Die Expansionsgeschwindigkeit des Universums
In diesem Jahrhundert haben Kosmologen zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, die unser Weltbild entscheidend veränderten und erweiterten: Das Milchstraßensystem und alle anderen Galaxien streben mit großer Geschwindigkeit voneinander weg; diese Fluchtbewegung ist eine Folge des Urknalls, mit dem das Universum als heißer Feuerball begann. Des weiteren hat man eine kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung entdeckt und sie dann als Relikt des frühen Universums erkannt, zudem den Ursprung der chemischen Elemente ermittelt und die großräumige Struktur und Bewegung der Galaxien erkundet.
Eine genaue Kenntnis der kosmischen Expansion ist nicht nur wichtig, um Alter und Schicksal des Universums bestimmen zu können, sondern auch, um Randbedingungen für kosmologische Theorien und Modelle der Galaxienbildung abzuleiten. Des weiteren braucht man sie, um grundlegende Größen wie den Anteil der nichtleuchtenden Materie im Weltall oder die Größe von Galaxienhaufen abzuschätzen. Und da man zudem genaue Entfernungsangaben benötigt, um Leuchtkraft, Masse und Größe astronomischer Objekte zu berechnen, hängt letztlich die gesamte extragalaktische Astronomie mehr oder weniger stark von der kosmischen Entfernungsskala ab.
Die Proportionalitätskonstante in dieser Beziehung – mittlerweile Hubble-Parameter genannt – ist sozusagen die Expansionsrate des Universums. Sie ergibt sich aus der Fluchtgeschwindigkeit einer Galaxie dividiert durch ihre Entfernung. Eine grobe Abschätzung liefert einen Wert von 100 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec. (Die Astronomen benutzen als kosmische Entfernungseinheit entweder das Lichtjahr – die Strecke, die Licht in einem Jahr zurücklegt, also etwa 9,463 Billionen Kilometer – oder das Parsec, das 3,257 Lichtjahren entspricht; ein Megaparsec sind eine Million Parsec.) Dies bedeutet, daß bei Zunahme der Entfernung um ein Megaparsec die Expansionsgeschwindigkeit um 100 Kilometer pro Sekunde zunimmt. Eine Galaxie im Abstand von 50 Megaparsec zur Erde bewegt sich demnach mit einer Geschwindigkeit von etwa 5000 Kilometern pro Sekunde von uns weg, eine andere in 500 Megaparsec Entfernung hingegen mit 50000 Kilometern pro Sekunde – das wären immerhin 180 Millionen Kilometer pro Stunde!
Aus diesen Abschätzungen ergeben sich viele Folgerungen für die Zeit seit dem Urknall, die bisherige Entwicklung und das weitere Schicksal des Universums. Ein niedriger Wert des Hubble-Parameters würde ein hohes Alter bedingen, ein hoher Wert ein niedriges: Bei 100 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec wären zwischen sieben und zehn Milliarden Jahre zu veranschlagen (das genaue Alter des Weltalls hängt von der Menge der vorhandenen Materie und von der daraus folgenden Bremsung der Expansionsbewegung ab); bei lediglich 50 Kilometern pro Sekunde und Megaparsec wären es zwischen 15 und 20 Milliarden Jahre.