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Multi-Kulti-Selbstverständlichkeiten in der EU.

Schade, dass Du in eine recht sachlich geführte Diskussion plötzlich eine unangebracht Polemik trägst, die nicht argumentativ ist, sondern nur eine Aufzählung von Allgemeinplätzen, die zudem sachlich falsch sind.
Wenn Zuwanderer vor allem im Niedriglohnbereich tätig sind, so nicht deshalb, weil wir "Arier" sind, sondern weil diese mehrheitlich schlecht ausgebildet und ohne ausreichende Sprachkenntisse sind. Ein Türke, der in Anatolien bisher Schafe gezüchtet hat, ist nun mal hier nicht als Bankkaufmann zu vermitteln. Ausbildung und Sprache ist auch für Deutsche eine berufliche Voraussetzung. Ohnehin hat sich hier ein Wandel vollzogen. Hartz 4 schreibt bindend vor, dass ein Arbeitsloser egal welcher Herkunft jede Arbeit anzunehmen hat. Dein Vorwurf, nur Ausländer würden sog. Drecksarbeit machen, ist nicht begründbar. Selbst Jobs bei der Müllabfuhr sind heute auch von Deutschen begehrt und werden angemessen bezahlt.
Im Pflegebereich beträgt der Ausländeranteil 30 %. Dabei handelt es sich vorwiegend um Frauen aus Polen. Sage einer Altenpflegerin nicht, sie mache Drecksarbeit, Du würdest eine herbe Antwort bekommen.
Deine Behauptung, wir bräuchten auch weiterhin Zuwanderung, stimmt nur bedingt. Was wir allenfalls benötigen, sind junge, gesunde und gut ausgebildete Zuwanderer. Doch gerade diese kommen nicht. Erst heute hat Frau Rita Süssmuth im Namen der Zuwanderungskommission beklagt, dass vor allem Menschen ohne Ausbildung kommen, die unsere Sozialsysteme belasten.
Das ganze hat mit überlegener Kultur oder "Ariertum" absolut nichts zu tun. Es ist ein Stück Volkswirtschaft, das Kleine Einmaleins davon. Um nur den eigenen Rentenanspruch zu verdienen, sind 35 Berufsjahre notwendig.Selbst wenn ein Zuwanderer beim Eintreffen 40 Jahre alt ist und dann bis 65 arbeiten würde, wäre er volkswirtschaftlich ein Minusgeschäft, das die Rentenkasse belastet und zu einer insgesamt niedrigeren Rente für alle führt, wenn eine solche Zuwanderungsgruppe zu gross ist. Kommt dann noch lange Krankheit oder Arbeitslosigkeit hinzu, verstärkt es diesen Effekt noch mehr. Schön reden nützt da nichts, irgendwer muss den Verlust bezahlen.
Dramatisch ist die Situatiuon jetzt geworden, weil qualifizierte Arbeitsplätze ins Ausland abwandern und zugleich eine weitere Zuwanderng in unsere Sozialsysteme stattfindet, was de facto bedeutet, dass auf der einen Seite die Steuereinnahmen weiter sinken, während die Belastung der Sozialsysteme wächst. Wie alles im Leben muss auch Multi-kulti bezahlbar sein, auch hier gilt es, das Wünschenwerte und das Machbare bzw. Bezahlbare zu unterscheiden. Dazu ist mehr Realismus und weniger Illusion nötig. Nicht vergessen, die Zuwanderer kommen nicht, um uns kulturell zu bereichern, sondern um sich eine Scheibe vom Kuchen abzuschneiden. Allerdings, der Kuchen ist kleiner geworden, die Scheiben werden dünner.
 
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>Mahavo

Zu Deinem Beitrag Nr. 21.: Schade, dass du glaubst, Politik habe nichts mit Personen, sondern nur mit Sachen zu tun. Du wirst aber hier sicher zu einer Mehrheit gehören. Geld, Geld, Geld. "Das Geld ist nicht für den Menschen da, sondern der Mensch hat sich dem Geld hündisch unterzuordnen" ist wohl die einzig denkbare Philosophie für dich.

Du glaubst doch nicht im Ernst, dass Du in nächster Zukunft die Polemik aus politischen Diskussionen ausblenden kannst ? Das Thema ist entweder an sich höchst politiisch oder wurde politisch gemacht.

Das Wort "Drecksarbeit" kommt von Dir und nicht von mir. Du willst mir die Herabwürdigung von Arbeitern unterstellen, weil Du offenbar in keinen anderen Kategorien denken kannst.

Dass hier nicht der Eindruck entsteht, an den Grenzen von Deutschland hört die Welt auf, will ich einmal über ein paar Verhältnisse in Österreich schreiben. In Wien gibt es so viel Multi-Kulti, dass sicher den meisten Deutschen (Berliner vielleicht ausgenommen) schwarz vor den Augen werden würde.

Wo habe ich behauptet, dass wir mehr Zuwanderung brauchen ? Bist Du überarbeitet, verwechselst Du mich mit wem anderen oder wolltest Du eigentlich einen Roman schreiben (wo Fantasie durchaus angebracht ist) ?

Probleme mit den Pensionen mit dem Problem der Akzeptanz anderer Kulturen zu verbinden, halte ich für sehr weit hergeholt. Ich glaube fest daran, dass 80 % aller Menschen dieser Welt der Meinung sind, dass arbeitenden Menschen im Alter auch eine entsprechende Versorgung gebührt (übrigens auch den nicht arbeitenden).

Was ich aus eigener Erfahrung weiß: Wenn auf 4 "Heimkultur-Menschen" ein "Fremdkultur-Mensch" kommt, ist das weder im privaten Bereich noch im Berufsleben ein Problem - und ich war in meinen ersten 14 Lebensjahren in einer Kleinstadt, wo das Verhältnis 10:1 (ich gehörte zu den 10) war.

Servus - tschüss - so long - au revoir - arrividerci - asta la vista !

Zeili
 
Der Satz, das Geld soll dem Menschen dienen, hat soviel Aussagekraft wie die Forderung " Nieder mit den Dolomiten, freie Sicht auf Südtirol ". Auch in unserer Verfassung steht " Eigentum verpflichtet, es dient dem Wohle aller".
Wenn Du dieses anstrebst, dann aber mit realitätsbezogenen Argumenten und nicht mit allgemeinen Deklamationen, die zwar für sich richtig sind, aber keine praktische Umsetzung aufzeigen, es sind die Allgemeinplätze, wie man sie auf jedem Abreisskalender findet.
Es gibt Sachzwänge, die von aussen herangetragen vom Einzelnen nicht beinflussbar sind, sondern mit denen man als feste Grösse kalkulieren muss. Negiert man diese vor lauter guten Absichten, ist man am Ende pleite. Das gilt für einen Betrieb genauso wie für einen Staat. Wenn Du also der Meinung bist, 80 % der Weltbevölkerung mit einer Altersversorgung zu beglücken, dann musst Du auch zeigen, woher die Kohle dafür kommt, vor allem auch für die, die nicht gearbeitet haben, demnach also auch nichts einbezahlt.
Insgesamt kann ich deshalb mit Deinem Beitrag wenig anfangen anfangen, es fehlt der Realitätsbezug und das notwendige Stück Volks- bzw. betriebswirtschaft. ohne die es mal nun nicht geht. Geld fällt nicht vom Himmel, und täte es dieses doch, wäre es nichts mehr wert.
Aus österreichischer Sicht mag manches anders aussehen, es ist ein kleines Land, der prozentuale Ausländeranteil ist halb so hoch wie in Deutschland. Ein grosser Tanker steuert sich anders als ein kleines Segelschiff.
 
@ mavaho:
Die Forderung nach Integration im Gastland verstehe ich eigentlich als Bedingung. Jeder einsichtiger Ausländer wird ihr auch Folge leisten, weil sie auch ihm das Leben erleichtert. Leider wird oft von Integration geredet und Assimilation gemeint. Assimilation in der 1. Generation halte ich für beinahe ausgeschlossen. Es gelingt erst der 2. Generation, wenn die Bedingungen günstig sind, sonst sogar erst der dritten. Die Gründe dafür liegen oft bei den Ausländern, aber nicht nur!
Nur die Pflicht, Sprachkurse zu besuchen, könnte da mithelfen. Auch sollte man Kinder, die die Sprache nicht genügend beherrschen, erst gar nicht einschulen, sondern im Sprachkindergarten oder einer Integrationsklasse auf die Schule vorbereiten. Da wird zu wenig getan, da ist die Politik gefordert. Auch, wenn es wirtschaftlich nicht so gut aussieht! Oder gerade deshalb!
Somit würde man die Ausgrenzung der Kinder schon mal erheblich reduzieren und auch die Abwanderung der einheimischen Kinder, bzw. Familien in andere Quartiere/Privatschulen weitgehend verhindern. Es ist nicht vor allem die Angst vor dem Fremden, die die Eltern so reagieren lässt, es ist die Tatsache, dass Kinder in Klassen mit einem hohen Ausländeranteil mit geringen Sprachkenntnissen zu kleine Fortschritte machen, unterfordert sind und ihre späteren Chancen so verringert werden. Die Lehrer sind oft beinahe schon ausgelastet, ausländische Kinder integrieren zu müssen, ohne auf die Mithilfe der Eltern zählen zu können. Ein Dialog zwischen Eltern und Lehrer kann oft aus Sprachmangel nicht stattfinden, was Problemlösungen auch nicht begünstigt. Die "Wurzeln" sind tatsächlich in der Praxis oft das Hindernis, warum die Integration nicht schneller möglich ist. Vor allem die "älteren" ungebildeten Frauen haben nicht das gleiche Selbstbewusstsein und Selbstverständnis, sind in den gewohnten Mustern zu sehr verhaftet. Die "älteren" Männer haben gar kein Interesse daran, ihre Frauen zu unterstützen, weil damit ihre Identität in Frage gestellt wäre. Und dort, wo die Bereitschaft des Mannes sogar vorhanden wäre, ist es oft die Frau, die sich nicht traut, oder sogar "zu faul" für etwas Neues ist. Diese Frauen erziehen ihre Söhne im gewohnten Schema. Bei den Mädchen ist die Bereitschaft für alles Neue in einem viel grösseren Rahmen gegeben. Dass die Väter und Brüder diese Mädchen sehr oft ins gewohnte Bild zurückdrängen, ist irgendwie logisch, hängt mit ihrer Identität zusammen. Aber gerade viele der jungen Türkinnen oder Musliminnen allgemein, schaffen die Integration trotzdem ziemlich leicht, jedenfalls leichter als ihre Brüder, wenn sie es geschafft haben, sich zu Hause durchzusetzen.
Es ist aber Unsinn zu sagen, wir müssten ein Stück des türkischen Frauenbildes übernehmen. Es kann doch kein Mensch allen Ernstes behaupten, dass sich das die Frauen hier würden gefallen lassen. Die Einwanderer-Familien werden ihre Bräuche pflegen und nach und nach auch die des Gastlandes mit übernehmen, vielleicht sogar vollständig, was aber gar nicht notwendig ist. Die Deutschen brauchen dabei gar nichts teilweise oder vollständig zu übernehmen, wenn sie nicht wollen, ein sinnvolles Miteinander wird dadurch kaum verhindert, nur kommunizieren muss man und das muss man zuerst lernen.
Es ist aber auch naiv zu glauben, dass die Gleichstellung hier eine Selbstverständlichkeit ist. Im Gesetz ja, sicher, aber in der Praxis gibt es auch hier noch Defizite. Ob es tatsächlich so absolut und vollständig notwendig ist, wage ich persönlich zu bezweifeln, aber das ist meine Meinung. Mir wäre der Preis dafür zu hoch. Habe mich ein wenig mit dem finischen Feminismus beschäftigt und dabei festgestellt, dass die Frauen zwar die Gleichstellung in allen Bereichen erreicht haben, nur glücklicher sind sie dabei nicht geworden - ihre Männer erst recht nicht.

Dass im islamischen Kulturschaffen die Frauen praktisch inexistent sind, stimmt nicht. Dass Kreativität der halben Bevölkerung nicht stattfindet, weil verboten, ist nur lustig. Demzufolge wäre also die gesamte Bevölkerung Deutschlands kreativ. Das entbehrt aber nach meinem Verständnis jeder Logik.
Das Kulturschaffen der islam. Frauen resultiert aus ihrer Kultur und ist mehr in angewandter Kunst zu suchen.

Schiiten, nicht der Koran, verbaten die Abbildung von Menschen und Tieren, weil nur Gott Lebewesen erschaffen darf. Koran verbietet ausdrücklich nur die Abbildung Gottes.
So aber entstand die abstrakte Kunst aus Ornamenten. Auch wurde das Verbot nicht strikte befolgt, die Ikonen beweisen es! Heute stimmt das Verbot nicht mehr, bzw. nicht mehr bei allen Geistlichen.
Als Ersatz für die Bilder wurde die Kunst der Kalligraphie zum Höhepunkt der islamischen Kultur, der islamischen Architektur haben wir auch nicht unbedingt etwas Vergleichbares gleichzusetzen. In Sachen Ornamentik, Arabesken, Mosaiken, Holz- und Metallarbeiten, Miniaturen, Teppichknüpfkunst, Keramik und überhaupt aller liebevollen Details waren und sind sie wahre Meister. Von der Antike bis zur europäischen Moderne entstanden Kulturen auf höchstem Niveau - nur eben von unterschiedlichen Lebensstilen geprägt. Auch fand und findet immer Austausch zwischen den Kulturen statt. In der europäischen Malerei und Architektur fanden sich immer Nachahmer, im öffentlichen Raum denke ich z.B. an die sog. souvenirs d'Orient und umgekehrt findet man ebenfalls westliche Einflüsse.
Genauso funktioniert der Austausch wie auch Integration in der Musik.
Nur als Beispiel Davood Azad, der klassische persische Musik komponiert, auf traditionellen Instrumenten spielt und mit alter westlichen Musik (J.S.Bach) verbindet, die Sufi-Musik.
Raï-Musik, die ursprünglich aus Algerien kommt, ist ein Beispiel der modernen arabischen Musik (eine Art Blues), als Protest gegen die musikfeindlichen Islamisten und ihre Sitten. Da ist die Vermischung aller möglichen Stile wohl am stärksten (mit Soul, Funk, Reggae und Rock). Diese Musik ist nicht nur in Frankreich bestens bekannt, dank Khaled und seinem Pop-Raï-Song "Aisha", kennt sie wahrscheinlich auch fast jeder Deutsche. Was man aber vielleicht nicht weiss, diese Musik wurde von reinen Frauenbands aus Volksmusik der Hirten weiterentwickelt, die Texte für ihre Zeit geradezu revolutionär (das war in den 20-ern). In den 80-ern wurde die Musik in Algerien verboten, viele Musiker gingen ins Exil nach Frankreich, einige, die sich weigerten, das Land zu verlassen, wurden sogar umgebracht.
Und will man wirklich etwas über die Integration oder Assimilation der Ausländer erfahren, über ihre Zerrissenheit, die Wut auf ihre eigene Geschichte, den Wunsch nach Akzeptanz, braucht man nur die Texte des Frankfurter-Vorzeige-Raper zu hören oder wenigstens zu lesen "Phönix" "Schmerz und Ueberleben", als ein kurdisches Flüchtlingskind nach Deutschland gekommen, spricht perfekt Deutsch und hat eigentlich nur einen Wunsch, nicht nur von der Rap-Szene akzeptiert zu werden.
(www.azad.de)
Die Probleme liegen im Alltag des Durchschnittsbürger (auf beiden Seiten!) und im Bildungsstandard, da bin ich der gleichen Meinung. Dass sich die Kultur auf eine unterschiedliche Lebensweise reduziert, stimmt so nicht. Der bereichernde Austausch findet statt, man merkt das oft nur nicht mal.
 
ein Mensch arbeitet wo,
macht seine Sache gut,
dann ist es doch völlig egal,
wo dieser herstammt

die Tatsache, daß ein Mensch mit anderen Menschen zusammenarbeiten kann und will,
begründet bereits eine neue Kultur

die Unterschiede zwischen den einheimischen Arbeitern und den Gastarbeitern verlieren an Stellenwert
und werden zu Hobbies
(die Kinder und spätestens die Kindeskinder sind nicht mehr zu unterscheiden)

...............

einige/viele Türken haben gar kein Interesse daran,
mit Deutschen zusammenzuarbeiten
(Kenntnis der deutschen Sprache)

einige/viele Juden haben gar kein Interesse daran,
mit den Palästinesern zusammenzuarbeiten
(Motto: wir bauen einen Zaun und lassen keinen rein)

einige/viele Deutschen sehen die Gastarbeiter als Untermenschen,
die ihnen die dreckige Arbeit abnehmen
(Motto: Du putzen jetzt Klo)
 
Celine,
ich habe Deinen Beitrag mit großem Interesse und einem sehr hohen Zustimmungsgrad gelesen.

Und trotzdem tust Du Mavaho irgendwie Unrecht.

Er sprach weiter oben ( 17.10. 23:44 ) im Grunde genau das aus, was Du oben auch sagst; halt mavahoisch/sachlich.Schließlich ist er ein Mann und der männlichen Argumentation verpflichtet.( GRINS)


Viel mehr interessiert mich, was Du zu dem Problem sagst, das Mavaho in obigen Posting Ghettoisierung benennt.
In den USA können wir das ja schon - ich denke mal, jahrhundertelang - beobachten.
Brooklyn, Bronx, Haarlem sind Synonyma für kulturell und sprachlich vom angloamerikanischen "Leitkulturraum" unterscheidbare Gemeinschaften.Und neuerdings - habe ich mir erzählen lassen - " droht Lateinamerika" allenthalben.

Und Du kannst es drehen oder wenden: Es gibt heute in den USA noch Klubs und Lokale, in die kein ....... ( setzte ein, was Du willst ) reindarf.
Und wenn ein Mädchen der Mittel -bis Oberschicht es sich einfallen lässt, einen Afroamerikaner oder einen Juden ( austauschbar mit anderen Ethnographien) zu lieben, bejkmmt sie Zoff - nicht nur mit ihren Eltern.

Es gibt sie real, die Ghettobildung - und wir sind hier in Wien, auch in Berlin und - ich nehme mal analogisch an - auch in anderen mitteleuropäischen Großstädten bereits so weit, das auch beweisen zu können.

Ich wohne in einem solchen Bezirk, der sich noch durch bunte Multi - Kultivielfalt kennzeichnet. Noch ist das " Gemisch" so, wie es idealerweise - na sagen wir mal fast - aussehen könnte.
Aber die von mir selbst beobachteten Vorgänge in Richtung Ghetto sind unübersehbar.
Gab es vor sechs Jahren zwar in der Quellenstraße viele "Türkenläden", in denen ein Erscheinungsbild Istanbuler Prägung präsentiert wurde, sind es dann Juweliere geworden, die noch deutsch und Türkisch ihre Geschäfte benannten, können wir heute staunend bemerken, dass ein Lebensmittelgeschäft nach dem anderen nicht nur türkisch geführt, sondern auch mit türkischen Erzeugnissen gehandelt wird und in Türkisch das Wort für Geschäft über dem Eingang prangt.
Noch mals: ich habe nichts dagegen, ich kaufe in ihnen ein, denn das Obst und Gemüse ist dort frischer ... usw.


Und nun komme ich zur Frage:

Ist es erstrebenswert, solchen Ghettoisierungen Vorschub zu leisten - wie auch immer?
Werden solche Ghettoisierungen wirklich erst in spätestens der vierten Generation - wie Du anzunehmen scheinst - durch integrative Assimilation unnötig?

Ich weiß keine Antwort auf meine eigene Frage.
Aber so eine perpetuierte schiefe Bevölkerungsoptik halte ich für einen Unruheherd erster Klasse. Die Verschiebung des Bildungsniveaus hat Du ja bereits selber angeführt.
Populistische Politiker begeilen sich und fangen Stimmen.
Mir schiene, es wäre besser, man nennt die Dinge beim Namen, nämlich dass ist, was ist, und nicht ideologisch auf - oder abgewertet damit operiert wird.


Allerdings scheint mir auch, dass damit von einigen Politikern bereits begonnen wird: und das ist gut so.

Marianne
 
Pinky & the Brain auf dem politischen, wenig diplomatischen Parkett und auf dem Weg, die Welt zu erobern und Marianne ist schuld! Vorbei ist die Sachlichkeit, weil ich meine Gedanken aufschreibe, für einen Brouillon keine Zeit habe und die Gedanken wirr und oft auch noch widersprüchlich sind.


majanna schrieb:
Und trotzdem tust Du Mavaho irgendwie Unrecht.

Er sprach weiter oben ( 17.10. 23:44 ) im Grunde genau das aus, was Du oben auch sagst; halt mavahoisch/sachlich.Schließlich ist er ein Mann und der männlichen Argumentation verpflichtet.( GRINS)

Das stimmt soooo nicht! Ich bin sogar mit Mavaho sehr oft sehr einverstanden, nur merkt er das nicht, weil er es dann wieder schafft, mich nur mit einem Satz teufelswild zu machen ;).
Der Beitrag 21 z.B., meine absolute Zustimmung, Applaus, bis... "Die Zuwanderer kommen nicht, um uns kulturell zu bereichern, sondern, um sich eine Scheibe vom Kuchen abzuschneiden." Was daran falsch ist? Eigentlich gar nichts, es stimmt voll und ganz (bis auf die politisch Verfolgten natürlich, die aber hier bestimmt nicht gemeint waren), die kulturelle Bereicherung findet nebenbei.
Aber, Mavaho (verzeih Marianne, aber ich schreibe jetzt direkt, weil ich an dieser Stelle nicht über Mavaho in 3. Person reden möchte), wo kommt das Recht her, ihnen diese Möglichkeit abzusprechen? Du bist mit deinem Betrieb auch nicht in die Tschechei ausgewandert, um dort die Wirtschaft zu stärken, Kultur zu verbreiten usw., sondern um billiger zu produzieren. Du profitierst dabei am meisten, die Tschechen an zweiter Stelle und Deutschland hat das Nachsehen. Es war dein Recht wie es auch das Recht der Zuwanderer ist, hier Arbeit zu suchen. Am Gesetzgeber ist es, entsprechende Gesetze zu verabschieden, um Missbrauch des Gastrechts zu verhindern.
Oder das Beispiel zwischen Integration und Assimilation an der polnischen Zuwanderung zu zeigen... das Beispiel ist gut, sehr gut sogar, aber ein Hinweis darauf, wie lange die Assimilation gebraucht hat, der fehlt mir und auch der Hinweis, das jede Migration gleichzeitg Angst vor Ueberfremdung mit sich bringt. (Ob das Absicht war?) Haben die polnischen Einwanderer nicht auch zuerst "Kolonien" gebildet?
Auch das Argument, dass bei den Ausländern die Langzeitarbeitslosigkeit nur im Integrationsmangel zu suchen ist, halte ich für eine zu grosse Verallgemeinerung. Sind dann die langzeitarbeitslosen Deutschen auch integrationsunwillig, oder wie? Ist es nicht eher so, dass gerade auch die weniger qualifizierten Einheimischen, die um ihre Jobs bangen, die Ausländer als eine Gefahr sehen und mit Feindseligkeiten dazu beitragen, dass sich die Ausländer zurückziehen, Kolonien bilden, und so ihre ohnehin schon schwierige Integration nicht im gewünschten Tempo erfolgt?
Die Einheimischen befürchten, der Ausländer arbeitet für weniger Lohn, der Ausländer befürchtet (meist zu Recht), dass man einem Einheimischen bei der Stellenvergabe den Vorzug gibt, weil er die Sprache nicht beherrscht usw. Misstrauen und Hass entstehen, dabei hätten es alle in der Hand! Der Ausländer muss die Sprache lernen und den Kindern (männlich wie weiblich) eine gute Ausbildung ermöglichen und der Einheimische einsehen, dass es heute einfach keine garantierten Arbeitsplätze mehr gibt, auf die man sich verlassen kann und das auch ihm nichts anderes übrig bleibt, als sich weiterzubilden, besser qualifizieren usw. Dass viele Firmen und hochbezahlte Manager nicht rechtzeitig auf die veränderten Märkte reagierten, dass man mehr produzierte als man absetzen kann, dass man jetzt auslagert, daran tragen die Ausländer keine Schuld! Wir haben uns privat schon die Köpfe heiss geredet, nichts führt daran vorbei, dass es auch die "Schuld" der Demokratie ist, eine humanitäre Verpflichtung und Pflicht zu Solidarität. Keiner kann heute noch die Grenzen dicht machen und sagen: "Uns geht es nicht mehr so gut, also ist es uns Wurst, ob es euch ganz mies geht!", aber neue Gesetze schaffen, die Ausländer in die Pflicht nehmen, Missbrauch und Gesetzesbruch härter bestrafen, sogar mit Ausschaffung, wenn es nicht anders geht, das müsste möglich sein. Ich sehe doch auch rot, wenn ich höre, wie Mädchen, die das Kopftuch ablegen als Allgemeingut der jungen Hüter der alten Sitten betrachtet werden, von ganzen Banden vergewaltigt werden, weil es ja eh nur "Huren" sind, aber auch, wenn es nur ein paar Jungs darauf anlegen, mir den Weg zu versperren und darauf warten, dass ich den Blick senke und unterwürfig zur Seite gehe. Früher habe ich noch die Strassenseite gewechselt, aber das bringt nichts, so lernen sie es nie, sich zu benehmen. Heute laufe ich zu und sie gehen zur Seite... bis jetzt *lol*, no risk no fun! Und auch die Religionsfreiheit in der Demokratie macht mich manchmal rasend. Wenn man erzählt bekommt, dass die Liebe zu Kindern in den islamischen Familien viel grösser ist und im Handumdrehen aus religiösen Gründen die Mädchen vom Schwimmunterricht befreien lässt. Welch eine Liebe, Ertrinken ist besser als so ein doofes Gebot zu brechen, denn Privatunterricht bekommen sie selbstverständlich auch nicht. Das und vieles mehr muss sich ändern, da sind Politiker gefragt, Aufklärung nötig.
Aber man hat in Europa auf die EU gesetzt, also wird man es durchziehen müssen ohne Rücksicht auf Verluste. Oder sieht da jemand eine Möglichkeit, noch umzukehren? Die Leitkultur wurde ja schon ausführlich behandelt, in den einzelnen Ländern wird es immer mehr fremde Einflüsse geben (ohne war man ohnehin nie) und trotzdem wird man die eigene Kultur pflegen und die "Fremden" nicht nur durch die eigene Lebensart, sondern auch gezielt (Arbeitsstelle, Schulen...) beeinflussen.
Mavaho, ich weiss, dass du mich für etwas (milde ausgedrückt) blauäugig hältst, vielleicht hast du jetzt den Eindruck etwas geändert. Hab aber das Ideal der Multi-kulti trotzdem noch nicht begraben, obwohl ich keinen Bioladen besitze oder frequentiere und oft gesunde aber nie Gesundheitsschuhe trage ;).

majanna schrieb:
Viel mehr interessiert mich, was Du zu dem Problem sagst, das Mavaho in obigen Posting Ghettoisierung benennt.
In den USA...
Es gibt sie real, die Ghettobildung - und wir sind hier in Wien, auch in Berlin und - ich nehme mal analogisch an - auch in anderen mitteleuropäischen Großstädten bereits so weit, das auch beweisen zu können.
Ist es erstrebenswert, solchen Ghettoisierungen Vorschub zu leisten - wie auch immer?
Werden solche Ghettoisierungen wirklich erst in spätestens der vierten Generation - wie Du anzunehmen scheinst - durch integrative Assimilation unnötig?

Marianne, heisst "Vorschub leisten" begünstigen? Dann auf gar keinen Fall. Aber das ist eine politische Frage. Wie will man das verhindern? Man müsste den Ausländern verbieten, an einem Ort zu wohnen, bzw. sie zwingen, sich "regelmässig" über das Land zu verteilen. Das geht kaum. Erstens gehen die Neuankömmlinge immer dorthin, wo schon jemand aus der Familie oder dem Bekanntenkreis ist, um Infos zu holen und dort bleiben sie auch meist, dann brauchen sie auch nicht so schnell die Sprache zu lernen, jemand hilft immer. Dass Einheimische lieber im Supermarkt billig einkaufen, als loyal bei Bäckerei Meier an der Ecke ist ein Fakt und nicht nur Einbildung. Dass sich das die Mehrheit (?) leisten könnte, behaupte ich jetzt mal. Und auch, dass es viele dem Nachbarn nicht gönnen, dass er noch verdient, wen wundert es, dass anstelle Bäckerei Meier schon bald eine türkische Bäckerei steht? Vielleicht hat der Türke mehr Mut zum Risiko, vielleicht will er gar nicht so viel verdienen wie der Vorgänger, aber ganz sicher kann er auf die Mithilfe der Familie zählen und auf die Loyalität der Landsleute. Je mehr solcher Läden entstehen, desto mehr ziehen sich die Einheimischen zurück oder gleich ganz weg, ein Ghetto mitten in der Stadt entsteht.
In Frankreich ist es etwas anders, dort entstanden die Ghettos eigentlich "von Gesetzes wegen" im Zuge der "Einwanderung" der Franzosen aus den Kolonien, die Regierung sah sich gezwungen, den Strom aufzunehmen, Agglomerationen mit Billigbauten wurden im Eiltempo geschaffen und die "neuen Bürger" einquartiert. Die Wirtschaft konnte gar nicht all die Unqualifizierten aufnehmen und so leben sie häufig in 3. Generation heute noch, viele im Elend, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, da gibt es gar nichts zu beschönigen.

Ueberall aber das gleiche Phänomen. Die Politiker haben versagt, die Konsequenzen zu spät erkannt, jetzt ist man bemüht um Schadensbegrenzung.

Was du über die USA sagst, sehe ich auch so. Obwohl die Trennung der Rassen auf dem Papier nicht existiert, ist sie da. Und zwar (anders als in Europa) auch unter den Gebildeten und Qualifizierten. In allen Schichten. Selbst, wenn Schwarze und Weisse nebeneinander leben, verkehren sie selten miteinander. Sollten sie zusammen studiert haben, trennen sich meist ihre Wege spätestens nach dem Examen. Ein weisser Jurist hat vorwiegend eine weisse Klientel und umgekehrt. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen, aber irgendwie passiert es eben, dass es meist nach Schema F verläuft. Es ist einfach so. Aber jetzt hat man Angst. Nicht die Multi-Kulti macht Angst, Die Bi ist es. Die Angst vor Ueberfremdung ähnlich wie in Europa. Wir fürchten uns vor der Islamisierung, die Amerikaner vor der Hispanisierung. Grosser Zustrom, hohe Geburtsraten, eine Unterwanderung der Werte wird befürchtet (auch das hast du, Mavaho, irgendwo damit abgetan, dass die USA nicht vergleichbar sind, weil sie ein Einwanderungsland sind und das stimmt eben so auch wieder nicht). Die heutigen Einwanderer wollen sich nur zu einem kleinen Teil assimilieren, sie verliessen nicht ihr Land irgendwo weit weg, sind nicht in eine "Neue Welt" eingewandert. Sie kommen vielfach illegal, bleiben in bestimmten Abschnitten des Landes, lernen nicht Englisch, sondern wollen spanische Schulen, darum ist es eben durchaus vergleichbar. Und darum ist ja wohl die Forderung an die Politik in den USA wie auch in der EU, gemeinsame Ziele zu schaffen. Aber das ist ja schon wieder zu pathetisch und ich hab euch eh schon zu lange genervt.
 
Um nochmals auf die orientalisch geprägte Kultur zurückzukommen: So beeindruckend die orientalische Ornamentik auch ist, zeigt sie doch zugleich auf, wie arm dierse Kultur an Vielfalt und Evolution ist. Die Muster von heute sind nicht anders als vor 600 Jahren, Bildmalerei und Bildhauerei exisitieren praktisch nicht, und Weiterentwicklung fehlt fast völlig. Wenn man in Istanbul das Top-Kapi Museum besuchst,und es gilt sinngemäss auch für andere in dieser Region, ist man beeindruckt, aber es fehlen eben Gemälde und Skulpturen. Die Osmanischen Eroberer haben von der griechischen Kultur, die entlang der kleinasiatischen Küste bestand (Ephesus), nichts übernommen, das bestehende jedoch zerstört, ganz anders wie die Römer. Kulturell-kreatives Schaffen und das finden neuer Formen setzt eine Minimum an gesellschaftlicher Freiheit voraus, deren Grenzen in der islamischen Welt vom Koran bestimmt war in weiten Teilen heute noch bestimmt wird. Die Ausnahmen besagen nur, dass sich kleine Teile gelöst haben, die jedoch in der Gesamtgesellschaft nicht verankert sind. Wie die Frankfurter Buchmesse wieder gezeigt hat, leben auch heute noch viele Schriftsteller und Künstler aus dem arabischen Raum im Exil, weil sie in ihrem eigenen Land verfolgt und zensiert werden. Ihr relativer Erfolg findet nicht in ihrem eigenen Land statt, die " Satanischen Verse" sind dafür ein gutes Beispiel. Von einer Kultur, die im Prinzip vor allem jahrhundertelang sich selbst kopiert hat, ohne kreativ etwas Neues zu schaffen, ist wenig zu lernen. Wenn Du dagegen die Entwicklung in Europa siehst, von Rubens bis Picasso, von Schiller bis Grass, von Walther von der Vogelweide bis Stockhausen, von der Gotik bis Bauhaus(Nies van der Rohe) da tat sich Ungeheuerliches mit all den Zwischenstufen. Ähnliches suche ich in der arabisch-islamischen Welt vergebens. Dies hat Auswirkungen auch auf andere Lebensbereiche, in Technik, Medizin, Mode usw. Der Wert einer Sache bestimmt sich nach ihrem Inhalt, da sehe ich aufzählbare Unterschiede.
Es ist immer ein Missverständis, eine Betriebsverlagerung ins Ausland mit höherem Gewinnstreben gleichzusetzen. Wenn sich die von einer Regierung bestimmten äusseren Wettbewerbsbedingungen, in diesem Fall die EU-Erweiterung, so krass ändern, steht man vor Wahl, aufzuhören oder zu verlagern, bevor enstehende Verluste die Entscheidungsfreiheit nehmen. Es ist ein Dominoeffekt, dem man sich nicht entziehen kann. Wettbewerb ist immer nur dann möglich, wenn die Grundbedingungen ähnlich sind. Eine Standortverlagerung stellt diese wieder her. Allerdings, es gibt Grenzen. Es liegt mir eine Broschüre der türksichen Handelskammer vor, wie vielen anderen Firmen hier auch, in denen zu Inverstitionen in der Türkei aufgerufen wird. Man wird mit Löhnen, die noch unter denen in Rumänien liegen und mit Grundstücken bei Ankara, die man für 20 % des Verkehrswertes kaufen könne.
Sollte die Türkei in 15 Jahren beitreten, kann eine Wanderung von Betrieben von Polen, Ungarn usw. dorthin stattfinden. Ich für meinen Teil würde leiber den Betrieb schliessen, es gibt persönliche Grenzen.
Was ich damit aufzeigen will, ist, dass multi-kulti zwei Ebenen hat, die zwischenmenschliche und die wirtschaftliche. Diese beiden Ebenen zu vermischen, führt zum Desaster, oder, überspitzt ausgedrückt, der Wunsch, niemand auf der Welt sollte hungern, kann nicht dazu führen, dass wir alle Hungernden ernähren. Eine Gesellschaft, die in guter Absicht ihre Möglichkeiten überdehnt, hat am Ende selbst nichts mehr. In diesem Sinne hat eine Gesellschaft auch berechtigte Eigeninteressen, die den Interessen von Zuwanderern vorstehen. Wir überdehnen unsere Möglichkeiten seit langem und zahlen jetzt Stück für Stück den Preis. In diesem Sinne werden viele Diskussionen im Ansatz falsch geführt, ein Denken im Überfluss der Vergangenheit. Heute muss erst überlegt werden, ob sich unsere Volkswirtschaft dies und jenes leisten kann, an zweiter Stelle erst, ob es sinnvoll und wünschenswert ist. Dies gilt für alle Bereiche wie Multi-kulti, Windkraft usw.
Multi-Kulti im wirtschaftlichen Bereich ist uralt, aber auch der globale Wettbewerb, Ausland ist zugeliuch Kunde als auch Wettbewerber.
Die Gettobildung kann leicht verhindert weren durch Zuzugssperre, die es z.B. in München gibt. Hat ein Stadtteile mehr als 5 % Ausländer(ausgenommen EU), erhalten weitere keine Zuzugsgenehmigung. Folgrichtig gibt es dort auch keine Gettobildung. Dies erhöht den Druck und Zwang zur Integration, gut für unsere Gesellschaft und unsere Sozialsysteme.
 
OK, unterhalten wir uns also über die Kunst und die Kultur ;). Wie fast immer bei dir, sage ich JA, AAAAABER... Es macht Spass, mit dir zu streiten ;)

mavaho schrieb:
Um nochmals auf die orientalisch geprägte Kultur zurückzukommen: So beeindruckend die orientalische Ornamentik auch ist, zeigt sie doch zugleich auf, wie arm dierse Kultur an Vielfalt und Evolution ist. Die Muster von heute sind nicht anders als vor 600 Jahren, Bildmalerei und Bildhauerei exisitieren praktisch nicht, und Weiterentwicklung fehlt fast völlig. Wenn man in Istanbul das Top-Kapi Museum besuchst,und es gilt sinngemäss auch für andere in dieser Region, ist man beeindruckt, aber es fehlen eben Gemälde und Skulpturen.

Mavaho, das Topkapi-Museum ist ein Palast! Ein Palast der osmanischen Sultane, eine Sammlung ihrer Schätze. Hast du dort zeitgenössische Kunst erwartet? Und die über 10 000 Miniatur-Gemälde sind dir entgangen? Schade, nicht?


mavaho schrieb:
Die Osmanischen Eroberer haben von der griechischen Kultur, die entlang der kleinasiatischen Küste bestand (Ephesus), nichts übernommen, das bestehende jedoch zerstört, ganz anders wie die Römer. Kulturell-kreatives Schaffen und das finden neuer Formen setzt eine Minimum an gesellschaftlicher Freiheit voraus, deren Grenzen in der islamischen Welt vom Koran bestimmt war in weiten Teilen heute noch bestimmt wird.

Einverstanden. Ich gehe sogar noch weiter. Die Kunstschaffenden haben es in mehrfacher Hinsicht schwer. Vielerorts gibt es sogar nicht nur keine Unterstützung des Staates, sondern auch noch die doppelte Zensur (Staat/Islam), das Analphabetentum spielt eine grosse Rolle, der Lebensunterhalt lässt sich damit nicht verdienen usw.

mavaho schrieb:
Die Ausnahmen besagen nur, dass sich kleine Teile gelöst haben, die jedoch in der Gesamtgesellschaft nicht verankert sind. Wie die Frankfurter Buchmesse wieder gezeigt hat, leben auch heute noch viele Schriftsteller und Künstler aus dem arabischen Raum im Exil, weil sie in ihrem eigenen Land verfolgt und zensiert werden. Ihr relativer Erfolg findet nicht in ihrem eigenen Land statt, die " Satanischen Verse" sind dafür ein gutes Beispiel. Von einer Kultur, die im Prinzip vor allem jahrhundertelang sich selbst kopiert hat, ohne kreativ etwas Neues zu schaffen, ist wenig zu lernen.

Ja, und der Nobelpreisträger Nagib Mahfuz ein gutes Gegenbeispiel. Es gibt Romane aus dem Libanon, Kinderbücher aus Aegypten, Erzählungen und Gedichte aus dem Irak, frankophone Literatur aus dem Maghreb und arabische Schriftstellerinnen, die übersetzt werden, Theaterstücke..., es gibt Rafik Schami, Gibran, Idris, Darwisch und wie sie alle heissen. Es gibt über 100 000 zeitgenössische Bücher aus dem arabischen Raum, aber dem gegenüber kaum Uebersetzungen. Nach der Buchmesse werden jetzt zum 1. Mal über 100 Titel auf einmal übersetzt. Dir ist es zu wenig, um daraus etwas zu lernen? Die arabischen Autoren sind da weniger überheblich, sie liessen sich durchaus durch die westliche Literatur beeinflussen und schaffen jetzt den Spagat zwischen westlich/arabisch-islamisch. Jahrhunderte gab es fast nur Poesie, um so bedeutender ist doch die Entwicklung, die danach stattfand.
Und warum ist die arabische Welt so rückständig? Als sie sich demokratisieren wollte, entdeckte man gerade das Oel und die westliche Welt setzte alles daran, damit es so bleibt, wie es war. Das sollte man nie vergessen.
Und die, die im Exil schreiben sind enorm wichtig für die "zu Hause", das sollte man auch nicht vergessen.

Und Mavaho, was ist mit dem Irak? Du bist doch der Kenner hier! Dort sind dir die Gemälde und Skulpturen auch entgangen? Möglich wär's, denn durch den Krieg wurde ja vieles zerstört...

mavaho schrieb:
Wenn Du dagegen die Entwicklung in Europa siehst, von Rubens bis Picasso, von Schiller bis Grass, von Walther von der Vogelweide bis Stockhausen, von der Gotik bis Bauhaus(Nies van der Rohe) da tat sich Ungeheuerliches mit all den Zwischenstufen.

Stimmt! Aber warum erwähnst du ausgerechnet Bauhaus, das von den Nazis aufgelöst wurde und warum ausgerechnet Mies van der Rohe, der danach sein halbes Leben in den USA verbrachte? War das keine Verfolgung, kein Exil? Es hätte bessere, neuere Beispiele gegeben, aber auch deine zeigen die Entwicklung sehr gut und ich mag Le Corbusier und Eileen Gray, deshalb meine volle Zustimmung auch mit Bauhaus ;).


mavaho schrieb:
Ähnliches suche ich in der arabisch-islamischen Welt vergebens. Dies hat Auswirkungen auch auf andere Lebensbereiche, in Technik, Medizin, Mode usw. Der Wert einer Sache bestimmt sich nach ihrem Inhalt, da sehe ich aufzählbare Unterschiede.

Stimmt! Die Weiterentwicklung hat viel später begonnen und wird ständig gebremst. Daran ist der Westen mitschuldig. Aber vielleicht suchst du auch gar nicht und merkst die Fortschritte deshalb nicht? Möchtest du mich mit dem letzten Satz nur provozieren, oder zeigen, dass sich die Deutschen für andere Kulturen nicht zu interessieren haben, weil die "Leitkultur" eh der Nabel der Welt ist? Tschuldigung, aber hätte ich es jetzt nicht geschrieben, wäre ich daran vielleicht erstickt ;).

mavaho schrieb:
Es ist immer ein Missverständis, eine Betriebsverlagerung ins Ausland mit höherem Gewinnstreben gleichzusetzen. Wenn sich die von einer Regierung bestimmten äusseren Wettbewerbsbedingungen, in diesem Fall die EU-Erweiterung, so krass ändern, steht man vor Wahl, aufzuhören oder zu verlagern, bevor enstehende Verluste die Entscheidungsfreiheit nehmen. Es ist ein Dominoeffekt, dem man sich nicht entziehen kann. Wettbewerb ist immer nur dann möglich, wenn die Grundbedingungen ähnlich sind. Eine Standortverlagerung stellt diese wieder her. Allerdings, es gibt Grenzen. Es liegt mir eine Broschüre der türksichen Handelskammer vor, wie vielen anderen Firmen hier auch, in denen zu Inverstitionen in der Türkei aufgerufen wird. Man wird mit Löhnen, die noch unter denen in Rumänien liegen und mit Grundstücken bei Ankara, die man für 20 % des Verkehrswertes kaufen könne.
Sollte die Türkei in 15 Jahren beitreten, kann eine Wanderung von Betrieben von Polen, Ungarn usw. dorthin stattfinden. Ich für meinen Teil würde leiber den Betrieb schliessen, es gibt persönliche Grenzen.

Mavaho, von Wirtschaft habe ich nur eine sehr vage Ahnung und bezweifle nicht mal am Rande, dass du dich auskennst. Ich unterstellte dir doch auch gar nicht, dass du nur deine Gewinne optimieren willst, bzw. dass dein Denken nur gewinnorientiert ist!!! Nur die Widersprüche interessierten mich! Was mich aber wirklich ärgert: du nimmst seit Jahren dein dir durch die Demokratie gegebenes Wahlrecht nicht wahr (deine Aussage irgendwo früher) und kritisierst ständig die Politiker. Es ist natürlich deine Privatsache und es geht mich nichts an, aber wenn du das schon zum Besten gibst, darfst du dich nicht wundern, dass ich da so meine Fragen habe. Z.B., ob das der richtige Weg ist?

mavaho schrieb:
Was ich damit aufzeigen will, ist, dass multi-kulti zwei Ebenen hat, die zwischenmenschliche und die wirtschaftliche. Diese beiden Ebenen zu vermischen, führt zum Desaster, oder, überspitzt ausgedrückt, der Wunsch, niemand auf der Welt sollte hungern, kann nicht dazu führen, dass wir alle Hungernden ernähren. Eine Gesellschaft, die in guter Absicht ihre Möglichkeiten überdehnt, hat am Ende selbst nichts mehr. In diesem Sinne hat eine Gesellschaft auch berechtigte Eigeninteressen, die den Interessen von Zuwanderern vorstehen. Wir überdehnen unsere Möglichkeiten seit langem und zahlen jetzt Stück für Stück den Preis. In diesem Sinne werden viele Diskussionen im Ansatz falsch geführt, ein Denken im Überfluss der Vergangenheit. Heute muss erst überlegt werden, ob sich unsere Volkswirtschaft dies und jenes leisten kann, an zweiter Stelle erst, ob es sinnvoll und wünschenswert ist. Dies gilt für alle Bereiche wie Multi-kulti, Windkraft usw.

Ob die Möglichkeiten tatsächlich überdehnt wurden, kann ich nicht beurteilen.
Sonst bin ich aber mit dir einverstanden.

mavaho schrieb:
Multi-Kulti im wirtschaftlichen Bereich ist uralt, aber auch der globale Wettbewerb, Ausland ist zugeliuch Kunde als auch Wettbewerber.
Die Gettobildung kann leicht verhindert weren durch Zuzugssperre, die es z.B. in München gibt. Hat ein Stadtteile mehr als 5 % Ausländer(ausgenommen EU), erhalten weitere keine Zuzugsgenehmigung. Folgrichtig gibt es dort auch keine Gettobildung. Dies erhöht den Druck und Zwang zur Integration, gut für unsere Gesellschaft und unsere Sozialsysteme.

Also gäbe es die Möglichkeit, die Ausländer "gerechter" auf die Länder zu verteilen, wie ich es noch gestern aus Unwissenheit verworfen habe. Warum macht das Beispiel nicht Schule? Könnte es sein, das München für Deutschland nicht repräsentativ ist und Bayern eigene Gesetze hat?

Es macht wirklich Spass, mit dir zu streiten, man muss dabei immer wach bleiben! :danke:
 
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Ornament und....äh

Guten Tag,

Die gegenseitige Prägung von Kultur, Religion und Kunst könnte ich versuchen, an der Musik nachzuvollziehen.
Die europäische Musik ist wie keine andere auf der Welt von struktureller Komplexität geprägt, d.h. von komplexer Harmonik und insbesondere Kontrapunktik.
Die Entwicklung vom noch einstimmigen gregorianischen Gesangs führte alsbald zu Zwei- und Mehrstimmigkeit, verbunden mit einer rasanten Entwicklung der Durchdringung der Stimmen (Kontrapunktik). Hier ist natürlich Bach zu nennen. Bach war ein überzeugter Kirchenmusiker und im Übrigen zu seiner Zeit schon veraltet, schon seine Zeitgenossen wollten weg von dessen als altmodisch betrachteten Formstrenge.
Dennoch blieb die Idee der kontrapunktischen Strenge so prägend, dass auch Komponisten, die andere Audsrucksformen suchten, nicht umhin kamen, sich ihren Gesetzen unterzuordnen. So gibt es eine Linie bis weit ins 20. Jahrhundert hinein (Brahms-Wagner-Mahler-Hindemith-Schönberg), die sich ihr verpflichtet fühlen. Religiöse Motive spielten hier nur ausnahmsweise eine Rolle, dennoch kommt der Kontrapunkt von der kirchlichen Musik und der Idee einer gottgefälligen Musik. Interessant an dieser Idee von Musik ist, dass sie eher ein Dienst an Gott ist, als ein Dienst am Menschen. Ich meine das in dem Sinn, dass sie sich weniger dazu eignet, den Menschen z.B. in Eksase, Meditation, kaum auch in Kontemplation zu versetzen - dazu ist sie viel zu kompliziert. Ganz im Gegensatz zur Musik fremder Kulturen, die oft, über die indische, arabische, indonesischer Musik, genau jene Motive besitzt, die in der europäischen Tradition zu kurz kommen. Dies erklärt auch den Erfolg der Musik fremder Kulturen, die den europäischen Sinnnsuchenden eine Projektionsfläche für ihr Bedürfnis nach Kontemplation und Ekstase bietet. Gleichfalls erklärt sie den Erfolg von Musik aus Vor-Bachzeiten, die weniger exotisch ist, aber auch dieses Bedürfnis zu stillen vermag. Diese Musik wird als volksnäher, ruhiger, oft auch einfach als "schöner" empfunden.
Auch als dann nach Schönberg der Würgegriff der Kontrapunktik nachließ, wurde man sie indirekt nicht los: Auch wenn man nicht mehr nach den alten Regeln komponierte, so setzten doch die meisten neuen Komponisten auf extrem komplizierte Strukturen: Ligeti, Boulez, Nancarrow usw.. Man ging sogar soweit, die Komplexität so zu forcieren, dass die Strukturen kaum noch spielbar, geschweige denn per Höreindruck nachvollziehbar wurden. Manches wurde in dem Sinn komponiert, dass nur noch auf dem Notenblatt die Logik und der Sinn erkennbar wurden. Man stattete in der extrem seriellen Phase gar alle Parameter der Musik, also Noten, Dynamik, Instrumentation mit mathematischen Werten aus und verfiel dabei in kindische Streits über den richtigen Weg.
Auch hier gab es eine Gegenbewegung, die sich aber gerade in Deutschland spät oder gar nicht durchsetzte. Satie setzte auf einfachste Musik und Humor. Die Franzosen bildeten eine weit sinnlichere Musik aus und banden Einflüsse anderer Kulturen mit ein ("Arabesques" Debussy, Bolero usw.)
In Amerika kam man auf die Minimal-Music, Musik, die extrem durchhörbar war und in ihrer gefälligsten Form (Philipp Glass) auch enorme Verkaufserfolge erzielte. Von Jazz usw. gar nicht zu reden.
Mir geht es nicht darum, Bach zu verdammen; nein, ich liebe diese Musik. Aber auch wenn die Darstellung vereinfacht, scheint doch die These plausibel, dass sich eine bestimmte ästhetische Auffassung als gesellschaftsstrukturelle Komponente über Jahrhunderte fortsetzen kann. Und dass dann der Kultur nichts anderes übrig bleibt, als auf fremde Kulturen auszuweichen, denn aus eigener Kraft kommt sie nicht aus ihren ästhetischen Kurzschlüssen heraus (und die zeitgenössische Musik in D ist eigentlich mausetot).

Sei noch erwähnt, dass die Verzierung, die Arabeske, das Ornament zu Bachs Zeiten eine gleichberechtigte Stellung zur Kontrapunktik hatte; sie war also gar nicht so unsinnlich und streng gemeint, wie sie dann auf dem Papier stand. Die Verzierung und die Improvisation oblag dem ausführenden Komponisten/Intrumentalisten. Später erst setzte sich eine entsinnlichte Auffassung der bach'schen Musik durch, vielleicht auch als Rückkopplung aus sinnfeindlichen Gesellschaftlichen Bewegungen in Kirche und Gesellschaft. Erst die neuere Interpretationsart gibt der Musik ihre alten Freiheiten wieder.
 
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