Daß niemand für sich selbst leben kann, steht außer Frage. Wir sind abhängig von anderen, einer von Regeln bestimmten Gemeinschaft, der intakten Nature. Doch sind wir auch abhängig von Gott? Die Bejahung dieser Frage versteht sich heute nicht mehr von selbst. Anders verhält es sich in den Religionen. In deren Frühzeit bedarf es der Hilfe gottheitlicher Wesen, sobald sich Regelwidriges ereignet. In der Neuzeit jedoch ist ein solches höheres Wesen, das wir Gott nennen, immer entbehrlicher geworden. Das rasant angewachsene Wissen um die Naturvorgänge und deren Handhabung zugunsten des Menschen drängt den Glauben an Helfergottheiten in zunehmendem Maße an den Rand. Es geht das Gerücht um, die Religion sei am Ende. Ist sie es wirklich? Mitnichten.
Blicken wir nämlich auf unser Ende voraus und auf die Katastrophen, die der Erde und unserem Sonnensystem drohen, so könnte uns nichts Besseres widerfahren, als einen allmächtigen Helfer zu finden, der unser fatales Schicksal wendet, sofern es ihn denn gäbe. Die monotheistischen Religionen verkünden die Botschaft, daß es so sei. Nach christlicher Tradition sei Gott zu Weihnachten der Menschheit so nahe gekommen, daß er in Jesus von Nazareth Menschengestalt annimmt. Seinem Tod am Kreuz folgen Auferweckung und Himmelfahrt. Daraus erwächst die Hoffnung, daß der zu Gott Erhöhte wiederkehrt und das Gericht hält über Tote und Lebende. Diese Botschaften kommen der Sehnsucht des Menschen, den Tod aufzuheben, entgegen. An Jesus, so heißt es, habe sich vorweg erfüllt, was auch die Seinen erwarten dürfen. Doch hält diese Botschaft, die an unseren Glauben appelliert, einer kritischen Betrachtung stand? Keineswegs. Denn der allmächtige Helfergott, auf den sich menschliche Sehnsucht richtet, wird als gegeben immer schon vorausgesetzt. Als solcher entfalte er seine Wirkungen in der Schöpfung, der Geschichte und im Leben des Einzelnen. Denn ein Gott, der den Seinen nicht nahe ist und ihnen in der Not zur Hilfe eilt, wäre unnütz.
In demselben Maße jedoch, wie Gottes Eingriffe in der Welt fragwürdig werden, gerät auch die Voraussetzung ins Wanken, daß Gott überhaupt sei. Und das ist in mehrfacher Hinsicht der Fall. Weltbilder als menschliche Konstrukte dienen der Wirklichkeitsbewältigung, sind hypothetisch und damit überholbar. Was zählt, ist die Bewährung in der Erfahrung. Der Ausbau unseres neuzeitlichen Weltbildes, das ein jedes aus der Beziehung zu anderem erklärt, schreitet in demselben Maße voran, wie die autonomen Subjekte und Substanzen des vorneuzeitlichen Weltbildes ausgeschieden werden. Für ein Gottessubjekt bleibt kein Platz mehr. Die historisch-kritische Bibelforschung unterminiert den Anspruch von Gläubigen, in der Bibel Gottes Wort zu finden. Persönliche Gotteserfahrungen geraten ins Kreuzfeuer von Neurobiologen. Vergleichende Untersuchungen zeigen, daß Gebete in Krankheitsfällen nicht helfen Vor allem aber die immensen Leiderfahrungen durch Kriege, den Holocaust und den 11.September, lassen die alte Frage wieder aufleben, was der Glaube an einen göttlichen Helfer überhaupt noch wert sei. Zeitgenossen kreieren deswegen Slogans, die von Nietzsches ‚Gott ist tot‘ über Bettina Titt-Falckenbergs ‚Gott ist verreist’ bis hin zu Håkan Nessens ‚Gott ist in Rente’ reichen.
Das ist zwar in der Geschichte der Menschen mit Gott nicht neu. Beter im Alten Testament hadern mit ihm. Sie ängstigen sich, daß er sein Angesicht abwenden könnte, beklagen seine Ferne und wähnen sich von ihm verlassen ("Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist ferne meinem Schreien, den Worten meines Flehens", Psalm 22 Vers 2) Nur am Rande erfahren wir, daß es auch Atheisten unter ihnen gibt. Im allgemeinen aber halten die Frommen des Alten und des Neuen Bundes den Glauben an Gottes Existenz trotz aller Leiderfahrungen fest. Denn das Ende von Gottes hilfreicher Nähe im Garten Eden haben die Menschen selbst verschuldet. Das gilt auch für Israel, das sich Gott aus der Völkerwelt als Eigentumsvolk erwählt. Nationale Katastrophen geben zu verstehen, daß Gott sich nicht länger durch kultische Opfer versöhnen läßt, denn Israel verweigert ihm den Gehorsam. So bleibt letztendlich nur eine Möglichkeit, nämlich daß Gott selbst seinen berechtigten Zorn aufgibt und von sich aus die Initiative zur Versöhnung mit den Menschen ergreift. Die Botschaft des Neuen Testaments lautet deshalb, daß Gott sich mit der Menschheit versöhnt, indem er sich selbst in Gestalt seines menschgewordenen Sohnes zum sündentilgenden Opfer darbringt. Die Teilnahme an der unblutigen Vergegenwärtigung dieses Opfers in der Eucharistie der Kirche tilgt forthin die Schuld. Sie kann nicht länger als Argument für Gottes Abwesenheit herhalten. Die Leiderfahrungen unter dem der Welt ganz nahegekommenen dreieinigen Gott wurzeln daher in dessen unerforschlichem Willen, der sich aber nur von Liebe leiten läßt. Das ist zu glauben, so daß sich alle weiteren Gott wohlgefälligen Werke zu seiner Versöhnung erübrigen.
Wir stehen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite könnte nur ein allmächtiger Gott uns helfen, auf der anderen Seite fehlt ein plausibler Anhalt dafür, daß es ihn überhaupt gibt. Ein Ausweg aus dieser Sackgasse könnte in der Annahme liegen, daß der Glaube an Gott etwas vorwegnimmt, was jetzt noch gar keine Wirklichkeit hat, sondern nur erhofft werden kann. Gott müßte sich erst noch selbst erschaffen und mit sich eine Wirklichkeit, an der auch die auf ihn Hoffenden teilnehmen könnten. Es müßte eine Wirklichkeit von hörfähigen subjekthaften Größen sein, die widerspruchslos Gottes Willen tun. Die biblische Rede von Gott, auf den sich die Hoffnung der Seinen richtet, behielte ihre Gültigkeit auch weiterhin, freilich mit der Einschränkung, daß Gott nicht mehr als gegeben vorausgesetzt wird. Gott selbst und seine Wirklichkeit müßte das Ziel der Hoffnung sein. Sie könnte sich zwar als illusionär erweisen, aber die Entscheidung darüber, ob sie es tatsächlich ist, bleibt einstweilen offen. Liegt darin etwa eine Vertröstung auf die Zukunft, ist sie Opium des Volkes? Keineswegs.
Wer auf Gott hofft, will Hoffnung weitergeben. Er könnte sich ermuntern lassen, Jesus von Nazareth nachzufolgen, der zeichenhaft Gottes hilfreiche Gegenwart vorwegnimmt durch Wort und Tat. Das wäre selbst dann möglich, wenn für ihn, anders als für Jesus selbst, Gott jetzt nicht existierte. Das Verhältnis der Hoffnung zum Glauben erweist sich als ambivalent. Einerseits bedarf sie der je nach Religion unterschiedlich vorgestellten Glaubensinhalte, um sich überhaupt artikulieren zu können, andererseits stellt sie deren Ansprüche auf Wirklichkeit oder Alleingeltung in Frage.
Religionen sind zwar unentbehrlich, aber von der richtigen oder der falschen Religion kann nicht mehr die Rede sein. Die unablässigen Versuche christlicher Theologen, Glaube und aufgeklärte Vernunft miteinander in Einklang zu bringen, würden entfallen. Schöpfung wäre ebenso ein Traum wie Gottes Menschwerdung oder sein lebenschaffender Geist in allem. Aber diese Träume könnten Wirklichkeit werden. Gott ist jetzt nicht, aber er könnte es sein.
Blicken wir nämlich auf unser Ende voraus und auf die Katastrophen, die der Erde und unserem Sonnensystem drohen, so könnte uns nichts Besseres widerfahren, als einen allmächtigen Helfer zu finden, der unser fatales Schicksal wendet, sofern es ihn denn gäbe. Die monotheistischen Religionen verkünden die Botschaft, daß es so sei. Nach christlicher Tradition sei Gott zu Weihnachten der Menschheit so nahe gekommen, daß er in Jesus von Nazareth Menschengestalt annimmt. Seinem Tod am Kreuz folgen Auferweckung und Himmelfahrt. Daraus erwächst die Hoffnung, daß der zu Gott Erhöhte wiederkehrt und das Gericht hält über Tote und Lebende. Diese Botschaften kommen der Sehnsucht des Menschen, den Tod aufzuheben, entgegen. An Jesus, so heißt es, habe sich vorweg erfüllt, was auch die Seinen erwarten dürfen. Doch hält diese Botschaft, die an unseren Glauben appelliert, einer kritischen Betrachtung stand? Keineswegs. Denn der allmächtige Helfergott, auf den sich menschliche Sehnsucht richtet, wird als gegeben immer schon vorausgesetzt. Als solcher entfalte er seine Wirkungen in der Schöpfung, der Geschichte und im Leben des Einzelnen. Denn ein Gott, der den Seinen nicht nahe ist und ihnen in der Not zur Hilfe eilt, wäre unnütz.
In demselben Maße jedoch, wie Gottes Eingriffe in der Welt fragwürdig werden, gerät auch die Voraussetzung ins Wanken, daß Gott überhaupt sei. Und das ist in mehrfacher Hinsicht der Fall. Weltbilder als menschliche Konstrukte dienen der Wirklichkeitsbewältigung, sind hypothetisch und damit überholbar. Was zählt, ist die Bewährung in der Erfahrung. Der Ausbau unseres neuzeitlichen Weltbildes, das ein jedes aus der Beziehung zu anderem erklärt, schreitet in demselben Maße voran, wie die autonomen Subjekte und Substanzen des vorneuzeitlichen Weltbildes ausgeschieden werden. Für ein Gottessubjekt bleibt kein Platz mehr. Die historisch-kritische Bibelforschung unterminiert den Anspruch von Gläubigen, in der Bibel Gottes Wort zu finden. Persönliche Gotteserfahrungen geraten ins Kreuzfeuer von Neurobiologen. Vergleichende Untersuchungen zeigen, daß Gebete in Krankheitsfällen nicht helfen Vor allem aber die immensen Leiderfahrungen durch Kriege, den Holocaust und den 11.September, lassen die alte Frage wieder aufleben, was der Glaube an einen göttlichen Helfer überhaupt noch wert sei. Zeitgenossen kreieren deswegen Slogans, die von Nietzsches ‚Gott ist tot‘ über Bettina Titt-Falckenbergs ‚Gott ist verreist’ bis hin zu Håkan Nessens ‚Gott ist in Rente’ reichen.
Das ist zwar in der Geschichte der Menschen mit Gott nicht neu. Beter im Alten Testament hadern mit ihm. Sie ängstigen sich, daß er sein Angesicht abwenden könnte, beklagen seine Ferne und wähnen sich von ihm verlassen ("Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist ferne meinem Schreien, den Worten meines Flehens", Psalm 22 Vers 2) Nur am Rande erfahren wir, daß es auch Atheisten unter ihnen gibt. Im allgemeinen aber halten die Frommen des Alten und des Neuen Bundes den Glauben an Gottes Existenz trotz aller Leiderfahrungen fest. Denn das Ende von Gottes hilfreicher Nähe im Garten Eden haben die Menschen selbst verschuldet. Das gilt auch für Israel, das sich Gott aus der Völkerwelt als Eigentumsvolk erwählt. Nationale Katastrophen geben zu verstehen, daß Gott sich nicht länger durch kultische Opfer versöhnen läßt, denn Israel verweigert ihm den Gehorsam. So bleibt letztendlich nur eine Möglichkeit, nämlich daß Gott selbst seinen berechtigten Zorn aufgibt und von sich aus die Initiative zur Versöhnung mit den Menschen ergreift. Die Botschaft des Neuen Testaments lautet deshalb, daß Gott sich mit der Menschheit versöhnt, indem er sich selbst in Gestalt seines menschgewordenen Sohnes zum sündentilgenden Opfer darbringt. Die Teilnahme an der unblutigen Vergegenwärtigung dieses Opfers in der Eucharistie der Kirche tilgt forthin die Schuld. Sie kann nicht länger als Argument für Gottes Abwesenheit herhalten. Die Leiderfahrungen unter dem der Welt ganz nahegekommenen dreieinigen Gott wurzeln daher in dessen unerforschlichem Willen, der sich aber nur von Liebe leiten läßt. Das ist zu glauben, so daß sich alle weiteren Gott wohlgefälligen Werke zu seiner Versöhnung erübrigen.
Wir stehen vor einem Dilemma. Auf der einen Seite könnte nur ein allmächtiger Gott uns helfen, auf der anderen Seite fehlt ein plausibler Anhalt dafür, daß es ihn überhaupt gibt. Ein Ausweg aus dieser Sackgasse könnte in der Annahme liegen, daß der Glaube an Gott etwas vorwegnimmt, was jetzt noch gar keine Wirklichkeit hat, sondern nur erhofft werden kann. Gott müßte sich erst noch selbst erschaffen und mit sich eine Wirklichkeit, an der auch die auf ihn Hoffenden teilnehmen könnten. Es müßte eine Wirklichkeit von hörfähigen subjekthaften Größen sein, die widerspruchslos Gottes Willen tun. Die biblische Rede von Gott, auf den sich die Hoffnung der Seinen richtet, behielte ihre Gültigkeit auch weiterhin, freilich mit der Einschränkung, daß Gott nicht mehr als gegeben vorausgesetzt wird. Gott selbst und seine Wirklichkeit müßte das Ziel der Hoffnung sein. Sie könnte sich zwar als illusionär erweisen, aber die Entscheidung darüber, ob sie es tatsächlich ist, bleibt einstweilen offen. Liegt darin etwa eine Vertröstung auf die Zukunft, ist sie Opium des Volkes? Keineswegs.
Wer auf Gott hofft, will Hoffnung weitergeben. Er könnte sich ermuntern lassen, Jesus von Nazareth nachzufolgen, der zeichenhaft Gottes hilfreiche Gegenwart vorwegnimmt durch Wort und Tat. Das wäre selbst dann möglich, wenn für ihn, anders als für Jesus selbst, Gott jetzt nicht existierte. Das Verhältnis der Hoffnung zum Glauben erweist sich als ambivalent. Einerseits bedarf sie der je nach Religion unterschiedlich vorgestellten Glaubensinhalte, um sich überhaupt artikulieren zu können, andererseits stellt sie deren Ansprüche auf Wirklichkeit oder Alleingeltung in Frage.
Religionen sind zwar unentbehrlich, aber von der richtigen oder der falschen Religion kann nicht mehr die Rede sein. Die unablässigen Versuche christlicher Theologen, Glaube und aufgeklärte Vernunft miteinander in Einklang zu bringen, würden entfallen. Schöpfung wäre ebenso ein Traum wie Gottes Menschwerdung oder sein lebenschaffender Geist in allem. Aber diese Träume könnten Wirklichkeit werden. Gott ist jetzt nicht, aber er könnte es sein.