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Multi-Kulti-Selbstverständlichkeiten in der EU.

Neugier

Well-Known Member
Registriert
29. März 2004
Beiträge
3.687
Eine multikulturelle Gesellschaft ist erstrebenswert.

Na klar, wegen .... äääähhh ....., wegen ......, ja verdammt nochmal, wegen was denn nun eigentlich ?


Naja, gar so schlimm ist es auch wieder nicht.

Abgesehen davon, dass kulturelle Vielfalt an sich als Reichtum gewertet werden kann, fallen mir schon auch
noch weitere Gründe ein, weswegen ein gleichberechtigtes Nebeneinander einer möglichst grossen Vielfalt
an Kulturen (= Ausgestaltungsformen von öffentlichem und privatem Leben) wünschenwert erscheinen kann.

An erster Stelle wäre der Gewinn an Freiraum der Individuen in einer solchen Gesellschaft zu nennen.
Je mehr verschiedene Ausgestaltungen für Lebensentwürfe gleichberechtigt nebeneinander angeboten und
akzeptiert werden, um so eher kann jedes Mitglied einer solchen Gesellschaft für sich den passenden
Entwurf (er)finden und umsetzen.

Als zweiter Grund kann der Zugewinn an Toleranz in der Gesellschaft genannt werden. Mehrere verschiedene
Kulturen gleichberechtigt nebeneinander zu akzeptieren ist eine hervorragende Übung in Toleranz.

Diese Übung bringt als Nebenwirkung auch ein höheres Kreativitätspotential mit sich,
womit sich der Kreis zum grösseren kulturellen Reichtum schliesst.


Neben diesen Positiv-Begründungen für die Notwendigkeit eines multikulturellen Gesellschaftsansatzes
können auch noch Negativ-Begründungen angeführt werden.

Da wäre zum Einen die Tatsache, dass bisher noch keine einzige (Mono-) Kultur bekannt ist,
die nicht auch so gravierende Mängel oder Schattenseiten aufwiese, dass nicht etlichen Mitgliedern
dieser Gesellschaft ein Abgehen von dieser Kultur wünschenwert erschiene.

Ausserdem haben wir die grundsätzliche Unmöglichkeit, den Wert einer Kultur von aussen objektiv zu
bestimmen, weil jede Bewertung eines fremden Kulturgutes zwangsläufig aus der Perspektive eines
anderen Kulturkreises, somit anderer Wertesysteme, Selbstverständlichkeiten und Tabus, erfolgen würde.

Dieses Fehlen einer verlässlichen Richtschnur für die Auswahl des "richtigen Kulturgutes" verbietet
quasi von selbst die Festlegung und Einengung auf eine einzige Kultur.



Die Europäische Union stellt sich als eine multikulturelle Gesellschaft dar.
In ihr existieren gleichberechtigt nebeneinander die französische, polnische, italienische,
ungarische, irische, spanische, dänische, slowenische, belgische, deutsche, etc., etc., ... Kultur.

Der Erhalt von Vielfalt an verschiedenen Kulturen in der EU erfordert allerdings auch eine umsichtige Pflege
jeder einzelnen Kultur, weil ohne angemessene Pflege die einzelnen Kulturen in einem Mischmasch versinken
würden, was eben ein Ende der Vielfalt bedeutete.

Da stellt sich dann die Frage:
wer soll denn nun die französische, polnische, italienische, ungarische, irische,
spanische, dänische, slowenische, belgische, deutsche, etc., etc., ... Kultur hegen und pflegen ?

Als naheliegende Antwort auf diese Frage bietet sich an, dass
die Franzosen die französische Kultur,
die Polen die polnische Kultur,
die Italiener die italienische Kultur,
die Ungarn die ungarische Kultur,
die Iren die irische Kultur,
die Spanier die spanische Kultur,
die Dänen die dänische Kultur,
die Slowenen die slowenische Kultur,
die Belgier die belgische Kultur,
die Deutschen die deutsche Kultur,
etc., etc., .... hegen und pflegen.

Das ist irgendwie einleuchtend, oder etwa nicht ?

Daraus ergibt sich dann ganz zwanglos
in Frankreich eine französische Leitkultur,
in Polen ein polnische Leitkultur,
in Italien eine italienische Leitkultur,
in Ungarn eine ungarische Leitkultur,
etc., etc., .....

Selbstverständlich ergibt sich daraus auch ganz zwanglos in Deutschland eine deutsche Leitkultur.


Das musste auch einmal gesagt werden.

lg nase

[ Dass sich für Österreich eine österreichische Leitkultur ergibt, das braucht nicht einmal extra
gesagt zu werden, so selbstverständlich ist das :-)) ]
 
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Peinlich, peinlich !

Wenn das Thema "deutsche Leitkultur" Eingang in die Programme deutscher politischer Parteien,
oder zumindest in deren Wahlpropaganda findet, so ist das in höchstem Masse peinlich.

Solche Selbstverständlichkeiten können nur bei einer gewaltigen Schieflage im Meinungsklima
zu politischen Parolen mutieren.

Wenn solche Parolen dann obendrein auch noch als unanständig punziert werden,
dann ist das ein starkes Indiz für eine aufoktroyierte heuchlerische Sprachregelung.


Das musste auch einmal gesagt werden.

lg nase
 
Gipfel der Peinlichkeit

Am Wahlabend nach einer Landtagswahl in einem Neuen Bundesland Deutschlands hätte eine im Fernsehen
ausgestrahlte Round-Table-Diskussion aller Vertreter der gewählten Parteien stattfinden sollen.
Als der Vertreter einer rechtsextremen Partei anfing, seine Sprüche von "stolz, ein Deutscher zu sein"
von sich zu geben, verliessen die Vertreter der anderen Parteien geschlossen die Diskussionsrunde.


Waren die Sprüche dieses Rechtsextremen schon reichlich peinlich,
so war der geschlossene Exodus der Vertreter der anderen Parteien der Gipfelpunkt an Peinlichkeit,
der Gipfelpunkt an politischer Unfähigkeitsdemonstration.

Warum hat keiner diesem Rechtsextremen die Plattheit und Armseligkeit seiner Sprüche
genussvoll vor laufender Fernseh-Kamera links und rechts um die Ohren gehauen ?

Warum hat ihm keiner klargemacht, dass "Deutscher Sein"
in Deutschland kein politisches Programm ergibt, weil es eben selbstverständlich ist ?

Warum hat ihm keiner klargemacht, dass Politiker wesentlich mehr zu leisten haben,
als nur Selbstverständlichkeiten wie "Luft zum Atmen" zu versprechen ?


Die offen zutage getretene Unfähigkeit der anderen Parteienvertreter,
diesem Rechtsextremen angemessen zu kontern, war nicht zuletzt auch ein Alarmzeichen.
Solche Gesprächsverweigerung und Ausgrenzung fördert weiteren Zulauf zu den Rechtsextremen.

Mit ihrer Sprachlosigkeit haben sich die Vertreter der anderen Parteien selbst ein sehr schlechtes Zeugnis
ausgestellt.

Engagierte Politik für das Volk,
mit einer hohen Priorität für die Sicherung von Demokratie und ihrer Spielregeln, sieht anders aus.


Das musste auch einmal gesagt werden.

lg nase
 
deutsche Leitkultur

was gehört zur deutschen Leitkultur?
sind das nur die geographischen Besonderheiten
oder auch eigenständige Verhaltensmuster,
in die sich Zugezogene einleben MÜSSEN?

Wie lernt eine Kultur von fremden Kulturen?
Wann ist klar, daß das Fremde ein Fortschritt für unsere Kultur darstellt
und eben nicht einen Rückschritt?

zur Beantwortung kann man man meiner Meinung nach nur auf die Geographie zurückgreifen,
um aus den geographischen Besonderheiten ein besonderes Verhalten abzuleiten (Flächennutzung, Mentalität)

momentan wird in Deutschland Politik für die Städter gemacht
in der Stadt sind Fremde nicht viel mehr fremd als Einheimische

aber taugt die Stadtkultur überhaupt als deutsche Leitkultur?

(Portugal ist eigentlich ein fruchtbares Land,
das sich problemlos autark ernähren könnte
nichtsdestotrotz braucht Portugal Lebensmittelimporte,
viele Felder liegen brach, der Wald brennt vor sich hin
Schuld daran sind die Städter
die portugiesische Bevölkerung stammt weitgehend von Städtern ab
-
das habe ich nicht erfunden
das habe ich so im diesjährigen Portugalurlaub gehört)
 
Mulit-Kulti funktioniert hervorragend, wenn sie gemeinsame Wurzeln und Grundwerte hat, sie funktioniert nicht, wenn diese Punkte nicht vorhanden sind. Ein dumpfes Nebeneinander ist n i c h t Multi-Kulti.
 
Deine Beiträge sind durchdacht, sie gefallen mir, Neugier. Auch das mit der "Leitkultur".
Aber eine "polnische Kultur", eine "índische Kultur" etc. ist nicht im Original in unsere zu transportieren. Eine Kultur entwickelt sich als Monokultur immer anders als ein Teil einer multikulurellen Gesellschaft. Originalität geht verloren, das ist nun mal so. Es entsteht eine ander Originalität: Die multikulturelle Gesellschaft eben (deutscher Prägung, französischer Prägung, amerikanischer Prägung...)

Gysi
 
scilla schrieb:
was gehört zur deutschen Leitkultur?
sind das nur die geographischen Besonderheiten
oder auch eigenständige Verhaltensmuster,
in die sich Zugezogene einleben MÜSSEN
Müssen Angehörige eines anderen Kulturkreises alle Verhaltensweisen der Leitkultur übernehmen ?

In meinem Verständnis von Leitkultur in einer multikulturellen Gesellschaft besteht kein Zwang zur
vollständigen Übernahme einer bestimmten Kultur, sondern die Leitkultur ist die zumeist historisch
bedingt deutlich überwiegende, die als solche auch ausdrücklich gehegt und gepflegt wird.

Wie lernt eine Kultur von fremden Kulturen?
Das Voneinander-Lernen vollzieht sich auf verschiedene Weisen.
Einerseits durch nahezu unmerkliche "Diffusion" von Mikro-Elementen einer Kultur in eine andere,
andererseits durch explizite Befassung mit den Merkmalen einer anderen Kultur mit der Absicht,
Teile davon gegebenenfalls zu adoptieren.

Eine Diffusion von Mikro-Elementen erfolgt gewissermassen selbsttätig, wenn verschiedene Kulturen
weitgehend vorbehaltlos, reibungslos und spannungsfrei nebeneinander existieren. Bei diesen Bedingungen
ergibt es sich von selbst, dass einige Angehörige des einen Kulturkreises bestimmte Teile aus der
anderen Kultur interessant/attraktiv/lohnend finden und diese Teile in die eigene Lebensweise übernehmen.

Wenn eine explizite Befassung mit den Merkmalen einer anderen Kultur im Rahmen der Suche nach einer
Lösung für ein Problem erfolgt, dann sind die Bewertungskriterien durch die Eigenart des Problemes
vorgegeben.


.... aber taugt die Stadtkultur überhaupt als deutsche Leitkultur?
In dieser Frage wird der Begriff Leitkultur für meinen Geschmack zu stark eingeengt, in dieser engen Form
erscheint er mir nicht sinnvoll.


lg nase
 
Selbstverständlichkeiten an sich

Ein deutscher Professor sagte einmal (in den 80er Jahren) im ORF: An und für sich ist nichts selbstverständlich. Ich brauchte ein paar Jahre, um das zu verstehen. Was wir oft als "selbstverständlich" empfinden, sind unsere festen Überzeugungen (meist die Punkte, in denen sich unsere beiden Elternteile einig waren) und die Meinungen, für die es in einer politischen Einheit eine erwiesene Mehrheit gibt.

Eine Leitkultur kann es meines Erachtens schon deshalb nicht geben, weil sich kein Mensch aussuchen kann, in welche Kultur er hineingeboren wird (auch nicht in welche Religion und Nation) und oft auch nicht, wo er seine seine ersten 20 Lebensjahre verbringt. Ein Beduine zum Beispiel, der als Beduine geboren wird und die ersten 20 Jahre als Beduine lebt, wird eine andere Kultur haben als ein norditalienischer Sohn sesshafter, betuchter, angesehener, künstlerisch begabter Eltern. Ein heißblütiger Südspanier eine andere Kultur und Mentalität als ein Nordschwede. Und es soll auch keine Leitkultur geben. Man stelle sich nur vor, wir hätten in der gesamten EU nur eine, auf ein Mitgliedsland bezogene, tolerierte Leitkultur. Der Portugiese würde verpönt werden, wenn er einen Ibsen liest, der Schwede, weil ihm eine Verdi-Oper gefällt. Es gibt aber - individuell gesehen und ohne hierarchische Wertung - eine Kultur, die man kennt und (eine) Kultur(en), die man nicht kennt.

Das kurze statement vom Realisten mahavo:
Mulit-Kulti funktioniert hervorragend, wenn sie gemeinsame Wurzeln und Grundwerte hat, sie funktioniert nicht, wenn diese Punkte nicht vorhanden sind. Ein dumpfes Nebeneinander ist n i c h t Multi-Kulti.
hat mir sehr gut gefallen, wobei ich schon ergänzen will, dass nicht nur gemeinsame Grundwerte für ein Zusammenleben förderlich sind, sondern auch gemeinsame Ziele.

Mein Ideal wäre: Ein gemeinsames Ziel auf einem gemeinsamen Weg. Das dies erst Konzeption und Theorie ist, ist mir dabei klar.

Das Voneinander-Lernen der verschiedenen Kulturen hat unser virtuell-total-anonymer Nick Neugier meines Erachtens recht ausführlich beleuchtet.

Viele Grüße
 
feindselige Übernahme

ist es nicht naiv, zu glauben, daß sich Zugezogene und Einheimische so weit vermischen werden,
daß es zu einem friedlichen Mit- oder Nebeneinander kommt

ist es nicht viel naheliegender,
daß sich Menschen wo anders breit machen,
um letztendlich die Kontrolle über das Fremde zu erlangen?
(und dann ganz schnell die Geschichte vergessen bzw. umschreiben)

prominente Beispiele der Gegenwart wären

- die Türken in Deutschland
(die viel 'türkischer' sind als die Türken in der Türkei)
- die Juden im Gebiet von Israel
(als ob das 'jüdische Volk' mehr als nur eine Religionsgemeinschaft,
nämlich tatsächlich ein Volk sei,
daß einen Anspruch auf Ländereien bzw. einen eigenen Staat hat)
 
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scilla schrieb:
feindselige Übernahme

ist es nicht naiv, zu glauben, daß sich Zugezogene und Einheimische so weit vermischen werden,
daß es zu einem friedlichen Mit- oder Nebeneinander kommt

ist es nicht viel naheliegender,
daß sich Menschen wo anders breit machen,
um letztendlich die Kontrolle über das Fremde zu erlangen?
(und dann ganz schnell die Geschichte vergessen bzw. umschreiben)

prominente Beispiele der Gegenwart wären
Es geht auch um den Freiheitsgedanken. Ich finde, ein 20-jähriger EU-Europäer sollte heute die Möglichkeit haben, sich in einem EU-Land seines Geschmackes anzusiedeln. Was die Türken im speziellen betrifft, habe ich die gleichen Bedenken wie du; sie sind für mich noch immer ein Eroberer-Volk, das es mit den Menschenrechten nicht so ernst nimmt. Ob das religiösen (in diesem Fall islamischen) Ursprungs ist oder aus anderen Gründen so geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis, ist aber unterm Strich auch nicht so wichtig.

- die Juden im Gebiet von Israel
(als ob das 'jüdische Volk' mehr als nur eine Religionsgemeinschaft,
nämlich tatsächlich ein Volk sei,
daß einen Anspruch auf Ländereien bzw. einen eigenen Staat hat)
Das möchte ich nicht so auslegen, dass die Juden kein Recht auf eine eigene Heimat haben. Muss ich ? War es so gemeint ?

Ein katholisch angehauchter, arischer Lessing-Fan, für den Menschenrecht keine leere Worthülse ist.

Viele Grüße

Zeili
 
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