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In memoriam Heinrich Heine (13.12.1797-17.02.1856)

Hartmut

Well-Known Member
Registriert
15. August 2005
Beiträge
3.007
Hallo Freunde der Kultur,

Heinrich (Harry) Heines Todestag jährt sich bald zum 150. Mal.

Wie ich in einem anderen Thread schon schrieb: Heine wurde auf dem Friedhof Montmartre in Paris beigesetzt. Auf seinem Grabstein, den Wiener (!) Bürger stifteten, kann man sein Gedicht "Wo?" lesen:

Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin! Mich wird umgeben
Gottes Himmel, dort wie hier,
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.​

Ich nehme an, dass dieses Gedicht, und besonders seine letzten Zeilen, zumindest unserem Claus gefallen werden!

Was halten junge Leute von Heine? Und speziell an Celine: Ist Heine nur ein deutscher Dichter?

Gruss
Hartmut
 
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Lieber Hartmut,

nein, nicht nur Claus gefällt dieses Gedicht. Bin froh, dass du zum Thema Heinrich Heine einen Thread eröffnet hast.
Heine ist und bleibt ein unerschöpfliches Thema, seine Schriften würden reichen um ein Leben lang sich darin zu vertiefen und sind immer Anlaß zum nachdenken. Ob es seine Lyrik ist, ob es um die Liebe geht, ob es die tiefsinnigen doch oft mit Leichtigkeit formulierten Bemerkungen zu seiner Zeit sind (dabei ist die Verbitterung nicht zu verkennen), oder ob es der große, aber nie derbe Spötter ist, der da schreibt...

Ich muss gestehn, dass ich tief bewegt vor einigen Jahren an seinem Grabe auf Montmartre stand. Denn er hatte meine Jugend begleitet, und war seinerzeit eine Art Gallionsfigur des Gymnasiums das ich besuchte.
Seinen Namen aber durfte die Schule offiziell nicht tragen, das war ja unter den Kommunisten...

Inhaltlich zu Heinrich Heine später mehr.

Dank von Miriam
 
In Ergänzung ein schönes Gedicht, Facettenreich, denn es zeigt uns den feinen Beobachter aber auch den Spötter, der nie versucht ist grob aufzutragen:

Heinrich Heine

(aus Buch der Lieder)

Sie saßen und tranken am Teetisch,
und sprachen von Liebe viel.
Die Herren, die waren ästhetisch,
Die Damen von zartem Gefühl.

Die Liebe muß sein platonisch,
der dürre Hofrat sprach.
Die Hofrätin lächelt ironisch,
Und dennoch seufzte sie: Ach!

Der Domherr öffnet den Mund weit:
Die Liebe sie nicht zu roh,
Sie schadet sonst der Gesundheit.
Das Fräulein lispelt: wie so?

Die Gräfin spricht wehmütig:
Die Liebe ist eine Passion!
Und präsentieret gütig
Die Tasse dem Herrn Baron.

Am Tisch war noch ein Plätzchen,
Mein Liebchen, da hast du gefehlt.
Du hättest so hübsch mein Schätzchen,
Von deiner Liebe erzählt.
 
Ich mische mich hier nur ungern ein: a) gehöre ich altersmäß nicht zu den Ansprechpartnern - Hartmut wollte junge User ermuntern, über Heine - und da vor allem über die heikle Frage der Nationalität Heines ( seinen zweimaligen Religionswechsel hast Du ja, - dankenswerter Weise - ausgelassen, lieber Hartmut ) nachzudenken.
2. - das war lange vor Eurer Zeit und Ihr könnt es deshalb nicht wissen, will Walter aus juristischen Gründen nicht, dass wir hier expressiv verbis vollständige Texte von anderen Autoren hereinstellen.

Binchen, ichund die nicht mehr präsente Userin Minni waren damals sehr dafür, weil auch wir finden/ fanden, dass das oft interessante Diskussionen evozieren kann.
Nun gut.
Auch ich hätte einen meiner Lieblingstexte von Heine anzubieten: ( ich zitiere aus dem Gedächtnis - Fehler sind möglich)

Wer zum ersten mal liebt
und sei`s auch glücklos, ist ein Gott.
Aber wer zum zweiten Male
Glücklos liebt, der ist ein Narr.

Ich, ein solcher Narr,ich liebe
wieder ohne Gegenliebe!
Sonne, Mond und Sterne lachen,
und ich - lache mit - und sterbe.


Walter, sorry, ich kenne die Regel und breche sie. Aber bei Heine kann ich nicht widerstehen - bin ihm doch zu ähnlich! Bis auf den Todestag *ggrr*

Marianne
 
oder auch das:
Der Brief, den du geschrieben,
er macht mich gar nicht bang;
du willst mich nicht mehr lieben,
aber dein Brief ist lang.

Zwölf Seiten, eng und zierlich!
Ein kleines Manuskript!
Man schreibt nicht so ausführlich,
wenn man den Abschied gibt.​
 
.....oder das:


Mein Herz, mein Herz ist traurig,
doch lustig leuchtet der Mai;
ich stehe, gelehnt an der Linde,
hoch auf der alten Bastei.

Da drunten fließet der blaue
Stadtgraben in stiller Ruh;
ein Knabe fährt im Kahne,
und angelt und pfeift dazu.

Jenseits erheben sich freundlich,
in winziger, bunter Gestalt,
Lusthäuser, und Gärten, und Menschen,
und Ochsen, und Wiesen, und Wald.

Die Mägde bleichen die Wäsche,
und springen im Gras herum;
das Mühlrad stäubt Diamanten,
ich höre ein fernes Gesumm.

Am alten grauen Turme
ein Schilderhäuschen steht;
ein rotgeröckter Bursche
dort auf und nieder geht.

Er spielt mit seiner Flinte,
die funkelt im Sonnenrot,
er präsentiert und schultert -
ich wollt, er schösse mich tot.

Rhona
 
Heine und die Deutschen

Hallo Rhona,

fast dachte ich, dass junge Leute mit Heine nichts mehr anfangen können. Du hast den Gegenbeweis geliefert. Danke!

Bisher haben wir vor allem dem lyrischen Heine gehuldigt. Aber es gibt auch den politischen und sozialkritischen Heine, der mit scharfer und spöttischer Zunge Missstände des 19. Jahrhunderts anprangerte ("Wintermärchen", "Weberlied"). Den Lyriker Heine verehren die Deutschen (Loreley ...), den Sozialkritiker und "vaterlandslosen Gesellen" dagegen sehr viel weniger.

Irgendwie spürt man das zwiespältige und unsichere Verhalten der Deutschen zu Heine auch im Vorfeld seines 150. Todestages. Die dreiteilige ZDF-Sendung "aspekte" weiss m.E. mit Heine nichts Gescheites anzufangen. Ich habe zwar den ersten Teil nicht gesehen (nur unter zdf.de nachgelesen), aber der zweite Teil war m.E. ziemlich daneben: Heine war gar nicht "der arme Poet", sondern besass sogar Aktien! Und der dritte Teil soll sich, wie kann es anders sein, mit Heines Verhältnis zu den Frauen befassen.

Geld und Frauen: ist es das, weshalb wir Heines gedenken? Sind wir mit Goethe und Schiller auch so verfahren?

Dies fragt sich kopfschüttelnd
Hartmut
 
Miriam schrieb:
Seinen Namen aber durfte die Schule offiziell nicht tragen, das war ja unter den Kommunisten...

Hallo Miriam,

was hatten die Kommunisten gegen Heine? Soviel mir bekannt ist, wurde Heine von Marx sehr geschätzt. Und Marx war doch der "Gott" der Kommunisten!

Der Historiker Franz Mehring schrieb über Heine:

"Was ihn mit Marx verband, war der Geist der deutschen Philosophie und der Geist des französischen Sozialismus, war die gründliche Abneigung gegen ... das falsche Teutonentum ...
Seine Schriften leben fort und fort; sie erregen den Zorn der Enkel noch ebenso, wie sie den Zorn der Grossväter erregt haben."

Da kann ich nur beipflichten.

Gruss
Hartmut
 
Mir fällt ganz ad hoc etwas ein. Es gibt einen Literaturwissenschaftler, der sich sehr viel mit Heine befasst hat: alles: Leben, Werk , Textanalyse usw. -
Hans Mayer.

Der sagte oder schrieb halt, dass Heine wegen seiner - nicht nur sprachlichen Tollheiten - oft als genauer Recherchierer verkannt wird. Aber es ist ja bekannt, dass er als Korrespondent der ""Allgemeinen Zeitung" und französischer Journale seinen Lebensunterhalt verdiente, und er schon aus diesem Grunde sorgfältig sein musste.
Aber dass sogar sein Werk " Deutschland, ein Wintermärchen" haargenau den damaligen deutschen Verhältnissen entsprang, glaubt man nicht so ohne weiteres.

Aber es hat schon seine Gründe, dass er von der französischen Regierung eine Art Rente erhielt, als er nach dem Hambacher Fest in Deutschland nicht mehr gedruckt werden durfte.
Heine war ein zutiefst politischer Mensch.


folgendes Gedicht gibt darüber Auskunft.





Enfant Perdu

Verlorner Posten in dem Freiheitskriege,

Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus.

Ich kämpfe ohne Hoffnung, daß ich siege,

Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus.



Ich wachte Tag und Nacht - Ich konnt nicht schlafen,

Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar -

(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven

Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war).



In jenen Nächten hat Langweil' ergriffen

Mich oft, auch Furcht - (nur Narren fürchten nichts) -

Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen

Die frechen Reime eines Spottgedichts.



Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme,

Und nahte irgendein verdächt'ger Gauch,

So schoß ich gut und jagt ihm eine warme,

Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch.



Mitunter freilich mocht es sich ereignen.

Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut

Zu schießen wußte - ach, ich kann's nicht leugnen -

Die Wunden klaffen - es verströmt mein Blut.



Ein Posten ist vakant! - Die Wunden klaffen -

Der eine fällt, die andern rücken nach -

Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen

Sind nicht gebrochen - nur mein Herze brach.




Hartmut, nicht böse sein, dass ich alte Gurke mich hier in diesem Thread melde. Aber bei Heine werde ich hemmungslos.

Marianne
 
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Hartmut schrieb:
Hallo Miriam,

was hatten die Kommunisten gegen Heine? Soviel mir bekannt ist, wurde Heine von Marx sehr geschätzt. Und Marx war doch der "Gott" der Kommunisten!

Der Historiker Franz Mehring schrieb über Heine:

"Was ihn mit Marx verband, war der Geist der deutschen Philosophie und der Geist des französischen Sozialismus, war die gründliche Abneigung gegen ... das falsche Teutonentum ...
Seine Schriften leben fort und fort; sie erregen den Zorn der Enkel noch ebenso, wie sie den Zorn der Grossväter erregt haben."

Da kann ich nur beipflichten.

Gruss
Hartmut

Hallo Hartmut,

wir durften vielerlei Feierlichkeiten und Heine-Gedenktage abhalten, das war erlaubt - und ich weiss noch, dass dabei immerwieder gerne "Die schlesischen Weber" als Sprechchor vorgetragen wurden.
Nach draussen aber hiessen zu dem Zeitpunkt die Schulen ganz anders - da wurden die kommunistischen Helden geehrt. Also Heine war nur so ein Stück interner Luxus. Zu dem Zeitpunkt konnten die meisten der Schüler von Hausaus Deutsch (im Unterricht gab es Deutsch fast nicht). Die Lehrer, einige von ihnen stammten aus der Bukovina, sprachen sowieso gut Deutsch.
 
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