Der "Bahnhofspöbler" scheint Dich ja nachhaltig zu beschäftigen.
Vertrauen ist in unseren Zeiten aber ein knappes Gut geworden. Blindes Vertrauen, selbst das der professionellen Kontrolleure, hat im Fall Wirecard über Jahre einen betrügerischen Konkurs verschleiert und schließlich den größten Finanzbetrug der deutschen Nachkriegsgeschichte offenbart. Während sie in der deutschen Öffentlichkeit und Politik jahrelang als die Vorzeige-Überflieger galten, waren sie am Ende doch nichts anderes als Akteure einer organisierten Kriminalität, und das im großen Stil. Und mit einem mit Hunderten von Millionen € in den Untergrund abgetauchten Jan Marsalek sogar noch mit einer Räuberpistole, wie aus einem schlechten Krimi.
Dagegen ist ein Hochstapler wie Postel geradezu ein lächerlicher Waisenknabe, wenn überhaupt.
Es hat eine gewisses Geschmäckle, wenn diejenigen, die es eigentlich besser hätten wissen müssen - die Kontrolleure von EY - nun mit der Schulter zucken und sich auf eingehaltene Vorschriften berufen. Man sei eben auch betrogen worden, aber wer sind sie denn eigentlich, wenn sie als Wirtschaftsprüfer auf so einen nicht einmal sonderlich raffinierten Betrug hereinfallen? Und das auch noch allen kritischen Stimmen von außen und innen zum Trotz, die es ja gab?
Man mag einwenden, Kriminelle habe es schon immer gegeben, und Heiratsschwindler, wie man sie früher nannte, auch. Schaut man sich aber mal an, in welchem Umfang mittlerweile weite Teile der Bevölkerung mit allen möglichen Tricks beschissen und betrogen werden, dann ist selbst der Fall Wirecard, für sich gesehen, nur eine Art Fliegenschiss. Man wird sich vielleicht einreden, man falle auf die moderne Form des Heiratsschwindels, den Love-Scam, nicht herein - wie blöd kann man schließlich sein? Offenbar funktioniert es aber, und Kriminelle in Afrika, die so etwas betreiben, stellen sich vor einer Fernsehkamera auch noch als "Unternehmer" dar. Andere fallen auf Geldanlagen, nicht existierende Ferienwohnungen oder auch nur Produktfälschungen oder Produkte ohne Funktion herein - womit bescheissen die Chinesen denn eigentlich nicht?
Kein Wunder also, dass die Leute kein Vertrauen mehr haben.
Was sich geändert hat ist der Umstand, dass der Einzelne über die Medien immer öfter von diversen Fällen erfährt. Natürlich gibt es bei 8 Milliarden Menschen mehr Delikte als bei 4 Milliarden Menschen, und die Informationsexplosion durch die diversen (neuen) Medien tun ihr Übriges.
Es ist in Etwa so, wie wenn man sein Frühstücksbrot im Mikroskop betrachtet und sieht, welche und wie viele Exemplare diverser Mikroorganismen, darunter auch pathogene, darauf ihr Dasein fristen. Da mag einem schon der Appetit vergehen. Das heißt aber nicht, dass es jemals anders war.
Kurz, vermehrtes Vertrauen führt zu mehr Prosperität, macht aber auch anfälliger für Missbrauchsfälle. Man braucht aber nur verschiedene Länder vergleichen und Korrelationen zwischen Wohlstand und Grundvertrauen der Menschen untereinander suchen. Man wird sehen, je mehr die Menschen
einander vertrauen, desto besser geht es ihnen, desto höher die Lebensqualität in jenen Ländern. Rechtspopulistische Parteien, Bahnhofspöbler und Verschwörungstheoretiker wollen dieses Grundvertrauen torpedieren. Sei es aus malignen Gründen oder einfach aus unsäglicher Dummheit, wenn sie
mit ihren Hetzparolen und Zwietrachtsäen reüssieren, verlieren alle.