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Kann der Mensch Objektivität anstreben?

mwirthgen

New Member
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20. Dezember 2002
Beiträge
969
Schon seit der Zeit der hellenistischen Philosophen gehört es zu den grundlegenden philosophischen Einsichten, dass uns jedes KRITERIUM FÜR WAHRHEIT fehlt. Viele Jahrhunderte hat aber die christlich-religiöse Überzeugung von der Existenz einer "Wahrheit" - die ich niemandem streitig machen möchte - vielen den Eindruck vermittelt, dass man an Objektivität nicht nur glauben kann, sondern dass sie außerdem erkennbar sei. Der Blick des Moses auf Saum des Mantels Gottes, hat da wohl tendenziös gewirkt. Philosophie als jahrhunderlange 'Magd der Theologie' sah sich darum veranlasst, gläubiger Überzeugung durch allerlei 'objektive Erkenntnis' zur Hilfe zu eilen. Dieses Hilfeleisten führte zur Ausbildung der "Zwangsvorstellung", dass 'Objektivität erkennbar sein muss'. Selbst Kants fundiertes, abschlägiges Urteil auf diesem Gebiet konnten daran bis heute nichts ändern. Irgendwie wird man sich doch dieser Wahrheit annähern können, meint doch selbst der sonst so klarsichtige Popper. Und dazu müssen alle die "Wahrheiten" herhalten, die man glaubt in den verschiedenen Wissenschaften und Lebensbereichen entdeckt zu haben.

Heute sind wir nun in der fortgeschrittenen Lage, dass die neurophysiologische Forschung Beobachtungen liefert, die die Suche nach der Objektivität als eine "mythische Sehnsucht" entlarven könnten. Die physiologische Aktivität unseres Körpers filtert sensorische Daten. D.h. es entsteht auf jeden Fall ein individuelles Bild der Dinge.

Wenn schon nicht die Erkenntnistheorie, vielleicht kann dann die Neurophysiologie endlich der menschlichsten aller Einsichten auf den Weg helfen: Objektivität ist unerkennbar, weil individuelle Sichtweisen unumgehbar sind.

mwirthgen
 
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AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

Deine weitgehend geschichtlichen Ausführungen bezugnehmend auf jene anerkannten Persönlichkeiten, technische Errungenschaften usw. ist sehr eindrucksvoll mit dem klaren Ziel, die Objektivität als unmöglich zu deklarieren.

Nachdem man als Leser zumindest davon ausgehen kann dass deine Ausführungen, mwirthgen, von philosophisch- und/oder philosophiegeschichtlich-fachlicher Kompetenz untermauert sind, hätte ich da eine Frage:

Nach wessen Definition bzw. nach welcher Definition betrachtest du Objektivität?

Alles (=) Liebe, Ernesto ~:)
 
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

mwirthgen schrieb:
Wenn schon nicht die Erkenntnistheorie, vielleicht kann dann die Neurophysiologie endlich der menschlichsten aller Einsichten auf den Weg helfen: Objektivität ist unerkennbar, weil individuelle Sichtweisen unumgehbar sind.

mwirthgen

Endlich wird die Frage nach der Objektivität und ihrer Wahrnehmung hier richtig gestellt: kann der Mensch...und nicht so wie in einem anderen Thread ob er soll oder muss. Dass das Bestreben die objektive Wahrheit (so sie überhaupt besteht) zu erkennen schon immer den Menschen beschäftigt hat, ist einleuchtend.

Was die Neurophysiologie betrifft vermute ich, genau wie auch beim Thema des freien Willens, dass sie allein diese Frage nicht beantworten kann.
Es ist, wie auch bei anderen Themen, eine Fragestellung die nur interdisziplinär zu beantworten ist, also von Seiten einiger der Wissenschaften - in erster Linie auch der Psychologie.

Freundliche Grüße

Miriam
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

hallo, forianer!

ja, ja die neurophysiologie, diese wunderwerk menschlicher brillanz!
sie wird uns schon retten wie zuvor eine andere wissenschaft mit anderen namen (theologie oder so ähnlich).

übrigens, damit ist meine meinung zum threadtitel z.t. schon widergegeben!
 
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

Nach wessen Definition bzw. nach welcher Definition betrachtest du Objektivität?Alles (=) Liebe, Ernesto ~:)

Unter Objektivität verstehe ich das, was der Brockhaus dazu sagt, von dem ich ausgehe, dass er den allgemeinen Sprachgebrauch eines Wortes wiedergibt:

Objektivität [lateinisch] die, erkenntnistheoretischer Begriff für die überindividuelle, unabhängig vom Einzelnen bestehende Wahrheit eines bestimmten Gegenstandes (Objekts), Sachverhalts oder einer Aussage; auch die Eigenschaft der Unabhängigkeit von individuellen Umständen, historischen Zufällen oder beteiligten Personen. (Brockaus in 15 Bänden)

mwirthgen
 
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

Was die Neurophysiologie betrifft vermute ich, ..., dass sie allein diese Frage nicht beantworten kann. Miriam

Davon gehe ich auch aus. Mir dienen die Forschungsergebnisse der Neurophysiologie nur als Hinweis darauf, dass die Unmöglichkeit objektiver Erkenntnis nicht bloß eine philosophische Erfindung, sondern auch ein experimentell nachvollziehbarer Sachverhalt zu sein scheint. 'Sensualistische Philosophie' könnte demnach nicht bloß ein Fußnötchen der Philosophie zu sein, sondern wäre von zentraler Bedeutung. Dies ist auch hinsichtlich des Wunsches nach einer interdisziplinären Antwort nicht unerheblich.

mwirthgen
 
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

"Kann der Mensch Objektivität anstreben?"

Manche tun es.

lg Frankie
 
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

Objektivität ... die überindividuelle, unabhängig vom Einzelnen bestehende Wahrheit ...

Dieser Anspruch: UNABHÄNGIG VOM EINZELNEN. ist wohl die zentrale Aussage in der Definition.

Ich nehme also an, du meintest im ersten Beitrag von Dir, dass es nichts Erfassbares gibt dass unabhängig vom Erfassenden ist?!

Nichts erkennbares unabhängig vom Erkennenden.
Nichts verstehbares unabhängig vom Verstehenden.
Nichts sehbares unabhängig vom Sehenden.
Nichts fühlbares unabhängig vom Fühlenden
....

Stimmst du dem zu?!

Alles (=) Liebe, Ernesto ~:)
 
AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?


... und versäumen dabei die alltäglichen Dinge, die ein menschliches Leben m.E. 'reich' machen. Sie gleichen Menschen, die wenn sie sitzen, bereits stehen, wenn sie stehen, bereits gehen. Dabei käme es darauf an zu sitzen, wenn man sitzt und zu stehen, wenn man steht, damit man dann auch gehen kann, wenn man geht.

mwirthgen :)
 
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AW: Kann der Mensch Objektivität anstreben?

Ich nehme also an, du meintest im ersten Beitrag von Dir, dass es nichts Erfassbares gibt dass unabhängig vom Erfassenden ist?!

Nein. Derartiges kann ich gar nicht meinen, weil es für mich nur 'individuelle Sichtweisen' gibt. Für mich ist Objektivität daher nicht zugänglich und ich kann darüber auch keine Aussagen machen.

Nichts erkennbares unabhängig vom Erkennenden.
Nichts verstehbares unabhängig vom Verstehenden.
Nichts sehbares unabhängig vom Sehenden.
Nichts fühlbares unabhängig vom Fühlenden
....

Stimmst du dem zu?!

'Erkenntnis' ist für mich ein Wort ohne Inhalt. Denn 'Erkenntnis' hat es immer auf Objektivität abgesehen, die mir aber nicht zugänglich ist. 'Verstehen' kann ich allenfalls mein Eigenes; sehen nur das, was meine physiologischen Funktionen mir zur Beobachtung vorlegen, fühlen nur das, was ich fühle. Aussagen darüber hinaus, müsste ich grundlos machen und sie wären daher nichts als Luftschlösser. :)

gruß mwirthgen
 
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