Ziesemann schrieb:
Eine Zweiklassenmedizin gibt es faktisch seit es Mediziner gibt zu allen Zeiten und in allen Staaten.
Etwas verallgemeinernd finde ich diese Behauptung - und auch stark verkürzend.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: wer heute das Privileg hat Teilprivatversichert zu sein (also stationär privat behandelt zu werden), erlebt oft Situationen in denen man sich schon fast bei den Kassenpatienten entschuldigen möchte, so groß ist der Unterschied im Rahmen der Zweiklassenmedizin geworden.
Für mich wäre die Behauptung, dass das schon immer so war auch kein Argument. Doch es war nicht immer so, es ist ein Prozess der fortschreitet und der von Experten mit Besorgnis beobachtet wird.
Um nur einige Aspekte zu nennen, die verhältnismässig neu sind:
1. Man beobachtet, dass oft Ärzte auf ihre Kassenzulassung verzichten (z.B. Orthopäden), da durch die gesetzlichen Bestimmungen das Kassenbudget schnell ausgeschöpft ist. Es wurden z.B. im dritten Quartal des vorigen Jahres, laut KV, die Zahlungen für Kassenpatienten stark abgesenkt. Konkrete Zahlen: dabei beträgt diese Kürzung 15% für Fachärzte, 9% für Hausärzte. Daher die Tendenz auf die Kassenzulassung zu verzichten. Die Folgen bekommen hauptsächlich die sozialschwächeren Bevölkerungsschichten zu spühren.
2. In der Krebstherapie ist für Kassenpatienten, genau wie im Sozialgesetzbuch vorgesehn, nur was "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich" ist, vorgesehen. So ist z.B. die Therapie mit Protonen schonender, wird aber bei Kassenpatienten oft nicht eingesetzt, bzw. nur in den Fällen von den Kassen getragen, in denen eindeutig ist, dass nur diese Therapie effektiv sein kann. Privatpatienten haben da die besseren Chancen.
Genau das gleiche ist in der Chemotherapie feststellbar. Es dauert manchmal Jahre, bis ein Chemotherapeutikum, das schonender und auch effizienter ist, von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden. Wieder haben da die Privatpatienten einen deutlichen Vorteil.
3. Ein Dokumentarfilm zeigte vor einiger Zeit, wie bei selteneren, lebensbedrohlichen Krankheiten hilfreiche Therapien von den gesetzlichen Krankenkassen nicht getragen werden. Bei Privatpatienten werden diese Therapien bezahlt. (Konkret handelt es sich dabei um zwei Verfahren zur Blutreinigung: die Apherese und die MARS-Therapie)
Die Dokumentation "Todkrank und abgeschrieben" von Jan Schmitt und Marcel Kolvenbach zeigte Das Erste am 12.7.06.
Dies sind nur einige wenige Beispiele die zeigen sollen, dass wir in Deutschland wohl
immer mehr eine Zweiklassenmedizin haben.
Gruß von Miriam