Immanuel Kant gehört zu den ersten Gelehrten, die auf den möglichen Missbrauch der Empathie durch Politiker in einer Volksherrschaft (Demokratie) hingewiesen haben. Macht über das Volk werde in Zukunft nicht mehr der Herr des Schwertes, sondern der Meister des Wortes haben. Wolf Schneider hat dazu einige Zitate zusammengetragen, die zeigen, dass ein Nachempfinden der Gedanken- und Gefühlswelt der Menschen durch Politiker oder Massenmedien bzw. Journalisten eine wichtige Voraussetzung für wirksame Manipulation ist:[23]
Die Sprache sei volkstümlich und simpel. Joseph Goebbels: „Weil wir die Sprache des Volkes sprachen, haben wir das Volk erobert“.
Reizwörter sind unermüdlich zu wiederholen, weil das bloße Wiederholen eines Reizes genügt, um Sympathie auszulösen. Heinrich von Kleist: „Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr“; Goebbels: „Das Volk will nicht immer neue Eindrücke, sondern es will die alten Eindrücke in immer verfeinerter Form“.
Man ziele aufs Gefühl: Hitler: „Das Volk ist in seiner überwiegenden Mehrheit so feminin veranlagt und eingestellt, daß weniger nüchterne Überlegung als vielmehr gefühlsmäßige Empfindung sein Denken und Handeln bestimmt“. Es gelte, „das Instinktmäßige zu wecken und aufzupeitschen“.
Was ist der kürzeste Weg ins Herz? Die am weitesten verbreiteten Instinkte und Leidenschaften, die man aufstacheln muss, sind nach William Gerard Hamilton (1729–1796) Neid, Angst, Wünsche, Hoffnungen und Hass.
Heute betreiben sowohl Politiker als auch Intellektuelle und (kommerzielle) Massenmedien dieses „Geschäft“ mit Gefühlen (Stichwort Einschaltquoten).
Das erzeuge, so Joseph Schumpeter, eine feindselige, für den Kapitalismus in seiner Existenz bedrohliche soziale Atmosphäre.[24] Der Grund: Nach Ansicht von Schumpeter entwickelt die Masse des Volkes nie aus eigener Initiative heraus feste Ansichten. Vielmehr bedarf es Gruppen, in deren Interesse es ist, den Groll zu steigern, zu organisieren, zu hegen und zu pflegen. Das Entfalten von Revolten durch das Auslösen der besonders wirksamen, negativen Emotionen wie Angst, Neid, Wut, Frustration oder Ohnmacht sei ein Geschäft, das sich bei Erfolg auszahle (verkaufte Auflage, Popularität etc.).
Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Berufsstand der Intellektuellen, wozu insbesondere Journalisten zählen. Diese Personengruppe beherrscht den Umgang mit dem gesprochenen oder geschriebenen Wort – allerdings trägt sie keine Verantwortung für praktische Dinge (oder für die Folgen ihrer Handlungen). Ferner fehlen ihr Informationen aus erster Hand, wie man sie nur durch tatsächliche Erfahrung erwerben kann. Schumpeter stellt abschließend die rhetorische Frage, ob es sich um Leute handele, „… die über alles reden, weil sie nichts verstehen?“[25]