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Nietzsche - Götzendämmerung

Die Juden kommen hier in diesem Abschnitt unter die Räder, an anderen Stellen nicht so sehr, an manch anderen aber wieder doch. Sie haben für Nietzsche in etwa als Volk die Position inne, die Sokrates als Individuum hat. Nietzsche macht sie dafür verantwortlich, die natürlichen moralischen Werte auf den Kopf gestellt zu haben, in deren Tradition dann das Christentum erwuchs. Nietzsche selbst bezeichnet sich irgendwo als Anti-Antisemit, weil er gegen den sogenannten "Radau-Antisemitismus", der damals vorherrschte, gewesen ist (also solche, die sagen, die Juden seien häßlich, sie stinken, sie seien wie Ratten usw.). Er will rationale Kritik an ihnen üben. Wiewohl es von ihm auch Stellen gibt, an denen er dem "Radau-Antismitismus" verblüffend nahe kommt. Ein Juden-Freund war Nietzsche nicht, obwohl man ihm auch das nachsagen könnte, wenn er meint, die besten Exemplare seien der preußische Offizier und der jüdische Bankier.
Da widerspreche ich dir zutiefst. Nietzsche ist mit keinem Wort ein Antisemit, eher ein Juden-Freund. Ich kann aus Nietzsche einfach mit keinem einzigen Wort einen Antisemiten machen, einen Antichristen ja, aber keinen Antisemiten. Auch aus seiner Biographie heraus nicht. Nietzsche war niemals ein Antisemit. Er hat sich auch einmal erkundigt, ob Siegfried Lipiner Jude sei, und geschrieben: "Ich habe nämlich neuerdings so manche Erfahrungen gemacht, die mir eine sehr grosse Erwartung gerade von Jünglingen dieser Herkunft erregt hat." Aber das stärkste Argument für Nietzsches Anti-Antisemitismus ist für mich immer noch der Spruch 19 aus "Sprüche und Pfeile", der ernst und auf jede Art von Antisemit zu beziehen ist.
 
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Das "Gesetzbuch des Manu", das sogar eine Züchtung der Kasten als Rassen will, gilt ihm als arische Humanität. Der Tschandala-Haß gegen diese Humanität ist bei den Juden Genie geworden. Züchtung ist also arisch (Manu), Zähmung anti-arisch (Christentum + Judentum). Im Brief an Peter Gast schreibt Nietzsche (31.5.88), die Juden seien eine Tschandala-Rasse, die die arische Ethik der Veden zu einer Priester-Ethik umfunktionierten. Die Werte, die Nietzsche bekämpfen will, sind also semitischen Ursprungs, hingegen diejenigen, die er befürwortet, sind arischen Ursprungs. So sieht es jedenfalls Nietzsche im Kapitel 4.

Die Psychologie der "Verbesserer" (ob die der Züchter oder Zähmer) ist das unheimliche Problem, dem Nietzsche am längsten nachgegangen ist (laut Kapitel 5). Der "fromme Betrug" (pia fraus) scheint zum Erbgut aller dieser zu gehören.
In Kapitel 5 steht für mich der beste Satz überhaupt: "Alle Mittel, wodurch bisher die Welt moralisch gemacht werden sollte, waren zutiefst unmoralisch." - Noch so ein sehr aktueller Satz, den man ein paar Menschen ins Gesicht schreien sollte.

Und die Werte, die Nietzsche für mich im eigentlichen bekämpft, sind immer noch christliche Werte. Ja, Zähmung steht für das Christentum. Und Nietzsche ist der Antichrist par excellence.
 
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In Kapitel 5 steht für mich der beste Satz überhaupt: "Alle Mittel, wodurch bisher die Welt moralisch gemacht werden sollte, waren zutiefst unmoralisch." - Noch so ein sehr aktueller Satz, den man ein paar Menschen ins Gesicht schreien sollte.
Moralisten sind und waren bisher das Krebs-Geschwür im Organismus des Miteinander allem Dasein! Nur, so frage ich, sind sie nicht ein immer wieder kehrendes, neues Produkt des jeweiligem Zeitgeistes? Wenn ja, sollten sich nicht wir, die Gesellschaft, zu Abwechslung Mal diesem 'Geschwür' - solang noch etwas davon vorhanden - rein auf geistiger Ebene nähern... 😉
 
Moralisten sind und waren bisher das Krebs-Geschwür im Organismus des Miteinander allem Dasein! Nur, so frage ich, sind sie nicht ein immer wieder kehrendes, neues Produkt des jeweiligem Zeitgeistes? Wenn ja, sollten sich nicht wir, die Gesellschaft, zu Abwechslung Mal diesem 'Geschwür' - solang noch etwas davon vorhanden - rein auf geistiger Ebene nähern... 😉
Wie meinst du das? Redest du von der Vergeistigung der Feindschaft?
 
Da widerspreche ich dir zutiefst. Nietzsche ist mit keinem Wort ein Antisemit, eher ein Juden-Freund. Ich kann aus Nietzsche einfach mit keinem einzigen Wort einen Antisemiten machen, einen Antichristen ja, aber keinen Antisemiten. Auch aus seiner Biographie heraus nicht. Nietzsche war niemals ein Antisemit. Er hat sich auch einmal erkundigt, ob Siegfried Lipiner Jude sei, und geschrieben: "Ich habe nämlich neuerdings so manche Erfahrungen gemacht, die mir eine sehr grosse Erwartung gerade von Jünglingen dieser Herkunft erregt hat." Aber das stärkste Argument für Nietzsches Anti-Antisemitismus ist für mich immer noch der Spruch 19 aus "Sprüche und Pfeile", der ernst und auf jede Art von Antisemit zu beziehen ist.
Nietzsche und die Juden, das wäre ein eigenes Thema. Aber man sollte dem auch nicht ausweichen. Wenn ich dir die Sätze aufzähle, in denen die Juden bei Nietzsche schlecht wegkommen, würden dir die Augen übergehen. Aber, und darauf kommt es an, es gibt genauso viele Sätze, bei denen die Juden gut wegkommen. Man muß dann immer genau hinsehen, was Nietzsche gerade meint. Ich denke, daß der Vergleich mit Sokrates ganz treffend ist. Der kommt ja alles in allem auch ganz gut weg bei Nietzsche, selbst als Gegner. Diejenigen, die bei Nietzsche konsequent schlecht wegkommen, sind die Christen und Sozialisten. Bei den Deutschen hingegen kann man einen Wandel seiner Beurteilung feststellen. In seinem Erstlingswerk ist er noch ein glühender Deutsch-Nationaler. In seiner Spät-Philosophie haßt er dann die Deutschen. Da müßte man untersuchen, warum er diesen Wandel vollzogen hat. Die alten Germanen jedenfalls kommen allerbestens bei ihm weg, schon auch durch deren Wotan-Religion.
 
Nietzsche und die Juden, das wäre ein eigenes Thema. Aber man sollte dem auch nicht ausweichen. Wenn ich dir die Sätze aufzähle, in denen die Juden bei Nietzsche schlecht wegkommen, würden dir die Augen übergehen. Aber, und darauf kommt es an, es gibt genauso viele Sätze, bei denen die Juden gut wegkommen. Man muß dann immer genau hinsehen, was Nietzsche gerade meint. Ich denke, daß der Vergleich mit Sokrates ganz treffend ist. Der kommt ja alles in allem auch ganz gut weg bei Nietzsche, selbst als Gegner. Diejenigen, die bei Nietzsche konsequent schlecht wegkommen, sind die Christen und Sozialisten. Bei den Deutschen hingegen kann man einen Wandel seiner Beurteilung feststellen. In seinem Erstlingswerk ist er noch ein glühender Deutsch-Nationaler. In seiner Spät-Philosophie haßt er dann die Deutschen. Da müßte man untersuchen, warum er diesen Wandel vollzogen hat. Die alten Germanen jedenfalls kommen allerbestens bei ihm weg, schon auch durch deren Wotan-Religion.
Ok.
Was die Deutschen betrifft, sehe ich Nietzsche etwas ambivalent. Einerseits beklagt er den Niedergang des deutschen Geistes und der deutschen Kultur, andererseits will er die Deutschen verteidigen und sie nicht ungerechtfertigt schlecht machen. Er scheint das deutsche Volk als ein sehr männliches Volk anzusehen - im Kern zumindest. Das Christentum hat dem deutschen Volk dann wieder diese Männlichkeit genommen.
 
Ok.
Was die Deutschen betrifft, sehe ich Nietzsche etwas ambivalent. Einerseits beklagt er den Niedergang des deutschen Geistes und der deutschen Kultur, andererseits will er die Deutschen verteidigen und sie nicht ungerechtfertigt schlecht machen. Er scheint das deutsche Volk als ein sehr männliches Volk anzusehen - im Kern zumindest. Das Christentum hat dem deutschen Volk dann wieder diese Männlichkeit genommen.
Nein, die Deutschen hat er in seinen Spätschriften nicht mehr verteidigt. Da steht nur noch abgrundtiefer Haß. Die alten Germanen hält er für männlich. Das Christentum hat sie verdorben. So ist das halt.
 
Nein, die Deutschen hat er in seinen Spätschriften nicht mehr verteidigt. Da steht nur noch abgrundtiefer Haß. Die alten Germanen hält er für männlich. Das Christentum hat sie verdorben. So ist das halt.
Na ja, am Anfang bei "Was den Deutschen abgeht" spricht er noch positiv über sie. Im weiteren Verlauf tut er das nicht mehr. Aber die ganz, ganz späten Werke wie "Der Antichrist" oder "Nietzsche contra Wagner" kenne ich ja noch nicht. Wobei "Der Antichrist" ist zeitgleich mit der Götzendämmerung entstanden, er ist nur später veröffentlicht worden. Beide Schriften sind im Jahr 1888 verfasst worden, das Jahr vor Nietzsches geistiger Umnachtung.
 
Na ja, am Anfang bei "Was den Deutschen abgeht" spricht er noch positiv über sie. Im weiteren Verlauf tut er das nicht mehr. Aber die ganz, ganz späten Werke wie "Der Antichrist" oder "Nietzsche contra Wagner" kenne ich ja noch nicht. Wobei "Der Antichrist" ist zeitgleich mit der Götzendämmerung entstanden, er ist nur später veröffentlicht worden. Beide Schriften sind im Jahr 1888 verfasst worden, das Jahr vor Nietzsches geistiger Umnachtung.
"Götzen-Dämmerung" und "Antichrist" liegen nur etwa einen Monat auseinander. Es kommen ganz spärliche positive Äußerungen bezüglich der Deutschen vor. In einer Vorwort-Skizze zum geplanten "Willen zur Macht" von Anfang September 1888 (also genau zur Zeit der "Götzen-Dämmerung") schreibt Nietzsche: "Man fragt mich oft, warum ich eigentlich meine Bücher deutsch schriebe? Meine Antwort darauf ist immer die gleiche: ich liebe die Deutschen, – jeder hat seine kleine Unvernunft. Was macht es mir, wenn die Deutschen mich nicht lesen? Umso mehr bemühe ich mich noch darum, ihnen gerecht zu sein. – Und, wer weiß? vielleicht lesen sie mich übermorgen." (KSA 13:19[1])
Einige Text-Sequenzen dieser Vorwort-Skizze sind dann in die "Götzen-Dämmerung" eingegangen, im Abschnitt "Was den Deutschen abgeht" Kapitel 1.
 
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"Götzen-Dämmerung" und "Antichrist" liegen nur etwa einen Monat auseinander. Es kommen ganz spärliche positive Äußerungen bezüglich der Deutschen vor. In einer Vorwort-Skizze zum geplanten "Willen zur Macht" von Anfang September 1888 (also genau zur Zeit der "Götzen-Dämmerung") schreibt Nietzsche: "Man fragt mich oft, warum ich eigentlich meine Bücher deutsch schriebe? Meine Antwort darauf ist immer die gleiche: ich liebe die Deutschen, – jeder hat seine kleine Unvernunft. Was macht es mir, wenn die Deutschen mich nicht lesen? Umso mehr bemühe ich mich noch darum, ihnen gerecht zu sein. – Und, wer weiß? vielleicht lesen sie mich übermorgen." (KSA 13:19[1])
Einige Text-Sequenzen dieser Vorwort-Skizze sind dann in die "Götzen-Dämmerung" eingegangen, im Abschnitt "Was den Deutschen abgeht" Kapitel 1.
Ja, so etwas meinte ich, ich meinte das, was er ganz am Anfang dieses Abschnitts über die Deutschen schreibt. Das muss man auch sehen, wenn man alles liest, was danach kommt. Danach kommt nur Kritik. Und in Abschnitt 5 habe ich Nietzsche das erste Mal als Bildungsphilosoph wahrgenommen. Aber ich denke nicht, dass dieser Aspekt bei Nietzsche so wichtig ist. Aber da schreibt er das erste Mal auch etwas über die deutsche Bildung.
 
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