmisere hattest du ja auch schon erwähnt, obwohl ich glaube, daß Nietzsche hier etwas zu hart mit der deutschen Bildung ins Gericht geht, denn die war zu Kaisers Zeiten weltweit führend. Die meisten Nobelpreisträger vor dem ersten Weltkrieg kamen aus Deutschland. Die ersten amerikanischen Nobelpreisträger hatten in Deutschland studiert. Aber was Nietzsche beklagt, ist wahrscheinlich das alleinige Ausgerichtet-sein auf technischen Fortschritt, bei gleichzeitigem Rückgang der klassischen humanistischen Bildung (Humboldts Ideal negierend). Aber dennoch, der heutige Leser würde ein falsches Bild der damaligen Bildung erhalten. Bei der 200-Jahres-Feier der HU Berlin 2010 betonte irgendein Verantwortlicher, es gab durchaus die ideale Zeit der Uni, und zwar war es die unmittelbare Zeit vor dem ersten Weltkrieg. In dieser Hinsicht war Deutschland durchaus nicht Europas Flachland, ganz im Gegenteil. Und wenn Nietzsche meint, es gäbe keinen einzigen deutschen Philosophen, dann ist er persönlich ja die Widerlegung seiner Behauptung. Vielleicht ist es auch die Hektik an der Uni, die er meint, das Durchjagen. All das, was er beschreibt, ist aber heute noch bei weitem schlimmer.
Ja, ich denke auch, dass es heute schlimmer ist. Das leite ich aus meiner Erfahrung ab.

Aber Nietzsche hat offensichtlich dieses "Abrichten" schon damals im Bildungssystem erkannt. Meinem Verständnis nach hat Nietzsche auch immer sehr gut den Zeitgeist erkannt, was bemerkenswert ist.

Die fehlende Leidenschaft in geistigen Dingen dürfte heute auch noch schlimmer sein. Er kritisiert auch das Helotentum der Wissenschaften und das ist heute auch stärker ausgeprägt.

Nietzsche war seiner Zeit einfach voraus. Ich sage es, wie es ist: Er war ein fortschrittlicher Denker, der seiner Zeit meilenweit voraus war. Auch für heutige Verhältnisse ist er der Zeit voraus. Deswegen können wir ihn auch (noch) nicht richtig erfassen.
 
Die Bezeichnung Kants durch Nietzsche als verwachsendster Begriffs-Krüppel ist amüsant.

Die Personen im ersten Kapitel der "Streifzüge eines Unzeitgemäßen", die du ja oben schon angesprochen hattest, kenne ich auch nicht besonders gut. Den Michelet kenne ich überhaupt nicht, ebenso Carlyle. Auf jeden Fall sind das alles Personen, die Nietzsche nicht sonderlich mag. Rousseau z.B. kommt bei Nietzsche meist noch schlimmer weg als Kant. Bei den Goncourt - das sind zwei Brüder, die ich auch nicht kenne - staune ich ein wenig. Nietzsche war ein eifriger Leser ihres Journals. Da gibt es im Nachlaß der späten Jahre ganz viele positive Aufzeichnungen von Nietzsche. Die scheint er eigentlich gemocht zu haben.
 
Die Bezeichnung Kants durch Nietzsche als verwachsendster Begriffs-Krüppel ist amüsant.
Das fand ich auch sehr amüsant - ebenso wie die Tatsache, dass Kant bei "Streifzüge eines Unzeitgemäßen" gleich bei den "Unmöglichen" gelandet ist. Kant war für Nietzsche einfach unmöglich, so einen wie Kant kann/darf man nicht lesen.
Die Personen im ersten Kapitel der "Streifzüge eines Unzeitgemäßen", die du ja oben schon angesprochen hattest, kenne ich auch nicht besonders gut. Den Michelet kenne ich überhaupt nicht, ebenso Carlyle. Auf jeden Fall sind das alles Personen, die Nietzsche nicht sonderlich mag. Rousseau z.B. kommt bei Nietzsche meist noch schlimmer weg als Kant. Bei den Goncourt - das sind zwei Brüder, die ich auch nicht kenne - staune ich ein wenig. Nietzsche war ein eifriger Leser ihres Journals. Da gibt es im Nachlaß der späten Jahre ganz viele positive Aufzeichnungen von Nietzsche. Die scheint er eigentlich gemocht zu haben.
Ja, da sind viele sehr unbekannte Personen dabei. Rousseau war für Nietzsche einfach ein hoffnungsloser Romantiker und die mochte er einfach nicht. Ich bin bei "Streifzügen eines Unzeitgemäßen" jetzt ja schon etwas weiter und diese ganze romantische Schreiberei mochte Nietzsche wohl wirklich nicht. Ein Kernpunkt bei Rousseau ist ja, dass er gesagt hat, dass der Mensch von Natur aus gut ist und ihn erst die Zivilisation korrumpiert hat. Durch die Zivilisation hat der Mensch zB so etwas wie Neid entwickelt nach Rousseau. Rousseau ist ja auch ein Vertreter der Lehre vom Gesellschaftsvertrag. Seine Position hierbei ist, dass wir uns freiwillig diesem Vertrag unterordnen und in dem Gesellschaftskörper aufgehen, weil das für uns alle vorteilhaft ist. Die Basis des Vertrages ist der Gemeinwille, der der Gerechtigkeit entspricht. Das ist die Lehre Rousseaus zum Gesellschaftsvertrag. Ich denke, daran erkennt man schon gut, dass Nietzsche ihn nicht mögen konnte. Für Nietzsche war der Mensch nicht von Grund aus gut und dieses Gerede von Gerechtigkeit und Gemeinwille hasste er auch bestimmt. Ein völlig konträres Menschenbild zu Rousseau hatte übrigens Thomas Hobbes mit "homo homini lupus". Er meinte, dass der Mensch sich im Naturzustand in einem Krieg gegen alle befindet. Auch er vertrat die Lehre vom Gesellschaftsvertrag. Die Menschen geben ihre Freiheiten auf und der Staat/der Leviathan schützt sie dann dafür. Ich denke, Nietzsche konnte sich eher mit Hobbes anfreunden, aber vielleicht auch nicht zu sehr. Zumindest war Hobbes nicht bei den Unmöglichen dabei.
Ganz amüsant ist Nietzsche ja auch im Weiteren, wenn er über G. Eliot oder George Sand schreibt. Sainte-Beuve hat er auch sehr scharf kritisiert. Das ist eigentlich ganz lustig zu lesen.
 
Ein völlig konträres Menschenbild zu Rousseau hatte übrigens Thomas Hobbes mit "homo homini lupus". Er meinte, dass der Mensch sich im Naturzustand in einem Krieg gegen alle befindet. Auch er vertrat die Lehre vom Gesellschaftsvertrag. Die Menschen geben ihre Freiheiten auf und der Staat/der Leviathan schützt sie dann dafür. Ich denke, Nietzsche konnte sich eher mit Hobbes anfreunden, aber vielleicht auch nicht zu sehr. Zumindest war Hobbes nicht bei den Unmöglichen dabei.
Ich hab mal gleich im Nietzsche-Register bei Hobbes nachgesehen. Er wird in den "Unzeitgemäßen Betrachtungen" (einem frühen Werk) lobend durch Nietzsche erwähnt, und zweimal in "Jenseits von Gut und Böse" (Aphorismus 252 bzw. 294) als negative Gestalt. Also wie du vermutet hast. Wirklich positiv stellt er eigentlich nur Goethe, Voltaire und Dostojewski dar. Vielleicht noch ein paar andere.

Als nächstes (Kapitel 2) kommt Renan, den er im späten Nachlaß oft zitiert. Auffällig ist auch, daß er viele Franzosen kritisiert, wie dann gleich noch Sainte-Beuve und Baudelaire (letzteren zitiert er auch viel im Nachlaß). Man sagt ja Nietzsche nach, ein Franzosen-Freund gewesen zu sein, was ja auch stimmt (jedenfalls in bezug auf Napoleon). Aber die hier negativ Genannten kenne ich alle nicht.
Die "imitatio Christi" ist ein sehr berühmtes Buch (vielleicht kennst du es, ich allerdings nicht). Nietzsche soll es zu seiner Konfirmation geschenkt bekommen haben. Das Buch erwähnt er des öfteren in seinen Werken. Sainte-Beuve soll es sehr geschätzt haben.
 
Ich hab mal gleich im Nietzsche-Register bei Hobbes nachgesehen. Er wird in den "Unzeitgemäßen Betrachtungen" (einem frühen Werk) lobend durch Nietzsche erwähnt, und zweimal in "Jenseits von Gut und Böse" (Aphorismus 252 bzw. 294) als negative Gestalt. Also wie du vermutet hast. Wirklich positiv stellt er eigentlich nur Goethe, Voltaire und Dostojewski dar. Vielleicht noch ein paar andere.
Interessant. Also lag ich bei Hobbes nicht so unrecht. "Vom neuen Götzen" in "Also sprach Zarathustra" erinnert mich auch zumindest vom Anfang her an Hobbes' Leviathan. Der Leviathan/Der Staat hat bei Hobbes nur die Aufgabe des Schutzes der Bürger - sonst nichts. Er muss die Bürger nur schützen. Von besonderen Rechten, die er den Bürgern gewähren muss, ist da nicht die Rede. Nietzsche hält bei einem Staat ja zumindest die Kultur und die Bildung für wichtig, wie mir scheint. Der Ausdruck "Leviathan" hat ihm aber vermutlich gefallen.
Die "imitatio Christi" ist ein sehr berühmtes Buch (vielleicht kennst du es, ich allerdings nicht). Nietzsche soll es zu seiner Konfirmation geschenkt bekommen haben. Das Buch erwähnt er des öfteren in seinen Werken. Sainte-Beuve soll es sehr geschätzt haben.
Nein, das kannte ich davor auch nicht. Der Ausdruck "imitatio Christi" ist mir aber schon bekannt. Ich habe ihn aber nicht mit einem Buch in Verbindung gebracht.
Na ja, bei Nietzsche kommt sowieso alles Christliche nicht gut weg. Daher ist es ganz logisch, dass auch Renan nicht gut weg kommt. Nur Franz Overbeck mochte er. Aber ist der nicht auch aus der Kirche ausgetreten? Ich meine, etwas in dieser Richtung gelesen zu haben. Jedenfalls war Franz Overbeck sehr gut mit Nietzsche befreundet.
Hast du den Abschnitt über Sainte-Beuve schon gelesen? Ich finde, das ist eine sehr korrekte Beschreibung einiger typischer weiblicher Eigenschaften. Aber einem Mann weibliche Eigenschaften zuzuschreiben ist schon ein starkes Stück.
 
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Nur Franz Overbeck mochte er. Aber ist der nicht auch aus der Kirche ausgetreten? Ich meine, etwas in dieser Richtung gelesen zu haben. Jedenfalls war Franz Overbeck sehr gut mit Nietzsche befreundet.
Ja, die haben sogar in Basel als junge Professoren zusammen gewohnt, und Nietzsches Schwester hat den Haushalt besorgt. Er war dann aber später der Erzfeind der Schwester. Sie meinte, er hätte gewisse Sachen von Nietzsche zum geplanten "Willen zur Macht" zurückbehalten.

Hast du den Abschnitt über Sainte-Beuve schon gelesen? Ich finde, das ist eine sehr korrekte Beschreibung einiger typischer weiblicher Eigenschaften. Aber einem Mann weibliche Eigenschaften zuzuschreiben ist schon ein starkes Stück.
Das Kapitel hab ich schon gelesen. Am besten gefällt mir da der Satz: "unter allem romantisme grunzt und giert der Instinkt Rousseaus nach Rache". Im Nachlaß schreibt Nietzsche zu Sainte-Beuve (KSA 13:11[9]): er war "fähig auf eine tödliche Weise zu loben", oder: "eines der schlimmsten Muster, die das letzte Frankreich gehabt hat". Ich glaube mal gelesen zu haben, "Sainte-Beuve" wäre eine grammatisch weibliche Namensform. Ob das stimmt, weiß ich nicht. Das würde ja noch zusätzlich passen.

Im Kapitel der Eliot steht ein schöner Gedanke: "Die christliche Moral ist ein Befehl; ihr Ursprung ist transzendent." Sie war nämlich Atheist, und hat dennoch versucht, die christliche Moral zu begründen, mit dem typisch englischen Utilitarismus wahrscheinlich.

Dann diese Sand. Die hat den Lausbub gespielt. Sie soll sich auch in den Straßen von Paris so benommen haben.
 
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