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Madrid

R

Robin

Guest
Salut!

Habt ihr nach den Anschlägen in Madrid mehr Angst vor Terror als vorher? Habt ihr überhaupt Angst? Und wenn: Ist sie begründet?

Einen angstarmen Tag.
 
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Guten Morgen, Robin

hmmm, schwierig zu sagen. Nein, ich habe keine richtige Angst. Hätte ich sie, wäre ich (aus Erfahrung) wie gelähmt. Das bin ich aber nicht. Sicher mache ich mir Gedanken, wahrscheinlich noch mehr als vorher, denn ES kommt immer näher. Ich bin aber eher wütend, dass wir so erpressbar geworden sind und so hilflos ausgeliefert. Muss noch darüber nachdenken.
 
Original geschrieben von Robin
Salut!

Habt ihr nach den Anschlägen in Madrid mehr Angst vor Terror als vorher? Habt ihr überhaupt Angst? Und wenn: Ist sie begründet?

Einen angstarmen Tag.
Naja. Das ist wie damals mit den Atomkraftwerken und dem NATO-Doppelbeschluss. Angst? Keine so rechte. Eine intellektuell begründete. Kann ein Anschlag dich höchst persönlich treffen? Die Wahrscheinlichkeit ist gering... Aber die Stimmung ist eine andere. Und ich kann nur hoffen, dass diesem sinnentleert lebenden Millionärssöhnchen mitsamt seiner größenwahnsinnigen Bagage bald das Handwerk gelegt wird. Schön wäre es aber, wenn die arabischen Völker, für die Al Kaida zu reden und zu handeln meint, mal ihre Meinung sagen würden - zu Al Kaida, zum Islam, dem Islamismus und dem Westen.

Gysi
 
Zitat Gysi:

"Naja. Das ist wie damals mit den Atomkraftwerken und dem NATO-Doppelbeschluss. Angst? Keine so rechte. Eine intellektuell begründete. Kann ein Anschlag dich höchst persönlich treffen? Die Wahrscheinlichkeit ist gering... "

Für mich ist das aber nicht wie damals. Ich wurde erst in den 70-ern geboren. Auch die Angst vor Tschernobyl, das ich doch schon ziemlich bewusst erlebt habe, war eine ganz andere.
Und wenn ich die eigene Biographie zu Geschichte mache wie du, stelle ich fest, dass Aengste überhaupt nicht vergleichbar sind. Es ist jedes Mal etwas anderes. Ich kann nicht mal den 11.3.04 mit dem 11.9.01 vergleichen.
Richtig ist, dass die Wahrscheinlichkeit, "es trifft dich persönlich", sehr klein ist, aber sie besteht. Egal in welcher Form.
Trifft mich nämlich eine Bombe oder eine Kugel, wird mir das vermutlich mit grösster Wahrscheinlichkeit eh egal sein, weil ich es nicht überlebe - also habe ich davor auch keine Angst. Aber es könnte jemand getroffen werden, denn ich kenne, was dann?

Am 11.9.01 da hatte ich nämlich eine verdammt grosse feige Angst. Ich arbeitete damals an einer int. Internatsschule. Wir kamen nachmittags gerade vom Training zurück und setzten uns in den TV-Raum, um etwas zu besprechen. Einer der Jungs stellte das Fernsehgerät ein und da liefen die Bilder... direkt!
Panik, Entsetzen und eine schier unerträgliche Angst.
Einige der Jugendlichen an der Schule waren US-Amerikaner. Von zwei anderen arbeiteten die Eltern in NY und ein Vater sogar im WTC. Verzweifelt versuchten wir telefonische Verbindung herzustellen, den ganzen restlichen Tag, die ganze Nacht.
Und ich hatte so schreckliche Angst wie kaum je vorher, obwohl ich nicht persönlich und doch sehr persönlich betroffen wurde. Und es war eine ganz feige Angst. Ich fürchtete mich nämlich davor, jemanden trösten zu müssen, wenn... Und hatte auch Angst, dem nicht gewachsen zu sein und auch Angst, es wird an der Schule nie mehr so sein wie noch vor ein paar Stunden.
Der Anschlag war so weit weg und doch direkt da.
Jetzt ist es anders. Jetzt habe ich keine unmittelbare Angst, die käme nur, wenn sie auch ein Gesicht hätte. Ich habe nur unglaublich grosse Wut, das Bush genau das Gegenteil erreicht hat. Er behauptete, die Welt mit diesem Krieg sicherer machen zu wollen. Und jetzt? Wir haben keine Möglichkeit, uns zu schützen, also nützt uns auch die Angst und Panik nichts, ich flüchte mich im Moment in den Fatalismus, etwas Gescheiteres ist mir leider noch nicht eingefallen.
 
Liebe Céline,

es ist aber auch nicht fair von mir: Größtenteils stellte ich das Thema hier hinein, weil ich dachte, man kann doch nicht über seltsame Abstrakta rumschwurbeln aber die konkrete Gegenwart beiseite lassen in so einem aktuellen Medium wie hier. Also sagte ich mir: Madrid muss mit.
Aber natürlich besteht ein großer Unterschied zwischen der Nachrichtenagenda und der persönlichen. Was auf Seite eins steht, muss für einen persönlich keine neue Nachricht sein. Zum Beispiel, weil sich im Prinzip nicht viel geändert hat. Nach dem 11. September hatte ich auch Angst, aber keine so konkrete wie du (hatte keine Verbindungen zu NY), sodern mehr so die Gänsehautangst, die sich-ein Abgrund-auftu-Angst, eine die-Welt-wird-sich-ändern-Angst.
Bei Madrid dachte ich mir erstmal garnichts, ich habe das garnicht so wahrgenommen, 200 Leute sterben ja immer mal, bei Flugzeugunglücken oder Fährkatastrophen. Dieses "Zweihundert fehlen" ist ja ganz nett, aber das überhöhte Pathos wirkt auf mich seltsam irrational.
Die Not schweißt zusammen, die Bedrohung von Außen ebenfalls.
Bush sagt: DIe ganze Welt ist im Krieg gegen den Terror. Unglaublich, wie lustvoll mit diesen Gefühlen gespielt wird,wie man Angst und Bedrohung herbeibeschwört und genießt. Und wie man dann (ich glaube noch nicht mal bewusst) alles tut, um die Emotionssuppe ja nicht abkühlen zu lassen.
Kein Vorwurf an die Trauernden, nein. Aber mehr denn je müssten Entscheider nun einen kühlen Kopf behalten.

Heute höre ich: Ein Anführer der Hamas ist getötet worden. Drei Raketen flogen gegen seinen Rollstuhl. Die Hamas schwört Rache in nie dagewesenem Ausmaß. Wie wird die schreckliche Gleichung aussehen? Ein toter Hamasführer = x tote israelische Unschuldige.
Terrorismus ist schrecklich, aber schrecklicher sind die absurden Gleichungen, die dahinter stehen. Wo im Menschen sitzen die Synapsen, die sich an diesen Gleichungen weiden, die mit Lust Leben gegen Leben aufrechnen und eine vielleicht im Religiösen ausgestorbene Opfermentalität ins säkulare Leben übertragen?

In Brandenburg gibt es viele Alleen, an denen jedes Jahr viele junge Brandenburger mit ihren Autos kleben bleiben. Psychologische Untersuchungen besagen, dass oft genug Platz gewesen wäre, zwischen den Bäumen hindurchzufahren. Der Mensch in der Bedrohung neigt aber dazu, sich an irgendetwas ausrichten zu wollen, im Fallen nach etwas zum Festhalten zu suchen. Und so rast er er gerade dann auf den tödlichen Baum zu, wo das Ausweichen lebensrettend wäre.
Man kann nicht verleugnen, dass etwas von diesem Phänomen sich auch in der Bedrohung durch Terrorismus und andere Katastrophen zeigt.
 
Original geschrieben von Céline
Für mich ist das aber nicht wie damals. Ich wurde erst in den 70-ern geboren. Auch die Angst vor Tschernobyl, das ich doch schon ziemlich bewusst erlebt habe, war eine ganz andere.
Weitere Terroranschläge werden geschehen. Von daher ist der Terror Fakt, während ein 3. Weltkrieg in den 80ern lediglich zu einem gewissen Grad wahrscheinlich war. Aber die Bedrohnug war - meine ich - damals ungleich größer!
Ich will den Terrorismus nicht verharmlosen, um Gottes Willen - ganz im Gegenteil! Ich hasse ihn, und er gehört konsequent und effektiv bekämpft! Den kann man nicht bekämpfen, wie die Amis das derzeit tun. Die erreichen, da bin ich voll deiner Meinung, exakt das Gegenteil. Der Irak-Krieg dient der Planung Al Kaidas.

Gysi
 
Salut!

Es ist auch keine Angst, was ich fühle. Eher eine leise Verzweiflung darüber, dass der Terror heute mächtiger denn je auftreten kann. Um eine dumme Metapher zu benutzen, die Büchse der Pandora wurde voll aufgedreht.
Bis vor Kurzem dachte ich noch, hätten die 'befreiten' Länder autonome und nicht von den Amerikanern eingesetzte oder unterstüzte Regierungen, könnte man wenigstens Verhandlungen führen - ich weiss, eine idiotische Vorstellung für einen Franzosen mit nationaler nordafrikanischen Vergangenheit.
Und auch Sharon hat bewiesen, dass die Verhandlungen keine reelle Chance bieten; die Exekution von Yassin wird vermutlich nur allen islamischen Extremisten Argumente für noch mehr Vergeltungsanschläge liefern.
Was sind die nächsten Ziele? Zuerst wieder unschuldige Israeli, danach vielleicht Arafat und für Al-Kaida Rom?

Was will man da noch zu Madrid sagen? Die Madrilenen leben weiter, wie vor ihnen die Menschen in NY, Tel Aviv oder Bagdad. So gut, wie es eben geht. Aber 'Wie geht es Dir?' frage ich jetzt keinen meiner spanischen Freunde.
Selbstverständlich ist die Welle der Solidarität und Sympathie schön, aber die 'Menschheit' betreibt wahrscheinlich die Geschichte doch nur der Geschichte willen und zieht nie eine Lehre daraus, sonst würde sich doch die Solidarität zeigen, bevor was passiert und wir würden, wenn schon nicht miteinander, so wenigstens nebeneinander friedlich leben. Es ist zum Kotzen, um es auf den Punkt zu bringen!
 
Angst: nein. Resignation: ja!

Morgen früh fliege ich übrigens für 2 1/2 Wochen nach Spanien.

Bis denne :winken1:
wirrlicht
 
Mir geht es ähnlich wie Jerome.

Angst habe ich keine. Begründung: Gysi.
Wut kann ich auch nicht empfinden. Ich denke immer irgendwie daran, dass dieses Terroristen sehr häufig ihr Leben einsetzen für etwas, das ihnen wert ist, sich und andere zu töten.
Und das beklemmt mich.
Wenn ich schon lese: internationale Zusammenarbeit in der Terrorbekämpfung ... Lachhaft !

Hier ist etwas ganz anders gefragt; nämlich die materielle Besserstellung der Mehrheit der Menschen auf unserer Erde. Da das aber mit einer Schlechterstellung der Minderheit der Menschen möglich, und zwar der, die in einigermaßen demokratischen Ländern leben.
Und diese Demokratie verhindert, dass sich wirklich weltweit in einigermaßen absehbarer Zeit etwas ändern wird.Wer gibt schon freiwillig was ab: Die, die das fordern, werden eben nicht gewählt. So einfach ist das!


Und solange in so vielen Staaten Not, politische Unterdrückung, mangelnde Bildung, religiöser Fanatismus herrschen, macht sich das bei uns eben in einer diffusen Bedrohungsangst vor Terroristen an.

Marianne
 
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Hallo ! :winken1:
Schreibe hier gerade meinen Erstlingsbeitrag in diesem Forum (wurde sozusagen aus einem anderen Forum angeworben *gg*)
Nachdem ich mich ein wenig eingelesen habe, gefallen mir die Beiträge hier ausgezeichnet. Seid bitte am Anfang nicht zu streng mit mir. :danke:

Zum Thema:
Ich glaube, es ist kaum möglich und sinnvoll, aus einem für uns abstrakten Ereignis konkrete Angst abzuleiten. Jegliches "Unglück", daß nicht selbst erfahren wurde, ist irgendwie abstrakt oder ?
Ad hoc überlegt man natürlich, wer hat hier warum, man sieht die Opfer und hört die Politikerreaktionen, aber dann landet es im "Historienordner".
Mich selber juckt da eher etwas anderes. Laut Chaostheorie kann ja ein abhebender Schmetterling in China Ursache eines Orkans in Florida sein.
Naja, ist ja nur eine Theorie, aber sind wir nicht alle Schmetterlinge in diesem Vergleich ?
Dei Ursache von Terror ist m.E. Mangel an Dialog, Toleranz, Akzeptanz, etc. Klar, bei Völkern, Staaten und Regierungen löst das Krieg aus, bei uns Streit, vielleicht eine Schlägerei. Viele von uns leben diese guten Eigenschaften zwar, aber fordern wir sie auch ein ? Was tun wir mit/gegen die Intoleranten, Hetzer, etc. ?
Nicht, daß ich ein Idealrezept hätte, aber meine "Angst" geht eher in die Richtung, selbst zuwenig getan zu haben.
 
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