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Robin
Guest
Gaius schrieb:Was ich damit meinte: Das Stelenfeld in seiner abstrakten Allgemeinheit könnte für sonst etwas stehen, meinetwegen für die anonyme Ausgesetztheit des Subjekts in den großen Städten; schon die einseitige inhaltlich-politisierende Beziehung auf die Shoah bedeutet so gesehen eine Instrumentalisierung. Oder man müßte interpretieren, die Shoah selbst sei bloß allgemein und abstrakt gewesen. Diesen Gedanken empfände ich nun wiederum als zynisch, ja, warum nicht: als obszön.
Nun ja; es ist ja DEIN GEdanke. Das musst du entscheiden, ob der obszön ist oder nicht. Im Übrigen ist ein Denkmal schon per definition ein Instrument:
so das große vollständige Universallexikon von 1739.Ein Denkmal ist ein Ding, „wodurch man eines Verstorbenen Ruhm und Namen, wie auch dessen merckwürdigste Verdienste und Thaten auch bey den spätesten Nachkommen in beständig gutem Andencken zu erhalten sucht.“
Ein Denk- oder Mahnmal hat eine Ausnahmestellung in der Kunst, weil sich bei ihm schon immer zwei Bedeutungsebenen vermischen:
Daher kann ein Denkmal niemals die Kriterien eines autonomen, freien Kunstwerkes genügen; die Frage ist natürlich, ob nicht die meisten anderen Kunstwerke dieses Problem auch haben, wenn auch verdeckt...Die künstlerische Aussage, die durch Form und Material einen Eigenwert darstellt. Und die nicht-künstlerische, die Anlaß zur Errichtung des Denkmals ist und sich meist zumindest im Titel des Monuments artikuliert.
Ich habe instumenatlisiert im Wortsinn gebraucht. Du scheinst dahinter zu vermuten, dass jemand gegen seinen Willen oder unbewusst intrumentalsiert würde. Dass die Riefenstahl, natürlich vor allem mit ihrem Parteitagsfilm ein Instrument der Propaganda liefert, steht nicht in Abrede.Riefenstahl hingegen hat in ihren damaligen Filmen den Monumentalismus und die ästhetische Säuberung des sog. 'Dritten Reichs' begleitend orchestriert, in naiver Verehrung für den 'Führer' und die von ihm propagierte Ästhetik - wo liegt da denn eine Instrumentalisierung ihrer Arbeiten z.B. zu Zwecken der Propaganda? Ihre Arbeiten sind selbst Teil dieser Propaganda,
Was ich als Ausnahme darstellte sind Propagandainstrumente, denen dann im Nachhinein noch künstlerischer Wert zugesagt wurde. So sind wahrscheinlich die meisten Propagandafilme (Jud Süß etc.) einfach zu schlecht, zu plump, um überhaupt als küntlerisch diskutabel zu gelten.
Ich postuliere nicht Reinheit. Adorno tut das und man sieht, wie diese Argumentation sich dann verkehren kann, wenn man sie als Rechtfertigung von eigentlich durch das Naziregime korrumpierter Küntler "instrumentalisiert"Zu fragen wäre nun nochmals, ob die im nationalsozialistischen Zusammenhang erzeugten Kunstwerke selbst etwas Obszönes gewinnen, allein schon dadurch, daß man weitermacht wo man verstummen müßte und dadurch das Unheil affirmiert, oder ob nur die Umstände, unter denen diese Kunst entstand, als obszön zu bezeichnen wären. Ich tendiere zu ersterem. 'Käuflich' (und sei es im metaphorischen Sinne) waren diese Künstler allemal: nun eine vorgebliche Reinheit der vom Künstler ablösbaren Werke zu postulieren, führt in die Irre, zumindest solange man von der gesellschaftlichen Zweckgebundenheit bzw. Abhängigkeit der Kunst sich überzeugt hält.
Ein paar weitere Beispiele wären sicher hilfreich. Die Frage ist natürlich, von wem und wofür damals 'Kunst' gemacht wurde;
Man könnte sagen: Das dritte Reich hat auch das Tagebuch der Anne Frank hervorgebracht. Und was ist mit den Kompositionen jüdischer Komponisten, die teilweise in den KZs entstanden und jetzt gerne wieder unter dem Label entartete Musik aufgeführt und geschätzt werden? Es wäre doch fatal, wenn man diese Werke herabsetzen würde, weil sie "unfrei" waren. Man kann dann sagen, sie waren dann gerade Ausdruck der Freiheit, weil sie Intrumente gegen die Unterdrückung waren. Aber wären sie dann als Kunstwerk "autonom"? Ich will Adorno da nichts unterstellen, ich finde eben nur die Ungenauigkeit der Definiton problematisch.
Wer sagt, Kunst müsse autonom und frei sein und gleichtzeitig eingesteht, dass das nur eine Utopie ist: Dann wäre Kunst, die dieser Idee folgt, auch wieder instrumentalisiert, nämlich im Sinne dieser Utopie. Und dass das dann auch in der Praxis so läuft, sieht man doch bei Brecht, dessen Kunst sehr wohl als instrumentalisiert für erst die sozialistische Utopie und dann deren reale Ausprägumng gesehen werden muss. Nur empfindet dies kaum jemand als obszön, oder?
Wir alle wissen, daß Adorno gerne aus der Zuspitzung heraus argumentiert, um etwas sichtbar zu machen, was sonst im Relativismus verschwände: genau daran entzündet sich die Reflexion.
Historisch betrachtet, hat Adorno offensichtlich diese Funktion gehabt. Aber schon die Voraussetzung, dass alle wissen müssen, dass er zuspitzte, finde ich problematisch. Man muss sich dann nicht wundern, wenn alle zu wissen glauben, was Adorno schrieb und ihn keiner mehr liest...
Dieser Idee der negativen Utopie, soll wohl eine Dialektik erwachsen, im Gegensatz zur realen, kapitalistsisch korrupten Kunst. Aber das gibt theoretisch für mich keinen Sinn, weil die Abhängigkeit ja nicht überwunden werden kann. Autonom ist kein relativiertbarer Begriff, mann kann nicht "ein bisschen autonom" sein. Man erkauft sich nur Freiheitsgrade unter Opferung anderer Freiheitsgrade. Deswegen bringt es für mich mehr, Kunst als Kommunikation zu definieren, die dann unter den Bedingungen agiert, wie alle Kommunikation agiert: Nämlich immer in Abhängigkeiten und Wechselwirkungen.
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