AW: Medien und Verantwortung
Manipulation durch Medien wird hier zwar sehr oft, aber meist nur eher nebenbei erwähnt. Ich musste weit zurückgreifen, um hier etwas darüber zu lesen, z. B. aus Walters Thread:
ich kann deine nicht-besorgnis nicht ganz teilen, philipp; denn an dem umstand, dass ein beachtlicher teil der medien-konsumierenden bevölkerung über höchstens durchschnittliche bildung bei gleichzeitig grosser bequemlichkeit und zum teil auch wenig zeit verfügt, wird sich wohl in absehbarer zeit wenig ändern.
also tragen die medien, was (umfassende und objektive) information und meinungsbildung anbelangt, als 'vierte macht im staat', aus meiner sicht eine immens hohe verantwortung.
Thats it!
Politiker machen einen Kniefall (besser: Kniefall um Kniefall) vor den Boulevardmedien, dass es einen nur so schüttelt vor Grausen: Politiker machen Boulevardpolitik, verlieren gerade dadurch immer mehr an Glaubwürdigkeit, "gewinnen" an Lächerlichkeit, hinterlassen Kopfschütteln beim Volk, dass man meint, fast das ganze Land hätte Parkinson - und wir merken es nicht, dass solch bequeme und lächerliche Politik bloß die Folge unseres eigenen (Konsum-)Verhaltens ist: In Österreich hat etwa die Krone eine Auflage von rund 3 Millionen, rechnet mal das auf Deutschland und die Bildzeitung um...!
Ist es ein Wunder, dass man bei den Äußerungen "des Volkes" nur das Nachplappern der Krone-Zeilen heraushört, wie etwa kürzlich beim Lissabon-Vertrag der EU?
Aber Manipulation durch Medien ist unser täglich Brot. Wir werden dadurch gelenkt, ob direkt (indem wir es selber glauben), oder indirekt (indem die Gläubigen die Mehrheit bilden). Und die Politiker tragen das ihre dazu bei, weil Manipulation Macht bedeutet.
Jüngste Beispiele, mal nicht von den Boulevardblättern:
Der
KURIER brachte heute den Fall des ÖBB-Bosses Huber, der gehen muss, auf der Titelseite, ziemlich skandalträchtig (850 000 Euro, Golden Handshake für ÖBB-Boss) und widmete dieser Affäre dann im Blattinneren noch eine ganze Seite (der Kurier ist kein Kleinformat!).
NUR: Von ÖVP-Verbindungen Hubers kein Wort, ich konnte in dem ganzen Bericht das Wort ÖVP kein einziges Mal lesen!
Unterschwellig bleibt dabei hängen: Die ÖBB ist ja traditionell rot, und dann schon wieder dieser Skandal!
Dabei ist Huber ein ÖVP Mann, der unter Schwarzblau eingesetzt wurde.
Der Kurier-Eigentümer Konrad ist der Raiffeisen-Boss…
Die
PRESSE berichtet sehr umfangreich darüber, und ich habe das heute online unter dem besonderen Blickwinkel der Manipulation betrachtet:
1. Beitrag: Huber verlässt die Spitze der ÖBB
ÖVP-nahe: Kommt 1 x vor
SPÖ-nahe: Als ausgleichende Gerechtigkeit - SPÖ kommt ebenfalls 1 x vor (und zwar "Vorstandskollege" Poschalko, dem wird sogar noch mehr Bericht "gewidmet"!)
2. Beitrag: Bahn: ÖBB-Chef Huber bestätigt seinen Rücktritt
ÖVP-nahe: 2x
SPÖ-nahe: Ebenfalls 2x
Als Draufgabe, quasi entschuldigend:
"Der Abgang Hubers wurde mit SPÖ-Verkehrsminister abgesprochen."
3. Beitrag: Wie viele Konsulenten brauchen die ÖBB?
ÖVP-Nennungen: NULL!
Dafür aber bekommt die SPÖ eines drüber:
"Die Steuerzahler kommt das lustige Vorstands-Quartett-Spiel von Faymann und Pöchhacker inzwischen wirklich teuer".
4. Beitrag: Chronologie einer Entgleisung
3x die ÖVP erwähnt: ÖVP-Finanzminister (nur sehr beiläufig erwähnt),….Erich Söllinger (ÖVP-nahe) … und ÖVP-Parteifreunde…
4x die SPÖ: SPÖ-Verkehrsminister (ist „frohlockend“),… Parteifreund Horst Pöchhacker,… Hubers Co-Vorstand Gustav Poschalko, ein „Roter“, … Peter Klugar (SPÖ-nahe)
5. Beitrag: ÖBB: Vertraute von Martin Huber geht ebenfalls
Die Vertraute, Immobilien-Chefin Michaela Steinacker,
„war zuletzt vom Rechnungshof wegen ihrer hohen Gage und wegen diverser Immobilien-Transaktionen ziemlich zerzaust worden“.
Punktum! Nicht mehr!
Schon deutlich länger aber:
„Raiffeisen lobte gestern Steinackers „große Erfahrung im Bereich des Immobilien- und Beteiligungsmanagements“. Die Managerin war seit 2005 für die ÖBB tätig. Zuvor war sie kaufmännische Geschäftsführerin der Immobilien-Managementgesellschaft des Bundes. Die Raiffeisen-Holding ist die größte private Beteiligungsgesellschaft des Landes – sie ist an 660 Unternehmen beteiligt.“
Faymann, SPÖ, bekommt hingegen wieder einiges ab. Keine Details darüber, das würde ziemlich lange werden!!!
6. Beitrag: ÖBB-Holding: Nach Huber tritt auch Söllinger zurück
ÖVP: Kommt NICHT vor (Obwohl auch Söllinger zur ÖVP gehört)
Das alles sind hier keine persönlichen Kommentare der Journalisten, sondern "neutrale" Informationen!
Im
STANDARD ist anderes darüber zu lesen, plötzlich bekommt man auch ganz andere Hintergrund-Informationen, z.B. zur Chronologie:
1. November 2004: Die Bestellung (Hubers) wird von heftigem Protest von SPÖ und den Grünen begleitet, sie werfen der ÖVP/FPÖ-Regierung Postenschacher vor. Huber war Mitglied der ÖVP und damit der erste "schwarze" Chef der "roten" Bahn seit rund dreißig Jahren.
Oder:
10. August 2006: In Medien wird bekannt, dass Huber aus Protest gegen negative Berichterstattung über Differenzen mit Goldmann vier heimischen Tageszeitungen die Inserate der Bahn gestrichen hat. Der Entzug der Anzeigen sorgt für heftigen Wirbel. Zwei Monate später zieht Huber den Boykott zurück.
Das sind alles führende, seriöse Tageszeitungen in Österreich und nicht typische Boulevardblätter, bei denen schon fast jede Überschrift nach Skandal schreit, die kompromisslos einseitig und erschreckend oberflächlich berichten und bei denen Manipulation und Hetze zur Tagesordnung gehört - dass man nicht nur Parkonson bekommt, sondern dass einem auch Hören und Sehen vergeht …
Ob die Medien "nur" die 'vierte macht im staat' sind, wie flora oben zitiert wird?
lg
Andreas