von Louiz: Frage 1: wenn dich eine Emotion aus den Schienen wirft, dich auffrisst und dir das Leben unmöglich macht – ist es dann nicht besser und lebensbejahender diese Emotion zu beenden anstatt an ihr zugrunde zu gehen?
Ja da gibt es m.E. verschiedene Wege. Grundsätzlich meine ich, dass eine Emotion vorübergeht, wenn sie zugelassen wird, bzw. der Emotionsfluss im Körper befreit wird, der im Laufe des Lebens unbewusst hi und da unterbrochen und dann abgespeichert wurde. Auf psychischer Ebene durch z.B. ICH-Widerstände und auf körperlicher, m.E. funktional identischer Ebene in chronischen Muskelverspannungen.
Deine erste Frage allein ist schon sehr komplex. Gefühle wie Trauer, Hass, Wut, Zorn, Angst usw. gehen m.E. immer vorüber. Wenn du hier an eine schwere Depression denkst, gebe ich dir recht, dass diese auch mit nicht zu verkennender Wahrscheinlichkeit zum Tod führen kann. Aber bei einer Depression handelt es sich m.E. nicht um ein extrem starkes schlechtes Gefühl, sondern um eine Gefühllosigkeit. Hört sich bei dem gefühlten Schmerz bestimmt unglaubwürdig an, ich hab es selber durch. Entstanden, im weitesten Sinne dadurch, dass das ICH den Gefühlsausdruck behindert, wenn nicht gar verhindert. Die Ursachen sind aber weiten Teils unbewusst. Das unbewusste zu erkennen und zu befreien ist auch hier Methode zur Erleichterung des Gefühlsausdruckes. Und dann „raus damit“, so dumm das jetzt klingt. Wenn du Gefühle, wie bei den Meditationsrichtungen des Hatha-Yoga , Samatara-Meditation nur beobachtest, nicht direkt dadurch gehst, scheint das ebenso gesundheitsfördernde Wirkung zuhaben, weil die Bewertungen und Widersprüche durch das ICH allmählich verschwinden. Das ICH scheint Emotionen unbeteiligt und ohne sich damit zu identifizieren, durchzulassen.
Wie das aber genau funktioniert, das weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Das Problem hier scheint, dass man bei der Richtung „Gefühle kontrollieren“ in einen richtigen Kampf mit dem ICH kommen kann. Das empfinde ich persönlich als nicht lebensfreundlich. Für mich ist Leben i.w.S. Fluss. Und zum Gefühlsfluss gehört für mich Ausdruck. Natürlich kann die Wut auf einen Menschen solch großes Ausmaß annehmen, dass man ihn am liebsten umbringen mag, hier sollte das ICH aber nicht die Wut unterdrücken, sondern m.E. Kanäle suchen, sie auszudrücken ohne Schaden anzurichten. Ist das eingenistete Gefühl aber einmal aufgetaut und ausgedrückt, kann man neuerliche, immer wiederkehrende Gefühle von Zorn, Angst usw... möglichst sofort und ohne sich zu behindern ausdrücken. Das Gefühl staut sich dann nicht mehr bis zum Gau an...das Überdruckventil lässt weit weniger Druck schon raus. Das ICH hat hier lediglich noch die Funktion, mich als Person noch "halbwegs gesellschaftsverträglich" in Verbindung mit der Außenwelt zu halten, sollte daher nur leicht eingreifen, wie, wenn ich im Bus stehe und auf den Busfahrer wütend bin, weil er mich anmotzt, ihn nicht gleich während der Fahrt zu vermöbeln, sondern meinen Zorn mit Worten und Sprachmodulation auszudrücken. Das nur als Beispiel. Den Zorn dann vom ICH komplett zurückzuhalten, das vergiftet m.E. Körper und Psyche. Den Zorn dann "kommen zu sehn" und verrauchen zu lassen, halte ich hier auch für möglich, aber für schwieriger, außerdem ist dazu m.E. eine Tendenz nötig, sich nicht mehr mit dem Körper zu identifizieren. Das mag ich nicht so. Der Zorn kommt hier m.E. aus meinem Inneren, Selbst, Körper oder wie man es ausdrücken will. Erst, wenn der Ausdruck jetzt behindert wird, nistet sich die Wut ein. Merke ich aber, dass mein Zorn überdimensional groß ist, liegt es an mir, das zu erkennen und nach einem Realitätsprinzip dann doch noch vernünftig auszudrücken und die Ursachen für meine offensichtlich Übertragung auf eine ganz andere, zeitlich viel frühere Gegebenheit, herauszufinden. Die riesige Dimension der Wut kommt dann nicht mehr aus dem Inneren, sondern aus dem ICH. Es scheint hier eine Art "Speicherfunktion" auch für Gefühle zu haben. Diese sind in meinem Verständnis so unecht, wie das ICH selbst. Dort könnte man dann von meinem Kauderwelsch (endlich) zu deiner Frage2 überleiten.
Das extreme Kontrollieren führt scheinbar schon zum Erfolg und kann dich auch schützen. Wie aber die Freude am Leben, am Körper und am Gefühl auf diese Art noch erhalten bleibt, empfunden wird, das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Ich spreche es „euch“ aber nicht ab. Allenfalls hab ich etwas dagegen, wenn ein „Kontrollierer“ einem anderen seine Lebensweise aufzwingen will, was wir hier in Deutschland oder z.B. USA als Pädagogik kennen. Die meisten Menschen gehen diesen Weg nicht so bewusst wie du, sie plappern nur nach. Das ist vielleicht der Unterschied, zwischen dir und dem Moralisten.
Leider besteht beim „Kontrollierer“ auch das Risiko, dem Größenwahn zu verfallen, wie ich es mitunter bei Freunden der TM bemerke. Das finde ich unsympathisch.
Frage 2: Körperlich und emotional sind für dich das Gleiche?
Ja. Das muss man nicht so sehen. Weiß schon. Emotionen kommen möglicherweise, wie du vielleicht gerade eintippen wolltest, aus verschiedenen Teilen. Aber ich behandle das Physische und das Psychische wie eine funktionale Einheit. Der Verstand entwickelt m.E. nicht die Gefühle, er beeinflusst nur ihren Ausdruck. Nun will ich das aber nicht absolut sehen, denn bei diesen Dingen empfinde ich es besser, jeder entwickelt seine eigene Vorstellung, mit der er auch arbeiten kann. Wenn du meinst, das Gefühl kommt von außen und du lässt es an dir vorbeischweben oder durch dich durch...ist das doch ok.
Es geht um Selbstbeherrschung, ein wesentliches Merkmal des Menschseins.
Ja, das ist der Punkt, wo wir uns nicht einigen müssen.
von e-a-s: Diese Ursache wird vielleicht klarer, wenn man eine Rechtfertigung dafür liefern muss, Triebtäter (,die schliesslich nichts weiter tun, als ihre Emotionalität völlig unkontrolliert zu leben) bestrafen oder auch nur aus dem Verkehr ziehen zu wollen.
Hmmm, ja. Triebtäter bestrafen, in der Annahme der destruktive Trieb würde nur nicht richtig beherrscht, das ist ein verbreiteter Aberglaube. Aber wie sollen es die Menschen auch anders sehen, wenn selbst Freud an einen Todestrieb glaubte, er aber m.E. seine Beobachtungen aufgrund der verhältnismäßig geringen Anzahl seiner Patienten möglicherweise mit überwiegend masochistischen Tendenzen in der Charakterstruktur seiner Patienten verwechelte. Aber auch das kann man anders sehn.
Viele Grüße
Bernd (du liebe Zeit, hier schneit es gerade heftig, und übermorgen ist Mai
)