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Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Sunnyboy

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10. März 2005
Beiträge
542
Die Bild-Zeitung hat jüngst Bilder veröffentlicht, in dem vermutlich Deutsche Soldaten vor drei Jahren in Afghanistan eine Leiche schänden, indem sie mit einem Totenschädel für eine Kamera posierten, teilweise mit obszönenen Gesten.

Da noch Untersuchungen laufen möchte ich diese Tatsache unkommentiert lassen. Nur so viel: Wenn es stimmt, ist es schrecklich und abscheulich.

Doch das, was mich heute regelrecht in Rage versetzte, waren nicht die Bilder.
Was mich wütend machte, waren die Reaktionen auf diese Bilder, allen voran die von Verteidigungsminister Jung.

Jung, der heute sowieso eine Konferenz im Verteidigungsministerium abhielt, erklärte vor den Kameras also nun, wie schlimm und abscheulich das doch sei, und das man soetwas den deutschen Soldaten nicht beigebracht hat, dass solche Leute in der Armee nichts zu suchen haben.

Ich kann es gar nicht in Worte fassen, wie sehr mich diese Heuchelei ankotzt.

Dieser Mann ist Verteidigungsminister von Deutschland, der selbe, der angeblich schon deutsche Truppen für den Sudan angeboten hat.

Als Verteidigungsminister sollte man doch eigentlich das Wesen des Krieges begriffen haben, immerhin verfügt die Menschheit was den Krieg betrifft über eine Erfahrung von mehr als Zehntausend Jahren.

Es sollte allgemein bekannt sein, dass man die idealistischsten und besterzogensten jungen Männer und Frauen in ein Kriegsgebiet schicken kann und sie trotzdem nicht selten als psychische Wracks wieder zurückkehren.

Es sollte bekannt sein, dass Gewalt, gerade die eines Krieges, die Seele und das Gewissen abstumpfen, und das keine militärische und psychologische Ausbildung diese Abstumpfung verhindern können.

Und es sollte bekannt sein, dass die einzige Möglichkeit Gewalt zu kompensieren oftmals nur darin besteht, selbst gewaltätig zu werden.

Deswegen kann ich die Überrasschung Jungs, aber auch der Bürger in unserem Land nicht nachvollziehen. Ich konnte sie schon bei den Berichten über Folter in Abu Graib nicht verstehen, wie manche Leute so schockiert sein konnten.

Glauben denn die Politiker allen ernstes, sie könnten junge Menschen in Kriegsgebiete schicken und müssten ihnen nur sagen: "Benehmt euch recht artig" , damit alles glatt läuft?

Ist unsere Bundeswehrführung so naiv, dass sie glaubt, ein gutes Training wird deutsche Soldaten daran hindern, ihre Sinne zu verlieren?
In einem Land, wo sie angegriffen werden, und wo sie tagtäglich Zeugen werden, wie kleine Kinder beim Spielen mit Granaten, die sie nicht als solche erkannten, in die Luft fliegen?

Glaubt der Bürger der Bundesrepublik wirklich, dass Krieg so ehrenvoll und heldenhaft ist, wie Hollywood es uns oft weismachen will?

Unsere Politiker sollten einen Gang zurückschalten, wenn sie sich zukünftig über solche Bilder aufregen. Sie sollten bedenken, dass sie es waren, die unsere Jungs und Mädchen dahingeschickt haben (auch wenn es nicht Jung war, der zum Zeitpunkt dieser Bilder Verteidigungsminister war, sondern Struck) und das sie die Verantwortung für die seelischen Schäden der Soldaten tragen und für das, was sich aus diesen seelischen Schäden entwickelt.

Die Soldaten sind auch nur Opfer des Krieges, die dorthingeschickt werden, um die Fehler der Politiker wieder auszubügeln.
Was sie dabei durchmachen müssen, will ich nicht erleben.

Irgendjemand hat mal gesagt: "Die Unschuld ist eines der ersten Opfer im Krieg." (Zumindest wars so ähnlich...)
Unsere Politiker sollten darüber mal nachdenken, bevor sie wieder junge Menschen in den Krieg schicken.

Meint,
Sunnyboy
 
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AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Dies alles lehrt, stets bei sich selbst darauf zu achten, das Richtige zu tun.
Oder wenn man nicht weiß, was das Richtige ist, dann es wenigstens besser zu machen.
 
krieg ist nun mal gewaltausübung - und sonst gar nichts!

hallo sunnyboy,
stimme voll mit dir überein.
mich hat´s auch immer gewundert, dass sich die daheimgebliebenen zivilisten "wundern", dass bei kriegshandlungen alle grausamkeiten, die möglich sind, vorkommen.
und dann so getan wird, als ob das "unvorstellbar" und "nicht nachvollziehbar" wäre.
dabei weiß nunmehr jeder aus der erfahrung unserer geschichtsschreibung, dass krieg eine ausnahmesituation darstellt, bei der es um die reine ausübung von gewalt geht.
die bewohner der nachbarländer werden bei strategiespielen nicht als "die deutschen", "die iraner", "die amis"...betitelt - sonder als "der feind".
das sagt doch schon alles.

lg kathi
 
AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

@ Sonnyboy, deinen Beitrag finde ich sehr schön.

Glaubt der Bürger der Bundesrepublik wirklich, dass Krieg so ehrenvoll und heldenhaft ist, wie Hollywood es uns oft weismachen will?

Leider sind die Menschen so einfach gestrickt, wie du beschreibst, man darf es nur nicht aussprechen. Es gibt genügend Menschen, die Krieg in bestimmten Situationen für gerechtfertigt halten, die Kampfhandlungen für „gute Taten“ und chirurgische Eingriffe halten und die Motive der Kriege so annehmen, wie sie erfunden werden. Nicht nur die Unschuld stirbt gleich am Anfang...auch die Wahrheit. Warum das den Menschen nicht klar ist, ist eine gute Frage. Wahrscheinlich, weil ihre Köpfe bereits mit dem Nährboden ausgestattet wurden, in den man jedes Motiv als Wahrheit einsetzen kann.

Mit unserem heutigen Denken von der Notwendigkeit der Kindererziehung, ziehen wir uns das Menschenmaterial und die Schulterklopfer für den Krieg heran. Wir formen uns gegenseitig als tatsächliche und als geistige Soldaten. Soweit sind wir noch nicht, dass wir erkennen würden, dass es ohne Lenken von Leben, ohne Verbessern und Erziehung keine Soldaten gäbe.

von Kathi: die bewohner der nachbarländer werden bei strategiespielen nicht als "die deutschen", "die iraner", "die amis"...betitelt - sonder als "der feind".
Ohne die Einteilung in „ich bin Deutscher“ oder „ich bin Christ“ gäbe es wahrscheinlich garkeine Grundlage, einen Menschen als Feind zu sehen. Indem ich mich als Deutscher oder Christ (Sorbe, Weißer, Kommunist...) sehe (mich damit identifiziere), bin ich bereits über eine Schwelle gegangen, die den Krieg möglich macht. Wenn ich ohne Einordnung, also auch ohne Nations- und Religions- u. Rassenzugehörigkeit, einfach nur „bin“, wird es einen weiteren Baustein für Krieg nicht mehr geben.

Bernd
 
AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Kopie

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich möchte voranstellen, daß ich bei der letzten Wahl meine Stimme dafür abgegeben habe, daß Sie Kanzlerin werden.
Soeben erfahre ich aus den Nachrichten, daß Sie für eine „drastische Bestrafung der Beteiligten am „Totenkopfskandal“ in Afghanistan eintreten.

Nun, wir kennen ja jetzt schon Einzelheiten des Vorgangs:

da fahren die Jungs, die (nach Ihren Worten) unter Einsatz ihres Lebens unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen, Patruille und begegnen einer Gruppe Einheimischer, die aus einer Grube Lehm für ihren Hausbau herausholt.
Die nebenher ausgebuddelten Knochen werfen sie achtlos beiseite.
Einer der deutschen Soldaten macht sich den makabren Spaß, und fängt an, mit den Knochen zu posieren, die anderen wollen keine Weicheier sein und machen mit.

Und sie wollen diese Jungs „drastisch bestrafen“,
warum, aus populistischen Gründen?
ich glaub es einfach nicht!

mit freundlichen Grüßen
 
AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Es machen mich in dieser ganzen Angelegenheit zwei Aspekte betroffen.

Erstens: wieso spricht man nicht in erster Linie - besser gesagt: fast nicht - über das Signal welches die ganze Fotoangelegenheit sendet? Denn es ist hauptsächlich die Angst vor dem Tod - das Unvermögen damit umzugehen, die die jungen Männer zum vermeintlichen Zynismus greifen lassen. Vermeintlich - denn sie wissen nicht wie sie anders ihre Ängste artikulieren könnten.
Es macht den Eindruck, als wären die jungen Menschen überhaupt nicht in dieser Richtung geschult worden - nein, an dessen Stelle hat man ihnen verlogene Bilder mit auf dem Weg gegeben über eine Bundeswehr die ein besonderer Teil der Gesellschaft sei, über (heldenhafte?) Tugenden die sie im Grunde genommen gar nicht besitzen. Und es würde sich lohnen ein wenig die Geschichte des deutschen Soldatentums aufzurollen um zu begreifen wie schwer es ihnen allen wohl gefallen sein muss sich zwischen so vielen Lügen zu positionieren.

Zweitens: bei aller Meinungs- und Pressefreiheit erscheint mir die Rolle der Medien die die Bilder als erste veröffentlich haben, mehr als verwerflich. Wenn man über Totenschändung spricht, dann hat diese hier in erster Linie stattgefunden. Es ist ein Fingerzeig der zur Empörung aufrufen sollte - und machen wir uns nichts vor: zu einer Steigerung der Auflagen.
Doch solche Bilder begegnen uns oft hauptsächlich in einen Teil unserer Presse - dies hat für sie keine Konsequenzen. Hier aber geht es nicht um Pressefreiheit, sondern um ein falsches Verständnis dessen was der Begriff eigentlich bedeutet. Wer die Pressefreiheit in ihren Wert zu schätzen weis, sollte solche Bilder den zuständigen politischen Gremien zukommen lassen - sie aber nicht publizieren. So nehmen wir eigentlich nur Teil an eine erneute öffentliche Hinrichtung und an ein allgemeines Sich Empören - ohne die Gründe auch nur im Geringsten zu hinterfragen die zu solchen Aktionen führen.

Gruß

Miriam
 
AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Ich sehe das anders, Miriam.

ich erinnere mich nämlich, daß ich als 15jähriger zusammen mit meinem Kumpel auf dem Schulweg immer über einen uralten Friedhof (Schleichweg)ging.
Eines Tages nun wurde dieser schon seit Jahrzehnten nicht mehr zu Bestattungszwwecken genutzte Friedhof endgültig zur Parkanlage umgestaltet,
die noch als olche zu erkennenden verbliebenen Gräber wurden geöffnet und die Gebeine umgebettet.
diese Tätigkeit fand nachts statt, und die mit dieser gruseligen Angelegenheit betrauten Arbeiter waren offensichtlich besoffen.
Jedenfalls sind wir auf dem Schulweg auch über die Knochen gestolpert und haben damit herumgespielt.
wir haben es unseren Klassenkameraden gezeigt, die waren neugierig und sind mitgekommen, die gezielte Suche nach einem kompletten Totenschädel war zwar nicht erfolgreich, aber (offensichtlich in der Mentalität der heutigen "Grufties") habe sich einige Jungs "Souvenirs" mitgenommen, etwa eine Gehirnschale.

Die Soldaten in Afghanistan waren auch nicht wesentlich älter als wir damals, jedenfalls wenn ich das aus heutiger Sicht betrachte.
dumme Jungs...

meint Claus

ps
nachdem ein Lehrer davon erfahren hat, wurde der ehemalige Friedhof sofort abgesperrt und "gesäubert".
 
AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Claus schrieb:
Ich sehe das anders, Miriam.

Mir fehlt in deiner Schilderung ein wesentliches Element das erlauben könnte die beiden Geschichten irgendwie vergleichbar zu machen:
die Gefahr getötet zu werden (denn Krieg bedeutet immer auch diese Realität) - und das Unvermögen sich mit diesem Gedanken auseinander zu setzen.

Gruß

Miriam
 
AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Mir fehlt in deiner Schilderung ein wesentliches Element das erlauben könnte die beiden Geschichten irgendwie vergleichbar zu machen:
die Gefahr getötet zu werden (denn Krieg bedeutet immer auch diese Realität) - und das Unvermögen sich mit diesem Gedanken auseinander zu setzen.

Gruß

Miriam


so ist es , Miriam.
ein Grund mehr, nachsichtig mit diesen Jungs zu sein,
und sie nicht "drastisch zu bestrafen"
meint claus
 
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AW: Krieg ist grausam- was für eine Überraschung

Claus, ich denke du misverstehst mich. Ich plädiere eben für diese Jungs die nun verdammt werden - ohne dass man sich mit der wahren Botschaft ihres nur scheinbaren Zynismus befasst.

Gruß von Miriam
 
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