AW: Hinter den Spiegeln
Ali,
das stimmt nicht!
Du selbst hast auf das Wolkenstein-Forum verwiesen,
wo sich der Opa Pscht über den Biersäufer Markus mokiert.
"kls" war also hier schon eingeführt, bevor Anja den Namen erwähnt hat.
... na also, es geht ja doch! Warum denn nicht gleich so?
> Das musste auch einmal in aller Klarheit gesagt werden. <
Genau. Klarheit! Ganz klar. Incl. Unsicherheitsprinzip. Was das ist? Da bin ich mir nicht ganz sicher. Und wenn ich selber der erste Petzer gewesen sein sollte, tja, in diesem Fall hat meine Mutti Schuld und ich bin nur wieder Mal gewohnheitsmäßig ins erst beste Fettnäpfchen gestolpert. Passiert mir dauernd, mit 63 Jehren immer öfter, - ich wollte und will keine Reklame für ein anderes Forum machen. Klar?
Und nun hänge ich auf vielfachen, von mir als völlig selbstverständlich vorausgesetzten Wunsch das 1. Kapitel. Es ist ein Märchen und gehört vermutlich in einen ganz anderen oberen Unterordner. Es gehört zu Anjas Bild, welches sonst etwas Zusammenhanglos wirken mag.
Kapitel Eins. Opa macht die Bekanntschaft einer netten Frau.
Nach dieser geistigen Hygienemaßnahme fühlt Opa sich etwas besser und denkt kurz über die Notwendigkeit von mentalem Klopapier nach. Zu unser aller Freude behält er diese Überlegung aber für sich. Es gibt Wichtigeres zu klären. Etwas geht hier gar nicht in Ordnung. Seltsames geschieht! Sehr Seltsames, um nicht zu sagen: Äußert Seltsames! Völlig seltsamer als das Standartseltsame. Opa Pscht findet das Wort „Seltsam“ so seltsam, dass er es bei jeder passenden Gelegenheit anbringt, von den unpassenden Gelegenheiten ganz zu schweigen. Er kneift die Augen zusammen und blickt sein Spiegelbild fest an. Dann zuckt er mit den Schultern, dreht sich ab und verlässt den Flur. Aus den Augenwinkeln sieht er erneut etwas Seltsames, doch das scheint ihn nicht zu kümmern. Er schaut nicht zurück. Er wirft im Arbeitszimmer einen uralten PC an, dafür braucht es beide Hände und eine Kurbel.
Opa Pscht wohnt unter seltsamen Umständen. Er besitzt nicht nur einen privaten Jungbrunnen unter dem Bett (Der allerdings nicht jünger macht, sondern nur das Altern aufhält. Opa fand den Brunnen erst mit 64 Jahren. Was mit den jünger machenden Jungbrunnen passierte, bleibt vorläufig auch weiterhin ein Rätsel), sondern auch ein fliegendes Snowboard, einen Dschinii in der Tube, eine magische Glühbirne, die jeden Wunsch erfüllt, eine geheimnisvolle Salbe, die unverwundbar, eine andere, die unsichtbar macht, einen diskussionswütigen Anrufbeantworter mit Persönlichkeit, Aladins Ring, ein Tischlein deck dich, Merlins Zauberstab, - sein ganzes Wohnzimmer ist mit komischem Krimskrams zugestellt.
Opa benutzt diese Dinge nicht, das hat er gar nicht nötig. Klar, ab und an ein Schluck aus dem Jungbrunnen, und Telefonate der profanen Art lässt er vom Anrufbeantworter ausführen, aber nie, NIE! wendet er das Zauberpotential an, um sich etwa Macht, Reichtum, willige Gespielinnen in knappen Gewändern oder sonst irgendeinen Schwachsinn zu sichern. Er will damit auch nicht die Menschheit retten, die ist ihm eh nicht mehr zu retten. Nein, er sammelt Artefakte vergessener Magie, wie andere Leute Briefmarken. Hütet euch, irgendetwas anzufassen. Das Horn hier lässt 10.000 Schattenkrieger in voller Montur aus dem Boden wachsen, wenn man hinein pustet. Der Gong da würde ein Gilgamonster erscheinen lassen. Und diese Gitarre beschwört das Entsetzen in Form von 5 Musikern, die entsetzlichen Krach machen, sämtliches Gras wegrauchen und alle Biervorräte vernichten…
Und dort steht die Zeitmaschine, Ta-tah! Einstein zum Trotze. Oh ja. In den ganzen Formelsalaten, die sein EygleichEmMaCeHochZwo nach sich zog, war eine mögliche Ableitung übersehen worden, die Lichtgeschwindigkeit auszutricksen und doch noch zu überholen. Ein mathematischer Nachbrenner sozusagen. Wenn man diese Gleichung dann endlich souverän in den Griff bekommt, sind Zeitreisen nur noch ein Klacks, viel einfacher zu entdecken als kalte Kernfusion und bloß etwas schwerer zu handhaben als Fahrkartenautomaten. Klar hatte Opa das sofort für sich ausgenutzt. Er baute sich in einer fernen Zukunft eine Zeitmaschine, kehrte nach Hier und Heute zurück und hinterließ ein Duplikat als er wieder abzog. Vorher allerdings fügte er, gemeinsam mit seinem gegenwärtigen ich, Opas Weinkeller schweren Schaden zu.
Ein kurzes Wort noch zur Zeitdilitation. Es ist nicht möglich, in der Vergangenheit seinen eigenen Großvater zu töten. Die Consigleri der Kausalität lassen das nicht zu. Sie sorgen dafür, dass man stolpert und sich selber erschießt, oder es sonst wie irgendwie vermasselt, fast immer mit fatalem Ergebnis. Es ist definitiv nicht möglich, in der Vergangenheit Veränderungen an der Gegenwart vorzunehmen. Hinzu kommt die allgemein bekannte Tatsache des morphischen Feldes, welches im Quadrat zur Entfernung von der natürlichen Raumzeit immer schwächer wird. Das sorgt für zunehmende Haltlosigkeit im Handeln.
Opa kramt in einer Schublade und legt sich eine Schere, etwas Kreppband und eine Digitalkamera der ersten Generation zurecht. Während der PC Geräusche von sich gibt, die stark an eine Krähe erinnern, welche am Ende eines Abflussrohres erdrosselt wird, schneidet er ein Loch in einen Chapeau Claque, der einst Teil der Berufskleidung eines Voodoo-Zauberers war. Anschließend klickt er diverse Meldungen vom Bildschirm (Der Echtzeitschutz ist nicht mehr aktuell. Das Betriebssystem ist doch geklaut! Sie haben Post.) Dann fummelt er noch einige Minuten an sämtlichen Utensilien, setzt den Hut auf und streift einen Bademantel über. Aus dem Schrank holt er einen Karton Weihnachtsdekoration, klebt sich einige dieser geschmacklosen Sternchen auf die Schultern, Brust und Ärmel, besprüht das Ganze mit ein wenig Glitter und begibt sich wieder vor den Spiegel.
„Na? Wie steht mir der Hut? Ich bräuchte allerdings mindestens noch ein Huhn, damit es authentisch wirkt.“ Opa dreht sich kokett, es klickt leise. Opa zwinkert seinem Spiegelbild noch einmal lässig zu und setzt sich wieder an seinen PC mit Kaiser-Willem-Stempel.
Nun hören wir ihn murmeln: „Dachte ich mir doch. Mal sehen, welche Ausreden es hierfür gibt.“ Ein Nadeldrucker beginnt unwillig mit der Arbeit und jeder Techno-Archäologe würde begeistert sein.
Opa nimmt den Ausdruck, geht zum Spiegel und hält ihm das Blatt hin: „Könntest du mir das hier bitte mal erklären?“ Wir blicken Opa neugierig über die Schulter und sehen grobkörnig und in Schwarz-Weiß, doch deutlich Opas Spiegelbild, wie es ihm hinter dem Rücken die Zunge rausstreckt und eine lange Nase dreht. „Tja mein Lieber, ich hatte eine Kamera unter dem Hut, als ich mich umdrehte. Ich kann auch einen Hammer organisieren. Also, selbst auf die Gefahr hin, etwas Entsetzliches zu erfahren: Raus mit der Sprache!“
Opa Pscht sein Spiegelbild wird unsanft von einer dezidiert wirkenden jungen Frau zur Seite gestoßen, dabei sieht sie recht niedlich aus mit ihren geringelten Kniestrümpfen und dem Kleidchen im viktorianischen Stil: „O.K. – O.K.! Erwischt! Ich bin Alice und das hier war früher mal mein Spiegel. Manchmal spielt Aussehen doch eine Rolle und in diesem, ursprünglich meinem Spiegel, haben sich jede Menge Splitter deiner kernigen Ausstrahlung angesammelt, bis eigenes Bewusstsein entstand. So was passiert auch nur dir. Dein Bildnis äfft dich nach, wenn du hinsiehst und schlägt über die Stränge, sobald es sich unbeobachtet fühlt. Es ist dir nicht nur äußerlich ähnlich.“